GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 07.11.1995



* Haushaltsdebatte im Bundestag
* Sonderparteitag der SPD in Berlin
* Prinzipielle Einigung zu den Ladenoeffnungszeiten
* Der Arbeitsmarkt im Oktober
* Industrie- und Handelstag zum Wirtschaftswachstum
* Mehr von der IG Bau
* BVG bestaetigt Soldatenurteil
* Bundesverwaltungsgericht bestaetigt Asylpraxis
* Krankenhausbereich vor umfassender Reform
* Bundesregierung mahnt Zaire
* Weg fuer Verkehrsprojekt "Stuttgart 21" ist frei
* Zweijaehrige im Muenchner Bahnhof ausgesetzt
* DFB-Pokal
* Boerse



Haushaltsdebatte im Bundestag

Streit um die Finanzpolitik der Bundesregierung kennzeichnet am Nachmittag die Haushaltsdebatte im Bundestag. In der zweiten Lesung des Etats 1996 warfen die Oppositionsparteien der Regierung vor, der Haushalt sei unsolide finanziert und unsozial ausgewogen. Finanzminister Waigel gefaehrde mit seiner Politik die Erfuellung der Stabilitaetskriterien von Maastricht durch die Bundesrepublik, sagte der SPD-Abgeordnete Poss. Finanzminister Waigel wies die Kritik der Opposition scharf zurueck; die Bundesrepublik sei ein Beispiel fuer finanzpolitische Stabilitaet, und die Opposition habe keinen Anlass, sich als deren Hueter aufzuspielen. Wenn sie jetzt von der Waehrungsunion abruecke, verlasse sie den Kurs der grossen Europaeer Brandt und Schmidt. Waigel kuendigte weitere Steuererleichterungen vor allem fuer Unternehmen an, und forderte eine Senkung der Lohnkosten zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Der Solidarzuschlag solle ab 1998 schrittweise abgebaut werden.


Sonderparteitag der SPD in Berlin

In Berlin ist die SPD zu einem Sonderparteitag zusammengekommen, um ueber ihren weiteren politischen Kurs zu beraten. Die 320 Delegierten sollen darueber entscheiden, ob die Grosse Koalition mit der CDU fortgesetzt oder aber die Partei in die Opposition gehen soll. Der Landesvorsitzende Tschembritzki (sp?) plaedierte fuer die rasche Aufnahme von Sondierungsgespraechen mit der CDU. Nach seinen Worten koennte der Traum von der Opposition schnell zum Albtraum werden. Bei der Wahl zum berliner Abgeordnetenhaus hatte die SPD mit 23,6% ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis erziehlt.


Prinzipielle Einigung zu den Ladenoeffnungszeiten

Die Koalition hat sich heute prinzipiell auf laengere Ladenoeffnungszeiten geeinigt. Demnach sollen kuenftig Geschaefte bis 20:00 Uhr geoeffnet bleiben. Was den Samstag betrifft, der bisher ein wesentlicher Streitpunkt war, so hat man sich hier auf einen Kompromiss geeinigt. Allerdings jedoch gebe es ueber die Einzelheiten noch Klaerungsbedarf, sagte heute Arbeitsminister Bluem. Zum Beispiel darueber, ob Baecker kuenftig auch am Sonntag frische Semmeln verkaufen duerfen. Fuer den sogenannten langen Samstag sieht der Koalitionsentwurf folgenden Kompromiss vor: als Regelladenschlusszeit gilt 16:00 Uhr. Den einzelnen Bundeslaendern wird jedoch die Moeglichkeit eingeraeumt, jeweils um zwei Stunden von dieser Richtzeit abzuweichen. So koennten in einem Bundesland am Samstag die Geschaefte bereits um 14:00 Uhr, in einem anderen Bundesland erst um 18:00 Uhr schliessen. Die Unionsfraktion nahm den Entwurf heute zur Kenntnis, meldete jedoch weiteren Beratungsbedarf an. Bundesarbeitsminister Bluem: "Das ist der Versuch, zwischen zwei Extremen eine Loesung zu finden - dem einen Extrem, alles aufzuheben und dem anderen nichts zu veraendern. Das ist der Vorschlag, auf den sich die Koalitionsrunde heute morgen geeinigt hat. Meine Fraktion hat allerdings noch Beratungsbedarf." In ausfuehrlichen Anhoerungen mit allen Beteiligten muesse der Gesetzentwurf beraten werden, sagte Bluem. Im Gegensatz zur Unionsfraktion stimmte die FDP-Fraktion am Vormittag der Einigung zu. Bundeswirtschaftsminister Guenther Rexrodt, FDP, sprach von einem grossen Durchbruch. Die CSU hatte eine generelle Ausweitung der Ladenschlusszeiten auf 18:00 Uhr an Samstagen abgelehnt.


