Bundeskanzler Kohl zum Kriegsende vor 50 Jahren |
Bonn. 50 Jahre nach dem Kriegsende will Deutschland auf eine Friedensordnung
auf der Grundlage des Voelkerrechts und der Menschenwuerde hinwirken. Das
geht aus einer Erklaerung von Bundeskanzler Kohl zum 8. Mai 1945 hervor.
Es duerfe kein Zweifel daran bestehen, erklaerte der Kanzler, dass die
Befreiung von der Hitlerbarbarei notwendig war, um in Deutschland einen
freiheitlichen Rechtsstaat und in Europa Frieden und Versoehnung zwischen den
Voelkern zu ermoeglichen. Wir gedenken, so Helmut Kohl weiter, der Millionen
Juden, Sinti und Roma sowie der vielen anderen, die verfolgt, gequaelt und
ermordet wurden. Das Kriegsende habe fuer die meisten Menschen zunaechst die
Angst um Leib und Seele beendet. Die Deutschen haetten auf dem tiefsten Punkt
ihrer Geschichte Hoffnung fuer einen Neubeginn geschoepft. Der Kanzler mahnte
zugleich, dass es fuer die verschiedenen individuellen Erinnerungen an das
Kriegsende keinen gemeinsamen Nenner gibt. Zur Diskussion darueber, ob der
8. Mai 1945 nicht nur Tag der Befreiung sondern auch Tag der Niederlage und
neuer Vertreibung gewesen ist, meinte Kohl, die unterschiedlichen Erfahrungen
des jeweils anderen sollten respektiert und nicht zerredet werden.
Bundesaussenminister Kinkel betonte in einer ebenfalls heute
veroeffentlichten Erklaerung, der 8. Mai 1945 markiere die Befreiung von
Terror und Rechtlosigkeit. Die Ursachen von Unterdrueckung, Leid und
Vertreibung laegen im Jahr 1933.
Unterdessen regt sich Protest gegen den Aufruf Bundeskanzler Kohls, die
Kontroversen ueber die Bewertung des zweiten Weltkrieges zu beenden. Der
Verband der britischen Juden forderte Kohl auf, nie zu vergessen, dass die
Nazis die Aggressoren gewesen seien. Und der Verband britischer Veteranen
nannte die Aeusserungen des Kanzlers, der heute und morgen Gast mehrerer
Staatsakte in London ist, so woertlich, "ueberraschend". |
Gedenkstunden zum Kriegsende vor 50 Jahren |
Dresden. Die Gedenkstunden zum 50. Jahrestag des Kriegsendes konzentrieren
sich heute vor allem auf die neuen Bundeslaender. Am Vormittag erinnerte die
SPD mit einem grossen Freiheitsfest in Dresden an den 8. Mai 1945. SPD-Chef
Scharping hat dazu aufgerufen, die Erinnerung an die Greuel der
Naziherrschaft zu bewahren. Scharping sagte in Dresden: "Als die Nazis 1933
die Macht uebernahmen begann ein Unheil, das wir niemals vergessen duerfen,
egal wann und wo wir geboren sind." Alle Menschen seien aufgerufen, jeglicher
Form von Intoleranz entgegenzutreten um der Gewalt keine Chance zu lassen.
Im polnischen Gruenberg versammelten sich am Nachmittag Deutsche und Polen zu
gemeinsamen Gedenken. In London fand am Abend ein Empfang fuer 60 Staats- und
Regierungschefs bei Koenigin Elisabeth auf dem Programm. Zu den geladenen
Gaesten zaehlten auch Bundespraesident Roman Herzog und Bundeskanzler Helmut
Kohl. |
Israels Botschafter zur Diskussion um den 8. Mai 1945 |
Berlin. Der israelische Botschafter in Deutschland, Primor, hat Verstaendnis
dafuer geaeussert, dass der 8. Mai nicht fuer alle Deutschen ein Tag der
Freude sei. In einem Interview des Sender Freies Berlin sagte Primor, die
Deutschen haetten das Recht, ueber die als Ergebnis des Krieges erlittenen
Schwierigkeiten des Krieges zu trauern. Doch duerften Ursachen und Folgen
nicht auf dieselbe Ebene gesetzt werden. Fuer die Juden in aller Welt sei der
8. Mai 1945 vor allem das Ende des Holocaust gewesen. |
Gruene fordern Rehabilitierung von Deserteuren unter dem NS-Regime |
Das Buendnis 90 / Die Gruenen haben erneut die Rehabilitierung von
Deserteueren und Kriegsdienstverweigerern unter dem NS-Regime gefordert. Der
rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Beck, sagte in Bonn, die
Rehabilitierung sei letztlich der Glaubwuerdigkeitstest fuer die Haltung der
Bundesregierung zum Kriegsende vor 50 Jahren. In Erfurt wird heute nach einem
Friedenszug durch die Stadt ein Teil des umstrittenen Denkmals fuer
unbekannte Wehrmachtsdeserteure enthuellt. |
Demonstration der Friedensbewegung |
Mehrere tausend Anhaenger der Friedensbewegung haben in Karlsruhe an das
Kriegsende vor 50 Jahren erinnert. Sie forderten, Faschisten und
Rechtsextremisten duerften in Deutschland nie wieder eine Chance haben. Unter
dem Motto "Frieden schliessen statt weltweit schiessen" zogen die
Demonstranten vor das Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter hatten
im vergangenen Jahr Auslandseinsaetze der Bundeswehr fuer verfassungsgemaess
erklaert. |
Umfrage zum Kriegsende vor 50 Jahren |
Weniger als 40 Prozent der Deutschen wissen das genaue Datum des Endes des
zweiten Weltkrieges. Das geht aus einer Emnid-Umfrage hervor, die das
Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL in seiner neuesten Ausgabe veroeffentlicht.
