GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Sa, 22.04.1995



* Proteste gegen den Castortransport in Niedersachsen
* Atommuellager Morsleben soll angeblich "Schacht Konrad" ersetzen
* Bundesversicherungsamt wirft Krankenkassen Geldverschwendung vor
* Krankenkassen erwarten Beitragserhoehungen
* Bubis begruesst Urteil gegen Deckert
* Brand im Altenheim
* statistische Befragungen in Baden-Wuerttemberg
* Kommentar der Sueddeutschen: An schweren Wassern



Proteste gegen den Castortransport in Niedersachsen

Gorleben. Im Landkreis Luechow-Dannenberg in Niedersachsen blockieren Bauern zwei Polizeiunterkuenfte. In Neutram versperren sie mit etwa 40 Traktoren die Zufahrt zu einer ehemaligen Kaserne. In Luechow sind sie mit einem Dutzend Zugmaschinen vor einer anderen Unterkunft aufgefahren. In die Quartiere soll der Polizeischutz fuer den Castortransport einziehen. Der Castorbehaelter mit den verbrauchten Brennstaeben aus dem Atomkraftwerk Phillipsburg wird Anfang naechster Woche in Gorleben erwartet. In der niedersaechsischen Kleinstadt haben am Mittag ueber 1000 Atomkraftgegner demonstriert. Sie forderten, auf den geplanten Castortransport von Phillipsburg nach Gorleben zu verzichten. Zu der Kundgebung hat unter anderem die Initiative aufgerufen, die seit Jahren gegen die Atomanlagen in Gorleben protestiert. Die Polizei ist mit mehreren hundert Beamten im Einsatz, um gewalttaetige Aktionen zu verhindern. Nach der friedlich verlaufenen Kundgebung wurden Beamte von teilweise vermummten Demonstranten mit Stahlkugeln beschossen. Die Beamten gingen mit Schlagstoecken gegen die Menge vor. Zwei Demonstranten und ein Polizist wurden verletzt. Am Nachmittag blockierten rund 700 Atomkraftgegner den Zugang zum atomaren Zwischenlager in Gorleben. Bei der Raeumung durch die Polizei kam es erneut zu Rangeleien.


Atommuellager Morsleben soll angeblich "Schacht Konrad" ersetzen

Magdeburg. Die Bundesregierung will angeblich im Atommuellager Morsleben Abfaelle mit mittelstarker Strahlung deponieren. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, so solle das Endlager "Schacht Konrad" in Niedersachsen ueberfluessig gemacht werden. Laut Spiegel bricht der Bund damit seine Zusage von 1991, in Morsleben nur schwach radioaktive Abfaelle zu lagern. Die Bundesregierung berufe sich auf eine Dauerbetriebsgenehmigung der DDR aus dem Jahre 1986, die auch staerker strahlende Abfaelle in Morsleben zulaesst, heisst es im Spiegel. Das Bundesinnenministeriums sagte, in Morsleben werde auch weiterhin nur schwach radioaktiver Abfall eingelagert.


Bundesversicherungsamt wirft Krankenkassen Geldverschwendung vor

Berlin. Das Bundesversicherungsamt hat den gesetzlichen Krankenkassen vorgeworfen, Geld fuer Werbegags zu verschleudern. Der Praesident des Amts, Daubenbuechel, sagte, teilweise verstiessen die Kassen gegen das Gebot, mit den Beitraegen der Versicherten wirtschaftlich und sparsam umzugehen. Vor allem die Gesundheitsvorsorge werde zu Marketingzwecken missbraucht. Toepfer- und Bauchtanzkurse und andere Lustbarkeiten duerfe es nicht auf Krankenschein geben. Grund fuer die zunehmende Werbung der Kassen ist die kuenftige Wahlfreiheit der Versicherten. Von 1996 an kann man sich frei entscheiden, wo man krankenversichert sein will.


