Weihnachtsansprache des Bundespraesidenten |
Bonn. Bundespraesident Herzog hat in seiner Weihnachtsansprache zu mehr
Mitmenschlichkeit im Alltag aufgerufen. Diese Haltung koenne auch durch den
besten Sozialstaat nicht ersetzt werden, sagte Herzog. Eine wirklich humane
Gesellschaft zeichne sich besonders durch Toleranz aus. Dies bedeute, das
Anderssein von Menschen nicht als Belastung, sondern auch als Chance der
Bereicherung zu sehen. Zugleich warnte er vor einer Ausgrenzung der
Arbeitslosen und vor diskriminierender Haltung gegenueber Kranken und
Behinderten. Stattdessen sei gelebte Nachbarschaft vonnoeten, in der jeder
einzelne bereit sein sollte, in sozialer Verantwortung mehr zu tun als
staatliche Regeln verlangten.
Die Weihnachtsansprache im Wortlaut ist als letzte Nachricht angefuegt. |
Kinkel warnt vor Eskalation in Belgrad |
Bonn/Belgrad. Bundesaussenminister Kinkel hat angesichts der
Grossdemonstrationen in der serbischen Hauptstadt Belgrad vor einer
Eskalation der Gewalt gewarnt. Kinkel sagte, die innenpolitische Krise koenne
nur durch demokratischen Dialog und nicht durch Konfrontation geloest werden.
In Belgrad hatten sich Anhaenger von Praesident Milosevic und der Opposition
zu Demonstrationen versammelt. Dabei war es zu blutigen Strassenschlachten
gekommen. |
UNHCR wuerdigt Einsatz Deutschlands bei Aufnahme von Bosnienfluechtlingen |
Bonn. Das Fluechtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat den
humanitaeren Einsatz Deutschlands bei der Aufnahme von 320.000
Bosnienfluechtlingen gewuerdigt. Die Bonner Vertreterin des UNHCR Cumin (sp?)
aeusserte zugleich die Hoffnung, dass die Heimkehr dieser Menschen auch durch
Humanitaet gepraegt sein werde. Allerdings duerfe humanitaere Hilfe nicht als
Ersatz fuer politische Loesungen missverstanden werden.
Ausserdem beklagte Frau Cumin eine immer groesser werdende Schutzluecke fuer
Auslaender in Deutschland fuer Asylbewerber, die in ihrer Heimat von
nichtstaatlicher Seite verfolgt wuerden. |
Schorlemmer mahnt gesamtdeutsche Solidaritaet an |
Eine gesamtdeutsche Solidaritaet fuer sozial benachteiligte Buerger in Ost
und West hat der fruehere DDR-Buergerrechtler Pfarrer Schorlemmer angemahnt.
Die Tatsache, dass die einen immer reicher und die anderen immer aermer
wuerden, sei inzwischen ein gemeinsames Problem aller Deutschen, sagte
Schorlemmer. Hier sei dringend ein Umdenken erforderlich, da sonst eine
Spaltung der Gesamtgesellschaft drohe.
Die stellvertretende Vorsitzende der Armutskonferenz in Deutschland Bien warf
Politikern aller Parteien Versagen bei der Bekaemfung der Armut vor. Seit
langem wuerden die Menschen gefoerdert, die Geld haetten, und nicht die, die
dringend Hilfe benoetigten, so Frau Bien. Sie widersprach zugleich der
Auffassung der Bundesregierung, mit Sozialhilfe werde die Armut bekaempft.
Sozialhilfeempfaenger seien bereits arm, betonte Bien. |
Behindertenbeauftragter ruft zu mehr Engagement auf |
Bonn. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Regenspurger hat zu mehr
Engagement fuer Behinderte aufgerufen. Der CSU-Politiker sagte, zu
Weihnachten solle man ueberlegen, was man fuer Behinderte tun koenne.
Ausserdem muesse man jenen danken, die sich freiwillig, beruflich oder als
Zivildienstleistende fuer Behinderte einsetzten. Besonders sei dabei der
Einsatz der Zivildienstleistenden zu wuerdigen, sagte Regenspurger.
