GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Do, 07.12.1995



* Keine weiteren Sozialkuerzungen bis zur naechsten Kanzlerrunde
* Wirtschaft kommt nicht in Schwung
* Arbeitslosenzahl steigt weiter
* Europaeische Einigung ist Grundlage deutscher Aussenpolitik
* Bundestag haelt an Fahrplan fuer Eurowaehrung fest
* Erste deutsche Soldaten starten nach Sarajevo
* 7.5 Milliarden-Loch bei den gesetzlichen Krankenkassen
* Deutsch-franzoesische Konsultationen in Baden-Baden
* Protest gegen franzoesische Atompolitik
* EU-Fuehrerschein beschlossen
* Telefonnummern muessen 1998 nicht geaendert werden
* Geiselnahme in Muenchen
* 10 Tote bei Busunglueck am Wolfgangsee
* Kinderpornographie weiter verbreitet als bisher angenommen



Keine weiteren Sozialkuerzungen bis zur naechsten Kanzlerrunde

Bonn. Die Bundesregierung wird offenbar bis zur naechsten Kanzlerrunde ueber ein Buendnis fuer Arbeit keine neuen Sozialkuerzungen beschliessen. Das teilte der Deutsche Gewerkschaftsbund mit. Auch die bereits auf den Weg gebrachten Kuerzungen der Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollten bis zum 23. Januar im Bundestag offengehalten werden. DGB-Chef Schulte sagte, das Stillhalteabkommen sei beim Gespraech zwischen Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaften bei Kanzler Kohl vereinbart worden.


Wirtschaft kommt nicht in Schwung

Die deutsche Wirtschaft kommt nicht so recht in Schwung. Wie das statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte ist das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Vorquartal unveraendert geblieben. Die Wiesbadener Statistiker belegen, was seit Wochen vermutet wird. Der wirtschaftliche Aufschwung hat sich spuerbar abgeschwaecht. Im Vierteljahr von Juli bis September stieg die gesamtwirtschaftliche Leistung in Deutschland gegenueber dem Vorjahreszeitraum nur noch um magere 1.5 Prozent an. Zum zweiten Mal hintereinander nimmt die Wachstumsrate im Quartalsvergleich ab. Die deutsche Wirtschaft weist jetzt den niedrigsten Zuwachs seit dem Rezessionsjahr 1993 auf. Und bedenklicher noch: der naechste Quartalsbericht koennte schon von einem Stillstand kuenden, denn im Oktober hat die Industrieproduktion abgenommen - die deutsche Wirtschaft hat sogar den Rueckwaertsgang eingelegt. Grund dafuer sind nach Angaben des statistischen Bundesamtes vor allem sinkendene Ausgaben der Unternehmen fuer ihre Produktionsanlagen und die Flaute am Bau. Wie Deutschland schlagen derzeit auch die westlichen Wirtschafts- und Handelspartner wirtschaftliche Moll-Toene an. Frankreich hat, nicht nur wegen der Streiks, gerade erst die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert, in den USA ist das neueste Konjunkturbarometer ebenfalls gefallen.


Arbeitslosenzahl steigt weiter

Nuernberg/Stuttgart. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist erneut gestiegen. Sie lag im November bei knapp 3.580.000 . Das entspricht einer Quote von 9.3 Prozent. Der Praesident der Bundesanstalt fuer Arbeit, Jagoda, erklaerte, Grund fuer die unguenstige Entwicklung sei die Abschwaechung des Wirtschaftswachstums. In Baden-Wuerttemberg waren im November fast 325.000 Menschen ohne Arbeit. Damit erhoehte sich die Arbeitslosenquote im Suedwesten um 0.1 auf 6.6 Prozent.


Europaeische Einigung ist Grundlage deutscher Aussenpolitik

Bonn. Die europaeische Einigung bildet die Grundlage der deutschen Aussenpolitik. Das sagte Kanzler Kohl in einer Regierungserklaerung im Bundestag. Dabei forderte der Kanzler, dass Europa buergernaeher werden muesse. Er rief die Deutschen auf, die europaeische Einigung weiterhin zu unterstuetzen, sie sei die groesste Erfolgsgeschichte des 20. Jahrhunderts. "Die Politik der europaeischen Einigung ist und bleibt fuer Deutschland und Europa eine Frage von existentieller Bedeutung - und ich wiederhole diesen Satz noch einmal sehr bewusst - sie ist in Wirklichkeit auch die Frage von Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert. Deshalb muessen wir alles tun um den europaeischen Einigungsprozess entschlossen voranzubringen und ihn auch politisch unumkehrbar zu machen." SPD-Fraktionschef Scharping warf Kohl vor, er kuemmere sich nicht genug um die Bekaempfung der Arbeitslosigkeit. Scharping sagte, wer im eigenen Land die Hausaufgaben nicht mache, koenne auch nicht fuer die Verwirklichung der wirtschaftlichen Einheit der EU auftreten.


