GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Fr, 04.10.1996



* Beamte sollen sich an der Finanzierung ihrer Pensionen beteiligen
* Erstmals Klage gegen Lohnkuerzung im Krankheitsfall
* Biedenkopf appelliert an Tarifpartner
* OETV beendet Bundeskongress in Stuttgart
* Lafontaine kritisiert Bundesregierung
* Gesetzentwurf zur Reform des Strafrechts
* Prozessbeginn im Zusammenhang mit Reemtsma-Entfuehrung
* Polizistin erschiesst Fluechtigen
* Das Wetter



Beamte sollen sich an der Finanzierung ihrer Pensionen beteiligen

Bundesinnenminister Kanther hat die Altersversorgung der Beamten auf den Pruefstand gestellt. Damit die Pensionen in den naechsten Jahren nicht immer mehr Geld kosten, hat Kanther den Rotstift gezueckt. In Bonn stellte er gleich ein ganzes Massnahmenbuendel vor. Unter anderem sollen sich die Staatsbediensteten kuenftig finanziell an ihrer Altersversorgung beteiligen, spaeter in Pension gehen und weniger Zusatzleistungen wie etwa das Weihnachtsgeld bekommen. Mit diesen Vorschlaegen will Innenminister Kanther sicherstellen, dass die Pensionen bezahlbar bleiben, ohne dass am Berufsbeamtentum geruettelt wird. Oberstes Sparziel muesse es deswegen sein, "in diesem tauglichen System Veraenderungen so anzubringen, dass die Effizienz steigt und die Kosten von der ganzen Gesellschaft getragen werden koennen. Das ist die Aufgabe." Durch die Eigenbeteiligung der Beamten am geplanten Pensionsfonds sollen ab dem Jahr 2001 etwa 60 Milliarden DM zusammenkommen. Diese Rechnung geht nach Ansicht Kanthers dann auf, wenn den Staatsdienern 15 Jahre lang jeden Monat 0.2 Prozent ihres Einkommens abgezogen werden. Eine Idee, die der deutsche Beamtenbund auf keinen Fall mittragen werde, wie dessen Chef Geier bereits angekuendigt hat. Der Deutsche Gewerkschaftsbund will an anderer Front gegen Kanthers Plaene kaempfen und vor allem verhindern, dass das Vorruhestandsalter fuer Beamte heraufgesetzt wird. Dabei muessen sich die Gewerkschaften aber auch mit den Sozialdemokraten anlegen, den SPD-Chef Lafontaine hat erklaert, dass er dafuer ist, Fruehpensionierungen einzuschraenken.


Erstmals Klage gegen Lohnkuerzung im Krankheitsfall

Die Rechtsunsicherheit, die das Bonner Lohnfortzahlungsgesetz bewirkt hat, soll jetzt auf gerichtlichem Weg behoben werden. In einem Fall bislang: Ein Mitarbeiter des Mercedes-Werkes Rastatt klagt gegen die 80-prozentige Lohnkuerzung bei Krankheit. Mercedes war der erste Konzern, der sich das Bonner Gesetz zu eigen gemacht hat und die Lohnfortzahlung seit dem 1.10. einschraenkt. Eine Anwaltskanzlei aus Rastatt ist von einem Mitarbeiter des dortigen Mercedes-Werkes mit der Klage beauftragt worden. Das Arbeitsgericht Karlsruhe hat den Eingang der Klageschrift bestaetigt. Damit muss sich erstmals ein Gericht mit der Frage beschaeftigen, ob die Lohnkuerzung auf 80 Prozent, wie sie vom Daimler-Benz-Konzern und anderen Firmen praktiziert wird, rechtens ist. Zu beruecksichtigen haben die Richter dabei den genauen Wortlaut des badischen Metalltarifvertrages, der nach Auffassung der IG-Metall die volle Lohnfortzahlung wasserdicht absichert. Zum anderen aber auch das seit dem ersten Oktober geltende Lohnfortzahlungsgesetz aus Bonn, das eine Kuerzung auf 80 Prozent vorsieht. Letztlich geht es um die Frage, ob in diesem Fall das Gesetz oder der jeweilige Tarifvertrag Vorrang hat. In der ersten Instanz, wo ein Richterspruch nach einigen Monaten zu erwarten ist, wird die Frage sicherlich nicht endgueltig entschieden. Die Protestwelle, die die ohnehin ueberlasteten Arbeitsgerichte jetzt fuerchten, wird - was Jahre dauern kann - in ein hoechstrichterliches Urteil aus Kassel oder sogar aus Karlsruhe einmuenden muessen, sofern sich die Tarifparteien nicht vorher miteinander einigen.


