GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 08.08.1995



* Kabinett verabschiedet Reform der Wohnungsbaufoerderung
* VW-Tarifverhandlungen: IG Metall signalisiert Verhandlungsbereitschaft
* Kontroverse Diskussionen uber Sonntagsarbeit
* Nach Chaos-Tagen: Anzeige gegen Innenminister
* Dritter Toter bei Turmeinsturz in Jena gefunden
* Kroatischer Botschafter: Hoffen auf auslaendische Hilfe bei Wiederaufbau
* Massenflucht in Krajina: Bundesregierung will helfen
* Fuenfte Anklage gegen Schalck-Golodkowski
* Keine Konsequenzen fuer Handwerkspraesident wegen illegaler Leiharbeit
* Steigende Arbeitslosenzahlen
* Lehrstellenmarkt weiter duenn
* Inflationsrate bei 2,3 %
* Dynamo Dresden: Praesident Otto erklaert Ruecktritt
* Kommentar: Tank um das Auto
* Boerse: Etwas leichter



Kabinett verabschiedet Reform der Wohnungsbaufoerderung

Bonn. Das Bundeskabinett hat die Reform der Wohnungeigentumsfoerderung gebilligt. Ziel ist es, Familien in mittleren und unteren Einkommensschichten zum eigenen Haus zu verhelfen. Die Reform setzt sich aus einer fuer alle Buerger gleichen Grundzulage von 5.000 DM fuer Neu- und von 2.200 DM fuer Altbauten sowie einem auf 1.500 DM erhoehten Baukindergeld zusammen. Grundzulage wie Baukindergeld werden acht Jahre lang gewaehrt. Jeder Buerger kann die Foerderung einmal, Ehepaare insgesamt zweimal in Anspruch nehmen. Der foerderungsfaehige Hoechstbetrag liegt bei 100.000 DM. Neu ist, dass hierbei die Grundstueckskosten mit einbezogen werden. Die Einkommensgrenzen fuer die Inanspruchnahme liegen bei 120.000 DM, bei Verheirateten 240.000 DM. Die Reform wirkt sich insbesondere bei zu versteuernden Jahreseinkommen zwischen 50.000 und 80.000 DM aus. Bisher war die Wohnungsbaufoerderung als Abschreibungsmodell geregelt. Danach wurden Bezieher hoher Einkommen bevorzugt. Bundestag und Bundesrat muessen der Neuregelung noch zustimmen, die den bisherigen "Haeuslebauerparagraph" 10 e Einkommensteuergesetz abloesen soll. Die Neuregelung soll zum 1.01.1996 in Kraft treten. (Anmerkung zur "Foerdergrenze": Die Zulage errechnet sich als 5 Prozent der Kosten, angerechnet aber nur bis zu einem Betrag von 100.000 DM. Da faktisch jedes Bauvorhaben eine hoehere Bausumme hat, kann man praktisch von einer konstanten Foerderung von 5.000 DM pro Jahr ausgehen. In diesem Sinne ist die Aussage "Grundzulage von 5.000 DM" zu verstehen. Fuer Altbauten gilt das natuerlich entsprechend.)


VW-Tarifverhandlungen: IG Metall signalisiert Verhandlungsbereitschaft

Hannover. Unmittelbar vor Beginn der Tarifverhandlungen bei Volkswagen hat die IG Metall ihre Bereitschaft signalisiert, beim Streitthema Samstagsarbeit einzulenken. IG Metall-Verhandlungsfuehrer Peters sagte in einem Zeitungsinterview, Voraussetzung sei, dass es bei den Zuschlaegen und der Zustimmungspflicht des Betriebsrats bleibe. Dem Samstag als Regelarbeitstag werde die IG Metall in keinem Fall zustimmen.


Kontroverse Diskussionen uber Sonntagsarbeit

Bonn. Die Ankuendigung mehrerer Firmen, Sonntagsarbeit einzufuehren, hat zu kontroversen Diskussionen gefuehrt. Die SPD bezeichnete entsprechende Absichten des Neckermann-Versandes und des Reifenherstellers Pirelli als Frontalangriff auf die Sonn- und Feiertagsruhe. Die CDU-Mittelstandsvereinigung plaedierte dagegen fuer eine Flexibilisierung der Arbeitszeit.


Nach Chaos-Tagen: Anzeige gegen Innenminister

Hannover. Nach den Strassenschlachten bei den "Chaos-Tagen" haben Polizeibeamte jetzt den niedersaechsischen Innenminister Glogowski angezeigt. Sie werfen dem SPD-Politiker Strafvereitelung im Amt, unterlassene Hilfeleistung und Beihilfe zu Straftaten vor, weil er im Vorfeld nichts gegen die Chaos-Tage unternommen habe. Wegen der gleichen Vorwuerfe hat die Polizeigewerkschaft bereits den Polizeipraesidenten und den Einsatzleiter angezeigt.


