GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 25.04.1995



* Brandanschlag auf Bundesamt fuer Strahlenschutz
* Castor-Behaelter nach Gorleben transportiert
* Energiekonsensgespraeche ergebnislos vertagt
* Bundesregierung billigt BaFoeG-Erhoehung um 4 %
* Einigkeit ueber Untersuchungsausschuss ueber Plutoniumschmuggel
* Deutsche Bischoefe wuerdigen Kriegsende als Befreiung
* Berlin und Brandenburg: Absegnung des Staatsvertrags
* Vorlage des ARD-Finanzbedarfs
* G 7- Beratungen ueber Finanzturbulenzen
* Ehemalige RAF-Terroristin Happe entlassen
* Porsche steht zum Standort Deutschland
* Kommentar: Castor contra Energiekonsens
* Sportmeldungen
* Boerse: Fest
* Nachrichten der letzten Seite



Brandanschlag auf Bundesamt fuer Strahlenschutz

Salzgitter. Auf das Bundesamt fuer Strahlenschutz ist in der vergangenen Nacht ein Brandanschlag veruebt worden. Unbekannte warfen drei Brandsaetze gegen das Gebaeude. Ein Wachmann bemerkte das Feuer bei einem Rundgang. Es konnte schnell geloescht werden. Die Polizei schliesst einen Zusammenhang mit dem Castor-Transport nicht aus. Die Bundesbehoerde ist fuer nukleare Entsorgung, Atomtransporte und kerntechnische Sicherheit zustaendig.


Castor-Behaelter nach Gorleben transportiert

Dannenberg/Gorleben. Der umstrittene Castor-Behaelter mit abgebrannten Brennelementen aus dem Kernkraftwerk Philippsburg ist heute im Zwischenlager Gorleben eingetroffen. Nachdem der Zug mit dem Behaelter gestern von Philippsburg aus gestartet war, traf er heute morgen im niedersaechsischen Dannenberg ein. Von dort wurde der Behaelter auf der Strasse nach Gorleben transportiert. Demonstranten hatten an vielen Stellen versucht, den Transport des Behaelters aufzuhalten. Sie errichteten Sperren, besetzten Strassen. Nach Angaben der Polizei veranstalten die Demonstranten immer wieder Sitzblockaden. Strohballen seien in Brand gesteckt worden. Trecker wuerden teilweise mit platten Reifen quergestellt, um das Abschleppen zu behindern. Nach Polizeiangaben gab es auf beiden Seiten mehrere Verletzte. Auf einer Landstrasse bei Gorleben wurde am Nachmittag eine Granate gefunden. Die Granate liege aber abseits der Transportroute des Castor-Behaelters. Die niedersaechsische Umweltministerin Griefhan hat unterdessen den Castor- Transport als unnoetig bezeichnet. Sie sagte, im Atomkraftwerk Philippsburg sei genuegend Platz. Auch die Kraftwerksbetreiber haetten die Kapazitaet als ausreichend erklaert. Im SWF sagte Bundesumweltministerin Merkel dazu, im Gegensatz zu Gorleben sei Philippsburg kein genehmigtes Zwischenlager. In Philippsburg muesse ausserdem ein bestimmter freier Platz fuer neue Brennstaebe reserviert bleiben, und das fuer fuenf Jahre im voraus. Das Bundesumweltministerium teilte mit, dass es noch dieses Jahr weitere Atommuelltransporte geben werde. So muesse zum Beispiel hochradioaktiver Abfall aus der franzoesischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague nach Gorleben gebracht werden.


Energiekonsensgespraeche ergebnislos vertagt

Bonn. Die Bundesregierung und die SPD-Opposition haben ihre Gespraeche ueber einen Energiekonsens gestern kurz vor Mitternacht ergebnislos vertagt. Ursache war die Haltung der Union, das Thema Energieeinsparungen nur im Verbindung mit der Weiternutzung der Kernenergie zu beraten. Bundeswirtschaftsminister Rexrodt sagte nach der Gespraechsrunde, die Option Kernenergie muesse so erhalten bleiben, dass sie jederzeit praktisch umsetzbar sei. Umweltministerin Merkel betonte, auf den Gebieten Energieeinsparung und Regenerative Energien gebe es kaum Differenzen. Die Runde will sich noch vor der Sommerpause am 21. Juni erneut treffen. Die Chancen fuer eine Einigung stehen aber offenbar schlecht. Rexrodt bezeichnete die unterschiedlichen Positionen als sehr festgefahren. Der SPD-Unterhaendler Clement sagte, er sehe momentan nicht, wie die Parteien zu einer Loesung kommen koennten. Optimistischer aeusserte sich die Bundesumweltministerin. Ihrer Meinung nach koennte man noch bei den Verhandlungen im Juni einen Schritt weiterkommen.


