GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Fr, 25.11.1994



* Koalition bietet Opposition Zusammenarbeit in mehreren Bereichen an
* Fluechtlingen droht Abschiebung
* Haushalt '95 fuer die Bundesanstalt fuer Arbeit hoeher als geplant
* Fahrverbot bei Smog fuer PKW und Motorraeder ohne Katalysator
* EU will sich am Wiederaufbau Ruandas beteiligen
* Prozess um den Anschlag auf die Luebecker Synagoge
* VW kommt wieder in die schwarzen Zahlen
* Dollarwechselkurs



Koalition bietet Opposition Zusammenarbeit in mehreren Bereichen an

Bonn. Im Bundestag ist heute bei der dritten Debattenrunde ueber die Regierungserklaerung Kohls sowohl von Seiten der Koalition als auch der Opposition Interesse an enger Zusammenarbeit in mehreren Bereichen geaeussert worden. Vor allem bei Forschung und Bildung wurde dies deutlich, aber auch bei der Wohnungsbaupolitik hielt sich die SPD an Kritik am neuen Ressortchef Toepfer zurueck. Der wiederum bot den Oppositionsparteien Kooperation an. Ebenso der neue Verkehrsminister Wissmann, der sich offen fuer "intelligente Anregungen" zeigte. Das hat sich die Opposition allerdings nicht zweimal sagen lassen. Mit einem Streit zwischen Bundesregierung und Opposition ueber die Verkehrspolitik ging die dreitaegige Debatte ueber die Regierungserklaerung im Bundestag zu Ende. Verkehrsminister Mathias Wissmann will sechs Milliarden DM in Verkehrsleitsysteme investieren und die Verkehrswege ausbauen. Die SPD sprach von Betonpolitik und Flickschusterei. Zuvor hatte Wohnungsbauminister Klaus Toepfer angekuendigt, er wolle sich kuenftig dafuer einsetzen, dass junge Familien leichter zu den eigenen vier Waenden kommen koennen. Toepfer regte eine Aenderung der steuerlichen Foerdereung des Wohnungsbaus an, vermied aber Einzelheiten. Die Opposition wies darauf hin, dass in Deutschland zwei Millionen bezahlbare Wohnungen fehlten, die Regierung habe versagt. Am Vormittag hatte Juergen Ruettgers seine erste Rede als neuer Zukunftsminister gehalten. Dabei bekraeftigte er, die Regierung wolle bei den Zukunftsinvestitionen im Forschungs und im Bildungsbereich ueberproportionale Steigerungen durchsetzen. Fuer die SPD signalisierte Peter Glotz Kooperationsbereitschaft, mahnte allerdings einen Neuanfang in der Forschungspolitik an. Allgemein beklagt wurde von den Politikern, dass Grossbetriebe die kostspielige Facharbeiterausbildung einschraenken und stattdessen lieber Fachhochschulabsolventen einstellen.


