GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Mo, 21.08.1995



* Proteste gegen Koalitionsplaene
* Gerhard nimmt Stellung zum Kruzifixstreit
* BVG-Richter raeumt Missverstaendlichkeit des Kruzifixbeschlusses ein
* CDU distanziert sich von Steuerinitiative Lippolds
* Bleibt der Bundesrat am Rhein ?
* FDP beschliesst Mitgliederentscheid zum grossen Lauschangriff
* Gruene fordern Steuerabgaben fuer Alleinstehende ohne Kinder
* Bernrat fuer den Abbau staatlicher Leistungen
* Ruehe besucht baltische Staaten
* Prozess um Solinger Brandanschlag geht weiter
* Grass verbietet Abdruck eines Interviews im SPIEGEL
* Aushilfsfahrer fluechtet mit ueber 4 Millionen DM
* Apfelsaft und Most in diesem Jahr teures Vergnuegen
* Doerte Lindner holt Silber vom Einmeterbrett
* Deutsche Seglerinnen gehen leer aus
* Boerse



Proteste gegen Koalitionsplaene

Bonn. Die SPD hat die Koalitionsplaene, Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall zu kuerzen, kritisiert. Die Deutsche Angestelltengewerkschaft kuendigte Streiks und eine Verfassungsklage an. Die Bundesregierung denkt offenbar ueber eine Lohnminderung von bis zu 20 % innerhalb der ersten 14 Krankheitstage nach. Die Gewerkschaft werde mit allen ihr zur Verfuegung stehenden Mitteln gegen die von der Union ins Auge gefassten Kuerzungen der Lohnfortzahlungen vorgehen, so Roland Issen, Chef der DAG. Da der Lohnausgleich im Krankheitsfall nicht nur gesetzlich sondern auch in den Tarifvertraegen festgeschrieben sei, bedeuteten die Plaene eine Kriegserklaerung an die Arbeitnehmer. Wirtschaftsminister Guenther Rexrodt dagegen erklaerte am Vormittag, er halte die Plaene fuer ueberlegenswert. Der Missbrauch der Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall habe ueberhand genommen. Sein FDP-Fraktionskollege Burkhard Hirsch warnte jedoch davor an dieser, so woertlich, "sozialen Errungenschaft des Tarifrechtes" herumzustreichen.

Der Vorschlag, die Lohnfortzahlungen fuer kranke Arbeitnehmer zu kuerzen, stoesst auch in der eigenen Partei auf Kritik. Der Arbeitnehmerfluegel der Union sprach von einer Gefaehrdung des sozialen Friedens, was wiederum dem Standort Deutschland schaden wuerde. CDA-Chef Eppelmann erinnerte daran, dass die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall 1969 von dem christdemokratischen Bundesarbeitsminister Katzer gesetzlich verankert wurde. FDP-Chef Wolfgang Gerhard erklaerte nach einer Praesidiumssitzung heute in Bonn, ihm seien Vorschlaege, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu kuerzen, nicht bekannt. Seine Partei wisse zwar, dass die Lohnnebenkosten zu hoch seien, doch lehne die FDP eine Kuerzung der Lohnfortzahlung ab. Wolfgang Gerhard: "Ich glaube, wenn jemand ueber eine Woche krank ist, dass er dann auch krank ist. Und insbesondere, wenn jemand 14 Tage im Betrieb fehlt. Was nicht gleichzusetzen ist nach dem Motto "er wuerde eben mal 14 Tage an der Arbeit nicht teilnehmen wollen." Nach allem menschlichen Ermessen ist jemand, der in diesen Zeitraeumen fehlt auch krank." Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer sagte, eine Kuerzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall werde es nicht geben. Dies stehe bei der naechsten Stufe der Gesundheitsreform nicht auf der Tagesordnung. Kanzleramtsminister Bohl erklaerte in Bonn, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall solle in ihrer bisherigen Form bestehen bleiben. Weder in der Bundesregierung noch in der Koalition gebe es Plaene fuer ihre Kuerzung. Auch seinen keine entsprechenden parlamentarischen Initiativen vorgesehen.


Gerhard nimmt Stellung zum Kruzifixstreit

In den Kruzifixstreit hat sich heute FDP-Chef Gerhard eingeschaltet. Er kritisierte nach einer Praesidiumssitzung seiner Partei die Aeusserungen des Rechtsexperten der Unionsfraktion, Geis von der CDU, als ueberzogen. Geis hatte den Entscheid der Karlsruher Richter als Verstoss gegen die Verfassung gewertet. "Wir haben geglaubt, dass sich Fundamentalismus anderswo auf dieser Welt breit macht", so Gerhard woertlich. Ganz gleich, ob das Urteil gefalle oder nicht, Entscheidung des Verfassungsgerichtes seien - vor allem von Politikern - besonders zu respektieren. In diesem Zusammenhang kritisierte Gerhard auch den bayrischen Ministerpraesidenten Edmund Stoiber, der eine Klage gegen das Kruzifixurteil angekuendigt hat.


