Gedenkfeierlichkeiten anlaesslich Zerstoerung Dresdens vor 50 Jahren |
Dresden. Ein Gottesdienst in der Dresdener Hofkirche bildete den Auftakt der
offiziellen Gedenkfeiern anlaesslich der Zerstoerung der Stadt vor 50 Jahren.
An dem Pontifikalamt nahmen Geistliche und Laien aller Konfessionen aus dem
In- und Ausland teil, unter ihnen Bundeskanzler Kohl, Sachsens
Ministerpraesident Biedenkopf sowie die Bischoefe und die Oberbuergermeister
der Staedte Coventry und Sankt Petersburg. Der Erzbischof von Dresden-Meissen
Reineld (sp?) sagte, Bilder des Grauen haetten sich in die Seelen derer
gegraben, die das Inferno erlebt haetten. Er warnte in seiner Predigt vor
politischer Nichteinmischung oder Fanatismus. Die Ursache von Fanatismus, wie
es ihn unter den Diktatoren gegeben habe, sei das Verdraengen und Leugnen
Gottes. Wer Gott getoetet habe, tue sich auch erschreckend leicht mit dem
Toeten von Menschen, sagte der Bischof. Eine Gruppe Jugendlicher, die den
Gottesdienst stoeren wollte, wurde aus der Kirche gewiesen.
Morgen Abend soll das Laeuten von 130 Dresdener Kirchenglocken an die
Luftangriffe vom 13. und 14. Februar 1945 erinnern. Britische und
amerikanische Bomber hatten Dresden damals in Schutt und Asche gelegt.
Das russische Sankt Petersburg und die britische Partnerstadt Dresdens
Coventry stehen bei den Gedenkfeiern als Beispiele fuer die zahlreichen
anderen Staedte, die im zweiten Weltkrieg stark zerstoert wurden.
Die Gedenkfeierlichkeiten werden morgen mit einer Kranzniederlegung auf dem
Dresdener Heidefriedhof fortgesetzt. Bei der zentralen Gedenkveranstaltung
wird Bundespraesident Herzog sprechen.
In der saechsischen Hauptstadt konstituierte sich heute das Kuratorium der
Stiftung Frauenkirche, das zum Wiederaufbau des Gotteshauses eingerichtet
wurde. |
Deckert weiterhin in Polizeigewahrsam |
Dresden. Der Vorsitzende der rechtsradikalen NPD Deckert bleibt weiter in
Polizeigewahrsam. Ein Sprecher der Dresdener Behoerden teilte heute mit, diese
Massnahme werde voraussichtlich bis morgen frueh aufrecht erhalten, weil nicht
auszuschliessen sei, dass er trotz Verbotes oeffentlich auftreten wolle. Der
NPD-Chef und weitere neun Personen waren gestern bei der Anreise in die
saechsische Hauptstadt an einer Autobahnraststaette festgesetzt worden.
Deckert hatte auf einer Kundgebung rechtsradikaler Gruppen anlaesslich des
50. Jahrestages der Bombadierung Dresdens sprechen wollen. Wegen befuerchteter
Ausschreitungen hatten die Behoerden die Veranstaltungen verboten, was vom
Oberverwaltungsgericht in Bautzen bestaetigt wurde. |
Bremer Buergerschaftswahl von bundespolitischer Bedeutung |
Bremen. Der Bremer Buergermeister Wedemeier hat den 21. Mai als Termin fuer
Neuwahlen zur Buergerschaft vorgeschlagen. Den von mehreren Politikern
genannten 14. Mai halte er wegen der noch zu klaerenden rechtlichen Fragen und
einer moeglichen Aenderung des Wahlgesetzes fuer bedenklich, sagte der
SPD-Politiker der Deutschen Presseargentur. Nach Ansicht Wedemeiers ist die
Wahl in Bremen von bundespolitischer Bedeutung fuer die Sozialdemokraten. Bei
einer Niederlage seiner Partei wuerden dann die SPD-regierten Laender im
Bundesrat ihre Mehrheit einbuessen. |
Herzog fuer Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit |
Fuer eine umfassende Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit hat sich
Bundespraesident Herzog ausgesprochen. Dokumente und Akten duerften nicht
einfach weggesperrt werden, betonte er heute im Berliner Rundfunksender 100,6.