Forderungen, das System von Wehrpflicht und Zivildienst zu zerschlagen,
seien schon aus diesem Grunde hoechst problematisch und unserioes. |
"Flugaffaere": Suessmuth erhaelt Unterstuetzung durch die SPD |
Bonn. In der Affaere um angebliche Privatreisen mit Bundeswehrmaschinen hat
Bundestagspraesidentin Suessmuth, CDU, weitere Unterstuetzung seitens der SPD
bekommen. Der Bundestagsabgeordnete Duwe sprach heute von einer Kampagne und
"fatalen Angriffen". Im ueberlasteten Terminplan vieler Politiker wuerden
auch an Wochenenden Amtsgeschaefte und Privatleben zeitlich eng verknuepft,
meinte Duwe. Die Repraesentanten des Parlaments muessten vor Verunglimpfungen
geschuetzt werden. Duwe kritisierte, dass sich andere Nutzer der
Bundeswehrbereitschaft kaum schuetzend vor Suessmuth gestellt haetten. Frau
Suessmuth selbst bekraeftigte unterdessen ihre Haltung, sie habe sich in der
Angelegenheit nichts vorzuwerfen. Sie koenne ueber jeden ihrer Reisetermine
Rechenschaft ablegen, betonte sie in einem Zeitungsinterview. |
16jaehriger gesteht Brandstiftung in Kieler Wohnhaus |
Kiel. Ein 16jaehriger Junge hat nach Angaben der Polizei gestanden, in einem
Kieler Wohnhaus Feuer gelegt zu haben. Bei dem Brand wurden 16 Menschen
verletzt, vier Kinder und zwei Erwachsene davon schwer. Die Polizei teilte
mit, der Jugendliche habe offenbar aus fremdenfeindlichen Motiven gehandelt.
In dem Haus leben deutsche und auslaendische Familien. |
DGB-Vize gegen neuerliche Kanzlerrunde |
Duesseldorf. Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen
Gewerkschaftsbundes (DGB) Engelen-Keefer ist gegen neue Kanzlergespraeche zur
Bekaempfung der Arbeitslosigkeit. Bei den Gewerkschaften gebe es derzeit
keine Bereitschaft zu neuen Kanzlerrunden. Im Deutschlandfunk sagte sie, die
Voraussetzung fuer weitere Beratungen mit Arbeitgebern, Politikern und
Vertretern der Wirtschaft seien derzeit nicht gegeben. Der Praesident des
Deutschen Industrie- und Handelstages Stihl hatte gestern eine Neuauflage der
Kanzlerrunden vorgeschlagen. Engelen-Keefer fuegte hinzu, es gebe viele
Dinge, die von den Tarifpartnern ohne Kanzlerrunde geregelt werden koennten
und sollten, beispielsweise der Abbau von Ueberstunden und die Einrichtung
von mehr Ausbildungsplaetzen. |
Einzelhandel: Versicherungspflicht fuer 590 DM-Jobs katastrophal |
Die Einfuehrung einer Sozialversicherungspflicht auch fuer sogenannte 590 DM-
Jobs waere nach Einschaetzung des deutschen Einzelhandels eine Katastrophe
fuer die Branche. Die derzeit gefuehrte Diskussion sei hoechst unerfreulich,
sagte der Hauptgeschaeftsfuehrer des Einzelhandelsverbandes Wenzel heute
frueh im Deutschlandfunk. Er wies zugleich darauf hin, dass eine solche
Regelung auch fuer die Beschaeftigten keine Vorteile bringe. Eine grosse Zahl
von Mehreinstellungen als Folge der laengeren Ladenoeffnungszeiten im
Einzelhandel hat es nach Wenzels Worten nicht gegeben. |
Weihnachtspredigt des EKD-Praesidenten |
Karlsruhe. Die Hektik bei den Weihnachtsvorbereitungen und das Gedraenge in
den Kaufhaeusern widersprechen nach Ansicht des Ratsvorsitzenden der
Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) Engelhardt nicht dem Sinn des
Christfestes. In seiner Predigt zum Heiligen Abend in der Stadtkirche von
Karlsruhe-Durlach erklaerte der badische Landesbischof, was so schnell als
Weihnachtskitsch blossgestellt werde, sei Ausdruck einer Sehnsucht nach einer
harmonischen Welt. Keiner solle sich einreden lassen, dass Weihnachten nur
derjenige feiern koenne, der eine gesammelte Stimmung mitbringen koenne. |
Wortlaut der Weihnachtsansprache des Bundespraesidenten |
Ich freue mich, Sie alle aus dem Schloss Bellevue in Berlin zu Weihnachten zu
gruessen. Meine Frau und ich werden die Festtage hier ganz allein verbringen
und freuen uns auf die Ruhe und Gemeinsamkeit dieser Tage.
Vielleicht empfinden Sie es ja aehnlich: Im Trubel des Alltags haben wir fast keine Zeit mehr, uns umeinander zu kuemmern und fuereinander da zu sein. Menschliches Miteinander ist ein Gut, das nicht wenigen von uns mehr fehlt als vieles andere, was uns das Jahr ueber so wichtig erscheint.
