GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Sa, 02.08.1997



* "Stabil kritisch" - Die Lage in den Hochwassergebieten
* Lafontaine weist Vorwuerfe Kohls zurueck
* Staerkere Abgrenzung der Kompetenzen von Bundestag und Bundesrat gefordert
* Eichel fuer vorgezogene Bundestagswahlen
* Diskussion ueber Senkung des Solidaritaetszuschlages
* Bund der Steuerzahler kritisiert Bundesregierung
* Chilenische Behoerden fahnden weiter nach Paul Schaefer
* Geiselnahme in Friedberg beendet



"Stabil kritisch" - Die Lage in den Hochwassergebieten

Einheiten der Bundeswehr sind im Osten von Brandenburg erneut im Einsatz, um Schaeden an Deichen der Oder zu reparieren. Nach Angaben des Krisenstabs in Potsdam war suedlich von Hohenwutzen und bei Ratzdorf die Deichkrone auf einer Laenge von etwa 15 Metern gerissen. Die Soldaten seien sofort zu beiden Schadstellen beordert worden, um die Deiche abzudichten. Ein Sprecher des Krisenstabes bezeichnete die Situation als "stabil kritisch". Der Pegel der Oder ist in der vergangenen Nacht leicht gesunken. Nach neuen Regenfaellen in Polen muss allerdings wieder mit einem Ansteigen gerechnet werden. Bei Reitwein wurde damit begonnen einen zweieinhalb Kilometer langen Querdamm zu errichten. Er soll die suedlichen Teile des Oderbruchs vor einer Ueberflutung schuetzen, falls die vorderen Oderdeiche dem Wasserdruck nicht mehr standhalten. Brandenburgs Innenminister Ziel versicherte heute frueh heute noch einmal, der Hauptdeich werde an keinem Punkt aufgegeben. In Interviews mit dem Deutschlandradio sagte er, die Sicherung des Oderufers habe oberste Prioritaet.


Lafontaine weist Vorwuerfe Kohls zurueck

Der SPD-Vorsitzende Lafontaine hat die juengsten Vorwuerfe von Bundeskanzler Kohl gegen seine Partei zurueckgewiesen. Der Kanzler wolle mit seinen Angriffen davon ablenken, dass seine Wirtschafts- und Sozialpolitik auf der ganzen Linie gescheitert sei, sagte Lafontaine in Bonn. Es sei die staatspolitische Pflicht der SPD gewesen, die unsozialen und nicht finanzierbaren Steuerplaene der Koalition zu stoppen. Kohl hatte der Opposition vorgehalten, sie missbrauche den Bundestag als Waffe im Kampf um die Macht.


Staerkere Abgrenzung der Kompetenzen von Bundestag und Bundesrat gefordert

Fuer eine staerkere Abgrenzung der Kompetenzen von Bundestag und Bundesrat hat sich der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses, Blehns, ausgesprochen. Es sei eine problematische Verfassungssituation, wenn der Bundesrat in zu vielen Bereichen voll mitbestimmen koenne, sagte der CDU-Politiker im SFB. Die Buerger verstuenden es immer weniger, dass die von ihnen gewaehlte Regierung bei der Umsetzung der politischen Programme im Bundesrat behindert werde. Blehns hatte in der vergangenen Woche gemeinsam mit dem SPD-Verhandlungsfuehrer Voscherau versucht, im Vermittlungsausschuss einen Kompromiss zur Steuerreform zu erreichen.


Eichel fuer vorgezogene Bundestagswahlen

Der hessische Ministerpraesident Eichel hat vorgezogene Bundestagswahlen gefordert, falls es keine Einigung im Steuerstreit gibt. Ein zweites Vermittlungsverfahren mache nur Sinn, wenn Finanzminister Waigel ein neues Konzept vorlege, das den Staatshaushalt nicht ruiniere, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Ihre Kompromissfaehigkeit koenne die Koalition am Dienstag im Bundestag unter Beweis stellen, wenn sie die Senkung der Lohnnebenkosten nicht blockiere, unterstrich Eichel. Der Sprecher von Buendnis 90 / Die Gruenen, Trittin, verlangte sofortige Neuwahlen, da es vor der naechsten Wahl keine relevanten Fortschritte bei der Steuerreform geben werde. Fuer weiter Verhandlungen plaedierte dagegen der stellvertretende FDP-Vorsitzende Bruederle. Er vertraue darauf, dass spaetestens nach der Hamburg-Wahl auch in der SPD die Solidaritaet der Demokraten Vorrang vor parteistrategischen Ueberlegungnen erhalte.