Biedenkopf appelliert an Tarifpartner

Sachsens Ministerpraesident Biedenkopf hat an die Tarifpartner appelliert, im Streit um die Lohnfortzahlung mehr Phantasie zu entwickeln. Im gegenwaertigen Konflikt gehe es nicht um irgendwelche Kuerzungen, sondern um weniger Aufwand fuer die Lohnfortzahlungen, sagte Biedenkopf der Leipziger Volkszeitung. Dies lasse sich auch durch tarifliche oder betriebliche Vereinbarungen ueber den Wegfall von Zuschlaegen erreichen.


OETV beendet Bundeskongress in Stuttgart

Die Gewerkschaft Oeffentliche Dienste, Transport und Verkehr schliesst heute ihren Bundeskongress in Stuttgart ab. Eines der Hauptthemen des letzten Tages waren die Finanzen. Die OETV will an ihrem Sparkurs festhalten, vor allem der ausreichende Umfang der Streikkasse soll dadurch gesichert werden. Am fruehen Abend war der Kongress aber entgegen den urspruenglichen Plaenen noch nicht zu Ende. Die sorgfaeltige Regie der OETV-Fuehrung hatte eine Woche lang hervorragend funktioniert, kurz vor Schluss des 13. Gewerkschaftstages probte die Basis aber den Aufstand. Als das Praesidium kurz nach 16 Uhr vorschlug, die noch ausstehenden Antraege an den Hauptvorstand zu ueberweisen und um 17 Uhr den Kongress zu beenden, forderten insbesondere Senioren und Delegierte aus Ostdeutschland eine Verlaengerung der Debatte. In tumultartigen Abstimmungen wurde dieser Vorschlag angenommen. Die Angleichung der Arbeits- und Lebensverhaeltnisse in ganz Deutschland bleibt nach den Worten des OETV-Vorsitzenden Mai wichtigstes politisches Ziel der Gewerkschaft. In einer Zeit, in der Arbeitnehmern ein Sturm ins Gesicht blase, habe die Gewerkschaft OETV ueber alle Meinungsverschiedenheiten hinweg ihr Profil als Gegenmacht geschaerft, sagte Mai in seiner Abschlussrede. Dies sei wichtig angesichts der, so woertlich, unheiligen Allianz zwischen Regierung und Arbeitgeberverbaenden. Der wiedergewaehlte OETV-Chef betonte, die Gewerkschaft werde die Lohnfortzahlung fuer Kranke entschlossen verteidigen. Zuvor hatten die Delegierten dem Konzept des Hauptvorstandes zur Sanierung der Gewerkschaftskasse zugestimmt, das unter anderem Einsparungen durch Personalabbau vorsieht. Weiter Entscheidungen des 13. Gewerkschaftstages waren die Forderungen nach der 35-Stunden-Woche auch ohne Lohnausgleich und eine sogenannte Jugendoffensive 2000, die den drastischen Rueckgang der jugendlichen Mitglieder in der OETV aufhalten soll.


Lafontaine kritisiert Bundesregierung

Der SPD-Bundesvorsitzende Lafontaine hat der Bundesregierung vorgeworfen, die Sorgen der Buerger vor Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg zu instrumentalisieren. Die Interessenpolitik der Koalition basiere auf Angst und gehe zu Lasten der Mehrheit der Bevoelkerung, kritisierte Lafontaine heute in Berlin bei einer Tagung des Kulturforums der Sozialdemokraten. Die anstehendne Aufgaben koennten nur durch eine Politik der Gerechtigkeit und der internationalen Zusammenarbeit bewaeltigt werden. Lafontaine erneuerte seine Forderung, die Arbeitnehmer am Kollektivvermoegen der Unternehmen zu beteiligen.


