Treffen von Bundeskanzler Kohl mit Russlands Praesident Jelzin |
Moskau/Sarajewo. Bundeskanzler Kohl und Russlands Praesident Jelzin haben heute
in Sawidowo an der Wolga ihre Gespraeche ueber den Bosnien-Konflikt fortgesetzt.
Nach Angaben aus Bonn wollte Kohl erreichen, dass Jelzin seinen Einfluss auf die
Serben verstaerkt geltend macht. Die russische Fuehrung hat bislang eine
kritische Haltung zum NATO-Einsatz gegen die bosnischen Serben eingenommen.
Es wurde deutlich, dass Kohl und Jelzin die juengsten NATO-Angriffe gegen die
dbosnischen Serben unterschiedlich bewerten. Waehrend Kohl das Vorgehen der NATO
verteidigte, rief Jelzin den Westen erneut auf, alle Kriegsparteien in Bosnien
in gleicher Weise zu behandeln und die Sanktionen gegen Restjugoslawien
aufzuheben. Zum Abschluss seines Treffens mit Bundeskanzler Kohl erklaerte der
Praesident heute in seiner Residenz bei Moskau, er sei mit dem deutschen
Regierungschef grundsaetzlich einig, dass Gewalt zur Beilegung des
Bosnien-Konflikts eigentlich vermieden werden solle. Kohl sei im uebrigen nicht
dagegen, dass ein Treffen der Staatschefs von Serbien, Kroatien und Bosnien in
Moskau stattfinde, betonte Jelzin. Der Bundeskanzler sagte vor Journalisten auf
dem Moskauer Flughafen, ein solches Treffen muesse aber gut vorbereitet sein.
Bundesaussenminister Kinkel schilderte unterdessen erhebliche Differenzen mit
Russland in der Bosnien-Kontaktgruppe. In einem Interview der "Stuttgarter
Zeitung" sagte er, Moskau habe zunaechst ein gewisses Verstaendnis fuer die
militaerische Reaktion der NATO auf die serbischen Angriffe gezeigt, spaeter
aber dann eine andere Position vertreten. |
Kinkel fuer Hilfe durch Deutschland bei Wiederaufbau Bosniens |
Die Europaeische Union und insbesondere Deutschland muessen sich nach Ansicht
von Bundesaussenminister Kinkel im Falle einer positiven Entwicklung des
Friedensprozesses am Wiederaufbau Bosniens beteiligen. Allerdings muesse noch
geprueft werden, in welcher Form die Bundesrepublik dazu beitragen koenne,
sagte Kinkel gegenueber der Zeitung "Welt am Sonntag". Denkbar waere nach
seinen Worten eine Art Marshall-Plan wie im nahoestlichen Friedensprozess.
Der bosnische Ministerpraesident Silaisic (sp?) hatte am Wochenende in Bonn
verlangt, dass die Europaeische Union und auch die Vereinigten Staaten Geld
fuer den Wiederaufbau des Landes bereitstellen. |
IG-Chemie Vorsitzender Rappe fuer flexiblere Arbeitszeiten |
Koeln. Fuer flexiblere Arbeitszeiten unter Einbeziehung des Wochenendes hat
sich der Vorsitzende der IG-Chemie Rappe ausgesprochen. In einem Interview
mit dem Deutschlandfunk betonte Rappe, dass auf diese Weise mehr
Arbeitsplaetze geschaffen werden koennten. Eine Veraenderung der
Schichtsysteme trage zur notwendigen Kostenverbesserung in den Unternehmen
bei. Rappe, der auf dem morgen beginnenden Kongress seiner Gewerkschaft nach
13jaehriger Taetigkeit aus seinem Amt als Vorsitzender ausscheidet,
plaedierte ferner dafuer, den Betriebsparteien bei der Regelung von
Arbeitszeiten groesseres Gewicht zukommen zu lassen. Allerdings koenne das
nur auf der Grundlage von Flaechentarifvertraegen geschehen. Es duerfe nicht
dazu kommen, betonte der SPD-Bundestagsabgeordnete, das Arbeitgeber aus den
