GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 20.06.1995



* Shell verzichtet auf Versenkung der "Brent Spar"
* Geiselnahme in Worpswerde: Geisel nach 18 Stunden freigelassen
* Koalition einig ueber Sommersmog-Verordnung
* Vor Energiekonsensgespraechen: SPD bekraeftigt Position zu Kernkraft
* Freisprueche im Prozess um PDS-Vermoegen
* Paechter einer Shell-Tankstelle entgeht Briefbombenattentat
* Differenzen ueber einen Bundeswehreinsatz in Jugoslawien
* 100 Jahre Nord-Ostseekanal
* Bewegung im Tarifstreit des Einzelhandels
* Weniger Kinder im Strassenverkehr getoetet
* Keine Hemden mehr nach Ladenschluss in Bahnhoefen
* Ausbruchsversuch in Straubing gescheitert
* Kommentar: Der Sommersmog und seine Ausnahmen
* US-Dollar



Shell verzichtet auf Versenkung der "Brent Spar"

London/Hamburg. Der Oelkonzern Shell verzichtet auf die Versenkung der Oelplattform "Brent Spar" im Atlantik. Shell reagierte damit auf zunehmende internationale Kritik und auf die Aktionen der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Der Konzern teilte mit, zwar sei man immer noch der Ansicht, dass eine Versenkung in 2500 Metern Tiefe die am wenigsten umweltbelastende Alternative sei. Man werde aber einen Antrag auf Entsorgung an Land stellen. Am Morgen hatte Greenpeace zwei weitere Aktivisten auf der Plattform abgesetzt. Die Besatzung des Hubschraubers, der die ersten Aktivisten auf die Plattform gebracht hatte, wurde gestern von der schottischen Polizei festgenommen und wurde heute verhoert.


Geiselnahme in Worpswerde: Geisel nach 18 Stunden freigelassen

Worpswede. 18 Stunden nach ihrer Entfuehrung ist eine Arztfrau aus dem niedersaechsischen Worpswede in der Nacht unverletzt freigelassen worden. Nach Polizeiangaben liessen die Entfuehrer ihr Opfer gegen 23:00 Uhr in der Naehe von Hannover frei. Loesegeld sei nicht gezahlt worden. Nach Angaben der Polizei wurden zwei der drei Tatverdaechtigen festgenommen. Nach dem dritten Mann wird noch gefahndet. Die Taeter hatten gestern morgen das Haus des Arztehepaares ueberfallen und groessere Mengen Schmuck und Bargeld geraubt. Anschliessend entfuehrten sie die Ehefrau und verlangten fuer ihre Freilassung mehrere 100.000 DM Loesegeld.


Koalition einig ueber Sommersmog-Verordnung

Bonn. In der Regierungskoalition herrscht jetzt Einigkeit ueber die geplante Sommersmog-Verordnung. Danach hat sich die FDP mit ihren Vorstellungen durchgesetzt. Fahrverbote soll es nun schon bei einem Grenzwert von 240 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft geben. Urspruenglich war diese Grenze bei 270 Mikrogramm angesetzt. Am Freitag wird der Bundestag abschliessend ueber die Vorlage entscheiden. Das Gesetz wird jedoch voraussichtlich vom Bundesrat abgelehnt werden, weil die SPD-regierten Bundeslaender weitergehende Forderungen wie Tempolimits ab 180 Mikrogramm und strengere Fahrverbote fordern. Gleichzeitig beschloss das Saarland eine Ozon-Verordnung, die Fahrverbote ab 240 Mikrogramm und drastische Geschwindigkeitsbeschraenkungen ab 180 Mikrogramm Ozon vorsieht.


Vor Energiekonsensgespraechen: SPD bekraeftigt Position zu Kernkraft

Bonn. Die SPD strebt nach den Worten ihres Vorsitzenden Scharping nach wie vor den Ausstieg aus der Kernenergie an. Sie ist aber laut Scharping bereit, bei den Energiekonsensgespraechen mit der Bundesregierung auch ueber die Moeglichkeit neuer Atomkraftwerke zu reden. Allerdings muesse die Bundesregierung erklaeren, wer neue Atomkraftwerke bauen wolle. Der SPD-Verhandlungsfuehrer bei den Gespraechen Schroeder hatte vorgeschlagen, die Moeglichkeit neuer Atomkraftwerke zuzulassen, um im Gegenzug Termine fuer die Stillegung bestehender Reaktoren auszuhandeln. Scharping machte deutlich, dass er die von Schroeder genannten Mindestergebnisse fuer nicht erstrebenswert haelt. Mit Zustimmung der SPD werde es, so Scharping, keine Loesung geben, bei der der Ausstieg mit dem Wiedereinstieg verbunden werde.

