GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Fr, 05.01.1996



* Boetsch: Neue Tarifstruktur der Telekom wird Bestand haben
* Telekom darf bestimmte Werbeaussagen nicht mehr verwenden
* Kinkel bedauert Demission von Kosirev
* Baden-Wuerttembergs FDP verabschiedet Programm fuer die Landtagswahl
* Leutheusser-Schnarrenberger beklagt Veraenderungen in der FDP
* Steit in der CSU ueber moegliche Anhebung der Mehrwertsteuer
* Parteienstreit ueber Richterkritik am Soldatenurteil
* Anschlaege auf tuerkische Einrichtungen
* Martina Ertl gewinnt Weltcup-Riesenslalom
* Der Wetterbericht
* Boerse
* Das Streiflicht (Sueddeutsche Zeitung)



Boetsch: Neue Tarifstruktur der Telekom wird Bestand haben

Bonn. Bundespostminister Boetsch geht davon aus, dass die neue Tarifstruktur der Telekom Bestand hat. Im ZDF-Morgenmagazin sagte Boetsch, das Unternehmen werde dem oeffentlichen Druck standhalten, weil die Reform der Telefontarife richtig und andernfalls der Gang an die Boerse gefaehrdet sei. Im Sueddeutschen Rundfunk sagte Boetsch, die Telekom solle aber die geplanten Freundschafts- und Familientarife nicht erst im naechsten Jahr sondern schon in der zweiten Haelfte dieses Jahres einfuehren. Diese Tarife sehen niedrigere Gebuehren fuer besonders haeufig benutzte Verbindungen vor. Gleichzeitig nannte Boetsch die Informationspolitik der Telekom missglueckt. Dies habe zu einem Imageverlust des Unternehmens gefuehrt.


Telekom darf bestimmte Werbeaussagen nicht mehr verwenden

Die Deutsche Telekom darf bestimmte Aussagen ihrer Werbebroschuere fuer das neue Tarfikonzept nicht mehr verwenden. Das entschied heute das Landgericht Koeln. Wie ein Justizsprecher sagte, sind einige Aussagen der Telekomwerbung irrefuehrend. Das betrifft vor allem den Vergleich der Gespraechslaenge zwischen alten und neuen Tarifen. Nach dem Beschluss des Koelner Landgerichtes darf die Deutsche Telekom zukuenftig nicht mehr mit ihren angeblichen Preissenkungen im Tages- und im Mondschein-, also im Nachttarif, werben. Diese Werbung sei zwar sachlich richtig, aber dennoch irrefuehrend, urteilten die Richter und kamen damit einer Beschwerde der Zentrale zur Bekaempfung unlauteren Wettbewerbs nach. Danach erzeugen die Seiten 12 und 18 der neuen Telekom-Preisinformation eine unrichtige Vorstellung ueber die tatsaechlichen Preise. Grund dafuer: in der Broschuere werden die Preisberechnungen nur aufgrund des neuen Drei-Minutentaktes angegeben. Der Kunde aber habe zum Beispiel fuer Mondscheingespraeche noch den alten Zwoelf-Minutentakt im Kopf. Legt man diesen zugrunde, dann ist telefonieren nachts teurer als vorher. Beanstandet wurde von der Zentrale zur Bekaempfung unlauteren Wettbewerbs aber auch die Information, dass im Tagestarif telefonieren nur um vier Prozent teurer wird. Auch hier werde der Kunde, so die Richter, irregefuehrt, denn nach dem alten Takt berechnet verteuern sich die Gespraeche zum Teil um bis zu 100 Prozent. Sollte die Deutsche Telekom, nachdem ihr das Urteil schriftlich zugestellt sein wird, weiterhin mit ihren Angaben in Zeitungen, Fernsehen und Hoerfunk werben, droht ihr eine Ordnungsstrafe von bis zu 500.000 DM. Allerdings kann das Unternehmen gegen den Beschluss noch Widerspruch einlegen.


Kinkel bedauert Demission von Kosirev

Bundesaussenminister Kinkel hat die heutige Demission seines russischen Amtskollegen Kosirev bedauert. Dieser habe die Interessen seines Landes stets hart vertreten, aber nach den Umstuerzen in Osteuropa und in der Sowjetunion die Notwendigkeit der Vernetzung mit dem Westen erkannt, erklaerte Kinkel heute in Stuttgart.


Baden-Wuerttembergs FDP verabschiedet Programm fuer die Landtagswahl

Stuttgart. Die baden-wuerttembergische FDP hat heute ihr Programm fuer die Landtagswahl am 24. Maerz verabschiedet. Dazu war heute der Landesparteitag der Liberalen in Stuttgart wieder zusammengetreten. Eckpunkte des Programms sind eine Vereinfachung des Steuersystems und die Konsolidierung des Haushaltes. Ausserdem ist vorgesehen, den Solidaritaetszuschlag bis 1998 in zwei Schritten abzuschaffen. Die Delegierten des Parteitages waehlten den 50jaerhigen Juergen Morlock zum Ehrenvorsitzenden der baden-wuerttembergischen FDP, er erhielt 219 von 283 gueltigen Stimmen. Die Freien Demokraten in Baden-Wuerttemberg streben nach der Landtagswahl ein Regierungsbuendnis mit der CDU an. Eine entsprechende Koalitionsaussage wurde von den Delegierten des Parteitages heute mit grosser Mehrheit gebilligt. Landeschef Doering hatte sich zuvor vehement fuer eine Koalitionsaussage zu Gunsten der Union eingesetz. Er bezeichnete sie als klares Signal an die Waehler, die wissen muessten, wohin die Reise der FDP gehe.