Danach konnten unter den Befragten zwischen 18 und 34 Jahren nur 27 Prozent
den 8. Mai als Datum des Kriegsendes angeben. Aber nicht nur bei den
Geschichtsdaten klaffen riesige Luecken, auch mit den Fakten ist es bei
vielen Deutschen so eine Sache. Aus der letzten Kriegsgeneration glaubt fast
jeder Fuenfte, dass die Polen den zweiten Weltkrieg begonnen haetten, fast
jeder Zweite, der als Jugendlicher die letzten Kriegstage miterlebte, haelt
laut Umfrage die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten fuer
genausoschlimm wie den Holocaust an den Juden. Auch das
nationalsozialistische Terrorregime unter Adolf Hitler bekommt heute wieder
bessere Noten. Jeder dritte der 18 bis 34jaehrigen erklaerte, dass die
Nazi-Diktatur gute und schlechte Seiten gehabt habe. |
Mielkes Stellvertreter in Berlin angeklagt |
Berlin. Der Mielke-Stellvertreter Gerhard Neiber und weitere fuenf hohe
Stasimitarbeiter sind wegen Strafvereitelung angeklagt worden. Das berichtet
der Berliner Tagesspiegel. Danach wird den sechs Offizieren des Ministeriums
fuer Staatssicherheit vorgeworfen, in den achtziger Jahren zehn der
meistgesuchten Terroristen der Roten-Armee-Fraktion RAF in der DDR versteckt
und damit dem Zugriff der Bundesbehoerden entzogen zu haben. Die
urspruenglichen Ermittlungen des Generalbundesanwaltes gegen die sechs
Stasimitarbeiter, unter anderem wegen Beihilfe zum versuchten Mord und
Unterstuetzung der RAF, waren aus Mangel an Beweisen eingestellt worden. |
Kuerzung der Sozialhilfe fuer arbeitsfaehige Sozialhilfeempfaenger geplant |
Bonn. Die Regierungskoalition will vom naechsten Jahr an arbeitsfaehigen
Sozialhilfeempfaengern die staatliche Unterstuetzung um 25 Prozent kuerzen,
wenn sie eine zumutbare Arbeit ablehnen. Lediglich Alleinerziehende sollen
von der Regelung ausgenommen werden. Das teilten Kanzleramtsminister Bohl und
FDP-Generalsekretaer Westerwelle in einem Interview mit. Laut Bohl soll der
Gesetzentwurf vom Kabinett noch vor der Sommerpause beschlossen und dem
Bundestag zugeleitet werden. Erhebungen gingen davon aus, dass zwischen
400.000 und 500.000 Sozialhilfeempfaenger arbeitsfaehig seien. Die
Betroffenen sollen vor allem Arbeitsstellen annehmen, die bislang von
Deutschen abgelehnt werden. Der CDU-Wirtschaftsexperte Ost nannte die
Muellabfuhr, Gaststaetten und die Erntehilfe als moegliche Einsatzbereiche. |
Bletschacher trotz Spendenaffaere weiter im Amt |
Muenchen. Der umstrittene CSU-Fraktionschef Gerhard Bletschacher bleibt trotz
der umstrittenen Umleitung von 4.8 Millionen DM Spendengeldern in seine Firma
vorerst Vorsitzender des Vereins "Stille Hilfe Suedtirol". Der Vorstand der
Organisation habe seinen Ruecktritt zum jetzigen Zeitpunkt abgelehnt,
erklaerte Bletschacher nach einer dreistuendigen Vorstandssitzung in
Muenchen. Ueber seinen Verbleib im Amt solle in sechs oder sieben Wochen auf
einer Mitgliederversammlung entschieden werden. In einer Erklaerung des
Vorstandes heisst es, man gehe nach eingehender Eroerterung des Sachverhaltes
davon aus, dass es Bletschacher gelingen werde, die gegen ihn erhobenen
Vorwuerfe zu entkraeften. Bletschacher hatte gestern eingeraeumt, 4.8
Millionen DM Spendengelder des gemeinnuetzigen Vereins als zinsloses Darlehen
in seine angeschlagene Kartonagenfabrik gesteckt zu haben. |
Kinderleiche bei Kulmbach gefunden |
Im Landkreis Kulmbach ist die Leiche eines vermissten Buben im Wald gefunden
worden. Ein Jogger fand den unbekleideten Koerper am Rande eines
Trimmdichpfades.
Unweit des Sportplatzes der kleinen Gemeinde Walmberngruen (sp?) im Landkreis
Kulmbach fuehrt ein schmaler Weg in ein Waldstueck. Etwa 200 Meter entlang
dieses Pfades linker Hand direkt am Wegrand fand ein Jogger gestern Abend die
Leiche eines kleine Buben. Anhand noch unbestaetigter Informationen aus
Polizeikreisen sei der Bub voellig nackt gewesen. Man vermutet, dass die
Leiche zunaechst nur etwa 50 Meter waldeinwaerts in einer Mulde versteckt
wurde. Wer die Leiche an den Wegrand brachte ist ungewiss. Bis zur
Pressekonferenz, die auf morgen 14:00 Uhr in Bayreuth festgesetzt ist, will
sich die Polizei in Schweigen huellen. Sicher ist inzwischen nur, dass es sich
bei der Leiche um den dreijaehrigen Maximilian handelt. Der Vater hatte das
Kind heute Nachmittag identifiziert. Nach Maximilian hatten seit dem 12.
