GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Mi, 12.02.1997



* Politischer Aschermittwoch in Bayern
* Kohl fordert Bundesbuerger zu Verzicht auf Reallohnsteigerungen auf
* Seehofer mahnt Entlastung des Gesundheitssystems an
* Proteste gegen Erhoehung von Rushdie-Kopfgeld
* Kohl empfaengt erstmals die Sprecher von Buendnis 90/Die Gruenen
* Rechtslage zur Toetung von BSE-verdaechtigen Rindern weiter ungeklaert
* Verbesserte Technik fuer Nebellandungen am Stuttgarter Flughafen
* von Richthofen: Verstaerktes Engagement der Wirtschaft
* Boerse



Politischer Aschermittwoch in Bayern

Passau/Vilshofen. In Niederbayern trafen sich heute die Parteien zum traditionellen Politischen Aschermittwoch. Ungeachtet gegenseitiger verbaler Attacken haben die Bundestagsparteien Kompromissbereitschaft bei der Steuerreform signalisiert.

Schon vor dem Treffen der CSU in der Passauer Niebelungen-Halle machte CSU-Generalsekretaer Protzner klar, dass seine Partei von den Koalitionspartnern CDU und FDP innerhalb der naechsten zwei Monate Klarheit ueber die Eckpunkte der geplanten Rentenreform fordere. Seiner Ansicht nach hilft es nichts, Entscheidungen weiter zu verschieben. Der CSU-Vorsitzende, Finanzminister Waigel, bot der SPD einen vorgezogenen Einstieg in die Steuerreform ab Januar 1998 an. Er rueckte von den bisherigen Eckwerten deutlich ab. Waigel erklaerte in Passau, dass in einer ersten Stufe neben Unternehmen auch Arbeitnehmer bereits im kommenden Jahr deutlich entlastet werden. Waigel sagte weiter, die steuerliche Eingangsbelastung sollte von derzeit 25,9 stufenweise in Richtung 20 Prozent und der Spitzensteuersatz auf unter 50 Prozent gesenkt werden, wenn auch die Gegenfinanzierung vorgezogen werde.

In Vilshofen gab die SPD ihr traditionelles Stelldichein zum Politischen Aschermittwoch. Bayerns SPD-Chefin Renate Schmidt hatte sich bereits im Vorfeld des heutigen Treffens fuer Gespraeche mit den Unionsparteien ueber einen Kompromiss zur Steuerreform ausgesprochen. Der Parteichef der Sozialdemokraten Lafontaine bekraeftigte seine Bereitschaft, an einer schnellen Steuerreform mitzuarbeiten. Gleichzeitig forderte er in Vilshofen wie auch die Gruenen in Biberach, die Abloesung der Regierung Kohl. Lafontaine warf ebenso wie die bayerische SPD-Vorsitzende Schmidt der Regierung Kohl voelliges Versagen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik vor. Lafontaine deutete aber beim Thema Steuerreform Kompromissbereitschaft gegenueber der Regierung an. Lafontaine betonte, die Steuerreform muesse aber bereits 1998 wirksam werden und vorrangig zu einer Entlastung der unteren Einkommensgruppen fuehren.

In Baierbach warf der FDP-Vorsitzende Gerhardt der SPD vor, sie hemme mit ihrer Blockadepolitik Steuerentlastungen. FDP-Generalsekretaer Westerwelle bezeichnete die Vorschlaege von Bundesarbeitsminister Bluem zur Rentenreform als weder politisch tragfaehig noch zukunftsweisend. Der bayerische FDP-Vorsitzende Stadler warnte in Vilshofen vor den Folgen des Streits zwischen CSU-Chef Waigel und dem bayerischen Ministerpraesidenten Stoiber. Die CSU habe keine Doppelspitze, sie sei vielmehr eine januskoepfige Partei, und gefaehrde den Erfolg der Bonner Koalition.

Die bayerischen Gruenen haben Neuwahlen in Deutschland gefordert. Zum Auftakt des Politischen Aschermittwochs begruendeten sie dies mit der Handlungsunfaehigkeit der Bundesregierung und der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung. Die Gruenen-Bundestagsabgeordnete Scheel sagte im niederbayerischen Vilshofen, die Bundesregierung habe jahrelang von der Substanz gelebt. Sie bringe keine Reformbereitschaft mehr ein. Zudem treibe sie mit ihrer Steuerpolitik die Gesellschaft auseinander. Der SPD empfahl Scheel, den niedersaechsischen Ministerpraesidenten Schroeder als Kanzlerkandidaten aufzustellen. Die SPD muesse intelligent genug sein, dem Waehlerwillen zu folgen, und sich nicht nach dem parteipolitischen Dogma zu richten. In Ingolstadt sagte der PDS-Bundestagsabgeordnete Gysi, die Bonner Regierungskoalition zeichne sich nur noch durch Stagnation aus, sie sei politisch am Ende.


