GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 30.01.1996



* Aktionsprogramm fuer Wachstum und Beschaeftigung
* SPD bereit zu Gespraechen ueber das Aktionsprogramm
* Kuerzung des Solidarzuschlags stoesst auf Kritik
* BDI begruesst Abbau des Solidarzuschlags
* Bundesregierung besorgt um Schicksal eines abgeschobenen Kurden
* IG Bau fordert 5 Prozent
* Thyssen will erneut Arbeitsplaetze abbauen
* Anlagenteil in Hoechst-Werk stillgelegt
* Erneut Stoerfall bei Hoechst
* Reaktionen auf Ende der Atomtestserie Frankreichs
* Greenpeaceaktivisten blockieren Gleise
* Letzter Tag im Untersuchungsausschuss im Fall Graf
* Prozess gegen Walter Schnur
* Prozess gegen Gaudino
* Gangsterjagd in Mauchenheim



Aktionsprogramm fuer Wachstum und Beschaeftigung

Unter Leitung von Bundeskanzler Kohl ist am Vormittag das Wirtschaftskabinett zusammengetreten, um ueber den Jahreswirtschaftsbericht abschliessend zu beraten. Flankierend dazu wurde ein Aktionsprogramm fuer Wachstum und Beschaeftigung verabschiedet. Nach den von Wirtschaftsminister Rexrodt vorgelegten Prognosen wird in diesem Jahr eine Wachstum von real 1.5 Prozent vorausgesagt. Die Zahl der Arbeitslosen duerfte demnach um 250.000 bis 300.000 auf 3.9 Millionen im Jahresdurchschnitt zunehmen. Bei den Verbraucherpreisen wird mit einem unveraendert massvollen Anstieg um 2 Prozent gerechnet. Im Mittelpunkt stand das Aktionsprogramm. Es umfasst als Beitrag der Bundesregierung zum Buendnis fuer Arbeit eine Fuelle von Massnahmen, um die Zahl der Erwerbslosen bis zum Jahr 2000 auf etwa 2 Millionen zu halbieren. Dabei geht es um Steuersenkungen von 1997 an, die Foerderung von Risikokapital und Existenzgruendungen sowie um mehr Moeglichkeiten fuer Teilzeitarbeit. Geplant sind ausserdem weitere Erleichterungen zur Beschaeftigung von Hilfen in Privathaushalten und der Abbau von Investititionshemmnissen. Vorgesehen sind allerdings auch Sozialeinschnitte und die Kuerzung des Arbeitslosengeldes.


SPD bereit zu Gespraechen ueber das Aktionsprogramm

Die SPD hat sich zu Gespraechen ueber das Aktionsprogramm der Bundesregierung bereit erklaert. Der wirtschaftspolitische Sprecher der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion Schwanholt sagte heute in Bonn, man sei willens, Mitverantwortung fuer ein konkretes Massnahmenbuendel fuer Arbeit, Innovation und Wachstum zu uebernehmen. Allerdings muesse die Regierung einen breiten Konsens suchen und hohe Einkommen und grosse Familien in sozial ausgewogener Weise zur Finanzierung mit heranziehen.


Kuerzung des Solidarzuschlags stoesst auf Kritik

Der geplante Abbau des Solidaritaetszuschlags stoesst in den Bundeslaendern auf Widerstand. Kritik aeusserten vor allem sozialdemokratische Regierungschefs. Der rheinland-pfaelzische Regierungschef Beck sagte im ZDF, was Bundesfinanzminister Waigel plane sei der reinste Verschiebebahnhof. Zum Ausgleich der Mindereinnahmen muessten die Laender in Bereichen wie der Bildung oder der inneren Sicherheit sparen. Brandenburgs Ministerpraesident Stolpe betonte im Deutschlandfunk, mit dem Abbau des Zuschlags wuerden die Bemuehungen um einen sich selbst tragenden Aufschwung im Osten um Jahre zurueckgeworfen. Der Ministerpraesident von Sachsen-Anhalt, Hoeppner, sagte im WDR, offenbar habe sich Bonn damit abgefunden, dass der Osten nie mehr an die Wirtschaftskraft des Westens herankomme. Niedersachsens Regierungschef Schroeder aeusserte die Befuerchtung, dass die Bonner Koalition nach der Verringerung des Zuschlages die Mehrwertsteuer erhoeht. Demgegenueber erklaerte der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Schaeuble, eine Erhoehung der Steuer werde es in dieser Legislaturperiode nicht geben. Fuer die FDP forderte ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Graf Lambsdorff, der geplante Abbau des Zuschlags duerfe nicht am Widerstand sozialdemokratischer Geldgier scheitern. Im Deutschlandradio Berlin machte Lambsdorff deutlich, dass die Zahlungen fuer den Aufbau Ost unabhaengig davon fortgefuehrt werden.


