GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Sa, 20.05.1995



* Schneider bleibt in Haft
* Wolfgang Gerhard meldet Kanditar um FDP-Parteivorsitz an
* Landesparteitag der Berliner CDU eroeffnet
* Beratungen der Bremer SPD
* Marburger Bund gegen Ausdehnung der Patientenselbstbeteiligung
* Union will Diesel wie Benzin besteuern
* Neonazis marschieren durch Coburg
* Bundesrechnungshof ruegt die Deutsche Bahn AG
* Wiederinbetriebnahme des AKW Biblis B untersagt
* Tarifkonflikt in der Stahlindustrie beigelegt
* Betriebsunfall in Stahlwerk
* Polizei fahndet nach unbekannten Attentaetern
* Das Streiflicht (Sueddeutsche Zeitung)
* In eigener Sache



Schneider bleibt in Haft

Miami. Der im US-Bundesstaat Flordia gefasste Bauspekulant Schneider bleibt in Haft. Ein Gericht in Miami lehnte den Antrag Schneiders auf Freilassung gegen Kaution ab. Am kommenden Mittwoch wird ein US-Bundesgericht voraussichtlich den Termin fuer das Auslieferungsbegehren der deutschen Behoerden festsetzen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Miami wird das Auslieferungsverfahren mehrere Monate dauern. Doch koennten Schneider und seine Ehefrau innerhalb eines Monats in die Bundesrepublik zurueckkehren, wenn beide auf die Pruefung der von den deutschen Behoerden beantragten Auslieferung verzichteten. Der fuer die groesste Immobilienpleite in der Geschichte der Bundesrepublik verantworliche Schneider war nach 13 Monaten Flucht am Donnerstag in Florida verhaftet worden. Die Tochter des Bauspekulanten hat ihre Eltern offenbar noch kurz vor deren Verhaftung besucht. Das berichtet das Magazin "Focus". Bei ihrer Reise in die USA sei Isabel Schneider zwar von Fahndern des FBI und des Bundeskriminalamtes ueberwacht worden, es sei ihr jedoch gelungen, die Ermittler abzuschuetteln.


Wolfgang Gerhard meldet Kanditar um FDP-Parteivorsitz an

Der hessische FDP-Vorsitzende Gerhard hat heute seine Kandidatur fuer die Nachfolge von FDP-Chef Kinkel bekanntgegeben. Am Vormittag hatte Gerhard darueber noch einmal mit dem Landesvorstand der hessischen FDP beraten. "Ich bin bereit, fuer den Bundesvorsitz der FDP zu kandidieren, mit allen Engagement. Ich stelle mich in Mainz einer Wahl, ich moechte auch gewaehlt werden, ich moechte die Fuehrung dieser liberalen Partei uebernehmen. Es gibt nach meiner Ueberzeugung mehr als fuenf Prozent in Deutschland, die die FDP im Parteienspektrum auch kuenftig vertreten sehen wollen." Der baden-wuerttembergische FDP-Vorsitzende Doering bewirbt sich um einen der Stellvertreterposten. Unterdessen hat der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Solms, Berichte zurueckgewiesen, er wolle Wirtschafsminister Rexrodt abloesen.


Landesparteitag der Berliner CDU eroeffnet

Die Berliner Chrisdemokraten haben am Vormittag in der Kongresshalle am Alexanderplatz ihren Landesparteitag eroeffnet. Die rund 400 Delegierten wollen den Spitzenkandidaten fuer die Abgeordnetenhauswahlen im Oktober nominieren. Einziger Bewerber ist der Regierende Buergermeister und CDU-Landesvorsitzender Diepgen. Seine Nominierung gilt daher als sicher. Ausserdem will der Parteitag ueber die Laenderfusion mit Brandenburg beraten, die in der Berliner CDU nicht unumstritten ist.


Beratungen der Bremer SPD

Der Bremer SPD-Landesvorstand hat am Vormittag mit seine Beratungen ueber das weitere Vorgehen der Partei nach der Buergerschaftswahl vom vergangenen Wochenende begonnen. Dabei sollen auch Termin und Ablauf der Mitgliederbefragung ueber den kuenftigen Buergermeisterkandidaten und den Koalitionspartner festgelegt werden. Die Sozialdemokraten haben bisher je ein Sondierungsgespraech mit Buendnis 90 / Gruene und der CDU gefuerht. Im Landesvorstand und in der Fraktion gibt es eine Mehrheit fuer Rot/Gruen.