Bundesregierung billigt BaFoeG-Erhoehung um 4 %

Bonn. Die Bundesregierung hat eine BaFoeG-Erhoehung um 4 % gebilligt. Die Foerderungshoechstsaetze sollen im Herbst auf DM 990,- in den alten und DM 980,- in den neuen Bundeslaendern steigen. Bundesbildungsminister Ruettgers forderte den Bundesrat auf, das puenktliche Inkrafttreten nicht erneut durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu blockieren. Der von Ruettgers vorgelegte Gesetzentwurf sieht zudem die Aufhebung der Altersgrenze von 30 Jahren fuer Studierende ohne Abitur vor. Zugleich sollen die Freibetraege um 4 % angehoben und die Sozialpauschalen der Erhoehung angepasst werden. Die besonderen Belastungen Alleinerziehender sollen kuenftig bei der Darlehensrueckzahlung beruecksichtigt werden. Ab Herbst 1996 soll die Foerderung von einem Studiennachweis nach dem zweiten Fachsemester abhaengen. Auf seiner Sitzung berief das Kabinett ausserdem den Verfassungsschutz- Praesidenten Werthebach zum neuen Staatssekretaer im Bundesinnenministerium.


Einigkeit ueber Untersuchungsausschuss ueber Plutoniumschmuggel

Bonn. Die Bonner Parteien wollen gemeinsam den geplanten Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Plutonium-Schmuggelaffaere beantragen. Darauf haben sich am Nachmittag die Fraktionen geeinigt. Der Parlamentarische Geschaeftsfuehrer der Union Hoerster erklaerte, es gehe den Regierungsparteien allerdings nicht darum, angebliche Unregelmaessigkeiten bei den Sicherheitsorganen aufzudecken. Vielmehr solle der Ausschuss die Vielzahl von Falschinformationen und Anschuldigungen gegen Bundesregierung und Behoerden aus der Welt schaffen. Zuvor hatte SPD-Chef Scharping erneut personelle Konsequenzen fuer die Mitwisser des Plutoniumschmuggels gefordert. Vor dem Innenausschuss des Bayerischen Landtages wies heute der bayerische Innenminister Beckstein alle Vorwuerfe im Zusammenhang mit der Plutonium- Affaere zurueck. Der Schmuggel sei von Behoerden weder inszeniert noch provoziert worden.


Deutsche Bischoefe wuerdigen Kriegsende als Befreiung

Bonn. Die deutschen katholischen Bischoefe haben das Ende des Zweiten Weltkrieges als Befreiung fuer die Deutschen bezeichnet. Die Gewaltherrschaft eines verbrecherischen Regimes habe sich auch gegen die eigene Bevoelkerung gerichtet. Die Niederlage im Krieg und die bedingungslose Kapitulation haetten die Befreiung von diesem Regime gebracht, heisst es in einer Erklaerung der Deutschen Bischofskonferenz zum 50. Jahrestag des Kriegsendes am 08. Mai. In dem Dokument betonen die katholischen Bischoefe zugleich, dass die Spaltung Deutschlands und der Kalte Krieg die Hoffnung auf eine neue Friedensordnung und ein gerechtes Zusammenleben der Voelker bald bitter enttaeuscht haetten. Die Bischoefe erteilen allen Versuchen eine Absage, Verantwortung und Schuld einseitig zu deuten oder historische Tatsachen zu leugnen. Erneut bekennt sich die Deutsche Bischofskonferenz zum Versagen der Katholischen Kirche in der NS-Zeit, insbesondere bei der Vernichtung der europaeischen Juden.


Berlin und Brandenburg: Absegnung des Staatsvertrags

Berlin/Potsdam. Die Regierungen von Berlin und Brandenburg haben dem Staatsvertrag zugestimmt, der die Fusion der beiden Laender regeln soll. Er soll am Donnerstag vom brandenburgischen Ministerpraesidenten Stolpe und Berlins Regierendem Buergermeister Diepgen unterzeichnet werden. Ende Juni wird dann in beiden Landesparlamenten ueber den Vertrag abgestimmt. Fuer seine Annahme ist jeweils eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.