Verbaenden austreten. Die Gewerkschaften brauchten starke Kontrahenten. Rappe
zeigte sich im uebrigen ueberzeugt, dass die Wettbewerbsfaehigkeit der
deutschen Industrie nicht allein ueber die Tarifpolitik verbessert werden
koenne. Notwendig sei auch ein forciertes Eintreten fuer Forschung und
Innovation. Im hessischen Rundfunk setzte sich Rappe dafuer ein, in den
naechsten 10 bis 15 Jahren ein sicheres Atomkraftwerk in Deutschland zu
entwickeln. |
Streit in Bonner Koalition um Dauer des Solidaritaetzuschlages |
Die Parteien der Bonner Koalition sind sich ueber die Dauer des
Solidaritaetszuschlages nicht einig. Der saechsische Wirtschaftsminister
Schommer (sp?) (CDU) und der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion
im Bundestag Krueger sagten der "Bild am Sonntag", der Zuschlag auf die Lohn-
und Einkommenssteuer muesse noch mindestens weitere zehn Jahre erhoben
werden. Die neuen Laender seien bis weit in das naechste Jahrtausend auf die
Hilfe des Bundes angewiesen. Die Gelder seien notwendig, um die Industrie zu
modernisieren, die Infrastruktur zu verbessern und den Wohnungsbau
voranzutreiben. Mit einem endgueltigen Abbau der Solidarabgabe nach dem Jahr
2000 rechnet auch der CDU-Wirtschaftsexperte Ost. Bundesfinanzminister Waigel
kuendigte gegenueber der Magdeburger Fortstimme (??) an, die Abgabe bis
spaetestens 1998 zu verringern. Dagegen bekraeftigte Bundeswirtschaftsminister
Rexrodt die Forderung der FDP, den Zuschlag schon 1998 voellig abzuschaffen.
Er begruendete dies mit der erwarteten geringeren Arbeitslosigkeit in den
beiden kommenden Jahren. Der FDP-Generalsekretaer Westerwelle betonte im
Deutschlandfunk, wer den Solidaritaetszuschlag fuer zehn Jahre festschreiben
wolle, verlange in Wirklichkeit eine Dauersteuer. |
Start der Sajus-Kapsel (sp?) zur Weltraumstation MIR |
Im Weltraumbahnhof Beikunur (sp?) in Kasachstan starteten der deutsche
Astronaut Thomas Reiter und seine russischen Kollegen Gitsenko und Arfdejef mit
einer Sajus-Kapsel zur russischen Raumstation MIR. Nach russischen Angaben
war der Start normal, alle Systeme der Sajus-Kapsel funktionierten wie
vorgesehen. An der Raumstation werden sie voraussichtlich am Dienstag andocken.
Die drei Raumfahrer loesen zwei russische Kosmonauten ab, die Mitte September
zur Erde zurueckkehren. Reiter, Gitsenko und Arfdejef sollen 135 Tage im All
bleiben und eine Reihe von Experimenten vornehmen. Hauptziel des Fluges sind
wissenschaftliche Experimente und Vorarbeiten fuer die internationale
Raumstation Alpha. Im Mittelpunkt ihrer Experimente steht die Erforschung der
Schwerelosigkeit. Auch Weltraumspaziergaenge sind geplant. Der 37jaehrigen
Reiter ist nach Ulf Merbold der zweite Deutsche, der am europaeisch-russischen
Raumfahrtprogramm EuroMIR teilnimmt und der erste westeuropaeische Astronaut,
der von den Russen zum Bordingenieur ausgebildet wurde. |
Fuldaer Erzbischof fordert Ausstieg aus Konfliktberatung fuer Schwangere |
Der Fuldaer Erzbischof Duebar hat erneut den Ausstieg der katholischen Kirche
aus der staatlichen Konfliktberatung Schwangerer gefordert. Die nach diesen
Beratungen auszustellenden Bescheinigungen seien Toetungslizenzen, sagte
Duebar in einem vorab veroeffentlichen Interview der Tageszeitung "Die Welt".