Dritter Toter bei Turmeinsturz in Jena gefunden

Jena. Suchtrupps haben am fruehen Morgen einen dritten Toten aus den Truemmern des eingestuerzten Roten Turms in der Innenstadt. Ein 15jaehriger Auszubildender wird noch vermisst. Der historische Turm war gestern nachmittag bei Restaurierungsarbeiten in sich zusammengestürzt. Bei den Toten handelt es sich um Bauarbeiter.


Kroatischer Botschafter: Hoffen auf auslaendische Hilfe bei Wiederaufbau

Bonn. Der kroatische Botschafter in Bonn Ilic hofft auf die Hilfe Deutschlands und anderer europaeischer Staaten beim Wiederaufbau der zurueckeroberten Krajina. Gleichzeitig rief Ilic die in Deutschland lebenden Kriegsfluechtlinge aus Kroatien zur Rueckkehr in ihre Heimat auf. Die Voraussetzung dafuer sei aber der Wiederaufbau der zerstoerten Gebiete. Ilic woertlich: "Wir brauchen diese Leute, aber wir brauchen auch Hilfe aus Europa und der Welt." Ilic erklaerte, auch Serben stehe eine Rueckkehr in die Krajina offen. Meldungen ueber Uebergriffe kroatischer Soldaten auf serbische Zivilisten bezeichnete der Botschafter als Propaganda. Die UNO dagegen erklaerte, sie sei aeusserst besorgt ueber Menschenrechtsverletzungen in der Krajina. In Deutschland leben nach Angaben des Bundesinnenministeriums noch etwa 15 - 20.000 kroatische Fluechtlinge.


Massenflucht in Krajina: Bundesregierung will helfen

Bonn. Die Bundesregierung will angesichts der Massenflucht serbischer Zivilisten aus der Krajina humanitaere Hilfe leisten. Im Vordergrund sollen nach Angaben des Auswaertigen Amtes dabei die Nahrungsmittelversorgung sowie medizinische Betreuung stehen. Nach den Worten eines Sprechers sieht die Bundesregierung nach der kroatischen Offensive in der Krajina neue Chancen fuer eine politische Loesung des Konflikts. Allerdings duerfe eine Einigung nicht zu Lasten der Schwaechsten, naemlich der bosnischen Moslems, gehen.


Fuenfte Anklage gegen Schalck-Golodkowski

Berlin. Eine fuenfte Anklage hat die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den frueheren DDR-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski erhoben. Die Justizbehoerde teilte mit, dem frueheren Leiter des Aussenhandelsbereiches "Kommerzielle Koordinierung" werde Untreue vorgeworfen. Schalck soll zwischen 1976 und 1989 den Staatshaushalt der DDR in einem Umfang von 6,7 Mio Ostmark und 4,2 Mio. DM geschaedigt haben. Der Anklage zufolge hat er unter anderem in Westberlin fast 5.000 Videokassetten mit Unterhaltungsfilmen fuer Staatschef Honecker und Politbueromitglied Mittag gekauft.


Keine Konsequenzen fuer Handwerkspraesident wegen illegaler Leiharbeit

Muenchen. Die Affaere um illegale Leiharbeit hat fuer Handwerkspraesident Spaeth (sp?) voraussichtlich keine strafrechtlichen Folgen. Gegen Verantwortliche von Spaeths Baufirma bestehe kein Anfangsverdacht, erklaerte die Muenchener Staatsanwaltschaft. Bei einer Razzia in einem Arbeiterwohnheim waren 19 Bulgaren voruebergehend festgenommen worden, deren Arbeitserlaubnis abgelaufen war. Gegen die Bulgaren wird wegen Verstosses gegen das Auslaendergesetz ermittelt. Handwerkspraesident Spaeth hat sich in der Vergangenheit immer wieder gegen Leiharbeit mit Billiglohnkraeften aus dem Ausland gewandt.


Steigende Arbeitslosenzahlen

Nuernberg. Die Arbeitslosenzahlen sind im vergangenen Monat wieder gestiegen. Ende Juli waren wieder 3,59 Mio. Menschen in Deutschland ohne Arbeit. Das sind etwa 134.000 Arbeitslose mehr als vor einem Monat. Die Arbeitslosenquote liegt damit bei etwa 9,4%. Der Praesident der Bundesanstalt fuer Arbeit Jagoda erklaerte dazu, die schwache Tendenz der vergangenen Monate halte an. In den westlichen Bundeslaendern liegt die Arbeitslosenquote bei 8,3%, im Osten 13,9%. Im Westen stieg die Zahl der Erwerbslosen um 95.000 auf 2,55 Mio., im Osten um 39.000 auf 1,41 Mio. Jagoda sagte, daempfend auf den Arbeitsmarkt haetten sich die jahreszeitlichen Einfluesse ausgewirkt. Eine hoehere Zahl Entlassungen zum Quartalsende und der Urlaubsbeginn haetten voruebergehend die Erwerbstaetigkeit sinken lassen. Hinzu komme, dass diejenigen, die ihre Ausbildung abgeschlossen haetten, zum Teil nicht uebernommen worden seien. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat die Lage auf dem Arbeitsmarkt als besorgniserregend bezeichnet und die Bundesbank aufgefordert, die Leitzinsen zu senken. Nach Auffassung des DGB foerdern niedrige Leitzinsen den Wohnungsbau und die Exportwirtschaft.