Fluechtlingen droht Abschiebung

Magdeburg. Die SPD-regierten Laender haben sich bei der konferrenz der Innenminister nicht mit ihrer Bitte nicht durchsetzen koennen, grundsaetzlich Fluechtlingen aus dem tuerkischen Kurdengebiet und dem Balkan bis auf weiteres das Gastrecht einzuraemen. Bundesinnenminister Kanther war der Meinung, das gesamte Asylrecht wuerde unterlaufen, falls der entsprechende Abschiebestopp in den betreffenden Bundeslaendern verlaengert wird. Grundlage bei der Beurteilung eines Fluechtlings muesse schliesslich die Einzelfallpruefung sein und nicht die Zugehoerigkeit seiner Volksgruppe, so Kanther in Magdeburg. Es geben Hindernisse in der Weltlage, die eine Abschiebung abgelehnter Asylbewerber erschweren. Am Prinzip, kein Bleiberecht fuer abzuschiebende werde aber festgehalten. So machte Bundesinnenminister Kanther seine Auffassung zum wichtigsten Thema der Magdeburger Konferrenz deutlich. Nach Restjugoslavien sollen zunaechst Straftaeter abgeschoben werden. Kriegsfluechtlinge oder Desateure, deren Bleiberecht in Deutschland bestritten wird, muessen einzeln selbst glaubhaft machen, dass ihnen Verfolgung, Strafen oder Folter bei Rueckkehr in ihr Heimatland drohen, wie es Menschenrechtsorganisationen sagen. Der Vorsitzende der Innenministerkonferrenz, Brandenburgs Minister Ziel (sp.?), kritisierte eine unklare Informationslage ueber die tatsaechlichen Gefahren in verschiedenen Laendern. Deutsche Botschaften meldeten haeuffig keine politische Verfolgung, waehrend Menschenrechtsorganisationen vielfach sehr detailliert genau das Gegenteil an Einzelbeispielen belegen. Schleswig-Holsteins Innenminister Bull appellierte deshalb an die Bundesregierung, Garantien zu schaffen, dass Abgeschobene nach Rueckkehr anstaendig behandelt werden.


Haushalt '95 fuer die Bundesanstalt fuer Arbeit hoeher als geplant

Bonn. Der Haushalt '95 fuer die Bundesanstalt fuer Arbeit in Nuernberg ist nun doch um rund 2,5 Milliarden DM hoeher als urspruenglich geplant. Der Verwaltungsrat hat am Nachmittag einen Jahresetat von 103,8 Milliarden DM beschlossen, davon kommen rund 14,6 Milliarden als Zuschuss vom Bund. Die Geldspritze aus Bonn betrug dieses Jahr noch rund 17,6 Milliarden DM. Mit diesem Haushalt geht die Selbstverwaltung der Bundesanstalt fuer Arbeit ueber bisherige Entwuefe hinaus. Ausschlaggebend dafuer ist die Forderung nach mehr Fortbildung, Umschulung und Arbeitsbeschaffung, die von den Gewerkschaftsvertretern im Verwaltungsrat erhoben wird. Christiane Bretz (sp.?) DGB-Cheffin fuer Berlin/Brandenburg: "Wir sind der Auffassung, dass die Arbeitsbeschaffungsmassnahmen und die Fort- und Weiterbildung auch deswegen noch einmal ausgeweitet werden sollen, weil erstens es einen Teil von Arbeitslosen gibt, die sehr wenig Chancen haben - das sind die, die aelter sind -, unter anderem auch aus der Sorge heraus, dass, wenn Langzeitarbeitslosigkeit und auch kaum noch neue Arbeitsplaetze gerade auch fuer laenger arbeitslose Menschen da sind, dass wir hier mit den ABM-Massnahmen aus ein Stueck noch Lebensperspektive fuer sie anbieten koennen, und sie nicht dann in die dann in die Sozialhilfe vielleicht auch noch abgleiten. Das war unser Wunsch, und das war eigentlich auch unsere Intension, warum wir hier noch einmal sozusagen eins nachgelegt haben, um hier diese Massnahmen aufzustocken." Angeschlossen haben sich dieser Forderung die SPD-gefuehrten Bundeslaender und die Kommunen, nicht dagegen die Vertreter der Bundesregierung und der Arbeitgeber. Das letzte Wort ueber den Haushalt der Bundesanstalt fuer Arbeit hat Bundesarbeitsminister Bluem. Er hatte sich im vergangenen Jahr ueber aehnliche Mehrheitsforderungen in Nuernberg hinweggesetzt.