Die Opfer muessten wissen, wer ihre Taeter gewesen seien. Bei ihnen liege auch
die Entscheidung darueber, ob sie verzeihen wollten oder nicht. Zugleich
plaedierte der Bundespraesident dafuer, im Umgang mit den Straftaetern bei den
ganz flagranten Menschenrechtsverletzungen wie Toetung, jahrelanger grundloser
Inhaftierung und Folterung zu beginnen. |
Bundespraesident Herzog befuerwortet Oeffnung nach Osten |
Berlin. Bundespraesident Herzog hat sich zur Westbindung Deutschlands bekannt,
gleichzeitig aber eine weitere Oeffnung nach Osten befuerwortet. Dem "Berliner
Tagesspiegel" sagte Herzog, die Bundesrepublik muesse sich in Richtung Osten
etwas weiter aus dem Fenster lehnen als bisher. Darueberhinaus mahnte das
Staatsoberhaupt, die Entscheidung fuer Berlin als Regierungssitz nicht mehr in
Frage zu stellen. Sie muesse Stueck fuer Stueck umgesetzt werden. Allerdings
muessten die Berliner dafuer auch Einschraenkungen hinnehmen. |
Verringerung des Solidaritaetszuschlages laut Waigel fruehestens 1997 |
Stuttgart. Eine Verringerung des Solidaritaetszuschlages kommt nach den Worten
von Bundesfinanzminister Waigel fruehestens 1997 in Frage. Sie waere moeglich,
wenn die fuer Mai dieses Jahres geplante Steuerschaetzung Spielraeume erkennen
lasse, sagte Waigel heute im Sueddeutschen Rundfunk. Die Bundesregierung
muesse alles daran setzen, dass der Solidaritaetszuschlag noch in dieser
Legislaturperiode reduziert werde. Hoffnungen, dass sich noch etwas mit
Wirkung fuer 1995 aendern koenne, bezeichnete der CSU-Chef aber als absurd. |
Bluem kuendigt Razzien gegen Schwarzarbeit an |
Im Kampf gegen die Schwarzarbeit hat Bundesarbeitminister Bluem umfangreiche
Razzien angekuendigt. Die Bundesanstalt fuer Arbeit werde in diesem Jahr
tausende von Firmen ueberpruefen, erklaerte Bluem in einem Interview der
Zeitung "Bild am Sonntag". Allein in den ersten acht Monaten des vergangenen
Jahres seien bei Kontrollen in 6 000 Unternehmen mehr als 1 400
Arbeitgeberverstoesse und ueber 1 300 Faelle von Leistungsmissbrauch
festgestellt worden. Nach Angaben des Bundesarbeitministers ist auch ein
Datenaustausch mit den Europaeischen Nachbarlaendern geplant. |
Zum Import von BSE-verseuchten Rindfleisch |
Der nordrhein-westfaelische Landwirtschaftsminister Matthiesen will weiterhin
den Import von britischem Rindfleisch verhindern. Auch nach dem Hinweis der
EU-Kommision, dass Nordrhein-Westfalen damit gegen geltendes Recht verstosse,
werde er nicht von dieser Linie abweichen. Die Duesseldorfer Landesregierung
hatte in der vergangenen Woche ebenso wie das Saarland, Rheinland-Pfalz,
Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg mit der fleischverarbeitenden
Industrie und Importoeren vereinbart, bis auf weiteres auf den Handel mit
moeglicherweise BSE-verseuchtem Rindfleisch zu verzichten. |
Kinkel gegen Ersatzsteuer fuer den Kohlepfennig |
Der FDP-Vorsitzende Kinkel hat bekraeftigt, dass seine Partei einer
Ersatzsteuer fuer den Kohlepfennig nicht zustimmen werde. Zwar gebe es beim
Bonner Koalitionspartner Union entsprechende Plaene, doch wuerden die Freien
Demokraten dabei nicht mitmachen, sagte Kinkel im hessischen Eltwiel (sp?).