Vorlage des ARD-Finanzbedarfs

Muenchen. Die ARD hat fuer die kommenden Jahre einen Finanzbedarf errechnet, der zu einer Erhoehung der Rundfunkgebuehren um rund DM 6,- fuehren koennte. Der ARD-Vorsitzende Scharf erklaerte, die Bedarfsplanungen bis zum Jahr 2000 haetten ergeben, dass die ARD ab Januar 1997 eine Erhoehung der Monatsgebuehren um DM 3,85 benoetige. Der Finanzbedarf des ZDF liege nach Schaetzungen voraussichtlich zusaetzlich bei DM 2,20. Damit wuerden die Gebuehren auf knapp unter DM 30,- steigen. Scharf betonte, dieser Betrag sei die Schallgrenze, die nicht durchbrochen werden solle. Ueber die Hoehe der Gebuehren entscheiden die Laenderparlamente. Die derzeitigen Gebuehren sind in einem Staatsvertrag der Laender festgeschrieben, der fuenf Jahre gilt und Ende 1996 auslaeuft.


G 7- Beratungen ueber Finanzturbulenzen

Washington. Die Finanzminister und Notenbankchefs der sieben fuehrenden Industrienationen haben ihre Beratungen ueber die Turbulenzen an den Devisenmaerkten aufgenommen. Hauptthema der Gespraeche soll der Wertverlust der US-Waehrung vor allem gegenueber DM und Yen sein. Bundesfinanzminister Waigel erklaerte vor Beginn der Tagung, er erwarte von dem Treffen keine Beschluesse zu den Wechselkursen, aber eine offene Diskussion ueber die Finanzpolitik der einzelnen Mitgliedsstaaten. Zu den G 7-Laendern gehoeren die USA, Grossbritannien, Japan, Frankreich, Italien, Kanada und Deutschland.


Ehemalige RAF-Terroristin Happe entlassen

Aichach. Die ehemalige RAF-Terroristin Manuela Happe ist nach fast elf Jahren Haft aus der bayerischen Justizvollzugsanstalt Aichach entlassen worden. Die heute 39jaehrige war 1984 festgenommen und zwei Jahre spaeter wegen Mordversuchs an Polizisten und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Das Stuttgarter Oberlandesgericht setzte die letzten Jahre der Haftstrafe zur Bewaehrung aus. Insgesamt befinden sich jetzt noch zwoelf zum ehemaligen harten Kern der RAF zaehlenden Terroristen in deutschen Gefaengnissen.


Porsche steht zum Standort Deutschland

Stuttgart. Der Sportwagenhersteller Porsche will auch bei anhaltender Dollarschwaeche keine Arbeitsplaetze ins Ausland verlagern. In einem Interview sagte Porsche-Chef Wedeking, er schliesse diese Moeglichkeit aus. Fuer den Bau der Sportwagen seien Fachleute erforderlich. Nicht ausschliessen wollte Wedeking, dass zusaetzliche Modelle im Ausland produziert werden. Dabei soll es sich um Kooperationen der Firma Porsche mit anderen Autoherstellern handeln.


Kommentar: Castor contra Energiekonsens

Kommentar der Sueddeutschen Zeitung Muenchen vom 25.04.1995 zu den Protesten gegen den Castor-Transport, bei denen gestern durch Beschaedigungen von Bahnstrecken Millionenschaeden entstanden: Der Castor ist ein Ungetuem - eine grosse Kiste zum Transport von radioaktivem Muell, sechs Meter lang und 114 Tonnen schwer. Vor allem aber ist der Castor ein Symbol fuer das ungeloeste Kernproblem der deutschen Energiewirtschaft: Es ist naemlich nicht damit getan, das Zeug in eine Kiste aus Sphaeroguss zu sperren, diese dann auf die Bahn zu verladen und nach Gorleben oder sonstwohin zu verfrachten. Der Atommuell muss sicher entsorgt werden - und dafuer gibt es kein Konzept. Der Castor ist keines; er ist bestenfalls die rollende Ratlosigkeit. Die friedlichen Proteste gegen den Castor waren und sind daher durchaus wichtig: Sie haben es der Politik und der Energiewirtschaft nicht erlaubt, das Problem zu verdraengen oder vom Tisch zu wischen. Genau das aber passiert jetzt, und schuld daran ist eine Serie von Gewalttaetigkeiten: Anschlaege auf Bahnstrecken, auf denen der Castor transportiert werden soll, erschlagen die serioese Argumentation der Atomgegner. Gewalt verunglimpft ernstzunehmenden Protest. Sie verwandelt eine wichtige energiepolitische Debatte in eine Diskussion ueber innere Sicherheit. Und in dieser Diskussion steht von vornherein fest, wer Recht hat. Wenn es nur noch darum geht, Anschlaege zu verfolgen, bleibt die Energiepolitik auf der Strecke. Unter schlechteren Voraussetzungen konnten die Gespraeche ueber einen Energiekonsens kaum starten. Die Atomwirtschaft mag auf die juristische Genehmigung fuer den Castor- Transport pochen. Die Durchsetzung dieser Genehmigung exakt zu Beginn der Gespraeche war aber keine juristische Angelegenheit, sondern eine provokante Machtdemonstration.