BDI begruesst Abbau des Solidarzuschlags

Der Bundesverband der deutschen Industrie hat die Absicht der Bonner Koalition begruesst, im naechsten Jahr mit der Verminderung des Solidarzuschlags zu beginnen. Darueberhinaus muesse jedoch ein verbindliches Datum fuer das Auslaufen der Abgabe festgelegt werden, forderte der BDI heute in Koeln. Investoren im In- und Ausland warteten auf ein solches Signal.


Bundesregierung besorgt um Schicksal eines abgeschobenen Kurden

Bonn. Die Bundesregierung bemueht sich um Aufklaerung im Fall eines in die Tuerkei abgeschobenen Kurden, der dort moeglicherweise vom Militaer verschleppt wurde. Das teilte ein Sprecher des Auswaertigen Amtes mit. Der 34jaehrige Kurde war in der vergangenen Woche von Nordrhein-Westfalen in die Tuerkei abgeschoben worden. Zwei nordrhein-westfaelische Landtagsabgeordnete der Gruenen, die ihn begleitet hatten, sagten, der Kurde sei zunaechst verhoert und spaeter aus seinem Heimatdorf verschleppt worden.


IG Bau fordert 5 Prozent

Darmstadt. Die IG Bau geht mit einer Forderung von 5.0 Prozent in die Tarifrunde 1996. Das beschloss die grosse Tarifkommission heute in Darmstadt. Der Gewerkschaftsvorsitzende Wiesehuegel erklaerte zur Begruendung, man erwartet eine Inflationsrate von 2 Prozent und eine Steigerung der Arbeitsproduktivitaet von 2 bis 3 Prozent.


Thyssen will erneut Arbeitsplaetze abbauen

Der Stahlkonzern Thyssen will trotz gestiegener Gewinne erneut Arbeitsplaetze abbauen. Bis Ende September werde das Unternehmen insgesamt 2600 Stellen in Deutschland streichen, sagte der Vorstandsvorsitzende heute in Duesseldorf. Er begruendete diesen Schritt mit einem Rueckgang der Auftraege um 10 Prozent im ersten Quartal des laufenden Geschaeftsjahres.


Anlagenteil in Hoechst-Werk stillgelegt

Wiesbaden. Das hessische Umweltministerium hat nach dem juengsten Stoerfall im Frankfurter Hoechst-Werk den betreffenden Anlagenteil stillgelegt. Ministerin Nemsch kritisierte, das Hoechst den Stoerfall erneut verspaetet mitgeteilt habe. Ausserdem haette ein Auffangbehaelter benutzt werden koennen, wenn die Verantwortlichen richtig reagiert haetten. In der Nacht zum Sonntag waren in dem Frankfurter Hoechstwerk 1.5 Tonnen eines Medikamentenvorprodukts ausgelaufen und in den Main gelangt.


Erneut Stoerfall bei Hoechst

Frankfurt am Main. Bei einem erneuten Unfall im Frankfurter Chemiekonzern Hoechst ist heute ein Mitarbeiter schwer verletzt worden. Der Mann habe beim Austritt von Flusssaeure erhebliche Verletzungen am Oeberkoerper und an den Beinen erlitten, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Lebensgefahr bestehe offenbar nicht. Der Arbeiter sei mit Reinigungsarbeiten beschaeftigt gewesen. Ausserhalb des Werksgelaendes habe die Flusssaeure nicht nachgewiesen werden koennen. Die Hoechst-AG habe aber vorsorglich Gasalarm ausgeloest. Auch seien umgehend die zustaendigen Behoerden informiert worden, betonte der Sprecher.