Die notwendigen Finanzmittel muessten vielmehr durch Haushaltskuerzungen
aufgebracht werden. |
Nolte strebt fraktionenuebergreifenden Entwurf des Paragraphen 218 an |
Bei der Reform des Paragraphen 218 strebt Bundesfamilienministerin Nolte einen
gemeinsamen Entwurf der Fraktionen von Union, SPD, Freien Demokraten und
Buendnis 90/Die Gruenen an. Darueber wolle sie moeglichst bald Gespraeche mit
den Parlamentariern aufnehmen, sagte die CDU-Politikerin dem
Nachrichtenmagazin "Focus". Die Chancen einer Annaehrung beurteilte sie
optimistisch, weil ihrer Ansicht nach die Diskussion ueber eine Neuregelung
des Gesetzes sachlicher geworden sei. |
Die Gruenen wollen ihre parteinahen Stiftungen zusammenlegen |
Kassel. Die Gruenen wollen ihre drei parteinahen Stiftungen zusammenlegen. Bis
zum Februar naechsten Jahres sollen die Heinrich-Boell-Stiftung, die
sogenannte Frauen-Ann-Stiftung und der Bund-Stift zu einer einzigen
Gruenen-nahen Stiftung zusammengelegt werden, beschloss der Laenderrat in
Kassel. Ausserdem ist die Gruendung einer gruenen Akademie fuer
wissenschaftliche Grundlagenarbeit geplant. Der Laenderrat ist bei den Gruenen
das hoechste Parteiorgan zwischen den Bundesversammlungen. |
Kommende Woche fuer Arbeitskampf in Metallindustrie entscheidend |
Koeln. In der Metallindustrie gehen beide Seiten in die fuer einen
Arbeitskampf entscheidende Woche der diesjaehrigen Tarifrunde. Der IG-Metall-
Vorsitzende Zwickel bekraeftigte im Deutschlandfunk die Entschlossenheit
seiner Organisation, ihre Lohn- und Gehaltsforderungen notfalls mit einem
Streik durchzusetzen. Komme keine Lohnangebot der Arbeitgeber auf den Tisch,
werde die IG-Metall am Dienstag das Scheitern der Verhandlungen erklaeren und
den Termin einer Urabstimmung festlegen. Zwickel kritisierte, die Unternehmen
wollten keine Flexibilisierung der Tarifvertraege, sondern Vereinbarungen, die
keine Verbindlichkeit mehr haetten.
Die Metallarbeitgeber ihrerseits beharren auf der Forderung nach
Kostenentlastung fuer die Betriebe als Gegenleistung fuer Lohnerhoehungen. Das
geht aus einer bundesweiten Anzeigenaktion unter dem Motto "Kein Angebot, das
Arbeitsplaetze vernichtet" hervor, die der Arbeitgeberverband Gesamtmetall
nach eigenen Worten morgen starten will, um fuer eine Paketloesung zu werben.
Die Metallarbeitgeber kritisieren darin, dass die Gewerkschaft nur ueber
Lohnerhoehungen sprechen wolle und nicht ueber die Forderungen der Arbeitgeber.