BVG-Richter raeumt Missverstaendlichkeit des Kruzifixbeschlusses ein

Der Vizepraesident des Bundesverfassungsgerichts, Hentschel, hat erstmals eingeraeumt, dass der umstrittene Kruzifixbeschluss des Gerichts im ersten Satz missverstaendlich formuliert sei. Dort sei der Hinweis auf die staatlich angeordnete Anbringung von Kreuzen oder Kruzifixen vergessen worden, sagte Hentschel in einem Zeitungsgespraech. Als bedenklich bezeichnet Hentschel den Aufruf von verschiedenen Politikern, den Karlsruher Beschluss nicht zu beachten.


CDU distanziert sich von Steuerinitiative Lippolds

Die CDU hat sich heute von einem Vorstoss ihres Bundestagsabgeordneten Lippold distanziert, die Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineraloelsteuer umzulegen. CDU-Sprecher Kiefer nannte die Initiative Lippolds einen umweltpolitischen Alleingang. Sowohl Verkehrsminister Wissmann als auch Umweltministerin Merkel, beide CDU, hatten sich erst kuerzlich fuer die im Regierungsprogramm vereinbarte Schaffung einer emissionsabhaengigen Kraftfahrzeugssteuer ausgesprochen. An eine Abschaffung sei keineswegs gedacht, versicherte Kiefer.


Bleibt der Bundesrat am Rhein ?

Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein halten an dem Beschluss von 1991 fest, den Bundesrat in Bonn zu belassen. Wie eine Umfrage des Handelsblattes in Duesseldorf ergab, hat die Mehrheit der Laender inzwischen aber ihre Meinung geaendert. Eine Ueberpruefung der bisherigen Beschlusslage findet nach Ansicht von Laenderpolitikern nach dem 1. November statt. Dann geht der Vorsitz im Bundesrat vom nordrhein-westfaelischen Ministerpraesidenten Rau an den bayrischen Regierungschef Stoiber ueber, der als Berlinerbefuerworter gilt. Wie es heisst, wird bei einer Aenderung des Beschlusses ueber einen Verbleib in Bonn offenbar nicht beruecksichtigt, dass gerade fuer die Laender wichtige Bundesministerien am Rhein verbleiben.


FDP beschliesst Mitgliederentscheid zum grossen Lauschangriff

Der Mitgliederentscheid in der FDP zum sogenannten grossen Lauschangriff ist beschlossene Sache. Nach einer Praesidiumssitzung der Partei sagte der Parteivorsitzende Gerhard heute in Bonn, mehr als die satzungsgemaess erforderlichen fuenf Landesverbaende haetten eine solche Befragung beantragt. Sollten mehr als 25 % der Mitglieder teilnehmen, sei das Ergebnis als Parteimeinung bindend, fuegte Gerhard hinzu. Die Jungen Liberalen hatten sich zuvor gegen einen Mitgliederentscheid gewandt.


Gruene fordern Steuerabgaben fuer Alleinstehende ohne Kinder

Bonn. Laut "Bild-Zeitung" fordern Buendnis 90 / Die Gruenen Steuerabgaben fuer Alleinstehende ohne Kinder. Singles sollten zukuenftig 500 DM zusaetzlich ans Finanzamt zahlen. Die gruene Bundestagsabgeordnete Hermenau erklaerte, Alleinstehende verdienten besser und kassierten in der Regel auch eine hoehere Rente als Arbeitnehmer mit Kindern. Heute mittag wies die Bundestagsfraktion von Buendnis 90 / Die Gruenen diese Meldungen zurueck. Fraktionssprecher Huber sagte, es gebe keinerlei Ueberlegungen in diese Richtung. Die Bundestagsabgeordnete Hermenau erklaerte, sie habe diese Summe lediglich als eine fuer sie persoenlich moegliche Belastung genannt.


Bernrat fuer den Abbau staatlicher Leistungen

Koeln. Der Praesident des Deutschen Staedte- und Gemeindebundes Bernrat hat dafuer plaediert, eher staatliche Leistungen abzubauen, als Steuern zu erhoehen. Nach dem juengsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts waere mit einer Erhoehung der Mieten zu rechnen, wenn die Gemeinden die Grundsteuer erhoehten. Um dies zu vermeiden muessten Bund, Laender und Gemeinden nach anderen Loesungen suchen. Zum Beispiel koennte die Verwaltung rationeller gestaltet und unzeitgemaesse Leistungen gestrichen werden. Der Teufelskreis, immer alles teurer zu machen, muesse durchbrochen werden.


Ruehe besucht baltische Staaten

Hamburg. Bundesverteidigungsminister Ruehe besucht von heute an fuer vier Tage die drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland. Erste Station ist die litauische Hauptstadt Vilna. Im Mittelpunkt der Gespraeche stehen Fragen der europaeischen Sicherheit und eine Verbesserung der Zusammenarbeit in der Verteidigung. Aussenminister Kinkel hatte am Wochenende Hoffnungen der baltischen Staaten auf einen baldigen Beitritt zur NATO noch einmal gedaempft. Fuer konkrete Entscheidungen sei die Zeit noch nicht reif schrieb Kinkel in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".