Der Arbeitsmarkt im Oktober

Die Zahl der Arbeitslosen lag auch im Oktober bei ueber 3.5 Millionen. Bereits vor dem Beginn der Winterflaute stieg die Zahl der Menschen ohne Arbeit im Vergleich zum Vormonat um 4.800. Das langsamere Wirtschaftswachstum und die Kuerzungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik seien schuld an dieser Entwicklung, sagte heute der Praesident der Bundesanstalt fuer Arbeit, Bernhard Jagoda, als er die neuesten Zahlen verkuendete. Sein Resume: "Der deutsche Arbeitsmarkt bleibt schwach. Im Westen spiegelt die Entwicklung weiterhin das langsamere Wirtschaftswachstum wieder. Im neueren Teil des Bundesgebietes macht sich insbesondere der Rueckgang bei der Arbeitsmarktpolitik negativ bemerkbar. Die Eigendynamik der Wirtschaft ist derzeit noch zu gering, um dies ganz zu kompensieren." In den neuen Laendern liegt die Arbeitslosenzahl zum ersten Mal seit 1994 wieder deutlich ueber dem Vorjahresstand, um 33.000. Insgesamt wurden im Osten jetzt 1.033.000 Arbeitslose gezaehlt, die Quote: 13.8 Prozent, genau wie im September. Im Westen zaehlten die Arbeitsaemter 2.492.000 Arbeitslose, gut 45.000 mehr als vor einem Jahr und 3.700 mehr als im September. Schwaecher fiel auch der Zugang an offenen Stellen aus, dagegen haben sich die Vermittlungsergebnisse gehalten.


Industrie- und Handelstag zum Wirtschaftswachstum

Mit nur einem verhaltenen Wirtschaftswachstum im naechsten Jahr rechnet der Industrie- und Handelstag. Vor allem im Inland bremst die nachlassende Investitionsdynamik einen durchgreifenden Aufschwung. Am Arbeitsmarkt bleibt eine spuerbare Belebung aus. Bereits vor Beginn der Wintermonate steigt die Zahl der Arbeitslosen.


Mehr von der IG Bau

Die neu gegruendete Gewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt strebt nach Angaben ihres Vorsitzenden Wiesehuegel ein Buendnis zwischen Arbeit und Umwelt an. Wiesehuegel sagte in Dortmund, auch die Gewerkschaften muessten sich der Umweltdiskussion stellen, die viel zu lange nur in Wissenschaftskreisen gefuehrt worden sei. Nach dem Zusammenschluss mit der IG Gartenbau ist die neue IG BAU viertgroesste Einzelorganisation im DGB.