Lehrstellenmarkt weiter duenn

Nuernberg. Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt bleibt weiterhin schwierig. Insgesamt suchen in Deutschland 165.000 Jugendliche nach einer Lehrstelle. Ihnen stehen nur rund 130.000 offene Stellen gegenueber. Einen massiven Mangel an Ausbildungsplaetzen melden Hessen, Hamburg, Bremen und der Westteil Berlins. In den neuen Bundeslaendern herrscht durchwegs ein Lehrstellenmangel. Statistisch kommt dort nur auf jeden fuenften Bewerber eine Lehrstelle.


Inflationsrate bei 2,3 %

Wiesbaden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist das Leben in Deutschland im letzten Jahr um 2,3% teurer geworden. Die Inflationsrate fuer den Juli liegt damit um 0,1% unter der fuer den Juni.


Dynamo Dresden: Praesident Otto erklaert Ruecktritt

Dresden. Der umstrittene Praesident des Sportclubs Dynamo Dresden Otto hat seinen Ruecktritt erklaert. Er kam damit seiner bevorstehenden Abwahl zuvor. Der 54jaehrige Bauunternehmer ist seit einer Woche in Untersuchungshaft. Ihm werden mehrere Wirtschaftsdelikte vorgeworfen.


Kommentar: Tank um das Auto

Kommentar der Sueddeutschen Zeitung vom 08.08.1995 zum Vorschlag des Praesidenten des Umweltbundesamtes, aus "Kostentransparenz" die KFZ-Steuer zehn bis zwoelf Jahre im voraus zu erheben: Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hat der neue Praesident der Umweltbundesamtes einen Ballon steigen lassen, der kurz nach dem Start zerplatzte. Andreas Troge hat den merkwuerdigen Vorschlag gemacht, Autofahrer sollten die KFZ-Steuer fuer zehn bis zwoelf Jahre im voraus entrichten. Wie man's auch dreht und wendet, der Sinn eines derartigen Vorkassensystems bleibt im dunkeln. Um mehr "Kostentransparenz" kann es dabei nicht gehen; so dumm ist naemlich keiner, dass er sich nicht ausrechnen keonnte, wieviel Steuer er im Lauf eines Autolebens unmittelbar an das Finanzamt abfuehrt. Solche Ideen foerdern nur die Verbreitung des grundfalschen Klischees, Autofahrer seien die Melkkuehe der Nation. Troge hat recht, wenn er mehr Kostenwahrheit fordert. Allerdings ist die Vorstellung, bisher von der Allgemeinheit getragene Unfallkosten fuer Klinikaufenthalte und Erwerbsunfaehigkeitsrenten koennten direkt bei den Autofahrern eingetrieben werden, schwer in die Praxis umzusetzen. Das wird nur in pauschaler Form moeglich sein, naemlich durch eine Erhoehung der Mineraloelsteuer. Mitten in's Sommerloch hinein ist in der Republik eine gespenstische Diskussion um das Auto entbrannt. Jeder fordert irgendwas, und einige Ministerpraesidenten wollen der Industrie das Dreiliterauto gegen die Zusage abhandeln, die Benzinsteuer werde nicht erhoeht. Mit solchen Geschaeften machen sich Politiker ohne Not unglaubwuerdig. Wenn man das Mineraloel in jaehrlichen Schritten, also fuer alle kalkulierbar, hoeher besteuern wuerde, haetten Fahrzeuge mit niedrigem Verbrauch von Haus aus bessere Verkaufschancen. Politik hat mit klaren Vorgaben den Rahmen zu setzen, in dem sich freie Marktwirtschaft entfaltet.


Boerse: Etwas leichter

Der etwas gefestigte Dollar konnte die Stimmung an der Boerse nicht
befluegeln.

DAX      2.238 (- 6)
Umlaufr. 6,34% (+ 0,01)
1 US-$   1,4097 DM



Quellen

SDR3 08:00 MESZ    17:00 MESZ    19:00 MESZ
SDR1    22:00 MESZ
B5    09:46 MESZ    14:15 MESZ
SWF3    15:00 MESZ
Kommentar der Sueddeutschen Zeitung Muenchen vom 08.08.1995