Die Kirche muesse sich von einem System verabschieden, das flaechendeckende
Abtreibungen vorsehe und ermoegliche. |
Internationale Funkausstellung in Berlin beendet |
Berlin. Knapp 495000 Menschen haben die internationale Funkausstellung in
Berlin waehrend der 9 Tage besucht. Das seien etwa 10% mehr gewesen als bei der
letzten Funkausstellung vor zwei Jahren, die noch einen Tag laenger gedauert
hatte. Die rund 750 Aussteller aus 30 Laendern melden gute bis sehr
gute Geschaeftsabschluesse und rechnen mit einem lebhaften Nachmessegeschaeft.
Im Mittelpunkt des Interesses standen die Moeglichkeiten fuer
Multimedia-Anwendungen und Online-Dienste. Die technischen Neuerungen beim
Fernsehen sind allerdings teuer. Die Nachfolgeveranstaltung findet im September
1997 statt. |
Nasrin spricht gegen Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels |
Als Schande fuer Deutschland hat die aus Bangladesh stammende Autorin
Taslima Nasrin die geplante Verleihung des Friedenspreises des deutschen
Buchhandels an die Islam-Wissenschaftlerin Annemarie Schimmel bezeichnet.
Frau Nasrin sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", sie glaube nicht,
dass die Vergabe des Friedenspreises der Verstaendigung zwischen Christen und
Moslems diene. Frau Schimmel und ihre Anhaenger folgten schlechten
Traditionen des Islam, die nicht hilfreich seien.
Das Pen-Zentrum West (sp?) der Bundesrepublik will sich, wie mitgeteilt wurde,
an einer Initiative beteiligen, um die geplante Verleihung des
Friedenspreises an Frau Schimmel zu verhindern. Die weltbekannte Professorin
hat Kritik auf sich gezogen, weil sie die Ansicht vertrat, der Roman
"Satanische Verse" von Salman Ruschti koenne als Blasphemie ausgelegt werden. |
Vierter Tag der Sachsen ging zuende |
Mit einem Festumzug in der 1000jaehrigen Stadt Rochlitz ging heute der vierte
Tag der Sachsen nach der Wiederbegruendung des Freistaats im Jahre 1990
zuende. Zehntausende Menschen hatten sich aus diesem Anlass in der
Muldenstadt eingefunden. Landwirtschaftsminister Jaenichen zeichnete die
Gemeinde Steinbach bei Annaberg-Buchholz als Sieger des Wettbewerbs "Unser
Dorf soll schoener werden" aus. |
Grossfeuer in Kunststoffabrik in Fulda |
Fulda. Ein Grossfeuer hat in einem Industriegebiet bei Fulda etwa 6 Millionen
DM Sachschaden angerichtet. Eine Halle einer Kunststoffabrik brannte
vollstaendig aus. Die Flammen schlugen 50 Meter hoch. Die Schnellbahnstrecke
Hannover-Wuerzburg musste eine Stunde lang gesperrt werden, da eine nahe
Hochspannungsleitung der Bahn aus Sicherheitsgruenden abgeschaltet werden
musste. Die Feuerwehr konnte ein Uebergreifen der Flammen auf naheliegende
Lagerhallen verhindern. Mehr als 15000 Einwohner Fuldas wurden von der
Polizei ueber Lautsprecher aufgefordert, wegen moeglicher Luftschadstoffe die
Fenster geschlossen zu halten. Messungen der Feuerwehr ergaben in der
Zwischenzeit aber, dass keine Gesundheitsgefahr besteht. Die Arbeit der
Feuerwehr war durch zahlreiche Schaulustige behindert. |
Bootsunglueck in Griechenland |
Bei einem Bootsunglueck vor der griechischen Kueste bei Galatar sind heute
frueh zwei Deutsche und zwei britische Touristen ertrunken. Sechs weitere
seien verletzt worden, teilten die Behoerden in Athen mit. Ihr Motorboot sei
offenbar durch ein falsches Manoeuver gekentert. |
Der neue Goldrausch (Sueddeutsche Zeitung) |