Krankenkassen erwarten Beitragserhoehungen

Berlin. Mehrere Krankenkassen erwarten 1996 drastische Beitragserhoehungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie halten einen Anstieg des Beitrags auf ueber 15% des Bruttogehalts fuer unvermeidlich, falls die Bundesregierung nichts unternimmt. Im kommenden Jahr laeuft die Budgetierung von Krankenkassenleistungen aus. Die Sozialdemokraten forderten Bundesgesundheitsminister Seehofer auf, noch in diesem Jahr ein Kostendaempfungsgesetz vorzulegen. Ueber die drohenden Beitragserhoehungen bei den gesetzlichen Krankenversicherungen berichtet das Nachrichtenmagazin Fokus.


Bubis begruesst Urteil gegen Deckert

Karlsruhe. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Bubis, hat die Verurteilung des NPD-Vorsitzenden Deckert zu zwei Jahren Haft begruesst. Bubis sagte, das Landgericht Karlsruhe habe die richtigen Konsequenzen gezogen. Es sei entscheidend, dass die Bewaehrung nun wegfalle. Der Wahnwitz der Mannheimer Urteilsbegruendung habe darin bestanden, aus Deckerts Unbelehrbarkeit eine Strafmilderung abzuleiten, erklaerte der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland. Auch der Deutsche Richterbund begruesste das Urteil und bezeichnete das Urteil von 2 Jahren ohne Bewaehrung als angemessen.


Brand im Altenheim

Minden. Im westfaelischen Bad Oinhausen sind bei einem Brand in einem Altenheim zwei Menschen ums Leben gekommen. Ein weiterer Bewohner des heims wurde lebensgefaehrlich verletzt. 26 Menschen wurden von der Feuerwehr in Sicherheit gebracht. Brandursache war vermutlich eine Zigarette. Durch das Feuer wurde das private Altenheim im Kurpark von Bad Oinhausen stark beschaedigt.


statistische Befragungen in Baden-Wuerttemberg

Stuttgart. In Baden-Wuerttemberg fuehrt das statistische Landesamt wieder Haushaltsbefragungen durch. Die Bewohner von rund 46000 Haushalten werden zu ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage befragt. Die Statistiker wollen auch auskunft ueber betriebliche oder private Altersversorgung. Fuer die Buerger besteht bei den meisten Fragen eine Auskunftspflicht. Die Interviewer werden sich bei den Befragungen speziell ausweisen.


Kommentar der Sueddeutschen: An schweren Wassern

In der Plutonium-Affaere eroeffnen sich staendig neue Perspektiven - jede davon wuerdig, uebers Wochenende durchdacht zu werden. Aus Wissenschaftskreisen sickerte durch, dass die 363 Gramm Plutonium bereits seit Jahren auf einer Lufthansamaschine unterwegs gewesen seien. Man habe testen wollen, ob und inwieweit das mehrmalige Ueberschreiten der Datumsgrenze die Halbwertszeit des Materials beeinflusst. Die Lufthansa und die in diesem Zusammenhang genannte Deutsche Forschungsgemeinschaft haben das "entschieden" dementiert. Eine seltsame Meldung wird aus Moskau gestreut. Ihr zufolge ist Bernd Schmidbauer ein V-Mann des Bundesnachrichtendienstes, Konrad Porzner hingegen ein V-Mann des Bundeskanzleramtes; darueber hinaus sei jeweils einer des jeweils anderen Fuehrungsoffizier. Als gemeinsamen "Toten Briefkasten" benuetzten sie das Bayrische Landeskriminalamt, woraus es sich auch erklaere, dass in wichtigen Dingen keiner vom anderen wisse. Die drei beteiligten Stellen haben das "entschieden" dementiert. Spur 3: Bayerns Kultusminister, von Innenminister Beckstein um Amtshilfe gebeten, teilt mit, dass es Plutonium wahrscheinlich gar nicht gibt, dass es sich jedenfalls nicht aus der griechischen Mythologie herleiten laesst. Nachweisbar sei nur der Raub der Persephone durch Hades alias Pluto, ein Vorgang, bei dem die Nymphe Kyano vor Kummer zu Wasser zerschmolzen sei - der Ursprung des "Schweren Wassers". Beckstein, der BND, das LKA und das Bundeskanzleramt haben das "entschieden" begruesst. - us


Quellen

SWF3    11:00 MESZ    13:00 MESZ    17:00 MESZ    19:00 MESZ