Kohl lehnt Aufnahmestop fuer Fluechtlinge aus Ex-Jugoslawien ab |
Hamburg. Bundeskanzler Kohl lehnt einen Aufnahmestop fuer Fluechtlinge aus
dem ehemaligen Jugoslawien ab. In einem Zeitungsinterview betonte der
Kanzler, Deutschland koennte nicht alle Fluechtlinge aufnehmen, doch sei es
auch unsinnig zu sagen, das Boot ist voll, hier kommt keiner mehr rein. Kohl
widersprach damit Bundesinnenminister Kanther, der keine weiteren
Fluechtlinge mehr aufnehmen will. Der Bundeskanzler kuendigte zugleich an,
dass er auf der naechsten EU-Konferenz eine gerechtere Verteilung der
Fluechtlinge in Europa fordern werde.
Eine Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Bosnien lehnte der Kanzler ab. Er
habe nicht die Absicht, ueber das Beschlossene hinauszugehen. Dies habe
nichts mit Feigheit zu tun sondern nehme Ruecksicht auf die deutsche
Geschichte und die Angehoerigen der Soldaten. Ausserdem gebe es fuer den
Balkan nur eine Verhandlungsloesung. Er werde das Thema in Kuerze mit
Russlands Praesident Jelzin besprechen. Dieser habe von allen auslaendischen
Staatsmaennern den groessten Einfluss auf die Serben. |
Wieder Krawalle bei den Chaostagen in Hannover |
Hannover. Gewalttaetige Punker haben sich in der Nordstadt von Hannover in
der vergangenen Nacht wieder schwere Strassenschlachten mit der Polizei
geliefert. Dabei wurden mindestens 40 Menschen zum Teil schwer verletzt. Nach
Augenzeugenberichten zuendeten die Randalierer Strassenbarrikaden an und
bewarfen die Polizei mit Steinen, Flaschen und Molotowcocktails. Die
Sicherheitskraefte gingen mit Wasserwerfern, Schlagstoecken und schwerem
Raeumgeraet gegen die Punker vor. Rund 450 jugendliche Randalierer wurden
voruebergehend festgenommen. Nach der dritten Krawallnacht in Folge haben am
Morgen viele Punker Hannover verlassen. Ein Sprecher des Bundesgrenzschutzes
sagte, rund 700 Punker seien mit der Bahn abgereist.
Nach einer vorlaeufigen Polzeibilanz wurden bei den Chaostagen in Hannover
mindestens 170 Beamte zum Teil schwer verletzt. Die Zahl der verletzten
Punker wird ebensohoch eingeschaetzt. Die Polizei nahm 220 Straftaeter fest
und mehr als 1000 Punker in vorlaeufigen Gewahrsam. Insgesamt seien mehr als
3000 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz im Einsatz gewesen. |
Berliner SPD will nicht mit der PDS zusammenarbeiten |
Die SPD-Spitzenkandidatin fuer das Amt des Regierenden Buergermeisters in
Berlin, Stamer, hat sich erneut gegen jede Form der Zusammenarbeit mit der
PDS ausgesprochen. In Rundfunkinterviews sagte die Sozialsenatorin der
gegenwaertigen grossen Koalition, Berlin lasse sich nicht mit Sachsen-Anhalt
vergleichen, wo die PDS die rot-gruene-Regierung unter Ministerpraesident
Hoeppner toleriere. Sachsen-Anhalt sei ein reines Ostland, erklaerte Stamer.
Dagegen seien viele Westberliner Fluechtlinge aus der frueheren DDR und
haetten dort grosses Unrecht unter der SED erlitten. Die PDS sei deren
schlichte Nachfolgepartei, betonte die Sozialdemokratin im Deutschlandfunk.
Eine Koalition mit den Gruenen nach den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus
im Oktober schloss Stamer jedoch nicht grundsaetzlich aus. |
Qualifizierte Krankenschwestern sollen Medizin studieren koennen |
Bonn. Bildungsminister Ruetgers will besonders qualifizierten
Krankenschwestern und Pflegern auch ohne Abitur das Medizinstudium
ermoeglichen. Ruetgers forderte die Laender auf, sich ueber einheitliche
Kriterien fuer die Studienzulassung von Nichtabiturienten zu verstaendigen.