von Detlef Esslinger, z.Z. Berlin
Was sind das fuer Perspektiven! Samstags wird das Spiel 1860 gegen Bayern live im Fernsehen sein, aber auch Duesseldorf gegen Rostock und die anderen Partien. In der Formel 1 wird es mehr zu sehen geben als Autos, die im Kreis rumfahren: Die Zuschauer koennen in die Boxen schalten oder zur Kamera in Schumachers Helm. Niemand muss sich mehr aergern, weil er "Forrest Gump" im Kino verpasst hat und der Videoladen schon zu ist; im Fernsehen beginnt der Film im 30-Minuten-Takt. Wer die "Tagesschau", das "heute-journal" und die "Tagesthemen" verpasst hat, muss trotzdem nicht bis zum "Nachtjournal" warten: Er ruft sich eine Nachrichtensendung einfach auf den Schirm. Pay-per-View, Video-on-Demand oder Information-on-Demand heissen die neuen Dienste in der Fachsprache. Die Berliner Funkausstellung, die an diesem Sonntag zu Ende geht, war eine Demonstration dessen, was moeglich sein wird - und es wird schon sehr bald moeglich sein: Im Herbst naemlich wird der Satellit Astra 1 E ins All geschossen. Dieser hat die erforderliche digitale Uebermittlungstechnik, die viel mehr Sendern als bisher Platz auf dem Satelliten bieten wird. Vom kommenden Fruehjahr an wird er zur Verfuegung stehen. In den vergangenen Tagen ist deshalb viel vom "Goldrausch" die Rede gewesen. So abgegriffen die Metapher auch sein mag, so exakt beschreibt sie doch die Stimmung. Die Bedeutung des Fernsehens ist kaum zu ueberschaetzen. Zwei Dinge bilden das Wesen der Bundesrepublik: Marktwirtschaft und Demokratie. Die Medienbranche ist mittlerweile eine der bedeutendsten Branchen hier, und moeglicherweise wird sie in den kommenden Jahren zur bedeutendsten ueberhaupt werden. Was in dieser Branche passiert, hat aber nicht nur Bedeutung fuer die Konjunktur, sondern fuer den Staat. Das Geschaeft der Medien besteht ja darin, die Buerger zu informieren. Halt! werden nun die Macher des Privatfernsehens rufen, zumindest unser Geschaeft besteht vor allem aus Unterhaltung. Womit das Problem auch schon umrissen waere: Denn wieviel Information letztlich dem Buerger noch zur Verfuegung steht, aus wie vielen Quellen sie kommt, wie viele Meinungen ein Forum haben und wie sehr die Buerger die Angebote nutzen, das ist fuer eine Demokratie ziemlich grundlegend. Die Medienbranche ist die Schluesselbranche. In keiner anderen Branche ist es so wichtig, dass der Staat einen Rahmen setzt. Und genau das geschieht nicht. Im rechtsfreien Raum. - Medienpolitik ist in Deutschland Laendersache. 1991 schlossen die Laender Staatsvertraege ueber den Rundfunk, die regeln, an wie vielen Fernsehsendern sich ein Unternehmen beteiligen darf und wie hoch die Gebuehren sind, die ARD und ZDF kassieren duerfen. Die Beteiligungsregeln haben sich vor allem im Hinblick auf Strohmaenner als unpraktikabel erwiesen. Sie sagen auch nichts zum digitalen Fernsehen - 1991 wusste niemand, was das ist. Die Gebuehrenregelung wiederum ist bis Ende 1996 befristet. Seit laengerem verhandeln die Laender deshalb ueber neue Staatsvertraege, kommen aber nicht voran. Waehrend die Ministerpraesidenten Biedenkopf und Stoiber (CDU/CSU) eine Gebuehrenerhoehung fuer ARD und ZDF von gelockerten Beteiligungsregeln fuer die Privaten abhaengig machen, will ihre Kollegin Simonis (SPD) ein Gremium durchsetzen, dass sie "Stiftung Medientest" nennt. Die Verhandlungen