Kohl fordert Bundesbuerger zu Verzicht auf Reallohnsteigerungen auf

Bonn. Bundeskanzler Kohl hat die Bundesbuerger aufgefordert fuer einen Abbau der Arbeitslosigkeit in den naechsten Jahren auf Reallohnsteigerungen zu verzichten. In einem Zeitungsinterview erklaerte er, die Schaffung neuer Arbeitsplaetze muesse Vorrang vor allem haben. Woertlich sagte Kohl: "Ich halte es fuer absolut zumutbar, dass diejenigen, die einen Arbeitsplatz haben, einmal fuer einige Jahre kuerzer treten oder ganz auf einen Reallohnanstieg verzichten, damit die Beschaeftigungschancen fuer diejenigen besser werden, die heute arbeitslos sind." Fuer die meisten gehe es dabei gar nicht um echte Einschnitte, sondern lediglich um den Verzicht auf Wohlstandszuwaechse. An dem mit den Sozialpartnern beschlossenen Ziel, die Arbeitslosenzahl bis zum Jahr 2000 zu halbieren, haelt die Bundesregierung nach den Worten Kohls fest. Obwohl dies, so der Kanzler, sehr schwer zu erreichen sein werde. Einen arbeitsmarktpolitischen Impuls erwartet sich der Kanzler von der gemeinsamen europaeischen Waehrung. Zugleich verteidigte Kohl den strikten Sparkurs der Regierung. Die Konsolidierung der oeffentlichen Haushalte sei notwendig, um den Teufelskreis von wachsender Verschuldung und immer hoeheren Zinslasten zu durchbrechen. Kohls Vorschlaege stiessen bei Opposition und Gewerkschaften auf einhellige Ablehnung. DGB-Chef Schulte sagte, die Beschaeftigten haetten bereits Verluste bei den Realloehnen hinnehmen muessen, um die Voraussetzungen fuer neue Arbeitsplaetze zu schaffen. Die SPD nannte den Vorstoss zynisch. Zustimmung zu dem Vorschlag Kohls kam vom Deutschen Industrie- und Handelstag DIHT. Die Senkung der Arbeitskosten sei Voraussetzung, um vor allem in der Industrie Arbeitsplaetze zu sichern und zu schaffen, sagte DIHT-Praesident Stihl. Daher muesse es auch mehrere reale Nullrunden geben. Der CDA-Vorsitzende Eppelmann haelt den Vorschlag von Bundeskanzler Kohl nach einem Verzicht auf Reallohnsteigerungenfuer sinnvoll. Bereits im Jahre 1972 habe der "Club of Rome" die Industrienationen davor gewarnt, dass sie ueber ihre Verhaeltnisse lebten, sagte er heute frueh im Deutschlandfunk. Die Konsequenzen dieser Aussage seien nie gezogen worden. Wenn dies jetzt nicht geschehe, werde die Last vor allem fuer die Jugendlichen immer groesser. Die notwendigen finanziellen Einschnitte muessten auf gerechte Art und Weise vorgenommen werden, forderte Eppelmann.


Seehofer mahnt Entlastung des Gesundheitssystems an

Bonn. In der Diskussion um die Erhoehung der Mehrwertsteuer soll Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer eine Entlastung des Gesundheitssystems angemahnt haben. Nach Informationen der BILD-Zeitung verlangt der CSU-Politiker vier Mrd. Mark einer Mehrwertsteueranhebung, um die Krankenkassen von versicherungsfremden Leistungen zu entlasten. Das Blatt beruft sich auf ein internes Schreiben Seehofers an den CSU-Landesgruppenvorsitzenden Michael Glos. Betroffen waeren dem Seehofer-Brief zufolge unter anderen die Kassenleistungen fuer Empfaengnisverhuetung, Sterilistation, kuenstliche Befruchtung und Schwangerschaftsabbrueche. Ausserdem sollten auch das Sterbegeld, das Mutterschaftsgeld, Betriebs- und Haushaltshilfen bei Krankheit und das Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes aus Steuermitteln finanziert werden.