BVG bestaetigt Soldatenurteil

Das Bundesverfassungsgericht hat heute sein frueheres Urteil bestaetigt, nach dem der Ausspruch "Soldaten sind Moerder" nicht zwingend eine strafbare Beleidigung darstellt. Man muesse pruefen, so die Richter, ob sich die Vorwuerfe an bestimmte Personen richten, oder ob eine allgemeine Ablehnung des Krieges ausgedrueckt werden solle. In der Presseerklaerung zu der heute veroeffentlichten Entscheidung heisst es ausdruecklich: "Die Beschwerdefuehrer wurden nicht freigesprochen. Das Bundesverfassungsgericht hat auch die Gleichstellung von Soldaten mit Moerdern nicht fuer zulaessig erklaert. Im Gegenteil, diese Gleichstellung ist als tiefe Kraenkung zu werten." In kompletter Senatsbesetzung hat das Bundesverfassungsgericht jetzt vier weitere Faelle beurteilt. Jedes Mal ging es um den Vergleich "Soldaten - Moerder". In allen vier Faellen hatten die Strafgerichte die Angeklagten wegen Beleidigung verurteilt. Wegen Verstosses gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit wurden die Urteile jetzt aufgehoben. Die Strafrichter muessen die Faelle neu beurteilen. Drei Argumente tragen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Erstens: Die Strafrichter haetten es unterlassen, die geruegten Aeusserungen umfassend zu wuerdigen. Zweitens: Der Beleidigungstatbestand schuetzt die persoenliche Ehre. Wer sagt: "alle Soldaten sind Moerder" richtet seine Wertung an ein unueberschaubares Kollektiv, die Kraenkung verliert sich in der unuebersehbaren Menge. Drittes Argument: Die Strafrichter hatten die Aeusserungen als sogenannte Schmaehkritik eingestuft. Schmaehkritik kann sich nie auf die Meinungsfreiheit berufen. Dem Soldaten-Moerder-Vergleich liegt aber eine Auseinandersetzung in der Sache zugrunde. Naemlich die Auseinandersetzung mit Pazifismus, Soldatentum und Kriegshandwerk.


Bundesverwaltungsgericht bestaetigt Asylpraxis

Berlin. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit einem Grundsatzurteil die gaengige Rechtspraxis des 1993 geaenderten Asylrechts bestaetigt. Danach hat ein auslaendischer Fluechtling grundsaetzlich keinen Asylanspruch, wenn er ueber ein sicheres Drittland eingereist ist, auch wenn nicht feststellbar ist, durch welches der in Frage kommenden Nachbarlaender er eingereist ist. Aller Anrainerstaaten der Bundesrepublik waren damals, wie auch die EU-Mitgliedslaender in diesem Zusammenhang zu sicheren Drittstaaten erklaert worden. Der Klaeger war nach eigenen Angaben auf der Ladeflaeche eines Lastwagens in die Bundesrepublik gekommen, ohne seine Reiseroute sehen zu koennen. Mit dem heutigen Richterspruch hoben die Bundesverwaltungsrichter eine Entscheidung des OVG Koblenz auf, das zu einer gegenteiligen Auffassung gekommen war. Weder die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, noch sein Wortlaut, noch seine Zielsetzung, so die obersten Richter, koennten Hinweise darauf geben, dass eine andere als die heute bekraeftigte Auslegung geboten sei. Allerdings duerfe der Klaeger in jedem Fall in der Bundesrepublik bleiben, weil er als Kurde in der Tuerkei politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen war und sich deshalb auf das sogenannte "Kleine Asyl" des Auslaenderrechts berufen koenne, das nach den Regeln der Genfer Konvention sowieso einen Schutz vor Abschiebung garantiert.


Krankenhausbereich vor umfassender Reform

Der Krankenhausbereich, der rund ein Drittel der Ausgaben im Gesundheitswesen ausmacht, steht vor einer umfassenden Reform. Die Spitzengremien der Koalition billigten ein Modell, nachdem von 1997 an die Etats von den Krankenhausgesellschaften und den Kassen ausgehandelt werden sollten.


Bundesregierung mahnt Zaire

Die Bundesregierung hat von Zaire erhebliche Verbesserungen im Menschenrechtsbereich angemahnt. Bundesaussenminister Kinkel sagte in Bonn bei einem Treffen mit dem Premierminister dieses Landes, Kenkova Dondo (sp?), eine Wiederaufnahme der regulaeren Entwicklungshilfe sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht moeglich. Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft seien allerdings bereit, ernsthafte Reformbestrebungen in dem zentralafrikanischen Land zu unterstuetzen. Beide Politiker stimmten im uebrigen darin ueberein, dass die instabile politische Lage in den Nachbarstaaten Zaires, in Ruanda und Burundi, eine schwere Belastung fuer die ganze Region seien. In Zaire halten sich anderthalb Jahre nach dem Buergerkrieg in Ruanda noch rund 1 Million ruandische Fluechtlinge auf.