Viele, die Einsamkeit, Not und Interesselosigkeit in unserer Gesellschaft
beklagen, verlassen sich allzuleicht auf die Perfektion staatlicher Betreuung |
obwohl wir inzwischen alle wissen, dass der Staat an die Grenzen seiner |
Moeglichkeiten stoesst. Wie auch immer: Mitmenschlichkeit in der Gesellschaft
erreicht auch der beste Sozialstaat nicht. Dazu bedarf es jedes einzelnen
Menschen.
Eine wirklich menschliche Gesellschaft, das ist fuer mich unter anderem: eine tolerante Gesellschaft, in der das Anderssein eines Menschen nicht als Belastung, sondern als Bereicherung empfunden wird; eine Gesellschaft, in der der Nachbar nicht sein Ansehen verliert, wenn er arbeitslos wird; in der Kinder mehr zaehlen als materielle Werte; in der niemand ausgegrenzt wird, nur weil er krank oder behindert ist. Das Gefuehl, mit anderen zusammen zu sein und gebraucht zu werden, bedeutet vielen Menschen mehr als Geld. Wenn jemand nur fuer sich den groessten Vorteil herausholen will, zahlen am Ende alle drauf. Wir brauchen also eine Offensive der gelebten Nachbarschaft, der Freundlichkeit, der taeglichen Hilfe. Jeder sollte bereit sein, hier etwas mehr zu tun, als wozu ihn das Gesetz verpflichtet. Vergessen wir auch nicht die stillen Helden unserer Gesellschaft, zum Beispiel die Krankenschwester oder den Arzt, die immer wieder ein persoenliches Wort fuer ihre Patienten finden; die Muetter und Vaeter, die ihre eigenen Beduerfnisse hinter denen ihrer Kinder zuruecktreten lassen, und das auf lange Zeit; die vielen Menschen, die in Kirchen, Vereinen und Initiativgruppen ehrenamtlich fuer andere da sind. Und ich denke auch an Unternehmer, die trotz schwieriger Lage Ausbildungsplaetze schaffen oder auf Entlassungen verzichten. Natuerlich ist nicht jeder dazu imstande, und mancher wird auch sagen: Unter den harten Sachzwaengen des Wettbewerbs kann eine mitmenschliche Gesellschaft nicht funktionieren. Wenn man aber die Folgekosten miteinbezieht, ist eine menschliche Gesellschaft auf lange Sicht wahrscheinlich sogar wirtschaftlicher. Meine Frau und ich waren 1996 wieder in vielen Laendern der Welt und wir werden die Weihnachtstage auch dazu nutzen, die gewonnenen Eindruecke zu verarbeiten. Das wissen wir schon jetzt: Wir Deutsche duerfen nicht die Augen davor verschliessen, was um uns herum geschieht. Die Welt befindet sich nicht nur in einem gewaltigen Umbruch, in vielen Laendern herrscht sogar eine unglaubliche Aufbruchstimmung. Wir werden uns anstrengen muessen, wenn wir mit dieser Dynamik mithalten wollen. Wir haben aber auch wieder viel Not und Elend gesehen, und da richten sich an uns Deutsche hohe Erwartungen. Wir haben unsere eigenen Probleme, aber wir duerfen diese Erwartungen nicht enttaeuschen. Denn in der Welt, in der wir und unsere Kinder leben werden, ist das allerwichtigste gute Nachbarschaft, und im Zeitalter der Globalisierung hat dieser Begriff keine geographische Grenze mehr. Das Bild Deutschlands im Ausland ist heute viel besser, als viele von uns immer noch glauben. Man wartet zwar nicht auf unseren erhobenen Zeigefinger, aber man wartet auch nicht nur auf unsere finanzielle Hilfe. Ich will es ganz einfach sagen: Man wartet auf unsere Freundschaft, auf unseren Rat und in gewissem Sinne sogar auf unser Vorbild. Denn man erkennt unsere Schwierigkeiten, aber man will auch davon lernen, wie wir damit fertig werden. Mehr als wir selbst glauben die anderen, dass wir Deutsche es schon schaffen werden.
Zum Abschluss moechte ich Ihnen aber auch sagen: Politik und Arbeit sind
nicht alles im Leben. Meine Frau und ich freuen uns jetzt auf einige Tage des
Abstands. Wir werden lesen, Musik hoeren und miteinander spazieren gehen. Ich
hoffe, dass Sie es aehnlich machen koennen. Hinter uns allen liegt ein
arbeitsreiches Jahr. Geniessen Sie die freie Zeit und nutzen Sie die
Dunkelheit dieser Tage, wieder einmal zu sich selbst zu finden. Ich wuensche
Ihnen ein frohes und glueckliches Weihnachtsfest. |
Quellen |
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