Gesetzentwurf zur Reform des Strafrechts

Die Bundesregierung will das Strafrecht umfassend reformieren. Ein Gesetzentwurf des Justizministeriums sieht vor, Gewalttaten wie Toetungen und Koerperverletzungen kuenftig schaerfer, Eigentums- und Vermoegensdelikte dagegen weniger hart zu bestrafen. Die Plaene haben eine hoechst kontroverse Diskussion ausgeloest. SPD-Rechtsexpertin Daeubler-Gmelin begruesst die Plaene des Justizministeriums, die Strafrahmen nach dem Grundgesetz auszurichten. Schliesslich stelle dieses den Schutz des Lebens ueber den des Eigentums. Ihrer Ansicht nach reicht es aber nicht aus, den einen oder anderen Strafrahmen anzuheben. Von Seiten der Gruenen hiess es, wenn Strafrahmen korrigiert wuerden, muessten Eigentumsdelikte kuenftig deutlich milder eingestuft werden. Genau dies trifft in Bayern auf harten Widerstand. Der bayerische Justizminister warnt davor, das Strafniveau bei Vergehen wie schwerem Raub oder raeuberischer Erpressung aufzuweichen. "Ich halte nichts davon, dass man auf der einen Seite zurecht - dann wenn es um die Integritaet einer Person geht - den Strafrahmen anhebt, aber andererseits bei schwereren Eigentums- und Vermoegensdelikten wesentlich gnaediger sein moechte. Wenn ich mir ueberlege, dass bei schwerem Raub oder bei schwerem raeuberischem Diebstahl die Mindeststrafe nun gesenkt werden soll, dann ist das ein Signal in die falsche Richtung." Was die Gewaltkriminalitaet anbelangt, hat Bayern nach den Worten des bayerischen Justizministers im Bundesrat schon vor vier Jahren eine Verschaerfung der Strafen verlangt. In der Praxis, so erklaerte der Richterbund, habe die Strafrechtsreform laengst stattgefunden. Die Richter nutzten die Spielraeume der Strafrahmen aus und koennten so Koerperverletzungen haerter bestrafen als Eigentumsdelikte.


Prozessbeginn im Zusammenhang mit Reemtsma-Entfuehrung

Heute begann der erste Prozess im Zusammenhang mit der Entfuehrung des Millionaers Jan Philipp Reemtsma. Vor dem Koelner Amtsgericht muss sich Lutz Drach, der Bruder des mutmasslichen Drahtziehers der Reemtsma-Entfuehrung wegen des Vorwurfs der Geldwaesche verantworten. Die Staatsanwaltschaft legt dem 35-jaehrigen zur Last, 27.000 Dollar aus dem Loesegeld der Entfuehrung von seinem Bruder erhalten und von der Herkunft des Geldes gewusst zu haben. Thomas Drach konnte bisher nicht gefasst werden. Drach wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte nur auf versuchte Geldwaesche plaediert und eine geringere Haftstrafe verlangt. Drachs Anwaelte wollen das Urteil anfechten.


Polizistin erschiesst Fluechtigen

Bei einer Polizeikontrolle in Nuernberg ist ein Mann erschossen worden, als er versuchte, zu fliehen. Die toedlichen Schuesse kamen aus der Pistole einer Streifenbeamtin. Kurz vor halb drei Uhr Nachmittags hatten zwei Beamte auf Streife bei einem Routineeinsatz die Personalien zweier Maenner festgestellt. Ort des Geschehens: der Stadtgraben am Handwerkerhof gegenueber dem Nuernberger Hauptbahnhof. Ueber das, was dort weiter geschah erklaerte ein Polizeipressesprecher: "Die Fahndungsabfrage ergab, dass einer der Maenner, ein 28jaehriger Grieche, der in Nuernberg keinen Wohnsitz hat, mit Haftbefehl zur Festnahme ausgeschrieben war. Im Rahmen der versuchten Festnahme ergriff der 28jaehrige die Flucht. Dabei kam es zum Schusswaffengebrauch, durch den der Mann toedlich verletzt wurde. Weitere Einzelheiten sind derzeit nicht bekannt." Die Polizei will insbesondere keine Auskuenfte darueber geben, ob der getoetete Grieche vor oder waehrend seier Flucht die Polizeibeamten bedroht hat und ob er ueberhaupt bewaffnet war. Die 20jaehrige Beamtin, durch deren Waffe der Fluechtige getoetet wurde, konnte bisher nicht vernommen werden, da sie unter Schock steht. Der fuer heute Abend geplante Pressetermin ist auf morgen frueh verschoben worden. Dass die Polizeiaktion in Zusammenhang mit der Drogenbekaempfung steht, diese Vermutung hat sich bisher nicht bestaetigt.


Das Wetter

Im Sueden, sowie in Sachsen und Thueringen heiter. Insgesamt zunehmend bewoelkt aber trocken. In den anderen Gebieten von Nordwesten her Regen. Hoechstwerte 12 bis 18 Grad. Tiefstwerte morgen frueh 10 bis 4 Grad. Schwacher bis maessiger, in freien Lagen und an der Kueste starker Wind aus Sued bis Suedwest. Die weiteren Aussichten: Morgen in Bayern, Thueringen und Sachsen Regen. Im Norden und Westen wechselnd bewoelkt und weitgehend trocken. Am Sonntag im Norden nach Nebelaufloesung sonnig, im Sueden bewoelkt und noch etwas Regen.


Quellen

DLF    8:00 MESZ    20:00 MESZ
SDR 3    8:00 MESZ
B5    19:00 MESZ