Diskussion ueber Senkung des Solidaritaetszuschlages

Der Vorsitzende der CUD/CSU-Bundestagsfraktion Schaeuble hatte gestern versichert, die Koalition werde an der Senkung des Solidaritaetszuschlages von 7.5 auf 5.5 Prozent festhalten. Doch im gleichen Atemzug raeumte Schaeuble ein, dass nur umgesetzt werden koenne, was auch finanzierbar sei. Und genau darueber wird jetzt in der Koalition wieder diskutiert. Fuer die FDP ist klar: Der Solidaritaetszuschlag muss gesenkt werden. Egal, ob die grosse Steuerreform nun endgueltig gescheitert ist, oder doch noch Hoffnung auf weiter Verhandlungen besteht. Die SOLI-Senkung zum 1. Januar 1998 muesse in jedem Fall kommen, darauf bestehe die FDP, sagte der baden-wuerttembergische Wirtschaftsminister Doering. Ein eigenes Gesetz soll nach den Vorstellungen der Liberalen die Verringerung des Solidaritaetszuschlages von 7.5 auf 5.5 Prozent ein fuer alle Mal festschreiben. FDP-Praesidiumsmitglied Doering sagte, den Buergern muesse das klare Signal gegeben werden, dass die Steuern auch bei einem Scheitern der Steuerreform zumindest durch die Reduzierung des SOLI-Zuschlages gessenkt werden. Bei den Ostdeutschen CDU-Bundestagsabgeordneten kommt dieses Signal nicht so gut an. Mit dem Scheitern der Steuerreform sei die Grundlage fuer die Absenkung des SOLI entfallen, sagte der Sprecher der ostdeutschen CDU-Abgeordneten Krueger. Wir sehen es nicht als Prioritaet an, uns fuer die Absenkung des SOLI starkzumachen, so Krueger woertlich. Er verwies auf Engpaesse im Haushalt, die erst noch geklaert werden muesse. Die Finanzierung der Gemeinschaftsaufgabe Ost haenge noch in der Luft, kritisierte er. Im Entwurf des Bundeshaushalts 1998 sind fuer die Wirtschaftsfoerderung in den neuen Laendern 2.74 Milliarden DM geplant. In diesem Jahr waren es noch 2.85 Milliarden.


Bund der Steuerzahler kritisiert Bundesregierung

Bonn. Der Bund der Steuerzahler hat der Bundesregierung ein falsches Vorgehen bei der Durchsetzung der grossen Steuerreform vorgeworfen. Bundeskanzler Kohl und Finanzminister Waigel haetten nicht genug fuer die Durchsetzung der Reform geworben, sagte der Praesident der Organisation Daelke in einem Zeitungsinterview. Der SPD warf Daelke eine Blockadehaltung vor. Er auesserte sich aber optimistisch, dass ein zweites Vermittlungsverfahren doch noch zu einem Ergebnis fuerhen wuerde.


Chilenische Behoerden fahnden weiter nach Paul Schaefer

Noch immer fahnden die chilenischen Behoerden nach Paul Schaefer, dem Chef der beruechtigten Colonia Dignidad in Chile. Gestern wurde die Nummer zwei der Siedlung, Hartmut Hopp, geschnappt. Ein chilenischer Untersuchungsausschuss hat ausserdem inzwischen zwei Maenner vernommen, die die Gemeinschaft Hals ueber Kopf verlassen hatten. Die beiden geflohenen Ex-Mitglieder der Colonia Dignidad, Tobias Mueller und Sale Luna sind heute Nachmittag auf dem Frankfurter Flughafen eingetroffen. Sie sind vor ein paar Tagen aus der beruechtigten Kolonie geflohen und befanden sich seitdem in Obhut der deutschen Botschaft. Beim Richter, der vor allem nach dem lange gesuchten Sektenchef Paul Schaefer fahndet, haben sie acht Stunden lang ausgesagt. Paul Schaefer wird wegen Vergewaltigung Minderjaehriger gesucht. Unterdessen ist voellig ueberraschend der zweite Chef der Kolonie, Hartmut Hopp, nach Chile zurueckgeflogen und ist auf dem Flughafen von Santiago verhaftet worden. Gestern Nacht war er mit seiner Familie nach Argentinien geflohen, hoechstwahrscheinlich um seinen Sohn Michael in Sicherheit zu bringen, den er widerrechtlich adoptiert haben soll.


Geiselnahme in Friedberg beendet

Im Untersuchungsgefaengnis der hessischen Stadt Friedberg ist am fruehen Morgen eine Geiselnahme beendet worden. Kurz vor fuenf Uhr griff die Polizei zu. Mit Hilfe einer Blendgranate konnte der 33jaehrige Taeter von einem Sondereinsatzkommando ueberwaeltigt und festgenommen werden. Dabei erlitt der Untersuchungsgefangene eine leichte Platzwunde am Kopf. Seine 23jaehrige Geisel, ein Beamter der JVA, blieb unverletzt. Bis zuletzt hatten Polizei und Anstaltsleitung versucht, auf dem Verhandlungswege den Geiselnehmer von einer Aufgabe zu ueberzeugen. In einem taktisch guenstigen Moment sei dann zugeschlagen worden, erklaerte ein Polizeisprecher. Der 33jaehrige Taeter aus dem Hochtaunuskreis hatte gestern Abend gegen 22:40 aus einer Zelle nach der Wachmannschaft geklingelt und ueber Zahnschmerzen geklagt. Danach ergriff er ein Anstaltsmesser und nahm zunaechst zwei Bedienstete, die in seine Zelle gekommen waren als Geiseln. Er ueberwaeltigte sie mit Fusstritten. Einer der Beamten konnte sich dann entfernen und fliehen. Da keiner der Bediensteten einen Schluessel besass, um den Gefangenen aus der Haftanstalt zu lassen, so der Polizeifuehrer, konnte die Situation zunaechst stabilisiert und er Taeter zunaechst ueberwaeltigt werden.


Quellen

DLF    9:00 MESZ    15:00 MESZ
B5    9:30 MESZ    14:00 MESZ
SDR 3    10:00 MESZ