Leutheusser-Schnarrenberger beklagt Veraenderungen in der FDP

Vor dem traditionellen Dreikoenigstreffen der Liberalen morgen in Stuttgart beklagte die scheidende Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine thematische Veraenderung ihrer Partei bei Wirtschaftsfragen. Ohne das Profil einer eigenstaendigen liberalen Kraft gebe es fuer die Liberaldemokraten keine Zukunft, sagte Frau Leutheusser-Schnarrenberger der Leipziger Volkszeitung.


Steit in der CSU ueber moegliche Anhebung der Mehrwertsteuer

Wenige Tage vor dem Klausurtreffen der CSU in Wildbad Kreuth gibt es in der Partei Streit ueber eine moegliche Anhebung der Mehrwertsteuer. Der sozialpolitische Sprecher der CSU-Gruppe im Bundestag, Ramsauer, lehnte heute eine Erhoehung zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen kategorisch ab. Ramsauer widersprach damit Bayerns Sozialministerin Stamm. Sie will, wie die SPD, Teile aus dem Sozialleistungssystem auf den steuerfinanzierten Etat uebertragen und dafuer die Mehrwertsteuer anheben. Dies sei eine leichtfertige Forderung, meinte Ramsauer.


Parteienstreit ueber Richterkritik am Soldatenurteil

Die Kritik des Mainzer Richters Fischer am sogenannten "Soldatenurteil" des Bundesverfassungsgerichts hat neuen Streit unter den Parteien ausgeloest. Die stellvertretende SPD-Vorsitzenden Daebler-Gmehlin nannte die Aeusserungen des vorsitzenden Richters am Mainzer Landgericht anstoessig und peinlich. Der Bundesvorstandsprecher von Buendnis 90 / Die Gruenen, Trittin, meinte, mit seinen Ausfaellen habe sich Fischer in die Reihen derjenigen begeben, die auf dem Niveau von Stammtischdebatten ueber die Urteile des Verfassungsgerichtes polemisierten. Dagegen erklaerte der Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses Rose, CSU, er danke dem Mainzer Landgericht dafuer, dass es oeffentlich die Knebelung durch Karlsruhe angeprangert habe. Das Landgericht hatte gestern einen Angeklagten freigesprochen, der in einem Leserbrief auf das Tucholsky-Zitat "Alle Soldaten sind Moerder" zurueckgegriffen hatte.


Anschlaege auf tuerkische Einrichtungen

In der vergangenen Nacht waren verschiedene tuerkische Einrichtungen in Koeln und Hamburg das Ziel von Anschlaegen. Die Polizei spricht von geringen Sachschaeden, verletzt wurde niemand. In der Koelner Innenstadt schleuderten zwei Maenner kurz vor Mitternacht Brandsaetze auf zwei tuerkische Banken und ein tuerkisches Reisebuero. Im suedlich gelegenen Bruehl wurde fast zeitgleich ein Brandanschlag auf ein weiteres tuerkisches Reisebuero veruebt. Dabei wurden jeweils die Gebaeude leicht beschaedigt. Auch in Hamburg versuchten Unbekannte ein tuerkisches Reisebuero in Brand zu stecken. Nach Angaben der Polizei hatten die Taeter ein Fenster eingeschlagen und mit einem Brandbeschleuniger Feuer gelegt. Auch hier wurde niemand verletzt, auch hier entstand nur geringer Sachschaden. In der Naehe des Tatorts wurde ein Transparent in tuerkischer Sprache gefunden. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich bei den Anschlaegen nicht um fremdenfeindliche Attentate handelt, vielmehr duerften politische Motive dahinter stecken, war es gestern Abend doch in zwei tuerkischen Gefaengnissen zu Meutereien gekommen. In der Haftanstalt in Istambul, in der vor allem politische Haeftlinge einsitzen, wurden bei der Niederschlagung der Meuterei drei Gefangene getoetet und 35 Menschen verletzt. Ausgebrochen waren die Unruhen nach Protesten gegen die Haftbedingungen.


Martina Ertl gewinnt Weltcup-Riesenslalom

Martina Ertl hat den Weltcup-Riesenslalom im slowenischen Malibor gewonnen. Zweite wurde die Italienerin Deborah Compagnoni vor Katja Seizinger. Mit ihrem Sieg uebernahm Martina Ertl auch die Fuehrung im Gesamtweltcup.