April ganze Hundertschaften an Bereitschaftspolizei gesucht. Nach den Angaben
der Mutter habe der Bub mit seinem Zwillingsbruder vor dem Haus gespielt. Der
Bruder sei ploetzlich weinend ins Haus gelaufen und rief aufgeregt "Auto!
Auto!". Als die Mutter nachschaute war Maximilian verschwunden. Die Polizei
ermittelt weiter in allen Richtungen. Es heisst, der Bub koennte entfuehrt
und ermordert worden sein, oder es handelt sich um ein Verbrechen innerhalb
der Familie. Auf die Eltern als Taeter gebe es aber keine konkreten Hinweise
liess ein Polizeisprecher aus Bayreuth durchblicken. |
FDP will Reform des Auslandsgeheimdienstes |
Die Freien Demokraten wollen eine vollstaendige Reform des deutschen
Auslandsgeheimdienstes. Fuenf Jahre nach dem Verschwinden der Mauer sei dies
ueberfaellig, schreibt der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Solms in
einem Gastkommentar fuer die Zeitung "Bild am Sonntag". Nach dem Ende des
kalten Krieges muessten die Aufgaben des BND neu definiert werden.
Schwerpunkt der Arbeit des Bundesnachrichtendienstes sollte die
Informationsgewinnung ueber die Entstehung neuer Unruhe- und Kriesenherde,
ueber Wirtschaftsspionage und internationale Kriminalitaet sein, verlangt
Solms. |
Spoeri wieder SPD-Spitzenkandidat in Baden-Wuerttemberg |
Stuttgart. SPD-Spitzenkandidat fuer die Landtagswahl in Baden-Wuerttemberg im
Fruehjahr 1996 soll wieder Wirtschaftsminister Spoeri werden. Das gab
Fraktionschef Maurer waehrend einer SPD-Ortsvereinskonferenz in Stuttgart
bekannt. In der Suedwest-SPD waren fuer die Spitzenkandidatur ausser Spoeri
auch Maurer, Umweltminister Schaefer und die Vorsitzende der SPD-Landesgruppe
im Bundestag, Daeubler-Gmehlin, im Gespraech. |
Warnung vor Anstieg der Langzeitsarbeitslosigkeit |
Stuttgart. Der Praesident des Landesarbeitsamtes, Schade, hat vor einem
weiteren Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit gewarnt. Jeder dritte
Arbeitslose in Baden-Wuerttemberg sei bereits seit langem ohne Job. Die
Arbeitsaemter seien auf die Hilfe von Betrieben und Verwaltungen angewiesen.
Sie koennten mit insgesamt 94 Millionen Mark im Suedwesten rechnen, wenn sie
Langzeitarbeitslose einstellen. Das Geld gibt es als Eingliederunghilfe, als
Einarbeitungszuschuss und als Lohnkostenzuschuss fuer aeltere Arbeitnehmer. |
"Woche fuer das Leben" in Karlsruhe eroeffnet |
Unter dem Motto "Sinn statt Sucht" ist heute in Karlsruhe die bundesweite
Woche fuer das Leben eroeffnet worden. Veranstalter sind die katholische und
die evangelische Kirche, die in diesem Jahr die Probleme der rund 4 Millionen
Suchtkranken in den Mittelpunkt stellen. Der Vorsitzende des evangelischen
Kirchenrates in Deutschland, Engelhardt, rief dazu auf, Suchtprobleme
gemeinsam anzugehen. Zugleich warnte er vor Besserwissern mit guten
Ratschlaegen und Moralisten mit ethischen Apellen, die in dieser Situation
nicht gefragt seien. Bundesfamilienministerin Nolte sprach sich fuer ein
generelles Verbot von Drogen aus. Ohne dies habe man die Strafverfolgung
nicht mehr in der Hand, erklaerte die CDU-Politikerin. |
Stimmen zum Tarifabschluss im oeffentlichen Dienst |
Die Ministerpraesidentin von Schleswig-Holstein, Simonis, geht davon aus,
dass der Tarifabschluss im oeffentlichen Dienst die ostdeutschen Kommunen in
die Katastrophe treiben wird. Mit der Uebertragung kostenloser
Zusatzleistungen zur Altersversorgung auf die neuen Bundeslaender werde dort
ein System eingefuehrt, das schon im Westen auf die Dauer nicht finanzierbar
sei, unterstrich die SPD-Politikerin gegenueber dem Hamburger
Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL. Notwendig ist nach den Worten der
Regierungschefin eine Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer an der
Altersversorgung in Ost und West.