(Anmerkung: Dem Tipper ist klar, dass sich die zwei verwendeten Nachrichten teilweise widersprechen: Ist Scharping jetzt fuer oder gegen die Option neuer Kernkraftwerke? Da diese Frage mit den vorliegenden Mitteln nicht zu klaeren war, wurde die Meldung so belassen)


Freisprueche im Prozess um PDS-Vermoegen

Berlin. Im Prozess um die Verschiebung von PDS-Vermoegen ins Ausland sind die vier Angeklagten vom Berliner Landgericht freigesprochen worden. Die Angeklagten hatten die Verschiebung von 107 Mio. DM nicht bestritten. Ihnen konnte aber nicht Veruntreuung zu Lasten der PDS nachgewiesen werden. Fuehrende PDS-Politiker hatten jedoch die Aussage verweigert, um sich nicht selbst zu belasten. In einem ersten Verfahren waren die Angeklagten 1992 zu Bewaehrungsstrafen verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hatte dieses Urteil wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben.


Paechter einer Shell-Tankstelle entgeht Briefbombenattentat

Muenster. Der Paechter einer Shell-Tankstelle in der westfaelischen Stadt Kosfeld (sp?) ist offenbar nur knapp einem Briefbombenanschlag entgangen. Wie die Staatsanwaltschaft in Muenster mitteilte, sei bei dem Mann gestern eine Postsendung mit einem Sprengsatz eingegangen, der aber nicht explodiert sei. Man ermittle gegen Unbekannt und vermute einen Zusammenhang mit der geplanten Versenkung der Shell-Plattform "Brent Spar".


Differenzen ueber einen Bundeswehreinsatz in Jugoslawien

Bonn. Die Bundesregierung hat nach Angaben von SPD-Chef Scharping bisher nicht versucht, sich mit der Opposition ueber einen Bundeswehreinsatz im frueheren Jugoslawien zu einigen. Scharping sagte am Morgen, die oeffentlichen Ankuendigungen der Regierung stimmten nicht mit ihrem tatsaechlichen Handeln ueberein. Bisher sei die Opposition nur sehr mangelhaft ueber die Haltung informiert worden. Nach dem Willen der Bundesregierung soll der Bundestag in der naechsten Woche ueber einen Bundeswehreinsatz in Bosnien entscheiden. Nach Angaben von Kanzleramtsminister Bohl will die Regierung bei der morgigen Kabinettssitzung ueber den Bosnien-Einsatz sprechen, aber noch keine abschliessende Entscheidung treffen. Eine Entscheidung werde dann auf einer eigenen Sitzung noch vor Montag gefaellt. Bohl begruendete das Vorgehen mit dem Respekt vor dem Parlament und insbesondere vor der Opposition. Die Bundesregierung will die bereits stationierte europaeische Eingreiftruppe in Bosnien mit Luftwaffen- und Sanitaetseinheiten unterstuetzen.


100 Jahre Nord-Ostseekanal

Kiel. Mit einem Schiffskorso ist heute der 100. Geburtstages des Nord-Ostseekanals gefeiert worden. Tausende Schaulustige verfolgten das Ereignis. An Bord des Segelschulschiffes "Gorch Fock" nahmen ueber 100 Ehrengaeste an der Feierlichkeit teil, darunter Bundespraesident Herzog, Bundesverkehrsminister Wissman und Ministerpraesidentin Simonis. Die Feierlichkeiten gehen morgen mit einem Empfang des Bundesverkehrsministers zu Ende.


Bewegung im Tarifstreit des Einzelhandels

Mainz. In den Tarifstreit des Einzelhandels ist Bewegung gekommen. Nach Angaben der Gewerkschaft HBV legten die Arbeitgeber bei den Tarifverhandlungen fuer Rheinland-Pfalz am Abend ein verbessertes Angebot vor, ueber das nun die Grosse Tarifkommission beraten soll. Ueber die Hoehe des Angebots ist noch nichts bekannt. Rheinland-Pfalz gilt als Pilotbezirk fuer den gesamten westdeutschen Einzelhandel.