Der Wetterbericht

Die Lage: Deutschland verbleibt zunaechst unter dem Einfluss eines Hochs ueber Suedskandinavien. Am Wochenende fuehren Tiefauslaeufer allmaehlich milde Luft in den Suedwesten Deutschlands. Die Vorhersage: heute ueberwiegend sonnig, lediglich im Westen Durchzug duenner Wolkenfelder, aber trocken. Hoechsttemperaturen: -7 bis -2, am Rhein bis +3 Grad. Nachts klar, stellenweise Nebelfelder. Westlich des Rheins teils locker bewoelkt. Tiefsttemperaturen -5 bis -10, ueber Schnee oertlich bis -15 Grad. Morgen im Westen und im Suedwesten Bewoelkungsaufzug und westlich des Rheins gelegentlich etwas Niederschlag. Sonst sonnig, locker bewoelkt und trocken. Hoechsttemperaturen am Rhein um 0 Grad, sonst -7 bis -2 Grad. Schwacher bis maessiger, in Norddeutschland zeitweilig boeig auffrischender Wind aus Suedost.


Boerse

DAX    : 2332 Punkte
1 US-$ : 1.4370 DM



Das Streiflicht (Sueddeutsche Zeitung)

Gleich hinter Hof geht die Sonne auf. "Nehmen Sie doch ein Glaeschen Sekt", sagt die Hostess an der Landesgrenze zu Thueringen, "es ist alles wahr geworden, dank Helmut." Und dann fragt die junge Dame, ob der Wessi sich vielleicht veraendern wolle, berufsmaessig, alle suchten haenderingend Personal. "Bei Trabant laeuft jetzt die Sechser-Reihe vom Band, in Cannes warten sie auf den Trabrio, das neue Faltdach-Modell. Taeglich holen sie mit dem Bus Arbeitslose aus Dahlem, Gruenwald und Blankenese zur Schicht und kommen trotzdem nicht vom Fleck."Am dringendsten wuerden Kraefte in den Arbeitsaemtern gesucht. "Die Leute haben die Aemter 1990 zugemacht und vergessen", klagt die Ostess. "Die Zentrale in Ostberlin soll ein Museum der Arbeitslosgkeit werden. Die proletarische Not von frueher darf nicht vergessen werden; ein Herr Gysi will das Museum fuehren. Vielleicht lassen wir aber lieber ein Fitness-Center rein." Nichts gehe mehr ohne Hilfe aus dem Westen. "Unsere Leute sind waehlerisch geworden, die machen nicht jede Drecksarbeit. Wie waer's? Wir zahlen gut!" Irritiert dreht der Wessi um, kurz vor Hof passiert er ein Strassenschild: "Achtung, Sie verlassen die Bluehenden Landschaften Fuenf Neue Bundeslaender." Wenn das alles nun wie ein Maerchen klingt, dann hat es wohl einmal ein Politiker versprochen. Der Kanzler war's, und viele werden es perfide und gespielt naiv finden, nun daran zu erinnern. Schliesslich weiss jeder, dass damals Wahlkampf war. Deshalb wird sich auch kein deutsches Gericht von einem erstaunlichen Urteil aus Polen beeindrucken lassen: Dort soll der ehemalige Praesident Lech Walesa wegen eines nicht eingehaltenen Wahlversprechens einem Waehler umgerechnet 560 Mark zahlen. Ach, Polen! Erst waehlen sie freiwillig fruehere Kommunisten, dann erwarten sie noch, dass Politiker ihre Versprechen einhalten. Zeit fuer ein froehliches Proseminar aus unserer beliebten Reihe "Demokratie fuer Anfaenger". Lektion 1: Alle vier Jahre duerfen die Politiker euch ganz viel versprechen, und ihr duerft es nicht glauben, euch aber fuer den mit den schoensten Versprechen entscheiden. Dann muss der taeglich in aller Fruehe aufstehen und nach Afrika oder Jugoslawien fliegen, bei Regen ohne Schirm (wegen der Photographen) neue Landstrassen eroeffnen und muss laecheln, wenn ihr ueber ihn lacht. Nach vier Jahren beginnt die naechste Spielrunde. Lektion 2 an Herrn Walesa. Ihn erinnern wir an das alte deutsche Sprichwort "Verspreche nie etwas, was du auch halten kannst." Kurz gesagt: Bleibe allgemein. Verspreche Freiheit statt Sozialismus, nie aber Freibier und schon gar nicht unter Angabe einer taeglichen Dosis. Als Beispiel gelte der Bundeskanzler. Er versprach bluehende Landschaften, niemals aber hat er das Datum genannt, gar eine Uhrzeit? Die naechste Internationale Gartenschau soll im Jahr 2003 in Dresden stattfinden. Nun bluehe, Osten!


Quellen

B5    8:30 MEZ    18:00 MEZ
SDR 3    10:00 MEZ    12:00 MEZ    20:00 MEZ
Radio 7    18:00 MEZ
DLF    19:00 MEZ
Sueddeutsche Zeitung vom Fr./Sa./So. 5./6./7.1.1996