Fuer insgesamt vertretbar haelt der Praesident des deutschen Staedtetages,
Burger, den Tarifabschluss. Der oeffentliche Dienst koenne nicht voellig von
der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt werden sagte er gegenueber
der Berliner Zeitung BZ. Der Koelner Oberbuergermeister glaubt nicht, dass
die Tarifvereinbarung eine Gebuehrenerhoehung auf breiter Front zur Folge
haben wird. Die Kaemmerer haetten bei der Aufstellung der kommunalen
Haushalte die etwa 3 Prozent Lohn- und Gehaltssteigerungen bereits
einkalkuliert.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft OeTV, Mai, sieht im juengsten Tarifabschluss
keine Belastung fuer den oeffentlichen Dienst. In Gera sagte er heute, im
vergangenen Jahr habe es faktisch eine Nullrunde gegeben, was die kommunalen
Arbeitgeber bundesweit nicht davon abgehalten habe, dennoch Arbeitsplaetze
abzubauen. Im Uebrigen falle die von Bund, Laendern und Gemeinden auf fast
12 Milliarden Mark bezifferte Zusatzbelastung weitaus geringer aus, da ein
Teil der Gelder etwa ueber Steuereinnahmen, wieder in die Kassen
zurueckfliesse. |
Arbeitgeber fuer groesseren Spielraum bei Arbeitszeiten |
Koeln. Die Arbeitgeber wollen bei kuenftigen Tarifverhandlungen fuer einen
groesseren Spielraum bei Arbeitszeiten streiten. Wo es noetig sei muesse auch
der Samstag wieder staerker in die normale Arbeitszeit einbezogen werden. Das
sagte der Hauptgeschaeftsfuehrer der deutschen Arbeitgeberverbaende
Himmelreich. Als Beispiel nannte er einen Arbeitszeitkorridor von 35 bis 45
Stunden in der Woche. Dadurch wuerden die Unternehmen von Kosten entlastet. |
Verschaerfte Tempolimits nach Ozonalarm |
In Niedersachsen und Bremen wurde gestern wegen zu hoher Ozonkonzentrationen
ein Tempolimit fuer Landstrassen und Autobahnen verhaengt. Allerdings ist die
Massnahme eher freiwilliger Natur. Schnellfahrer koennen nur ermahnt, aber
nicht bestraft werden. Zum ersten Mal gibt es in den beiden Bundeslaendern
hiermit eine Geschwindigkeitsbegrenzung wegen zu hoher Ozonbelastung.
Niedersachsen und Bremen haben im vergangenen Jahr gemeinsam eine
Sommersmogverordnung vereinbart. Auf Autobahnen gilt jetzt das Tempolimit 90,
auf Landstrassen 80 km/h. Da es keine bundeseinheitliche Regelung gibt kann
die Polizei jedoch gegen Schnellfahrer kein Bussgeld verhaengen. Rainer
Peters, Sprecher im niedersaechsischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium:
"Die Polizei wird stichprobenartig kontrollieren, wird Autofahrer, die
spuerbar zu schnell fahren anhalten, wird sie ermahnen und wir hoffen, dass
die Akzeptanz in Niedersachsen gut sein wird." In drei Orten in Niedersachsen
waren am Freitag Mittag Ozonwerte von mehr als 215 Mikrogramm gemessen
worden. Das war der Ausloeser fuer den Alarm. Das Tempolimit galt vorerst bis
Samstag Abend 20 Uhr, wurde jetzt aber bis Sonntag Abend 20 Uhr verlaengert.
Nach Niedersachsen und Bremen hat heute auch Hessen Ozonalarm ausgeloest. Ab
sofort gelten auch hier die Geschwindigkeiten 90 auf Autobahnen und 80 auf
Landstrassen. Auch in Nordbayern gibt es erhoehte Ozonwerte. Mehr als 200
Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wurden aus dem Raum Aschaffenburg, sowie aus
Erlangen und Wuerzburg gemeldet.
Nach Beobachtungen der Polizei hielten sich die Autofahrer in Niedersachsen
und Bremen bisher weitgehend nicht an die vorgeschriebenen Tempolimits. |
Illegal eingereiste Tuerken verhaftet |
Am Grenzuebergang Kiefersfelden hat die Polizei gestern 32 Tuerken kurdischer
Abstammung festgenommen, die illegal nach Deutschland eingereist waren. Wie
die Polizei heute mitteilte waren die 12 Maenner, 12 Frauen und 8 Kleinkinder
von einem LKW auf der Ladeflaeche von Italien aus durch Oesterreich nach
Deutschland geschleust worden. Die Fluechtlinge mussten dafuer pro Kopf knapp
4.000 DM bezahlen. Die Kurden sollen noch heute nach Oesterreich
zurueckgeschickt werden. |
Fernsehpreis der DAG verliehen |
Die deutsche Angestellengewerkschaft hat ihren diesjaehrigen Fernsehpreis
heute in Koeln vier Autoren verliehen. DAG-Chef Issen ueberreichte bei einem
Festakt dem Westdeutschen Rundfunk die mit rund 22.000 DM dotierten
Auszeichnungen. Zu den Preistraegern zaehlen Ulrich Plensdorf, Andreas
Dresen, Rainer Baer und Hans-Peter Maier. Der Preis wird alljaehrlich fuer
Fernseh- und Dokumentarspiele vergeben, die zeitkritische,
gesellschaftspolitische oder historische Stoffe behandeln. |