Bisher werden nach den gueltigen Approbationsordnungen fuer Aerzte und
Pharmazeuten nur diejenigen zu Staatspruefungen zugelassen, die auch das
Abitur haben. |
Auch gesetzliche Krankenkassen rechnen mit hoeheren Beitraegen |
Bonn. Auch die gesetzlichen Krankenkassen rechnen offenbar mit hoeheren
Beitraegen wegen der steigenden Lebenserwartung. Das erklaerte der
Geschaeftsfuehrer der Angestellenkrankenkassen Fiedler gegenueber der
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Anders als bei den Privaten wuerden
aber hoehere Lasten bei den gesetzlichen Kassen sofort umgelegt. Aus diesem
Grund wuerden die Beitragssaetze nicht sprunghaft sondern schleichend
ansteigen. Wann Erhoehungen faellig werden koenne er nicht sagen. |
Ozonsituation in Baden-Wuerttemberg |
Im Bundesland Baden-Wuerttemberg hat es am Wochenende seit Inkrafttreten des
neuen Ozongesetzes die bisher hoechsten Werte gegeben. Nachdem gestern
Spitzenwerte von 235 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft in Freiburg gemessen
wurden, wurde heute in Mannheim der Hoechstwert mit 210 Mikrogramm
festgestellt. Entgegen ersten Befuerchtungen musste jedoch kein Fahrverbot
ausgesprochen werden. Es gilt dann, wenn 240 Mikrogramm erreicht werden. Die
Ozonlage soll sich zum Wochenanfang deutlich entspannen. |
Brandanschlaege auf tuerkische Geschaefte in Essen und Siegen |
Essen. Auf ein tuerkisches Lebensmittelgeschaeft in der Naehe von Essen ist
in der vergangenen Nacht ein Brandanschlag veruebt worden. Der Sachschaden
wird auf rund 50.000 DM geschaetzt. Verletzt wurde niemand. In Siegen warfen
die Attentaeter Molotow-Cocktails und einen Benzinkanister in ein tuerkisches
Vereinsheim. Die Brandsaetze zuendeten jedoch nicht.
Hintergruende und Motive der Brandanschlaege sind bisher unklar. Die juengste
Serie der Brandanschlaege auf tuerkische Einrichtungen in Deutschland wird
militanten Kurden zur Last gelegt. |
Brand in Neu-Ulmer Hotel |
Neu-Ulm. Bei einem Hotelbrand in Altenstadt haben am Abend vier Gaeste
leichte Rauchvergiftungen erlitten. Sie wurden zur Beobachtung ins
Krankenhaus eingewiesen. Die Polizei vermutet nach Angaben von heute morgen
vorsaetzliche Brandstiftung, da fuenf Brandstellen entdeckt wurden. Es
entstand rund 50.000 DM Sachschaden. |
Brand in Altersheim fordert ein Todesopfer |
Freudenstadt. Beim Brand in einem Altenheim in Alpirsbach im Schwarzwald ist
heute ein 71jaehriger Mann getoetet worden. Vier weitere Personen wurden
verletzt. Der Sachschaden betrage rund 500.000 DM berichtete die Polizei. |
Ammoniak aus Brauerei ausgelaufen |
Marburg. Aus einer Brauerei ist am Morgen aus bisher ungeklaerter Ursache
aetzendes Ammoniak ausgetreten. Verletzt wurde nach ersten Angaben bisher
niemand. Die Gaswolke zog ueber das Stadtgebiet von Marburg in Richtung
Giessen. Polizei und Feuerwehr forderten die Buerger auf, Tueren und Fenster
zu schliessen. Beim Einatmen von Ammoniak kann es zu Erstickungsanfaellen und
Krampfhusten kommen. |
Leichenfund im Kleinhesseloher See |
Mit einem Tretbot von Bootsverleih hat sich die Muenchener Polizei gestern im
Englischen Garten auf die Suche nach einem Ertrunkenen gemacht.