Weniger Kinder im Strassenverkehr getoetet

Wiesbaden. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der bei Verkehrsunfaellen getoeteten Kindern so niedrig wie nie zuvor gewesen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes starben 431 Kinder auf deutschen Strassen, 14 weniger als 1993. Die Gesamtzahl der im Strassenverkehr verunglueckten Kinder stieg dagegen leicht auf ueber 51.000.


Keine Hemden mehr nach Ladenschluss in Bahnhoefen

Karlsruhe. In Bahnhoefen duerfen kuenftig abends oder an Sonntagen keine Hemden oder Schuhe mehr verkauft werden. Das entschied der Bundesgerichtshof. Hintergrund war ein Rechtsstreit zwischen der Deutschen Bahn als Verpaechterin einer Ladengalerie im Hamburger Hauptbahnhof und der Zentrale zur Bekaempfung unlauteren Wettbewerbs. Nach Ansicht der Richter handelt die Bahn wettbewerbswidrig, wenn Waren, die nicht zum Reisebedarf gehoeren, ausserhalb der gesetzlichen Ladenschlusszeiten verkauft werden.


Ausbruchsversuch in Straubing gescheitert

Straubing. In Straubing ist ein Ausbruchsversuch zweier Haeftlinge gescheitert. Die Maenner hatten versucht, mithilfe einer Strickleiter die Gefaengnismauern zu ueberwinden. Einer der Haeftlinge wurde dabei von einem Beamten niedergeschossen und lebensgefaehrlich verletzt.


Kommentar: Der Sommersmog und seine Ausnahmen

Kommentar der Sueddeutschen Zeitung Muenchen vom 20.06.1995 zur Diskussion um eine Sommersmog-Verordnung: Die Expertenanhoerung zu den Bonner Plaenen fuer ein Sommersmog-Gesetz hat zwar keine Klarheit ueber den "richtigen" Grenzwert fuer Fahrverbote gebracht. Die Fachleute haben aber gezeigt, dass vor allem im Gesetzentwurf der Koalition mit seinen vielen Ausnahmen von den Fahrverboten noch viel Zuendstoff steckt. Warum gerade die Urlauber eine Ausnahmegenehmigung erhalten koennen und deshalb an Tagen mit Ozonalarm, die mit dem Ende der Schulferien zusammenfallen, auf den Schutz vor Ozon verzichtet wird, will nicht so recht einleuchten. Offenbar wird das Recht auf Urlaub hoeher gewichtet als das Recht auf Gesundheit. Auch die weitgefassten Ausnahmen fuer Pendler im Gegensatz zu den wenigen Schlupfloechern fuer den LKW-Verkehr lassen den Schluss zu, dass es keine plausible Begruendung fuer die Ausnahmen gibt. Wenn der Gesetzgeber aber politischen Opportunismus statt Vernunft zum Masstab fuer die Definition von Aussnahmen macht, muss ein verkorkstes Gesetz herauskommen, das von vielen als ungerecht empfunden wird. Ueber mangelnde Akzeptanz braucht sich die Politik dann nicht zu wundern - und auch nicht ueber den Drang vieler Autofahrer, nun gerade ihre Fahrt als Ausnahme zu rechtfertigen. Die kranken Tanten, die erfunden werden, um die Fahrt zum Zigarettenautomaten zu begruenden, duerften sich schlagartig vermehren. Das Sommersmog-Gesetz ist nur ein kurzfristiges Notprogramm gegen erhoehte Ozon-Konzentration; die langfristigen Schutzmassnahmen lassen weiter auf sich warten. Wenn das Notprogramm aber letztlich nur noch aus Ausnahmen besteht, kann man gleich darauf verzichten. Hoffentlich hat die Politik die Botschaft der Experten verstanden.


US-Dollar

1 US-$: 1,3935 DM, nachboerslich leichter


Quellen

SDR3    08:00 MESZ    11:00 MESZ    13:00 MESZ    20:00 MESZ    22:00 MESZ
B5    09:15 MESZ    17:15 MESZ
Kommentar der Sueddeutschen Zeitung Muenchen vom    20.06.1995