Das Deutsche Institut fuer Wirtschaftsforschung hat am Wochenende
vorgeschlagen, die Loehne in der Metallindustrie um 3% anzuheben. Dies sei
unschaedlich fuer die Beschaeftigung und liesse eine kraeftige Gewinnerhoehung
noch zu, erklaerte der Wirtschaftsforscher Flassbeck (sp?). |
OeTV-Vorsitzender fordert Konsens ueber Zukunft des oeffentlichen Dienstes |
Einen parteiuebergreifenden Konsens ueber die Zukumft des oeffentlichen
Dienstes hat der designierte OeTV-Vorsitzende Mei (sp?) gefordert. Es seien
klare politische Entscheidungen darueber erforderlich, welche oeffentlichen
Dienstleistungen in Deutschland kuenftig benoetigt wuerden und zu welchen
Bedingungen, sagte der Gewerkschafter am Vormittag im Hessischen Rundfunk. Mei
kuendigte Widerstand der OeTV an, wenn bei der bevorstehenden Reform
Dienstleistungen eingeschraenkt werden sollten. Ebenso werde sich die
Gewerkschaft gegen Entlohnungssysteme wehren, die unterhalb der tariflichen
Vereinbarungen laegen. Widerstand kuendigte Mei auch gegen die Vergabe von
Dienstleistungen an private Firmen fuer den Fall an, dass dies zu Lohndumping
und ungesicherten Arbeitsverhaeltnissen fuehre. |
Ahrens stellt gegenwaertige Form der Gewerkschaften in Frage |
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Textil, Bekleidung Ahrens hat die
gegenwaertige Form der Gewerkschaften in Frage gestellt. Wenn die
Arbeitnehmerorganisationen zur Jahrtausendwende noch Einfluss und Bedeutung
haben sollten, sei es unumgaenglich, ueber Strukturen und Grenzen
nachzudenken, erklaerte Ahrens gegenueber der Deutschen Presseargentur. Noch
haetten die Gewerkschaften die finanzielle Kraft und die Bedeutung von sich
aus, in gemeinsamen Anstrengungen ein Stueck nach vorne zu kommen. Ahrens
bedauerte, dass es den Gewerkschaften nicht gelungen sei, in neuen Bereichen,
wie sie vorwiegend im Dienstleistungssektor entstuenden, staerker Fuss zu
fassen. |
Schriftsteller Kunze erklaert Austritt aus Autorenvereinigung Pen-Zentrum |
Der Schriftsteller Rainer Kunze hat seinen Austritt aus dem westdeutschen
Pen-Zentrum erklaert. Als Grund dafuer nannte er in der Berliner Zeitung
"Tagesspiegel" Aeusserungen des Praesidenten der Autorenvereinigung
Heidenreich. Dieser hatte in einem Interview ueber den generellen Umgang mit
der Stasi-Vergangenheit erklaert, er habe aus den Akten nur gelernt, dass
Spitzel ueber Spitzel etwas aufgeschrieben haetten. Kunze, der in der
frueheren DDR unter Stasi-Ueberwachung stand und 1977 in die Bundesrepublik
uebersiedelte, hatte vor drei Jahren einen Band ueber seine Stasi-Akten
publiziert und ferner den ehemaligen Ost-SPD-Vorsitzenden Boehme als Spitzel
des Staatssicherheitsdienstes enttarnt. |
Henry Maske (sp?) Titelverteidiger in Boxhalbschwergewicht populaer |
Frankfurt. Henry Maske (sp?), erfolgreicher Titelverteidiger im
Boxhalbschwergewicht, schwimmt auf einer Welle der Popularitaet. Die
Versteigerung seines Bademantels, den er vor und nach seinem WM-Kampf gegen
den Kanadier Marcus trug, erbrachte 52 000 DM fuer einen guten Zweck. Die
Fernseh-Life-Uebertragung gestern Abend verfolgten fast 12 Millionen
Zuschauer. So viele Menschen sassen zuletzt in den 60ger und 70ger Jahren bei
Boxuebertragungen in Deutschland vor den Geraeten. |
Nicht darauf berufen (Leitartikel der Sueddeutschen Zeitung vom 11.2.95) |
Trauer ist Erinnerung und umgekehrt - wenn es um furchtbare Erlebnisse und
Erfahrungen geht - Erinnerung ist Trauer. Aber es ist mehr: Es ist
Verstehen-Wollen. Suche nach Ursachen und Schuld, es kann Abbitte sein und
der Vorsatz zur Busse und zum Sich-Bessern-Wollen, aber auch Verklaerung
und Anklage oder schliessliche Trost. Muss man Angst vor Trauer haben, weil
man glaubt, ueber den Anlass nicht reden zu koennen? Gerade wenn man nicht
vergessen und verdraengen will, darf man den Fragen nicht ausweichen, die
mit Trauer und Erinnerung verbunden sind. 50 Jahre lang hat der
Verdraengungsprozess immer wieder funktioniert, sind die Verbrechen aus der
Zeit des Nationalsozialismus oft aus dem Gedaechtnis weggeschoben worden.