VCD veroeffentlicht Autoumweltliste 95 |
Der VCD, der alternative Verkehrsclub Deutschland, hat seine Autoumweltliste
95 veroeffentlicht. Der VCD untersucht jedes Jahr PKWs auf Oekokriterien hin
wie Abgaswerte, Verbrauch und Umweltbelastungen bei der Herstellung. Zum Kauf
empfiehlt er dabei wieder keines seiner Testobjekte - zu schwer und zu
schnell, so lautet sein Verdikt in den meisten Faellen. Das Motto der Liste
ist dann auch: wenn schon ein Auto, dann so eines. Die vorderen Plaetze
nehmen Kleinwagen aus Koeln, Ruesselsheim, Turin und Wolfsburg ein, die
letzten Plaetze Sportwagen, Grossraum- und Luxuslimousinen aus Japan und
Stuttgart. Der VCD kritisiert, dass die Autoindustrie die Fortschritte bei
der Motortechnik in erster Linie zur Leistungssteigerung statt zum Spritsparen
verwendet habe. So sei der tatsaechliche Durchschnittsverbrauch zwischen
1981 und 1993 nur um 6 Prozent auf heute 9.8 Liter pro hundert Kilometer
gesunken, die Motorleistung sei hingegen um 16 Prozent gestiegen, auf rund
85 PS im Schnitt. |
Rekordspendenergebnis bei Greenpeace Deutschland |
Hamburg. Greenpeace Deutschland vermeldet das beste Spendenergebnis seit
Bestehen. 67.2 Millionen DM Spenden gingen im letzten Jahr ein. |
FH Osnabrueck bietet bodenwissenschaftliches Studium an |
Die Fachhochschule Osnabrueck will als erste Hochschule in Deutschland ein
bodenwissenschaftliches Studium anbieten. Gelehrt werden unter anderem
Methoden der Bodensanierung. Im Sommersemester 1996 gehts los. |
Trauerfeier fuer Egon Franke |
Mit einer Feierstunde in Hannover haben die Sozialdemokraten heute Abschied
von Egon Franke genommen. Der langjaehrige Bundestagsabgeordnete und fruehere
Minister fuer innerdeutsche Beziehungen war am 26. April im Alter von 82
Jahren gestorben. Franke habe sich grosse Verdienste um die Sozialdemokratie
und Deutschland erworben, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende
Fuchs. |
Jochen Thomas gestorben |
Der Berliner Schauspieler und Regisseur Jochen Thomas ist tot. Wie erst heute
bekannt wurde starb er bereits am 27. April mit 69 Jahren in Berlin. Thomas
gehoerte mehr als 40 Jahre zum Ensemble des Berliner Maxim-Gorki Theaters. |
Fussballbundesliga |
1.Bundesliga Bayern Muenchen - Uerdingen 2:1 Leverkusen - Hamburg 3:1 Karlsruhe - Schalke 2:2 Dresden - Stuttgart 1:1 Bochum - Frankfurt 0:1 Moenchengladbach - Koeln 0:0 Freiburg - Kaiserslautern 4:1 (Fr) Duisburg - 1860 Muenchen 1:1 (Fr) 2. Bundesliga Mainz - Nuernberg 1:0 Frankfurt - Wattenscheid 1:5 |
Ligaausschuss verweigert Lizenzen |
Der Ligaausschuss des deutschen Fussballbundes hat dem Bundesligisten Dynamo
Dresden und dem Zweitligaclub 1. FC Saarbruecken die Lizenz fuer die
Spielzeit 95/96 aus wirtschaftlichen Gruenden verweigert. Gruenes Licht bekam
der Zweitligist 1. FC Nuernberg. Allerdings muss der fraenkische
Traditionsverein noch eine Liquitditaetsreserve von drei Millionen DM
nachweisen. |
Fussballeuropameisterschaft der Junioren U16 |
Bei der Fussballeuropameisterschaft der Junioren U16 kam beim Spiel um Platz
drei in Bruessel die deutsche Mannschaft zu einem 2:1 nach Verlaengerung
gegen Frankreich. Der Turniersieg ging an Portugal. |
Sieg und Niederlage im Tennis |
Sieg und Niederlage gab es heute fuer die deutschen Teilnehmer an den
Tennisturnieren in Hamburg und Muenchen. Bei den internationalen bayerischen
Meisterschaften hat Michael Stich zum dritten Mal hintereinander das Finale
erreicht. Im Halbfinale bezwang er Marcello Phillipini aus Uruguay mit 6:4
und 6:3. Der Weltranglistenachte aus Elmshorn hat sich waehrend der Muenchner
Turnierwoche von Match zu Match gesteigert - sehr zum Leidwesen von
Sandplatzspzialist Phillipini. Nach nur 72 Minuten hiess es Matchball fuer
Stich. Im Finale trifft Stich auf den Suedafrikaner Wayne Ferrera, der sich
gegen Alex Coretti aus Spanien in drei Saetzen durchsetzte. Geht es nach der
Statistik kann Michael Stich seiner Titelverteidigung gelassen entgegensehen.
Im direkten Vergleich fuehrt er naemlich mit 3:0.
Anke Huber scheiterte im Halbfinale des Citizen Cups am schweizer
Tenniswunderkind Martina Hingis. Die an Nummer fuenf gesetzte Deutsche zeigte
im letzten Durchgang Nerven und verlor zweimal in Folge ihr Aufschlagspiel.
Ganz anders ihre 14jaerhige Gegenerin. Martina Hingis spielte einen
ueberragenden dritten Satz und siegte schliesslich mit 6:2, 1:6 und 6:3. Nun
trifft sie morgen im ersten Finale ihrer Profilaufbahn auf Conchita Martinez.
