GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 16.01.1995



* Weizmann spricht vor dem Bundestag
* Teufel macht Kompromissvorschlag zum Streit um den Solidarzuschlag
* Glos sieht kaum Chancen fuer eine Senkung des Solidarzuschlags
* SPD will mit Koalition und Gruenen ueber das Buendnis fuer Arbeit sprechen
* Scharping bekraeftigt Abwanderungsgedanken von FDP-Abgeordneten
* Kein Durchbruch bei deutsch-tschechischen Beziehungen
* Fluechtlingskonferenz in Genf zum Thema Bosnien
* DGB signalisiert Verhandlungsbereitschaft
* Ex-Spionin verurteilt
* Meldungen vom Tennis



Weizmann spricht vor dem Bundestag

Von einer Erfolgsgeschichte der deutsch-israelischen Beziehungen sprach Bundespraesident Roman Herzog gestern Abend auf einem Empfang zu Ehren des israelischen Staatspraesidenten Weizmann. Heute sprach der Staatsgast in einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat. In seiner Rede, die er nicht wie gewohnt auf englisch, sondern auf hebraeisch hielt, erinnerte er vor allem an die Millionen Juden, die waehrend der Nazi-Diktatur grausam ermordet worden waren. Weizmanns Rede wurde synchron uebersetzt. "Als Praesident des Staates Israel kann ich ueber sie trauern und ihrer gedenken. Aber ich kann nicht in ihrem Namen vergeben." Eine Haltung, die Angehoerige von Naziopfern, wie der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignaz Bubis, gut verstehen koennen: "Wer gibt mir das Recht, im Namen meines Vaters etwas zu vergeben, oder im Namen meines Bruders oder meiner Schwester?" Weizmann erinnerte aber nicht nur an die Vergangenheit sondern warnte auch vor der Zukunft. Ein Wiederaufflammen von Neonazismus und Rassenhass in Deutschland muesse verhindert, das Uebel an der Wurzel bekaempft werden. Er dankte aber auch dem deutschen Volk fuer die Freundschaft und die Zusammenarbeit mit Israel. Es war eine grosse und auch eine historische Rede, darueber waren sich Politiker quer durch alle Parteien einig. Weizmanns umstrittene Bemerkung, es sei fuer ihn unbegreiflich, wie Juden nach dem Holocaust noch in Deutschland leben koennten, war heute kein Thema mehr.


Teufel macht Kompromissvorschlag zum Streit um den Solidarzuschlag

Baden-Wuerttembergs Ministerpraesident Teufel hat vom Bonner Koalitionskrach um die Abschaffung des Solidarzuschlages die Nase voll. In Stuttgart hat Teufel deshalb heute einen Kompromissvorschlag gemacht: die Bonner Koalition soll diesen unsaeglichen Streit sofort beenden. Teufel, der heute als Wahlkaempfer und als stellvertretender CDU-Bundesparteichef vor die Presse ging schlug deshalb vor, den Solidaritaetszuschlag ab Anfang 1998 in zwei Stufen zu streichen. Damit waere auch der FDP gedient, denn der Solidaritaetszuschlag waere dann ab dem Jahr 2000 weg. Ausserdem legte Teufel 15 Thesen zur Staerkung des Wirtschaftsstandortes auf den Tisch - unter anderem mit der Forderung nach Steuerentlastung fuer Buerger und Unternehmer. Nicht untaetig war heute auch der SPD-Wirtschaftsminister Spoeri. Der veroeffentlichte mit der IG-Metall einen 10-Punkte-Katalog zum Buendnis fuer Arbeit. Spoeri schlug vor, in der zweiten Haelfte der 90er Jahre 10.000 neue Ausbildungsplaetze in Baden-Wuerttemberg zu schaffen.