sind darueber eingeschlafen, aber der Astra-Satellitenfirma SES kann das egal sein: Sie sitzt in Luxemburg, und ihre Raketen gehen von Suedamerika aus ins All. Deutschen Medienunternehmen aber kann das ueberhaupt nicht egal sein: Im Fernsehmarkt ist zur Zeit Verdraengungswettbewerb, in dem sich an deutschen Unternehmen vor allem die Kirch-Gruppe und Bertelsmann gegenueberstehen (wobei Bertelsmann im Verbund mit der Luxemburger CLT agiert und sich mit diesem Partner gerade ueber die Machtverhaeltnisse beim Marktfuehrer RTL zerfleischt). Diese Unternehmen sehen sich gezwungen, Kanaele auf Astra 1 E zu buchen - sonst tun es andere. Deshalb haben sie in den vergangenen Monaten Millionen und Abermillionen ins digitale Fernsehen investiert. Das Problem dabei ist: Weil die Bundeslaender zum Beispiel nicht geklaert haben, ob ein Video-on-Demand-Kanal mit Forrest Gump ueberhaupt noch Rundfunk ist (oder ob derlei nicht eher mit dem Kauf einer Videokassette zu vergleichen ist) - weil also noch nicht einmal geklaert ist, was das Thema eines neuen Staatsvertrags, also auch der Beteiligungsregeln darin, sein soll, deshalb erfolgen all diese Investitionen quasi im rechtsfreien Raum. Deshalb beschweren sich die Unternehmer, dass ihnen fuer weitere Investitionen die Planungsgrundlage fehlt; deshalb beschweren sich die Politiker wie Kirch, Bertelsmann und Co., einfach Fakten schaffen. "An eine nachtraegliche Entflechtung von Konzernen oder Programmfamilien ist genauso wenig wie in der uebrigen Wirtschaft zu denken", sagt Reinhold Kopp (SPD), der fruehere Wirtschaftsminister des Saarlandes. Wenigstens sind es die Laender nicht alleine, die die Entwicklung blockieren: Die neuen Programme sollen zum grossen Teil verschluesselt ausgestrahlt werden - aber die Kirch-Gruppe sowie die weiteren Unternehmen konkurrieren mit einer unterschiedlichen Entschluesselungs- und Abrechnungstechnik. Es ist ein waghalsiger Kampf, der and die Einfuehrung der Videorekorder mit VHS-, Beta- und Video 2000-Systemen erinnert. Kirch und sein Traum. - Zur Natur bedeutender Debatten gehoert, dass darin sowohl Grundsaetzliches als auch Zirzensisches geaeussert wird. Zum Grundsaetzlichen gehoert die Frage nach Medienmacht. Kirch ist kein Berlusconi, schon gar nicht ein Hugenberg - doch hat die Gesellschaft einen Anspruch zu wissen, was er vorhat. Da er sich kaum aeussert, muss auf alte Zitate zurueckgegriffen werden. Eines ist von 1987: "Richtig ist, dass es mein schoenster Traum waere, ein Monopol zu haben." Vertrauensbildung funktioniert anders. Zum Zirzensischen der Debatte gehoert die Forderung, ARD und ZDF duerften bei den neuen Fernsehprogrammen nicht mitmachen, denn noch weiss ja niemand, was am Ende des derzeitigen Goldrausches sein wird: ob die neuen Programme dann eine Nische zwischen ARD, ZDF, RTL, Sat1 und Pro Sieben besetzen, oder ob die vielen Kleinen die wenigen Grossen klein machen werden. Da aber allein mit "Schreinemakers live" kein Staat zu machen ist, wird die Gesellschaft auf ARD und ZDF nicht verzichten koennen. Es waere also unverantwortlich, die beiden von der Entwicklung auszusperren. Wenigstens macht sich der Verband der Privatsender laecherlich, wenn er genau das fordert: Die Sender selbst sind naemlich heftig an Gemeinschaftsunternehmen mit ARD und ZDF interessiert, und eines ist bereits gegruendet.