Die Spanierin bezwang Magdalene Maleeva mit 6:0 und 6:0 |
Deutsche Tischtennisspieler gehen leer aus |
Kein Medaillen gab es fuer die deutschen Tischtennismannschaften bei den
Weltmeisterschaften in China. Sie unterlagen den Titelverteidigern im
Viertelfinale - die Damen den Chinesinnen, die Herren den Schweden. |
Deutsche Tourenwagenmeisterschaft in Berlin |
Bei der DTM auf der AVUS in Berlin ist das Einzelzeitfahren entscheidend fuer
die Startaufstellung des Rennens am morgigen Sonntag. Bernd Schneider, der
Doppelsieger von Hockenheim fand nicht die Ideallinie und drehte sich mit
seinem Mercedes eingangs der Spitzkehre und musste sich mit dem 14.
Startplatz zufrieden geben. Der Daene Kurt Thiin war derjenige, der in der
kurzen Trainingszeit die beste Fahrwerksabstimmung fand. Er fuhr mit seinem
Mercedes eine optimale Runde und steht damit auf der Pole-Position. |
Kommentar zum 8. Mai |
Anders als Richard von Weizsaecker vor zehn Jahren in seiner beruehmten
Rede zum 8. Mai vermeidet Bundeskanzler Kohl in seiner gestern
veroeffentlichten Rede zum Kriegsende vor 50 Jahren den Hinweis darauf, dass
die NS-Gewaltherrschaft und der von Hitler entfesselte Krieg ohne die
Mitwirkung des deutschen Volkes nicht moeglich gewesen waeren. Aber auch Kohl
laesst keinen Zweifel daran, dass die Befreiung von der Hitlerbarbarei
notwendig gewesen sei, wie er schreibt, um in Deutschland einen
freiheitlichen Rechtsstaat und in Europa Frieden und Versoehnung zwischen
den Voelkern zu ermoeglichen. Rainer Burchhard vom Deutschlandfunk geht der
Frage nach, was diese Befreiung, die in den letzten Wochen Anlass zu einer
erregten oeffentlichen Debatte gab, fuer Deutschland und Europa bedeutete.
Heute London, morgen Paris, Montag Washington und Berlin, Dienstag Moskau und am Mittwoch Jerusalem. 50 Jahre danach - Stationen der Befreiten. Vergeben aber nicht vergessen; Klage aber nicht Anklage aber auch Freude und Festtag. Die Welt feiert das Datum der erkaempften Erloesung von deutschem Groessenwahn und Verbrechertum, von Voelkermord und Faschismus. Der 8. Mai, Tag der deutschen Kapitulation, Symbol fuer das Kriegsende in Europa und Vorstufe zum globalen Ende des zweiten Weltkriegs im August 1945. Fuerwahr ein Tag der Befreiung. Eine historische Zaesur fuer einen dann einsetzenden Prozess, der allerdings fuer viele - auch und gerade Deutsche - Entsetzliches und Grausames brachte. Doch das eben hat und hatte seine Ursache eben nicht in der Befreiung, sondern in den von Deutschen und mit Deutschen angezettelten Eroberungsfeldzuegen, die letzlich rund 50 Millionen Tote forderten. Ohne den 30. Januar 1933 und dessen Folgen nicht nur fuer die Deutschen, sondern fuer die gesamte Menschheit waere der Befreiungsprozess mit ebenfalls zigtausenden unschuldiger Opfer nicht noetig und moeglich geworden. Soweit noch einmal ein paar Worte zu der peinlichen und kleinlichen deutschen Nabelschau der vergangenen Wochen, die uns die Schamroete ins Gesicht treiben muesste. Nein, die mit dem heutigen Tage beginnenden "Weltfestivals" sollten uns alle, gerade uns Deutsche, besinnlich und gluecklich zugleich machen. Die deutsche Kapitulation war ein Sieg der Vernunft und des beherzten Kampfes anderer fuer Freiheit und Menschenrechte gegen Unterdrueckung und Herrenmenschentum. Und wir, die Deutschen, duerften auch dankbar dafuer sein, dass nicht Hass, Rache und Vergeltung sondern Friede, Freundschaft und Aussoehnung die Feiern bestimmen. Deutschland, das sich keineswegs selbst befreien konnte, trotz der Selbstopferung unserer Widerstaendler, ist, zumindest im westlichen Teil von aussen, von Auslaendern eben, demokratisiert worden. Und es hat seine Lektion weiss Gott gelernt. Ja, man kann von einer Wiedergeburt Deutschlands als friedlichem Weltkind sprechen. Aufgepaeppelt vor allem von dem Amerikanern, bis hin zum selbstorganisierten Wirtschaftswunder, dann die kompromisslose Politik der Westbindung durch Konrad Adenauer, und schliesslich die von Willy Brandt eingeleitete Ostpolitik mit all ihren bis auf heute wirkenden mittelbaren und unmittelbaren Folgen. Die konstruktive Rolle der Deutschen in der Europaeischen Union und schliesslich auch die Deutsche Einheit. All dieses ist und bleibt Bestandteil dieses Befreiungsprozesses und wirkt auch ueber den heutigen Tag hinaus. Hoffentlich.