Bundestag haelt an Fahrplan fuer Eurowaehrung fest

Streit um die Europapolitik gab es heute im Bundestag. Die SPD forderte,mit der Eurowaehrungsunion moeglicherweise noch zu warten, damit die Stabilitaet der neuen Eurowaehrung auch wirklich gewaehrleistet ist. Die Regierungskoalition beharrte aber auf dem Termin 1999 fuer die neue Eurowaehrung. Wenigstens ueber den Namen fuer die neue Eurowaehrung gab es heute keinen grossen Streit. Ausser der PDS stimmten alle Parteien fuer die Bezeichnung "Euro". Die Mark soll auf jeden Fall bis 2002 noch Zahlungsmittel bleiben. Die Stabilitaet der neuen Waehrung werde gewaehrleistet, versprachen Bundeskanzler Kohl und seine zustaendigen Minister. Zur Europaeischen Union gebe es aber keine Alternative, betonte der Kanzler. Ueber den notwendigen Stabilitaetspakt und den Namen des gemeinsamen Geldes soll auf dem EU-Gipfel am 15. und 16. Dezember in Madrid entschieden werden, kuendigte Kohl an.


Erste deutsche Soldaten starten nach Sarajevo

Nach dem Bundestagsbeschluss zur Bosnienmission der Bundeswehr sind heute die ersten deutschen Soldaten nach Sarajevo aufgebrochen. Vom Fliegerhorst Brueggen in Nordrhein-Westfalen flogen zwei deutsche Stabsoffiziere zusammen mit britischen Soldaten in die bosnische Hauptstadt ab. Oberst im Generalstab Georg Kerl, 49 und Oberstleutnant im Generalstab Herrmann Beckmann, 39, heissen die beiden ersten deutschen Soldaten, die im Rahmen des groessten NATO-Einsatzes nach Sarajevo fliegen. Beide gehoeren dem Stab der schnellen Eingreiftruppe aus Moenchengladbach an. Er setzt sich aus 400 Soldaten mehrerer Nationen zusammen, darunter rund 35 Unteroffiziere und Offiziere der Bundeswehr. Die beiden deutschen Stabsoffiziere sind im Stab fuer die Einsatzplanung zustaendig. Oberst im Generalstab Kerl erklaerte vor der Presse, er sei ueberrascht, dass zwei Soldaten eine solch grosse Medienaufmerksamkeit bekommen. Der Beschluss des Bundestages bestaetige nur die Normalitaet. Der Einsatz sei von der schnellen Eingreiftruppe seit einem Jahr geplant gewesen. Die Risiken eines solchen Einsatzes seien kalkulierbar. Ein Sprecher der britischen Streitkraefte in Deutschland sagte woertlich: "Als NATO-Soldaten begruessen wir die Beteiligung der Bundeswehr an der NATO-Friedenstruppe."


7.5 Milliarden-Loch bei den gesetzlichen Krankenkassen

Die Finanzentwicklung bei den gesetzlichen Krankenkassen verlaeuft dramatisch. Bundesgesundheitsminister Seehofer hat heute in Bonn vorgerechnet, dass das Defizit schon jetzt 7.5 Milliarden DM betraegt, fuer das Gesamtjahr 1995 koennten es sogar noch 10 Milliarden DM werden. Schuld daran seien die gestiegenen Kosten im Krankenkassenbereich. Deshalb hatten sich Kassen, Krankenhaeuser und Koalition im Herbst in der dritten Stufe der Gesundheitsreform auf eine Budgetierung auf 1996 geeinigt. Dieser Kompromiss allerdings werde bereits wieder torpediert. Die Krankenhaeuser haetten weit ueberzogene Etatplanungen fuer das kommende Jahr vorgelegt. Die Folge: die Kassenbeitraege steigen im kommenden Jahr um bis zu einem halben Punkt auf 14 Prozent des Bruttolohnes. Genau dies verhindern wollte Seehofer, der den Krankenhaustraegern gegenueber inzwischen einen immer schaerferen Ton anschlaegt. "Wenn die Krankenhausreform scheitern sollte drohen uns 96 und 97 Beitragserhoehungen und Defizite, die die bisherigen historischen Rekordsaetze uebersteigen. Ich wuerde es dann fuer erforderlich halten auch die ueberhoehten Ausgaben wieder gesetzlich zurueckzudrehen." Das bislang bewilligte Budget koennte also deutlich unter das bisherige Niveau heruntergefahren werden.