Prozess um Solinger Brandanschlag geht weiter

Duesseldorf. Der Prozess um den Brandanschlag von Solingen wurde heute mit dem ersten Plaedoyer der Verteidigung fortgesetzt. Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrem Plaedoyer Hoechststrafen fuer die vier Angeklagten im Alter zwischen 18 und 25 Jahren gefordert. Die Staatsanwaelte halten alle vier des fuenffachen Mordes fuer schuldig. Der zur Tatzeit volljaehrige Angeklagte soll eine lebenslange Haft, die anderen drei jeweils 10 Jahre Jugendhaft verbuessen. Bei dem Brandanschlag waren fuenf tuerkische Maedchen und Frauen getoetet worden. Das Urteil in dem Prozess wird nicht vor Oktober erwartet


Grass verbietet Abdruck eines Interviews im SPIEGEL

Hamburg. Aus Aerger ueber das neueste Titelbild des "SPIEGEL" hat der Schriftsteller Guenter Grass dem Nachrichtenmagazin den Abdruck eines von ihm bereits freigegebenen Interviews verboten. Grass liess ueber seinen Verlag mitteilen, dass er nicht mit einem eigenen Beitrag in einem Blatt erscheinen wolle, auf dessen Titel das ekelerregende Zerreissen eines Buches dargestellt werde. Die Fotomontage auf dem juengsten Spiegel zeigt den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranitzki, wie er Grass neuesten Roman "Ein weites Feld" veraergert in zwei Stuecke reisst. Im Inneren des Blattes ist eine vernichtende Kritik Reich-Ranitzkis zu dem Grass-Roman abgedruckt.


Aushilfsfahrer fluechtet mit ueber 4 Millionen DM

Duesseldorf. Ein Aushilfsfahrer eines Geldtransporters ist mit ueber 4 Millionen DM verschwunden. Nach Angaben der Polizei nutzte der 35jaehrige die kurze Abwesenheit seines Beifahrers zur Flucht. Als der Beifahrer von einem Kundengespraech zurueckkam fand er nur noch das leere Fahrzeug vor. Der Dieb ist im Hauptberuf Polizist und bei der Autobahnpolizei Moenchengladbach. Seit rund sechs Monaten arbeitete er nebenberuflich bei einem Sicherheitsunternehmen in Duesseldorf. Dort galt er bis jetzt immer als besonders zuverlaessig. Heute vormittag war es dann mit der Zuverlaessigkeit vorbei. Innerhalb weniger Sekunden war er mit dem Geld aus dem Innenhof des Kaufhauses verschwunden. Zeugen gibt es nicht. Seinen Privatwagen hatte er offenbar in der Naehe geparkt. Daraus laesst sich schliessen, dass der Coup offenbar schon seit laengerem geplant war. Der Polizist nahm nur die grossen Scheine. Seine Beute besteht hauptsaechlich aus Tausendern, wiegt etwa 5 kg und passt in jede Reisetasche.


Apfelsaft und Most in diesem Jahr teures Vergnuegen

Goeppingen. Apfelsaft und Most werden in diesem Jahr ein teures Trinkvergnuegen. Obstkeltereien im Landkreis Goeppingen prophezeihen Preiserhoehungen um bis zu 40 Pfennig je Liter. Im Streuobstanbau wuerden nur 10 bis 40 % der Vorjahresernte erwartet. Gruende seien schlechtes Wetter in der Bluetezeit und Verluste durch den Befall durch Schaedlingen. Zudem seien viele Aepfel in der letzten Hitzeperiode von den Baeumen gefallen.


Doerte Lindner holt Silber vom Einmeterbrett

Doerte Lindner hat sich in Wien bei den Europameisterschaften der Schwimmer die Silbermedaille im Kunstspringen vom Einmeterbrett erkaempft. Die 21 Jahre alte Jurastudentin aus Rostock musste sich im Finale nur der Russin Vera Ilina knapp geschlagen geben. Ilina holte sich damit bereits ihr zweites Gold und trat die Nachfolge der Titelverteidigerin Simona Koch aus Berlin an, die im Halbfinale ueberraschend gescheitert war.


Deutsche Seglerinnen gehen leer aus

Nach dem dreifachen Triumph von 1994 gingen die deutschen Seglerinnen bei der Weltmeisterschaft in der olympischen 470er-Klasse vor Toronto bei der Medaillenvergabe leer aus. Als beste deutsche Crew belegten die Berlinerinnen Tanja Stemmler und Susanne Bergmann den fuenften Platz.


Boerse

DAX  2269.38 (+5.92)
1 US-$    DM 1.4750

(Angaben ohne Gewaehr)



Quellen

SDR3    9:00 MESZ    11:00 MESZ    13:00 MESZ
Radio7    10:00 MESZ    12:00 MESZ    14:00 MESZ    18:00 MESZ
B5    15:30 MESZ
Antenne Bayern    16:00 MESZ
DLF    17:00 MESZ