Marburger Bund gegen Ausdehnung der Patientenselbstbeteiligung

Stuttgart. Der Aerzteverband Marburger Bund ist dagegen, dass die Selbstbeteiligung der Patienten weiter ausgedehnt wird. Bereits heute zahlten Patienten bei Arznei- Heil- und Hilfsmitteln, sowie fuer Klinikaufenthalte die hoechsten Anteile in der Geschichte der Bundesrepublik. Das sei nichts anderes als eine glatte Strafsteuer fuer Kranke, sagte der Marburber Bund-Chef Montgomery bei der Hauptversammlung seines Verbandes in Stuttgart. Eine weitere Gesundheitsreform sei zwar noetig, so Montgomery, die derzeitige gesetzliche Ausgabenbegrenzung erweise sich aber als ein voellig untaugliches Mittel. In "Bild an Sonntag" kuendigte Bundesgesundheitsminister Seehofer an, dass die bisher von den Krankenkassen festgelegten Versicherungsbeitraege kuenftig gesetzlich festgelegt werden sollten.


Union will Diesel wie Benzin besteuern

Muenchen. CDU und CSU planen offenbar, Dieselkraftstoff kuenftig genauso wie bleifreies Benzin zu versteuern und kraeftig zu verteuern. Das berichtet das Nachrichtenmagazin "Focus". Der Mineraloelsteuersatz fuer Diesel solle von 62 Pfennigen schrittweise auf 98 Pfennige je Liter, dem Steuersatz fuer bleifreies Benzin steigen. Die Plaene sehen demnach ebenfalls vor, die Steuerbefreiung fuer landwirtschaftlichen Diesel und fuer Flugbenzin zu streichen. Durch die Einnahmen sollen andere Steuern sinken.


Neonazis marschieren durch Coburg

Coburg. Rund 100 Neonazis haben am Mittag an einem sogenannten Trauerzug der rechtsextremen jungen Nationaldemokraten teilgenommen. Nach Angaben der Polizei sollte die Veranstaltung der NPD-Jugendorganisation an einen 15jaerhigen Rechtsradikalen aus Sonnenberg erinneren, der vor zwei Wochen bei Ausseinandersetzungen zwischen rechten und linken Jugendgruppen ums Leben gekommen war. Die Stadt Coburg hatte die Veranstaltung urspruenglich verboten, der bayerische Verwaltungsgerichtshof hob das Verbot jedoch auf.


Bundesrechnungshof ruegt die Deutsche Bahn AG

Der Bundesrechnungshof hat der Deutschen Bahn AG Millionenverschwendung vorgeworfen. Die geplante ICE-Trasse Muenchen-Nuernberg ueber Ingolstadt sei rund 700 Millionen DM teurer als die Alternativstrecke ueber Augsburg, heisst es in einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Ein knapp fuenf Kilometer langer Tunnel durch den Koeschinger Forst sei dabei noch gar nicht beruecksichtigt, so der Spiegel weiter. Bahninsider rechnen nun mit Kosten in Hoehe von fuenf Milliarden DM.


Wiederinbetriebnahme des AKW Biblis B untersagt

Das hessische Umweltministerium hat eine Wiederaufnahme der Stromproduktion im Kernkraftwerk Biblis B untersagt. Die Sicherheitspruefung sei noch nicht abgeschlossen, teilte das Ministerium heute in Wiesbaden zur Begruendung mit. Das Energieunternehmen RWE hatte gestern angekuendigt, der Atommeiler solle wieder angefahren werden. Er war im Februar nach einem Leck in einer Rohrleitung vom Netz genommen worden.


Tarifkonflikt in der Stahlindustrie beigelegt

Neuss. Der Tarifkonflikt in der westdeutschen Stahlindustrie ist beigelegt. Arbeitgeber und Gewerkschaften einigten sich in den Pilotbezirken Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen auf einen neuen Tarifvertrag. Die Beschaeftigten erhalten vom 1. Juni dieses Jahres an 4 Prozent mehr Geld. Fuer den Monat Mai wurde eine Einmalzahlung von 155 DM vereinbart. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 12 Monaten.


Betriebsunfall in Stahlwerk

Im Stahlwerk Dillinger Huette ist am Morgen ein Gasometer explodiert. Dabei wurden sechs Menschen zum Teil schwer verletzt. Nach Angaben des saarlaendischen Landeskriminalamtes trat aus dem Gasometer nach der Explosion ein Gemisch aus Oel, Wasser und Gas aus, das in Brand geriet. Die Unfallursache ist bislang unbekannt.