Spaziergaenger hatten von einem nackten Mann berichtet, der unter Wasser
trieb. Obwohl die Polizei den Mann noch lebend aus dem Wasser fischen konnte
kam jede Hilfe zu spaet. Der Tote wurde als 53jaehriger Muenchner
identifiziert. Wie es zu dem Unfall kam soll jetzt die Obduktion klaeren. |
Spaghetti a la Verdi (Suedwest Presse) |
Wer in Bayreuth sechs Stunden "Parisfal" absitzt oder am heimischen Radio dem
dauerhaften Wagner lauscht, zaehlt zur vom Aussterben bedrohten Art der
geduldigen Zuhoerer. Dass Beethoven einst, im Dezember 1808, in einem
einzigen endlosen Konzert in Wien seine 5. und 6. Sinfonie und noch eine
masslose Anzahl weiterer Werke urauffuehrte? Keiner haelt das heute mehr aus,
sagt Klassik Radio und laesst hoechstens mal, leichtverdaulich das
Schicksalsmotiv der Fuenften pochen: dadada-daa. Mit den einsamen
Klassikfans, die vor dem CD-Player ausharren, sich Opernraritaeten auflegen,
die es geniessen, wenn Helmuth Rilling oder John Eliot Gardiner die
Matthaeuspassion unterschiedlich interpretieren, will die Plattenindustrie
allein nicht mehr leben muessen. Sie draengt auf Umsatz, den lukrativen
Pop-Markt vor Augen, und schielt auf die Ahnungslosen, die Verdis
Opernschlager nur aus der Pasta- und Pizzawerbung kennen. Weg vom
Bildungsbuerger, hin zum Normalverbraucher. Das Ziel heisst: kein deutscher
Haushalt ohne die "Kleine Nachtmusik" auf CD.
Halbgott Karajan sicherte als erstes profitables Terrain jenseits der Klassikgrenzen, die drei Tenoere sahnten zuletzt bei der Hoerermasse ab. Das Sympathie-Maskottchen der Musikindustrie heisst jetzt Justus Frantz, ein Missionar mit der Partitur als Evangelium, ein Mini-Bernstein, der das Volk aufklaert: Achtung, Klassik! Er zeigt ein "Herz fuer Umwelt" und dirigiert Saint-Saens' "Karneval der Tiere" mit dem Erzaehler-Arbeitsminister Norbert Bluem. Wenn Frantz spielt, dann "fetzige" Klassik. Ueberhaupt verpacken die Marktstrategen nur ein schmales Repertoire in immer neue Sampler-Aufmachung: Klassik zum Schmusen, zum Kochen (noch nicht fuers Klo), und selbst die Fussballshow "ran" praesentiert Klassik-Hits aus Italien fuer den deutschen musikalischen Tifoso: naturgemaess mit dem "Aida"-Triumphmarsch. Applaus dafuer, dass da eine breite Hoererschicht von Maria Hellwig und James Last abgeworben werden, dass Richard Claydermanns Geklimper am Klavier durch Evgenij Kissins filigranes Spiel ersetzt werden soll. Aber mit Haeppchenklang zerstueckelter Musikware und immer nur Vivaldis "Vier Jahreszeiten" bekommt der unbedarfte Klassikkonsument keinen Appetit auf mehr, er wird nur billig abgespeist. Und die Plattenfirmen verkalkulieren sich: Zu schnell ist jeder mit den ueblichen Schlagern, Carl Orffs "O Fortuna" darf nicht fehlen, auf diversen "Best of"-CD's gesaettigt. Und die Vermarkter schaffen es im Verein mit Privatsendern, dass durch ewiges Abdudeln des Immergleichen die raren Klassik-Hits keiner mehr ertraegt. Aber die Musikindustrie zaubert immer neue Verkaufstricks aus dem Hut: auch ein geigendes Haeschen. "Ein Segen fuer die Klassik", schrieb eine gewisse Dana in "Bild" ueber Vanessa Mae, dem Violinteenie aus Asien. Warum? Weil sie im durchsichtigen Miniroecken Bach mit Pop mischt. Wo's auf den Ton nicht mehr ankommt, zaehlt die Waesche. Ein Riesengeschaeft.