Fahrverbot bei Smog fuer PKW und Motorraeder ohne Katalysator

Kemniz. Kuenftig darf man beim sogenannten Sommersmog, also wenn die Ozonwerte zu hoch sind, nicht mehr mit Autos ohne geregelten Katalysator fahren. Auch Diesel- oder Kraftraddreckschleudern muessen stehen bleiben, so der Beschluss der Umweltminister heute in Kemniz. Die Laender wollen damit Fahrverbote in den betroffenen Gebieten auf eine gesetzliche Grundlage stellen. Dazu soll jetzt eine Arbeitsgruppe aus Bund und Laendern einheitliche Ozongrenzwerte festlegen. Das Bundesumweltministerium betonte, dass sie diese Entscheidung der Laender unterstuetzt. Autofahrer hergehoert, es koennte jeden zweiten unter Ihnen treffen: mit einem Fahrverbot naemlich. Und das schon im kommenden Sommer. Bund und Laender sind sich einig, sie unterstuetzen eine entsprechende Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen. Und dessen Umweltminister, Klaus Mattissen, uebrigens dienstaeltester deutscher Umweltminister, erlaeuterte: "Kern unserer Initiative und unserer Vereinbarung zwischen den Umweltministern ist dies, dass wir in Sommersmoglagen Fahrverbote verhaengen wollen fuer PKW und Kraftraeder ohne geregelten Katalysator und fuer nichtschadstoffarme Diesel-PKW. Das ist eine unglaublich wirksame Massnahme, denn die Autos, die noch keinen Kat haben, sind mit fast 70 % an den Schadstoffen beteiligt, die als Vorlaeuferstufe ja spaeter dann das Ozon bilden, durch Sonneneinstrahlung."


EU will sich am Wiederaufbau Ruandas beteiligen

Bruessel. Die Europaeische Union will sich am Wiederaufbau Ruandas beteiligen. Die Minister fuer Entwicklungszusammenarbeit beschlossen heute in Bruessel insgesamt 106 Millionen DM fuer das vom Buergerkrieg zerstoerte Land bereitzustellen. Die Politikerrunde unter Leitung des Bonner Entwicklungsministers Spranger bewilligt damit erstmals eine Aufbauhilfe fuer das zentralafrikanische Land. Bislang hatte die EU ausschliesslich humanitaere Hilfe im Gesamtwert von fast einer Milliarde DM zur Verfuegung gestellt.


Prozess um den Anschlag auf die Luebecker Synagoge

Schleswig. Vor dem Oberlandesgericht Schleswig muessen sich derzeit vier junge Maenner verantworten, die laut Anklage im Maerz dieses Jahres Brandsaetze in die Luebecker Synagoge geworfen haben. Vor dem Gericht beschrieben die vier Angeklagten heute ihre persoenliche Geschichte. Eine gestoerte Kindheit und familiere sowie berufliche Probleme in ihrer Jugend haben alle vier gemeinsam. Mit Vernehmungen der vier Angeklagten zur Person ging der Prozess um den Brandanschlag auf die Luebecker Synagoge heute weiter. Vor dem zweiten Strafsenat des Oberlandesgerichts in Schleswig schilderten der 25jaehrige Steffan W., der 22jaehrige Dirk B. und die beiden 20 Jahre alten Vico T. und Boris H. ihre Kindheit und Jugend, die sie durchweg in schwierigen Familienverhaeltnissen verbrachten. Waehrend Dirk B. von seiner Spielleidenschaft aus der Bahn geworfen wurde und heute rund 50.000 DM Schulden hat, fingen die anderen schon mit 13 oder 14 Jahren an, Alkohol in grossen Mengen zu trinken. Bei allen reichte es nur fuer die Sonderschule, und irgendeine abgeschlossene Berufsausbildung hat keiner. Der zweite Verhandlungstag begann mit einem Befangenheitsantrag gegen den Senat, durch Luebecker Anwaeltin Heike Steeb-Lojaschke (sp.?). Sie warf dem Gericht vor, von Verabredungen wegen des Prozessverlaufs abgewichen zu sein. Oberstaatsanwalt Klaus Pflieger (sp.?) von der Bundesanwaltschaft dazu: die Anwaeltin sei damit nur schwer ernst zu nehmen. Der Prozess wird am naechsten Mittwoch fortgesetzt.