Deutsch-franzoesische Konsultationen in Baden-Baden

Nur wenige Stunden dauerte heute das 66. deutsch-franzoesische Gipfeltreffen in Baden-Baden. Es sei ein erfolgreiches Treffen gewesen, meinten Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreichs Praesident Jacques Chirac. Nach ihren Worten wurden viele Entscheidungen getroffen. Fuer den franzoesischen Praesidenten Chirac war es ein angenehmer Ausflug ins Nachbarland. Geloeste Stimmung zwischen dem Bundeskanzler und seinem Freund Jacques. Fuer einige Stunden konnte Chirac dem Pariser Chaos entkommen, sein Premierminister musste in der franzoesischen Hauptstadt bleiben. Die Streiks in Frankreich ueberschatteten aber trotzdem das Treffen. Kohl signalisierte dem franzoesischen Praesidenten indirekt seine Unterstuetzung fuer die Sparplaene, in dem er die, wie er sagte, "enormen Anstrengungen Frankreichs" fuer die geplante europaeische Waehrungsunion wuerdigte. Am Zeitplan und den Kriterien fuer die Einfuehrung des Eurogeldes muesse aber ohne wenn und aber festgehalten werden, so der Bundeskanzler. Auf dem EU-Gipfel naechste Woche in Madrid wollen Kohl und Chirac ihren EU-Kollegen ein gemeinsam vorbereitetes Papier zur Maastricht-Folgekonferenz vorlegen. Darin fordern sie eine groessere Effizienz der europaeischen Institutionen und eine verbesserte gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik. Kohl betonte auch, dass das Tor zur Europaeischen Union fuer andere Staaten offen bleiben muesse. Das konkreteste Ergebnis des Gipfels: die beiden Staatschefs beschlossen, gemeinsam ein System fuer weltraumgestuetze Aufklaerung zu entwickeln.


Protest gegen franzoesische Atompolitik

Baden-Baden. Aus Protest gegen die franzoesische Atompolitik haben am Vormittag vier Greenpeace-Aktivisten die evangelische Stadtkirche in Baden-Baden erklettert und ein Transparent zwischen beiden Kirchtuermen gespannt. Darauf stand "Stoppt die Nukleartests". Die Aktion fand unter den Augen der Polizei statt, die aber nicht eingriff. Der franzoesische Staatspraesident Chirac traf am Nachmittag in Baden-Baden mit Bundeskanzler Kohl zu routinemaessigen Konsultationen zusammen. Greenpeace haelt den Empfang Chiracs durch den Kanzler wegen der Atomtests im Suedpazifik fuer unangebracht.


EU-Fuehrerschein beschlossen

Die Verkehrsminister der Europaeischen Union haben heute einem neuen Fuehrerschein im Scheckkartenformat zugestimmt. Die Plastikkarte mit Magnetstreifen soll unbefristet gueltig sein. Die Ausgabe ist fuer Mitte des kommenden Jahres geplant.


Telefonnummern muessen 1998 nicht geaendert werden

Die meisten Telefonnummern bleiben gleich. Wie Bundespostminister Boetsch heute versicherte muessen die meisten Nummern auch nach dem Fallen des Telefonmonopols 1998 nicht geaendert werden. Das hat laut Boetsch ein neues Fachgutachten ergeben.


Geiselnahme in Muenchen

Ein bewaffneter Bankraeuber haelt in Muenchen immer noch drei Geiseln in einer Bankfiliale fest. Am Nachmittag hatte er zunaechst fuenf Menschen in seine Gewalt gebracht, dann aber eine Geisel, die ueber Herzbeschwerden geklagt hatte, freigelassen. Am Abend gelang es einer Frau zu entkommen. Nach Angaben der Polizei handelt es sich um eine etwa 30jaehrige Kundin. Die Frau stehe unter Schock. Durch die Flucht sei jetzt eine kritische Situation entstanden. Die Verhandlungen mit dem Geiselnehmer seien abgebrochen. In der Gewalt des Mannes befinden sich jetzt noch der stellvertretende Filialleiter, ein Bankangestellter sowie ein etwa 60-jaehriger Kunde.


10 Tote bei Busunglueck am Wolfgangsee

Nur weil Unfallzeugen schnelle und beherzte Hilfe geleistet haben sind bei einem schweren Busunglueck gestern Abend in Oesterreich nicht noch mehr Menschen umgekommen. Der Reisebus aus Bayern war auf dem Weg von Bad Ischl nach Salzburg, als er mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammenstiess und in den Wolfgangsee stuerzte. Neun Buspassagiere und der PKW-Fahrer starben, 32 Menschen wurden verletzt. Die neun toten Businsassen kommen aus Freising, Muenchen, Moosburg und Landshut. Sie hatten mit den Ueberlebenden den Christkindlmarkt in der Kaiserstadt Bad Ischl besucht. Dass nicht noch mehr Menschen starben ist vor allem einem Mann zu verdanken: einem beherzten LKW-Fahrer, der den Bus mit seinem Ladekran vor dem endgueltigen Versinken im eiskalten See bewahrte.


Kinderpornographie weiter verbreitet als bisher angenommen

Stuttgart. Die Kinderpornographie ist in Deutschland weit groesser als bisher angenommen. Allein in den vergangenen anderthalb Jahren stellte das baden-wuerttembergische Landeskriminalamt bundesweit rund 11.500 Kinderpornos sicher. Dabei handelt es sich vorwiegend um Videos, Fotos oder Sex- und Kontaktmagazine. Bisher wurden gegen mehr als 700 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet.


Quellen

B5    9:30 MEZ    21:30 MEZ
SDR 3    10:00 MEZ    12:00 MEZ
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