So verstanden ist der 8. Mai als Tag der Befreiung Symbol und Signal
zugleich fuer den Befriedungsprozess mit den auch schmerzvollen
Begleiterscheinungen. Und er war die Voraussetzung fuer die neue Rolle
Deutschlands in der Weltpolitik als friedlichem und verlaesslichen Freund des
Westens und zunehmend Partner des Ostens. Mit dieser Entwicklung verband sich
dann zwangslaeufig der Zuwachs zu mehr Verantwortung in der Weltpolitik. In
diesem Prozess befinden wir uns heute. Und selbstkritisch haben wir
festzustellen, dass wir hier noch auf der Suche nach dem angemessenen Part
sind. Wenn ausgerechnet ein israelischer Ministerpraesident und ein
amerikanischer Praesident unisono mehr Gewicht der Deutschen in der
Weltpolitik fordern, so sagt dies alles ueber unser gegenwaertiges Ansehen
aus. Darauf darf man in Deutschland stolz sein, wenn es denn gelingt, den hier
und da schon wieder aufflackernden Nationalismus zu zuegeln. Denn, was hat
man uns im Zuge der Vereinigung nicht alles - auch unter Freunden - anhaengen
wollen. "Deutsche Grossmannssucht", wie Frau Thatcher einst fuerchtete,
"einen neuen Revanchismus", wie unbekehrbare und unbelehrbare Stalinisten
agitieren und heute - ja heute wird der deutsche Regierungschef zur
Befreiungsfeier in den Kreml eingeladen, preisen gekroente und ungekroente
Staatsoberhaeupter die stabilisierende Rolle Deutschlands fuer 50 Jahre
Frieden in Europa. Und ein polnischer Aussenminister verschweigt vor dem
leider nicht gerade ueberfuellten deutschen Parlament auch nicht laenger
die Leiden der vertriebenen Deutschen. Was wollen wir denn eigentlich noch
mehr? Auf beiden Seiten duerfen die Opfer nicht ueberfordert werden. Und wenn
uns neidisch konsiliert wird, wir haetten den Krieg zwar verloren, aber den
Frieden gewonnen, so darf man getrost hinzufuegen: nicht nur fuer uns, auch
fuer andere. |
Deutschland und der Dalai Lama (Kommentar) |
Fuer die politische Wirkung ist es unerheblich, ob der deutsche
Aussenminister den Dalai Lama nur als Nobelpreistraeger und als religioeses
oder auch als weltliches Oberhaupt der Tibeter empfangen hat. Es zaehlt, dass
Klaus Kinkel sich endlich aufraffte, die Symbolfigur des gewaltfreien
tibetischen Widerstandes gegen die chinesische Unterdrueckung anzuhoeren, und
dass er seinem Gast Unterstuetzung fuer die Forderung nach voller Autonomie
Tibets zusagt.
Die Bundesregierung hat damit eine Glaubwuerdigkeitsluecke ihrer Menschenrechtspolitik geschlossen. Denn bisher ist sie aus Ruecksicht auf Peking allen Begegnungen mit dem Dalai Lama ausgewichen. China hat auf den Bonner Kurswechsel wie ueblich reagiert. Gedroht, dass sich die Beziehungen verschlechtern koennten, den Besuch eines zweitrangigen Planungsministers abgesagt, und Bonn aufgefordert, keine Aktivitaeten des Dalai Lama zuzulassen, die darauf abzielten, Tibet von China abzutrennen. Der Gast war allerdings klug genug, den Unterdrueckern seines Volkes keinen Vorwand zu liefern. Er betonte sogar, dass seine Politik nicht auf eine Losloesung vom chinesischen Staatsverband abziele, dass er wirkliche Selbstverwaltung anstrebe, Autonomierechte, besonders im religioesen, kulturellen und ethnischen Bereich. Das politische Augenmass, dass der Dalai Lama erkennen liess, schenkt seiner Klage ueber die gewaltsamen chinesischen Versuche, die Identitaet seines Volkes zu zerstoeren, ein hohes Mass an Glaubwuerdigkeit. Auch nach den Erkenntnissen internationaler Menschenrechtsorganisationen verschaerft Peking die Unterdrueckung. Immer noch verschwinden Menschen, immer noch wird gefoltert. Zwangsumsiedlungen sollen die Tibeter in einem Meer von Chinesen ertraenken, wie sich drastisch der Praesident des tibetischen Exilparlaments ausdrueckte. Der deutsche Aussenminister hat seinem Gast gesagt - und sich damit auch an Peking gewandt - Bonn wolle, wie die internationale Staatengemeinschaft, nicht die territoriale Integritaet Chinas in Frage stellen, fordere Peking aber auf, die Menschenrechte zu beachten. Es muesse im Dialog mit dem Dalai Lama eine Autonomie erreicht werden, in der die Tibeter ihre Zugehoerigkeit zu China mit ihrer ethnischen, kulturellen und religioesen Selbststaendigkeit verbinden koennten. Daraus antichinesiche Toene zu hoeren, wird Peking ausserordentlich schwer fallen. Das Regime der alten Maenner zuernt Bonn, weil es sich von Drohungen, auch mit wirtschaftlichen Sanktionen nicht mehr beeindrucken liess und dem Dalai Lama eine wirkungsvolle Buehne zur Verfuegung stellte. Aber - es zuernt in Massen. Der Protest fiel in routinemaessigem Ton aus, was auch den Bonner Mut in der Menschenrechtsfrage Flagge zu zeigen, relativiert.