Erst jetzt wird es offensichtlich leichter, darueber zu reden, nachdem -
banal ausgedrueckt - das Vergangene vergangen und Geschichte geworden ist ?
SYMBOLE DES GRAUENS. Und zugleich ist es schwerer geworden, denn sofort stellt sich eine Fuelle neuer Fragen. Koennen nachkommende Generationen, denen jede persoenliche Erinnerung fehlt, ueberhaupt noch ueber die geschichtlichen Ereignisse trauern? Wie kann man ihnen erklaeren, dass die Menschheit trotz aller "Nie Wieder"-Schwuere aus all dem Schrecklichen nichts gelernt hat? Reicht der Abstand von 50 Jahren aus, um objektiv ueber den Vernichtungsangriff der Alliierten auf Dresden am 13.Februar 1945 zu reden? Oder muss man davor warnen? Aus Angst vor den "Aufrechnern" oder aus Furcht, an die eigene Schuld erinntert zu werden? Kann man ueber Dresden sprechen ohne an Guernica, Coventry oder Grosny zu erinneren - nur um einige Namen zu nenen, die symbolhaft fuer das Grausame stehen, das Menschen anderen Menschen antun koennen und fuer die Technik moderner Vernichtungskriege, die den Terror gegenueber der Zivilbevoelkerunge in ihre Strategie einbezieht ? Als der erste Bundespraesident Theodor Heuss im November 1952 das Mahnmal auf dem Gelaende des Konzentrationslagers Bergen-Belsen einweihte und an die von Deutschen begangenen Verbrechen erinnterte, sagte er: "Und nun hoere ich den Einwand: Und die anderen?" Seine Antwort lautete:" Unrecht und Brutalitaet der anderen zu nennen, um sich darauf zu berufen, ist das Verfahren der moralisch Anspruchslosen, die es in allen Voelkern gibt..." Sich nicht darauf zu berufen - dass muss heute so wie damals gelten. Unsere Schuld an den Verbrechen der Nazi-Zeit wird nicht geringer, weil auch andere Verbrechen begangen haben. Weil es die Zerstoerung Dresdens gegeben hat oder danach die bis in unsere Tage hinein die Massenmorde in Kambodscha, Ruanda, Jugoslawien oder Tschetschenien. Die billige Ausrede "so ist der Mensch" waere nicht nur eine Kraenkung der Opfer, sondern auch inhumaner Zynismus. Aber umgekehrt gilt auch: Kein anderes Verbrechen ist entschuldbar oder entschuldbarer, weil es Bergen-Belsen udn Auschwitz gegeben hat, oder Coventry und die Bombardierung Londons. Diese Feststellung kann man im Falle Dresdens auch den Englaendern nicht ersparen. Alles andere waere genauso schlimm wie das Aufrechnen zu eigenen Gunsten; es wuerde bedeuten, anderen mit den Nazi-Moerdern gleichzusetzen. Bezogen auf Dresden waere dies eine ungeheure Beleidigung der Englaender, an deren hinhaltenden Widerstand zu Kriegsbeginn Hitler schliesslich gescheitert ist. Die Gebote der Moral und der Humanitaet, die Rechte der Menschen, Bestandteil des Voelkerrechts und internationaler Konventionen koennen nicht beliebig angewendet werden, weder im Interesse einer Nation, noch einer Ideologie. Dies festzuhalten ist wichtig, wenn denn die Nachkommenden aus der Geschichte etwas lernen sollen. Niemand kann eine Verletzung von Recht und Moral damit begruenden, dass sich andere, im Kriege die Gegner, nicht daran halten. Recht und Moral muessen (auch in einem aufgezwungenen Krieg) beruecksichtigt werden, wenn es um die Abwaegung der Frage geht, welche Mittel durch den Zweck gerechtfertigt sind. Sonst geht