Glos sieht kaum Chancen fuer eine Senkung des Solidarzuschlags

CSU-Landesgruppenchef Glos haelt die Aussichten fuer eine Senkung des Solidaritaetszuschlages im naechsten Jahr fuer gering. Nach einem Koalitionsgespraech heute in Bonn sagte Glos, wenn die Abgabe wie von der FDP verlangt, reduziert werden solle, muesse man neue Einsparpotentiale finden. Selbstverstaendliche wolle man aber einen Abbau pruefen, wenn der Bundeshaushalt aufgestellt werde.


SPD will mit Koalition und Gruenen ueber das Buendnis fuer Arbeit sprechen

Die SPD will mit der Koalition und den Buendnisgruenen gemeinsam ueber das Buendnis fuer Arbeit sprechen. Das erklaerte heute Fraktionschef Scharping in Bonn. Angesichts von fast 4 Millionen Arbeitslosen sei es unsinnig, dass jeder in seinen alten Schuetzengraeben bleibe. Jetzt bestuende die Chance fuer einen neuen, so Scharping woertlich, "sozialstaatlichen Konsens". Angesichts des abgeschwaechten wirtschaftlichen Wachstums sei eine gesamtstaatliche Anstrengung noetig, um einen neuen sozialen Konsens zu finden. Er machte noch einmal deutlich, dass die SPD bereit sei, ueber vieles mit sich reden zu lassen, was bisher fuer sie nicht in Frage gekommen waere. So habe sie sich dazu durchgerungen, Arbeitsverhaeltnisse im haeuslichen Bereich steuerlich zu unterstuetzen, eine Senkung der Steuersaetze mitzutragen wenn im Gegenzug die Steuern vereinfacht werden, und die Arbeitsmarktpolitik zu regionalisieren. Der Bundesregierung warf Scharping voellige Unbeweglichkeit und Handlungsunfaehigkeit vor. Sie koenne nun aber zeigen, ob sie die von SPD und Gewerkschaften gebotene Chance nutzen wolle. Eine Antwort auf ihr Einladungsschreiben erwarten die beiden SPD-Fuehrer fuer den Lauf der Woche.


Scharping bekraeftigt Abwanderungsgedanken von FDP-Abgeordneten

Der SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Scharping hat seine Darstellung bekraeftigt, einzelne FDP-Abgeordnete spielten mit dem Gedanken an einen Wechsel zu den Sozialdemokraten. Scharping sagte heute in Bonn, entsprechnde Berichte seien nicht frei erfunden. Vielmehr haetten sich Parlamentarier der Liberalen in diesem Sinne an SPD-Politiker gewandt. Der Fraktionsvorsitzende lehnte es jedoch erneut ab, Namen zu nennen. FDP-Generalsekretaer Westerwelle hielt Scharping unterdessen vor, zu luegen. Der SPD-Fraktionschef nenne keine Namen, weil es keine Namen gebe, sagte Westerwelle.


Kein Durchbruch bei deutsch-tschechischen Beziehungen

Bonn. Der erwartete Durchbruch ist ausgeblieben. Deutschland und Tschechien konnten sich beim Aussenministertreffen auf dem Petersberg bei Bonn in Kernfragen nicht verstaendigen. Themen der Gespraeche waren Wiedergutmachung fuer die Ueberlebende tschechischer NS-Opfer sowie die Haltung Prags zu den vertriebenen Sudetendeutschen. Der tschechische Aussenminister hat heute der deutschen Seite die Schuld am Nichtzustandekommen einer deutsch-tschechischen Aussoehnung gegeben. Er sei letzten Freitag nach Bonn gefahren, um mit Aussenminister Kinkel die gemeinsame Deklaration zu besprechen, die in ihren wesentlichen Formulierungen von den Unterhaendlern auf beiden Seiten abgestimmt worden sei. Doch sei er dort mit einer neuen Forderung der deutschen Seite konfrontiert worden. Welche Forderung das war, dazu wollte er sich nicht aeussern. Es geht immer noch um eine abschliessende politische Bewertung der Vergangenheit vor 50 Jahren, um Nazi-Okkupation und Vertreibung. Die tschechische Regierung erwartet Sicherheit, dass Bonn keine Vermoegens- oder Eigentumsforderungen mehr stellt, wozu die deutsche Seite aber nicht bereit zu sein scheint. Damit sind weiterhin auch eine Entschaedigung der tschechischen Nazi-Opfer und die Einrichtung einer gemeinsamen Stiftung fuer Jugend- und Kulturaustausch blockiert, ueber die in der Deklaration schon Einigkeit herrscht. Der tschechische Aussenminister aeusserte seine Zuversicht, dass die Verhandlungen weitergehen.