Die Laender haben eine immense Verantwortung. Sie muessen Wirtschaftspolitik
machen, ohne die Gesellschaftspolitik zu vernachlaessigen. Es ist zur Zeit
nicht zu erkennen, dass sie hier eine Balance finden, sie verlieren sich in
Interessen aus Muenchen, Kiel, Koeln und SPD und CDU/CSU. Entweder die
Laender werden schleunigst handeln - oder die Frage wird aufkommen, ob der
Foederalismus in der Medienpolitik noch eine Berechtigung hat. |
Das Streiflicht (Sueddeutsche Zeitung) |
Michael Kohlhaas war ein Mann, der es, wie man heute sagen wuerde, "wissen
wollte". Ohne jede Rechtsschutzversicherung versuchte er in seiner
Streitsache den Weg durch die Instanzen, und als er sah, dass ihm dieser an
den entscheidenden Stellen versperrt war, griff er zu aussergerichtlichen
Mitteln. Er ernannte sich zum "Statthalter Michaels, des Erzengels", zuendete
Wittenberg an allen vier Ecken an, und was der Eigenmaechtigkeiten mehr
waren. Kleist hat das alles fulminant beschrieben; er selbst nennt seinen
Helden "einen der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen
seiner Zeit". Man darf den Car- and Streetwalker Hartmann, selbst wenn er auf
den Vornamen Michael hoert, nicht mit Kleists Rosskamm vergleichen - immerhin
hat er Muenchen bisher nicht eingeaeschert. Aber etwas Kohlhaasisches steckt
schon drin in dem Mann. Oder ist es nicht entsetzlich genug, dass einer in
Zeiten, da der Autostandort D. in Gefahr ist, einfach ueber Autos hinweggeht?
Er ist ja jetzt in Karlsruhe freigesprochen worden. "In Karlsruhe !" werden viele aufschreien, doch sie koennen sich die Aufregung sparen. Es ist dort diesmal kein essentielles Gut in Frage gestellt, sondern lediglich die Verjaehrung konstatiert worden. Hartmann war naemlich seinerzeit auf Fahrbahnen gegangen, was aber, obwohl es deswegen gerummst hatte, keine Straftat war, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit. Basta. Wie aber geht es nun weiter? "Fernziel Hartmanns ist die autofreie Stadt", schrieb eine Nachrichtenagentur. Dieses Fernziel haben andere Leute auch, doch sollte deswegen nicht unterschlagen werden, dass wieder andere Leute ebenfalls ihre Fernziele haben. Die Fussgaenger wollen die fahrrad- oder autofreie Stadt, manche sogar beides. Die Radfahrer haettens gerne autofrei, aber nicht so, dass die Autofahrer dann zu Fuss gehen, womoeglich auch noch auf den eh schon total ueberlaufenen Fahrradwegen. Dass der Autofahrer weder den Radler noch den Fussgaenger mag, ist bekannt. Das Schwierige daran: Beinahe jeder Mensch gehoert allen drei Gruppen am, je nach seinem aktuellen Aggregatzustand, so dass drei Seelen, ach!, in seiner Brust leben. Das ist das Faustischste ueberhaupt und nicht einmal in der Strassenverkehrsordnung vorgesehen.
Gespenstische Nebenwirkung: In den "Tagesthemen" am Donnerstagabend sollte
das Karlsruher Urteil die letzte Meldung in Joe Brauners Nachrichtenblock
sein. Ehe Brauner jedoch dazu kam, auch nur piep! zu sagen, war er weg vom
Schirm und Moderator Ulrich "Uli" Deppendorf wieder da. Wer da umgeschaltet
hatte, war nicht zu ersehen, vielleicht ein in die Technik eingeschleuster
Agent der Autoindustrie. Wie auch immer: Er hatte nicht mit Joe Brauner
gerechnet, denn der klinkte sich sofort wieder ein: Da sei noch was! Dann
verlas er die Meldung, und er lachte dabei, wie man Joe Brauner noch nie hat
lachen gesehen ... |
Quellen |
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