es nur um Vergeltung, Rache oder Terror. Bei der Zerstoerung Dresdens standen die Mittel in keinem Verhaeltnis zum Zweck. Die Bombardierung der mit Fluechtlingen ueberfuellten Stadt war nicht notwenig. Der Krieg war entschieden. Es ging nicht mehr um die Zerstoerung von Ruestungspotential, es ging um physischen Terror. Die Wirkungslosigkeit dieses Terrors hatte sich schon vorher erwiesen. Die Bevoelkerung laesst sich so nicht in Gegnerschaft zu den Kriegsfuehrenden hineintreiben, ob sie nun verbrecherisch handeln oder nicht. Diese Erfahrung gilt seit der Zerstoerung Guernicas durch die deutsche Luftwaffe im Spanischen Buergerkrieg, als die Welt zum ersten Mal durch den Einsatz modernen Waffen gegen die Zivilbevoelkerung aufgeruettelt wurde. Der Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki lehrt allerdings etwas anderes. Einer aggressiven Kriegspartei wurde klargemacht, dass die Fortsetzung des Krieges sinnlos sein wuerde. Die Begruendung, dies sei zur Vermeidung weiterer Opfer, vor allem eigener notwendig gewesen, ist allerdings moralisch fragwuerdig. Weiter Atombombenangriffe sind der Menschheit seither erspart geblieben, aber nicht weil sich die Moral durchgesetzt haette, sondern weil seit der Weiterverbreitung der Nuklearwaffen die Furcht vor schrecklicher Vergeltung Atomwaffenkriege bisher verhindert hat. Die Lehre kann nur heissen: Abschaffung der Nuklearwaffen.
TRAUER OHNE ANKLAGE. Es gebe keine angemessene Form, Auschwitz zu gedenken,
schrieb der Historiker Christian Meier. Es gibt auch keine angemessene Form
Dresdens zu gedenken - ausser Trauer und Schmerz ueber die Toten. Solange es
noch Ueberlebende gibt, solange sich Grossvaeter, Vaeter und Soehne dazu
zusammenfinden koennen, ist Traueren noch moeglich. Trauern um die eigenen
Toten ist keine Regung von Nationalismus und keine Rechtfertigung von Deutschen
begangener Untaten. Wer um die eigenen Toten nicht trauern kann, kann auch
um die Toten der anderen nicht trauern. Wir haben ein Recht zur Trauer, aber
wir haben kein Recht zur Anklage oder zum Richten. Was Dresden angeht, so
muessen die Briten mit sich selbst ins Reine kommen.
Das gilt nicht nur fuer die Englaender, das gilt beispielsweise auch fuer
Serben und Russen, wenn junge Menschen fragen, was das alles fuer sie und fuer
die Welt von heute bedeutet. Wir koennen nur aus unserer eigenen Geschichte
lernen. Es gibt keine Moeglichkeit, unsere Erfahrungen anderen Voelkern
aufzuzwingen, die ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Erfahrungen haben.
Die britischen und amerikanischen Bomben sind nicht aus heiterem Himmel auf
Dresden gefallen. Es gab eine lange Vorgeschichte, die zur Erklaerung dessen,
was am 13. Februar geschah, nicht unterschlagen werden darf. Immerhin: Wir
und unsere europaeischen Nachbarn haben aus der Geschichte gelernt. Im Kern
Europas herrscht seit 50 Jahren Frieden, Wohlstand und Zusammenarbeit zwischen
den Nationen. Auch daraus ergibt sich eine Lehre: Wir duerfen das Erreichte
nicht aufs Spiel setzen, sondern muessen es gegen alle Gefaehrdungen
verteidigen und sichern. Diese Zone des Friedens wird dann auch fuer andere
attraktiv werden. |
Quellen |
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