Proteste gegen Erhoehung von Rushdie-Kopfgeld

Bonn/Teheran. Vertreter von CDU/CSU und SPD haben die Erhoehung des Kopfgeldes fuer den britischen Schriftsteller Salman Rushdie durch eine iranische Organisation verurteilt. Der Boersenverein des deutschen Buchhandels forderte zu einem Boykott iranischer Kultureinrichtungen auf. Der iranische Praesident Rafsandschani erklaerte in Teheran, die Aussetzung von 2,5 Mio. Dollar fuer die Ermordung Rushdies habe nichts mit der iranischen Regierung zu tun. Die private Stiftung, die das Kopfgeld bietet, liess inzwischen durch einen Sprecher gegenueber der Deutschen Presseagentur erklaeren, die um eine halbe Million Dollar erhoehte Summe habe nur waehrend der zehntaegigen Geburtstagsfeier der islamischen Revolution Anfang Februar gegolten.


Kohl empfaengt erstmals die Sprecher von Buendnis 90/Die Gruenen

Bonn. Bundeskanzler Kohl empfaengt heute die Sprecher von Buendnis 90/ Die Gruenen Gunda Roestel und Juergen Trittin. Bei dem Besuch handelt es sich um ein Novum. In der Vergangenheit hatten die Gruenen auf Antrittsbesuche beim Kanzler verzichtet. Trittin wies aber Spekulationen ueber eine schwarz-gruene Annaeherung zurueck. Die Bundesregierung muesse von der Macht entfernt werden, forderte er kurz vor dem Treffen. Zugleich kritisierte Trittin die Gespraechsangebote, die die SPD der CDU gemacht haette, als kraftmeierisch und nutzlos. Die SPD verspiele sich in taktischen Angeboten statt ein klares Kontrastprogramm aufzuzeigen.


Rechtslage zur Toetung von BSE-verdaechtigen Rindern weiter ungeklaert

Koblenz/Wiesbaden. Die Rechtslage bei der geplanten Toetung BSE-verdaechtiger Rinder in Deutschland ist weiterhin ungeklaert. Nach dem Oberverwaltungsgericht Koblenz erklaerte auch das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Vernichtung der Tiere fuer zulaessig. Anders entschied dagegen das Verwaltungsgericht Schleswig, das die BSE-Eilverordnung aus Bonn als voraussichtlich rechtswidrig bezeichnet. Die bayerische Landesregierung setzte die geplante Toetung von knapp 2.400 Rindern unter Hinweis auf die unklare Rechtslage aus. Bundeslandwirtschaftsminister Borchert hielt im Deutschlandfunk an seiner Verordnung fest, die die Toetung von importierten Rindern aus Grossbritannien und der Schweiz vorsieht.


Verbesserte Technik fuer Nebellandungen am Stuttgarter Flughafen

Stuttgart. Auf dem Flughafen Echterdingen koennen Flugzeuge ab morgen auch bei dichtem Nebel starten und landen. Die Flughafengesellschaft teilte mit, morgen frueh werde die Instrumentenlandestufe CAT 3b (sp?) eingefuehrt. Damit werde in Stuttgart die hoechste technische Betriebsstufe fuer Nebellandungen erreicht, die es derzeit an deutschen Flughaefen gibt. Vor der Modernisierung der Landebahn war es besonders im Fruehjahr und im Herbst immer wieder wegen schlechter Sicht zu Verspaetungen und Flugausfaellen gekommen.


von Richthofen: Verstaerktes Engagement der Wirtschaft

Berlin. Der Praesident des Deutschen Sportbundes, von Richthofen, hat vor dem Spitzengespraech mit Bundeskanzler Kohl ein verstaerktes Engagement der Wirtschaft verlangt. Fuer die Fussballbundesliga oder herausragende Einzelsportler gebe es stets Unterstuetzung, sagte er im Deutschlandradio Berlin. Schwieriger dagegen sei es, Gelder fuer den sozialen Bereich zu erhalten. Als Beispiel nannte von Richthofen Projekte gegen Jugendgewalt. Der Verbandschef erinnerte ferner an die Arbeit der 86.000 im Breitensport aktiven Vereine, die unverzichtbare Bedeutung fuer die Gesellschaft haetten.


Boerse

Einige Kurse:
US-Dollar(1 US_$)  1.6828
Kanada(1 $)  1.2405
England(1 Pfund)  2.7537
Irland(1 Pfund)  2.6710
Schweiz(100 sfr)   116.600
Frankreich(100 FF)  29.622
Italien(1000 Lit)  1.0209
Oesterreich(100 oeS)  14.211
Spanien(100 Ptas)  1.1820
Japan(100 Yen)  1.3595
Schweden(100 skr)  22.644
 
Einige Indizes:
DAX:3216.14
Dowjones-Index:6888.51
Nikkei-Index:18409.96
 
(alle Angaben ohne Gewaehr)  



Quellen

B5    07:15 MEZ    10:45 MEZ
DLF    09:00 MEZ    19:00 MEZ
SDR3 08:00 MEZ    15:00 MEZ    17:00 MEZ    21:00 MEZ