Weg fuer Verkehrsprojekt "Stuttgart 21" ist frei

Stuttgart. Der Weg fuer das Verkehrsprojekt "Stuttgart 21" ist frei. Der Bund und das Land Baden-Wuerttemberg unterzeichneten heute ein entsprechendes Finanzierungsabkommen mit der Deutschen Bahn AG. Bis zum Jahr 2008 wird Stuttgart dann einen Durchgangsbahnhof mit einem unterirdischen Streckennetz erhalten. In der Innenstadt werden dadurch rund 100 ha Gleisflaechen frei. Dort sollen Wohnungen fuer 11.000 Menschen und ca. 24.000 Arbeitsplaetze im Dienstleistungsbereich und im Handel entstehen. Gleichzeitig finanziert die Bahn das Grossprojekt durch den Verkauf des Areals. 2.2 Milliarden DM sollen so erwirtschaftet werden. Der Bund steuert 886 Millionen DM Foerdermittel bei. Bund, Land, Region und die Stadt stellen fuer den Nahverkehr 850 Millionen DM zur Verfuegung. Das Land gibt zudem einen Baukostenzuschuss von 200 Millionen DM. Den Rest will die Bahn aus erwirtschafteten Ueberschuessen aufbringen. Wichtigster Punkt fuer Ministerpraesident Erwin Teufel: der neuausgebaute Flughafen und die geplante Messe auf den Fildern werden mit einem ICE-Bahnhof an das Hochgeschwindigkeitsnetz angebunden und Teil der Achse zwischen Paris und Budapest sein.


Zweijaehrige im Muenchner Bahnhof ausgesetzt

Das Schicksal eines zweijaehrigen Maedchens bewegt derzeit nicht nur die Gemueter der Boulevardszeitungsleser in der bayerischen Landeshauptstadt. Vorgestern war das Kleinkind am Bahnsteig des Muenchner Hauptbahnhofs entdeckt und der Bahnpolizei uebergeben worden. Am Abend war die Kleine dann in einem Kinderheim untergebracht worden. Mittlerweile gelang es den Ermittlern, das Schicksal der zweijaehrigen weitgehend aufzuklaeren. Bei der Mutter handelt es sich um eine 18jaehrige Polin, die seit 13 Jahren in Deutschland lebt. Bei dem Vater duerfte es sich um einen zumindest den Behoerden namentlich nicht bekannten jungen Tuerken handeln. Vor wenigen Monaten heiratete die junge Mutter einen Rumaenen, der spaeter in seine Heimat zurueckgekehrt ist. Ihm folgte die 18jaehrige nun am Sonntag mit einem Zug, der kurz nach 13 Uhr den Muenchner Hauptbahnhof verliess - ohne das Kind, das sie am Bahnsteig zurueckliess. Angeblich hatte sich die junge Frau mehrfach vergeblich um einen Pflegeplatz fuer das Maedchen bemueht. Die Ermittlungen der Kripo stuetzen sich auf Aussagen eines jungen tuerkisch-deutschen Paares, das die voellig mittellose Frau zusammen mit dem Kind bei sich in einem Muenchner Vorort aufgenommen hatte. Ausserdem meldete sich ein Zeuge, der gesehen haben will, wie sich die Mutter im Bahnhof von der kleinen Rachel trennte. Die Frau, so der Zeuge, habe der Zweijaehrigen befohlen, am Bahnsteig stehen zu bleiben und sie immer wieder zurueckgeschickt, bis schliesslich der Zug den Bahnhof verliess. In die Ermittlungen der Muenchner Kripo wurden inzwischen auch die rumaenischen Behoerden und die Polizei in der polnischen Heimat der verschwundenen jungen Frau eingeschaltet.


DFB-Pokal

Duesseldorf. Nach Bayer Leverkusen hat auch Fortuna Duesseldorf das Halbfinale im DFB-Pokal erreicht. Die Fortuna schlug den Zweitligisten Nuernberg mit 1:0. Auch Kaiserslautern ist weiter. Das Team gewann im Homburg mit 4:3 nach Verlaengerung. Das Duell der beiden Bundesligisten Dortmund und Karlsruhe endete mit 1:3.


Boerse

DAX 2174.97 Punkte (+9) 1 US-$ = DM 1.4170


Quellen

B5    17:30 MEZ
SDR3    18:00 MEZ
B3    19:00 MEZ
HR 3    19:00 MEZ    21:00 MEZ