Und TV-Zar Leo Kirch traeumt derweil von einem Klassikkanal vergleichbar MTV
oder Viva. Dann geigt Vanessa Mae im Wasser und wird am Land abgeloest von
Sergiu Celibidache, der Bruckner (angezogen) mit den Muenchner
Philharmonikern (ebenfalls angezogen) zelebriert. Zwischen den sinfonischen
Saetzen, praesentiert vom niederoesterreichischen Fremdenverkehrsverband,
senden die Bierbrauer Werbespots. Zum Abschalten. |
Das Streiflicht (Sueddeutsche Zeitung) |
Ein Raetsel ist die Welt. Gestellt hat es die Sphinx vom Prinzregentenplatz,
Buehnenvereinspraesident August Everding, der im Deutschlandfunk "die
ausufernde Festivalitis aufgespiesst" (dpa) hat. Heutzutage werde jede Kirmes
zum Festival erklaert, sagte er, und noch jede Grillbraterei auf irgendeiner
Strasse sei ein zum Festival hochstilisiertes Ereignis. Ein Raetsel ist
dieses Statement deswegen, weil keiner genau weiss, ob das gegen die
Grillbratereien geht oder gegen die Festivals, und weil Everding selbst weder
das eine noch das andere auslaesst. Vor Jahren soll er sogar gleichzeitig
hier wie dort gesehen worden sein. Damals teilte er in Bayreuth ungefragt
mit, dass der "Ring" im Grunde ein unheimlich modernes Werk sei, waehrend er
zur selben Stunde beim Siedlerfest Pullach-Nord als Alberich auftrat und mit
folgendem Gstanzl sehr ankam: "Heute back ich, morgen brat ich, und
uebermorgen servier ichs bruehwarm dem Sawallisch."
Tatsaechlich sind die beiden Sphaeren naeher beieinander als man vermuten moechte. Was insbesondere die Bayreuther Festspiele angeht, so muss man deren Hausvater Wolfgang Wagner nicht zweimal erlebt haben, um zu ahnen, dass er auch beim Wuerstlbraten irgendwo draussen in Heinersreuth oder Gesees eine gute Figur abgaebe, eine bessere vielleicht als auf dem Huegel. Den grossen Festspielen wird ja nicht nur von denen, die keine Karten bekommen haben (von denen aber besonders und mit dem sicheren Instinkt der Verlierer), der Vorwurf des rein Kulinarischen gemacht. Dabei werden dann auch die Opern gern als "Schinken" bezeichnet, und die Zukurzgekommenen behaupten nicht selten, dass fuer die Premierengaeste eine "Extrawurst" gebraten werde, was bei Wagners "Ring" natuerlich sofort die Assoziation "Weisse im Ring" oder "Lyoner im Ring" wachruft. Die Anspielung ist zugegebenermassen wohlfeil. Als Denkhilfe aber sei sie willkommen: Dass erst der Braten kommt und dann die Musi, daran sollte man sich gelegentlich erinneren. Wer im Salzburger "Jedermann" sitzt und den Duft von Bosnawuersten in die endzeitlich gesenkte Nase bekommt, der ahnt etwas von der Ordnung der Dinge und davon, wo die guten Werke all zu finden sind.
Freilich, der gesellschaftliche Rahmen! Darin unterscheiden sich Grillpartys
und Festspiele schon, obwohl auch hier die Grenzen verschwimmen. Nehem wir
einen beliebigen Wortwechsel. Frau zu Mann: Unerhoert, dass er mit seinem
Schlitten bis hierher fahre. Daraufhin er: Sie mit ihrem komischen T-Shirt
muesse ueberhaupt still sein. Der Dialog passt auf jede Kirmes, und doch
ereignete er sich in etwas feineren Worten, bei den Salzburger Festspielen
und zwar zwischen der Fuerstin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn ("Mannie") und dem
Modeschoepfer Rudolph Moshammer. Es stimmt schon, was Everding immer sagt:
Kultur muss Konflikte sichtbar machen. |
Quellen |
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