Polizei fahndet nach unbekannten Attentaetern

Immer noch fahndet die Polizei nach den Unbekannten, die in der Nacht einen Brandanschlag auf ein tuerkisches Reisebuero veruebt haben. Bekannt ist bisher nur, der oder die Taeter warfen den Brandsatz durch die Glastuer, so dass alle Geschaeftsraeume verrussten. Verletzt wurde jedoch niemand.


Das Streiflicht (Sueddeutsche Zeitung)

Die Hauptperson in Nestroys Posse "Der Zerrissene" heisst Herr von Lips. Der sagt von sich selber: "Bei einem Bub'n in meinem Alter muessten die Schlaeg' vom Schicksal ausgehen, und von da hab ich nix zu riskier'n". Lange glaubten er und seine Partei, sie haetten vom Schicksal nichts zu riskieren - bis das Schicksal die Gestalt des Wahlvolkes annahm. Da hagelte es Schlaege ueber Schlaege, und der Zerrissene ist nun voellig auseinander: Noch Aussenminister, aber nicht mehr Parteivorsitzender.

Nach diszipliniert durchgehaltenem und allseits bewundertem Spagat hat er sich, ganz politisches Rumpelstielzchen, selbst entzweigerissen. Oft wurde er in der Presse mit dem anheimelnden schwaebischen Satz "I kaa's net, 's goht net" zitiert. Jetzt zeigt sich: Er konnte es, und es ging. Hoechste Zeit zu fragen, was dieser Kinkel eigentlich fuer einer ist. Nach dem "Kinkel, wohin?" jetzt also das nicht minder bange " Kinkel, woher?" Er stammt aus Metzingen, einem Ort, der den Dichter Gernhardt zu dem Vers befluegelte:"Dich will ich loben, Haessliches, /Du hast so was verlaessliches." Sein Name verweist auf ads gaelische "ceann cille". Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass er schottische Vorfahren hatte, die im Zuge dynastischer Kaempfe aufs Festland ausweichen mussten. Einiges spricht fuer diese These: die schmale Oberlippe; das keltisch Aufbrausende (" Ich bin doch kein Hosenscheisser"); der Umstand, dass er selten ausreichend Geld mit sich fuehrte; die Tatsache, dass er bei dynastischen Auseinandersetzungen selbst Leute des eigenen Clans - Moellemann, Schwaetzer - mit altschottischer Grausamkeit abfertigte. "Ich muss ackern wie ein Dackel", pflegte er gerne zu sagen. Darueber ist viel geraetselt worden, nicht jedoch von Leuten, die wissen, wie hart die Dackel heute noch auf schottischen Hochmooren zum Torfstechen herangezogen werden. Kann man diesen Mann so definieren, wie die "Woche" das einmal tat: mal Prinz Eisenherz, mal Mutter Teresa? Klaus Kinkel selbst, der "Enkel Dehlers" und "Ziehsohn Genschers", hat gelegentlich konstatiert, was er "nicht" ist: Maerchenprinz, Lichtgestalt, Superzampano, Gurke, Himmelsknabe. Was aber bleibt von einem, der keine Lichtgestalt sein will, geschweige denn eine Gurke? Der "Bild"- Kolumnist Graf Nayhauss nannte ihn gestern"Truemmerfrau der FDP", eine noble und auf den ersten Blickinsofern sehr stimmige Charakterisierung, als auch die echten Truemmerfrauen seinerzeit wie die Dackel ackern mussten. Der zweite Blick entlarvt die Metapher indessen als zumindest wackelig. Zwar ist die FDP seit Jahren eine Ruine, aber in ihren Truemmern finden sich kaum Steine, die abzuklopfen waeren, um Neues daraus zu gestalten: Broesel, nichts als Broesel. Die Truemmerfrau klopft den Hammer aus und ueberlaesst das Feld den Gurken.


In eigener Sache

Einigen treuen Lesern ists sicher schon aufgefallen - und leider stimmts auch. Aufgrund technischer Probleme gabs am Freitag, den 19.05.1995 keine GermNews-Ausgabe. Rainer Mallon


Quellen

SDR3    9:00 MESZ    12:00 MESZ    16:00 MESZ
B5    9:30 MESZ    14:00 MESZ
DLF    11:00 MESZ    18:00 MESZ
Antenne Bayern    13:00 MESZ
Sueddeutsche Zeitung von Sa./So.    20./21.5.1995