VW kommt wieder in die schwarzen Zahlen

Wolfsburg. Nach verlustreichen Jahren erwartet der Volkswagenkonzern fuer das laufende Jahr wieder Gewinne. Das Unternehmen fuehrt das darauf zurueck, dass die Kosten gesenkt worden seien und die Automobilnachfrage steige. Der VW-Aufsichtsrat in Wolfsburg wuerdigte dennoch die Leistungen des Vorstandes bei der wie es hiess grundlegenden Umgestaltung des Konzerns. Mit Kritik am Konzernchef Ferdinant Piech (sp.?) hielt sich der Aufsichtsrat allerdings zurueck. Gestern hatte es schliesslich noch geheissen, der Vorstandsvorsitzende werde sich wegen seines Fuehrungsstils harten Diskussionen stellen muessen. Der Eklat bei Volkswagen blieb aus, Angriffe auf VW-Chef Piech ebenso. Der Aufsichtsrat stellte sich, wie nicht anders zu erwarten war, wiedereinmal demonstrativ hinter VW-Chef Ferdinant Piech wie schon bei der Kriese um den der Industriespionage verdaechtigten Supermanager Lupes (sp.?) - ein Zeichen dafuer, dass die Piech-Befuerworter wie der niedersaechsische Ministerpraesident Schroeder wieder die Oberhand im Aufsichtsrat behalten haben. Schroeder, der im Aufrag des Mehrheitsaktionaers Niedersachsen im Aufsichtsrat sitzt, hatte sich noch gestern vor Piech gestellt und ihm seine Unterstuetzung zugesagt. Es hatte aber auch in den letzten Tagen ganz andere Stimmen gegeben und zwar nicht wie sonst nur von der Kapital-, sondern auch von der Arbeitnehmerseite. Sie hatten gefordert, dem Porscheenkel endlich mal die Leviten zu lesen und ihn in die Schranken zu weisen. Ausloeser fuer diesen Unmut war ein Interview von Piech gewesen, in dem er direkt seine Fuehrungskraefte angegriffen hatte. Offensichtlich sucht der Aufsichtsrat jetzt aber den weniger auffaelligen Weg. In der letzten Woche hatte es ein Vier-Augen-Gespraech zwischen Aufsichtsratschef Liesen (sp.?) und Piech gegeben, in dem Liesen Piech wohl um moderatere Toene gebeten hatte. Heute schlug Liesen freundlichere Toene an. Wie die Pressestelle verlautete dankte er Piech fuer dessen schnelle Sarnierungserfolge. Und zumindest dazu haben die Herren aus ddem Aufsichtsrat allen Grund. Denn wie VW heute mitteilt, wird der Konzern mit seinen Marken Audi, VW, Seat und Skoda in diesem Jahr zum ersten Mal seit fuenf Jahren aus den roten Zahlen fahren. Fuer VW selbst erwartet Piech sogar einen saftigen Gewinn. Noch im letzten Jahr hatte der Konzern zwei Milliardan DM Schulden zu verkraften gehabt. Schuld daran war die Kriese bei der tief verschuldeten spanischen Tochter Seat. Meldungen ueber einen noch hoeheren Gewinn, der heute die Boerse in arge Turbolenzen brachte, wollte der Konzern nicht bestetigen. Abgesegnet hat VW heute ausserdem die Investitionsplanungen fuer die naechsten fuenf Jahre. Danach werden die Investitionen um zehn Milliarden DM auf 59 Milliarden gekuerzt. Entgueltig ist jetzt wohl auch, dass VW seine Kooperation mit Ford in Portugal - wenn auch abgespeckt - weiterfuehrt. Dort sind jetzt die Planzahlen erheblich zurueckgeschraubt worden.


Dollarwechselkurs

1 US-$   =   1.5574 DM
DAX      =   2052 Punkte (-4)



Quellen

B5    19:15 Uhr MEZ    19:30 Uhr MEZ    19:45 Uhr MEZ    20:00 Uhr MEZ
B5    20:15 Uhr MEZ