Fluechtlingskonferenz in Genf zum Thema Bosnien

Genf. Vertreter von mehr als 40 Staaten und rund 20 Hilfsorganisationen sind heute in Genf zu einer Mammutkonferenz der UN zusammengekommen, um ueber die Zukunft der mehr als 2.5 Millionen bosnischen Fluechtlinge zu diskutieren. Gleich zu Beginn machte die Hochkommissarin fuer Fluechtlinge, Ogatha, klar, was als allererstes passieren muss: die zerstoerten Staedte und Landstriche brauchen dringend Geld fuer den Wiederaufbau. Erst danach koenne an eine schnelle Rueckfuehrung dieser Menschen gedacht werden. Deutschland, das von Bundesinnenminister Kanther vertreten wird, spielt dabei eine herausragende Rolle. Schliesslich lebt in Deutschland etwa die Haelfte der aus Ex-Jugoslawien Vertriebenen. Von ihrem urspruenglichen Plan, die ersten Bosnienfluechtlinge bereits von April an in ihre Heimat zurueckzuschicken sind die deutschen Innenminister inzwischen abgerueckt. Der UNHCR plaediert dafuer, dass zuerst die auf dem Balkan lebenden Fluechtlinge in ihrer Heimat angesiedelt werden, sofern sie dies wuenschen, und erst sehr viel spaeter die rund 700.000 Menschen, die sich in den europaeischen Laendern aufhalten. Der UNHCR geht von einem Zeitraum von mindestens zwei Jahren aus. Das Repatrisierungsprogramm soll mit dem Wiederaufbau Bosniens eng koordiniert werden, das es nach Ansicht des UN-Fluechtlingshilfswerks unzumutbar ist, Menschen in ihre Heimat zu schicken, die kein Dach ueber dem Kopf haben und keine Arbeit.


DGB signalisiert Verhandlungsbereitschaft

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat dem Bundesverband der deutschen Industrie Verhandlungsbereitschaft fuer die Schaffung neuer Arbeitsplaetze signalisiert. Im saarlaendischen Rundfunk sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Engelen-Kaefer, die Gewerkschaften seien zu flexiblen Regelungen bereit. Insbesondere gelte dies fuer Vereinbarungen ueber geringere Einstiegsloehne fuer Langzeitarbeitslose. Eine Aenderung der Flaechentarifvertraege komme aber nicht in Frage, betonte die Gewerkschafterin.


Ex-Spionin verurteilt

Die fruehere DDR-Spionin Olbrich alias Sonja Lueneburg ist in einem neuen Verfahren vom Oberlandesgericht Duesseldorf zu einer Bewaehrungsstrafe von einem Jahr und neuen Monaten verurteilt worden. Damit blieb das Gericht deutlich unter dem Urteil eines anderen Senats, der die ehemalige Chefsekretaerin des damaligen Bundeswirtschaftsministers Bangemann zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt hatte. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Entscheidung mit der Begruendung aufgehoben, dabei sei das Verfassungsgebot der Verhaeltnismaessigkeit nicht ausreichend beachtet worden.


Meldungen vom Tennis

Boris Becker erreichte bei den Australian Open die naechste Runde. Er bezwang den 28jaehrigen Briten Greg Rossetzky mit 6:4, 3:6, 4:6, 6:3 und 6:3. Bei den Damen kamen Anke Huber, Sabine Hack, Jana Kandar und Silke Meier in die zweite Runde.


Quellen

B5    8:30 MEZ    16:00 MEZ
SDR 3    10:00 MEZ
DLF    15:00 MEZ
Radio 7    17:00 MEZ