Sportmeldungen

Moeglich geworden ist eine Revanche von Box-Schwergewichtler Axel Schulz gegen George Foreman. Die IBF wertet nach einem Protest Schulz' die Videoaufnahmen aus; sollte sich dabei das Urteil zugunsten Foremans als ungerecht herausstellen, wird eine Neuauflage angesetzt.

Der VfB Stuttgart hat sich von Trainer Roeber und von Manager Hoehness getrennt. Nach schlechten Leistungen bzw. vereinsinternen Querelen waren beide in die Kritik geraten. Nachfolger Roebers soll Juergen Sundermann werden, der schon frueher fuer den VfB taetig war.

Der morgige Gegner der deutschen Fussball-Nationalmannschaft, Wales, verzichtete auf das Training auf dem ramponierten Duesseldorfer Rasen. Man wolle dem Spielfeld noch etwas Erholung goennen, so ironisch der Trainer. Aufstellungssorgen plagen unterdessen Bundestrainer Vogts. Insbesondere die Besetzung der Libero-Position ist noch offen. Vogts praesentierte heute auf der Pressekonferenz die beiden Kandidaten, Eilts und Reuter. Wer von beiden den Vorzug erhaelt, ist noch nicht bekannt.


Boerse: Fest

Die deutschen Boersen schlossen fest. Haendler werteten das Ergebnis als eher
technisch begruendet.

DAX       2.007     (+ 31)
Umlaufr.  6,74 %    (- 0,04)
1 US-$    1,3680 DM

Dow Jones 4.304 (18:00 MESZ)



Nachrichten der letzten Seite

* Die Landwirtschaftskammer Westfalen bittet mehrere hundert Grundschul- und Kinderkartenkinder, sogar aus laendlichen Gebieten, ein paar Kuhzeichungen bunt auszumalen. Ergebnis: Ueber ein Drittel der ausgemalten Kuehe sind zur Bestuerzung der Verantwortlichen lila. (Meine Deutung: Erstens wird beim Studieren dieser Nachricht in einer bestimmten Werebagentur ziemlich viel Champagner geflossen sein, und zweitens sollte jemand den Bauern mal wieder beibringen, dass Kuehe durchaus auch mal draussen auf der Wiese stehen koennen.)

* In St. Augustin bringt ein Taxifahrer einen Betrunkenen in seine Wohnung --- der Schluessel steckte wie immer aussen --- und wird deshalb vom wahren Wohnungseigentuemer, der ein Geschoss unterhalb der eigentlichen Wohnung des Fahrgastes wohnt, und nur durch Zufall einmal seinen Schluessel draussen stecken liess, mit dem Besen verpruegelt, weil er die zwei fuer Einbrecher hielt. Ob der Taxifahrer seinen Gast anschliessend noch ein Stockwerk hoeher getragen hat, wurde nicht mitgeteilt.

* RTL und der franzoesische Sender TF1 verlassen aus Protest gegen den Einfluss von Berlusconi und Kirch die Vereinigung der europaeischen privaten Sender ACT.

* Ein 40 jaehriger Erftstaedter sammelt sein Leben lang benutzte Damenunterwaesche, wird seines Hobbys ueberdruessig und beschliesst sie im Wald von Bruehl-Heide zu vergraben. Da es sich um acht (!) grosse Plastiksaecke handelt wird er beobachtet, angezeigt und die Polizei sorgt dafuer, dass er sie wieder ausgraben und sich einen neuen Entsorgungsplan ueberlegen muss.

* In Augsburg laesst sich ein Polizist zum Schein als Killer anheuern um den Ex-Freund einer 22jaehrigen abzumopsen. Als Preis wurden DM 10.000 vereinbart, die Vorauszahlung betrug DM 2.500.

* Die Muenchener Zeitung `Das Haus' ermittelt: Der typische deutsche Gartenbesitzer ist ein 55jaehriger verheirateter Mann mit 150 Quadratmeter Gruen.

* Otto Waalkes verunglueckt in Florida bei einem Autounfall und zieht sich schwere Gesichtsverletzungen zu.


Quellen

SDR3 08:00 MESZ    18:00 MESZ    21:00 MESZ
B5    12:15 MESZ    14:45 MESZ
SWF3 10:00 MESZ
Nachrichten der letzten Seite: pjs@eudora.informatik.uni-koeln.de
Kommentar: Sueddeutsche Zeitung Muenchen vom 25.04.1995