Reaktionen auf Ende der Atomtestserie Frankreichs

Mit Erleichterung haben vor allem die Staaten des Pazifiks den Verzicht Frankreichs auf weitere Atomwaffenversuche aufgenommen. Zufrieden zeigten sich auch die USA, Kanada und Deutschland. Bundeskanzler Kohl bescheinigte Staatspraesident Chirac, er habe mit der Einstellung der Testserie zum fruehestmoeglichen Zeitpunkt Wort gehalten. Besonders positiv zu vermerken sei, dass Frankreich zu seiner Entscheidung stehe, einen ueberpruefbaren und weltweit anwendbaren umfassenden Teststopvertrag so schnell wie moeglich zu unterzeichnen.


Greenpeaceaktivisten blockieren Gleise

Etwa 20 Greenpeaceaktivisten haben heute frueh die Gleise des stillgelegten Atomkraftwerks Greifswald blockiert. Sie wollen damit nach eigenen Angaben den Transport von Brennelementen zum Kernkraftwerk Pax in Ungarn verhindern. Mit der Lieferung wuerde ein am Standort Deutschland nicht genehmigungsfaehiger Reaktor mit Brennstoff versorgt erklaerte Greenpeace. Die Polizei beendete die Blockade, die Raeumung verlieft nach Angaben der Polizei friedlich. Die Beamten haetten die Ketten, mit denen sich die Greenpeaceaktivisten auf den Gleisen und am Werkstor angekettet hatten, durchtrennt und die Umweltschuetzer weggetragen.


Letzter Tag im Untersuchungsausschuss im Fall Graf

Stuttgart. Der Untersuchungsausschuss des baden-wuerttembergischen Landtags zum Steuerfall Graf ist heute zu seiner letzten Sitzung zusammengekommen. Das Gremium entschied heute ueber den Abschlussbericht und die Beschlussempfehlungen. Gestern hatte sich die Suedwest-SPD mit Gruenen und FDP auf eine gemeinsame Bewertung der Affaire um Tennisstar Steffi Graf geeinigt. Nach Ansicht der drei Fraktionen wurde die Familie durch die Steuerbehoerden bevorzugt behandelt. Fuer die CDU sind hingegen alle Vorwuerfe ausgeraeumt.


Prozess gegen Walter Schnur

Vor dem Berliner Landgericht hat am Vormittag der Prozess gegen den frueheren Vorsitzenden der Partei "Demokratischer Aufbruch" und ehemaligen Rechtsanwalt Schnur begonnen. Er muss sich wegen politischer Verdaechtigung verantworten. Schnur soll seine Mandanten, die Buergerrechtler Freya Klier und Stefan Kraftschyk bei der Stasi denunziert haben, so dass ihnen daraufhin Ermittlungsverfahren wegen landesverraeterischer Agententaetigkeit und staatsfeindlicher Hetze drohten.


Prozess gegen Gaudino

Mannheim. Vor dem Mannheimer Schoeffengericht hat am Nachmittag ueberraschend der Prozess gegen den Fussballprofi Gaudino begonnen. Urspruenglich war nur eine Zeugenvernehmung geplant. Der ehemalige Nationalspieler Gaudino ist des Betrugs und des versuchten Betrugs von Autoversicherungen angeklagt.


Gangsterjagd in Mauchenheim

Mainz. Nach einer Schiesserei mit der Polizei haben sich zwei bewaffnete Maenner in einem Ort im rheinland-pfaelzischen Landkreis Alzey-Worms verschanzt. Sicherheitskraefte umstellten das 900 Einwohner zaehlende Mauchenheim. Nach Angaben der Polizei waren die beiden Maenner am Morgen von einer Polizeistreife ueberprueft worden und hatten das Feuer auf die Beamten eroeffnet. Die Polizei hat begonnen, die Gemeinde Haus fuer Haus zu durchsuchen, um die Maenner festzunehmen. Die Bewohner wurden aufgefordert, zuhause zu bleiben, Fenster und Tueren geschlossen zu halten und auf Klingelzeichen nicht zu reagieren.


Quellen

DLF    10:00 MEZ    15:00 MEZ    22:00 MEZ
B5    10:30 MEZ
SDR3    11:00 MEZ    17:00 MEZ
Radio7    14:00 MEZ