Nicht ganz unberechtigt ist die Frage, wann Helmut Kohl dem Beispiel Bill
Clintons und John Majors folgend, den Dalai Lama empfaengt. Oder kann man
sich das aus der Sicht des Bundeskanzlers nicht leisten, wenn man Vetomacht
im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen werden will und anders als die
Amerikaner und Briten auf das Wohlwollen des staendigen chinesischen
Mitglieds angewesen ist? Doch das waere zu kurzfristig kalkuliert. Je mehr
Staaten ihrer Menschenrechtsrhetorik zumindest deutliche Gesten folgen
lassen, um so weniger kann Peking mit Sanktionen drohen. Die Reform des
Sicherheitsrates und damit der staendige deutsche Sitz, das ist sowieso ein
Problem, das in New York auf der langen Bank gelandet ist. Opportunismus und
politische Hasenfuessigkeit wuerden dem Streben des Kanzlers und des
Aussenministers nach Mitgliedschaft im exklusivsten Club der Welt mehr
schaden als der Zorn eines altersschwachen Regimes in Peking. Nur eine
weitsichtige Politik ist gute Interessenvertretung. |
Was Kanther unterschreibt muss Waigel verkraften (Kommentar) |
Manfred Kanther, der Bonner Innenminister, hat in dieser Woche den
Tarifabschluss fuer den oeffentlichen Dienst unterschrieben. 3.2% mehr
Lohn und Gehalt, im April einmalig 140 DM mehr. Kein Abschluss, der aus dem
Rahmen faellt. Aber auch keiner, der Theo Waigel, dem Finanzminister, das
Leben leicht macht. Mehr als elf Milliarden DM zusaetzlich kostet Kanthers
Unterschrift die oeffentlichen Haushalte. Davon entfallen nur 2.5 Milliarden
auf den Bund. Nur 2.5 Milliarden ? Spaetestens seit der Deutschen Einheit
sind wir es ja gewohnt, in grossen Dimensionen zu denken. Aber auch 2.5
Milliarden sind fuer den Bundeshaushalt ein ordentlicher Brocken. Zumal das
nicht der einzige Brocken ist, den Waigel zu verdauen hat. Bei den anderen
Brocken besteht das Problem nicht nur darin, dass sie ohnehin schon dicker
sind, hinzu kommt, dass sie von Woche zu Woche auch noch wachsen.
Zum Beispiel der Brocken, der unter der reichlich finanztechnischen Ueberschrift "Freistellung des Existenzminimums von der Einkommenssteuer" gehandelt wird. Dahinter steht eine einfache Forderung, die das Bundesverfassungsgericht erhoben hat: Wer weniger verdient, als zum Leben unbedingt noetig, soll keine Steuern zahlen. Waigel hat ausrechnen lassen, dass diese Grenze bei 12000 DM im Jahr liegt. Natuerlich rechnet die SPD-Opposition anders und kommt auf 13000 DM. Was im Haushalt den kleinen Unterschied von 4 Milliarden DM ausmachen wuerde. Da die Opposition im Bundesrat ueber die Mehrheit verfuegt, da der Finanzminister auch im Bundesrat eine Mehrheit fuer sein Steuergesetz braucht, laesst er wieder und wieder rechnen, immer wieder neue Modelle praesentieren - doch wie seine Leute auch rechnen - es wird immer teurer und teurer. Ein anderer Brocken, der Familienlastenausgleich, im Steuerlatein inzwischen Familieleistungsausgleich genannt, auch wenn es eigentlich nur ums Kindergeld geht. 200 DM bietet Waigel, 250 DM fordert die SPD. Man wird sich einigen. Aber es wird nicht billig werden. Dann gibt es noch den Brocken "Gewerbesteuer". Die Koalition hat der Wirtschaft Entlastung versprochen, die Oppostition ziert sich. Aber wie immer das Hickhack ausgeht, eine Prognose ist nicht gewagt: Auch dieser Teil des Steuerpakets kostet Geld. Ach ja, dann war da noch die ungeklaerte Finanzierung der Kohlesubventionen, da war da noch dieses und jenes - alles Kleinigkeiten natuerlich. Jedes Problem fuer sich durchaus loesbar. Aber alle zusammen ? Die Finanzpolitik, das ist offensichtlich, geraet wieder einmal in eine prekaere Situation. Den Haushalt 1995 wird man unter Dach und Fach bringen, da koennen die SPD-regierten Laender nicht viel ausrichten. Aber 1996 sollen all die guten Vorsaetze, die Erleichterungen und Verbesserungen fuer Kleinverdiener, Familien und Unternehmer in die Tat umgesetzt werden. Und dann? Dann, so durften die Bonner Planer bisher hoffen, entspannt sich die Kassenlage ohnehin, denn die Konjunktur zieht an, und wenn die Konjunktur anzieht steigen die Steuereinnahmen und sinken die Ausgaben, etwa die Zuschuesse fuer die Bundesanstalt fuer Arbeit.
So sicher ist das aber nicht - jedenfalls nicht mehr. Die Tarifabschluesse
sind hoeher ausgefallen als erwartet und vor allem ist der Dollar viel tiefer
gefallen als erwartet. Beides zusammen bremst den Aufschwung und zwar
kraeftig. Viele Unternehmen, die gerade Anlauf nahmen nach den Jahren der
Rezession die Gewinnlatte wieder zu ueberspringen muessen unversehens zur
Kenntnis nehmen, dass die Latte auf einmal noch ein ganzes Stueck hoeher
gelegt wird. Das kann schiefgehen. Und das ist ein Risiko fuer die Konjunktur
und fuer Waigels Finanzplanung. Aber was tun dagegen ? Das Steuerpaket
kleiner machen als vorgesehen ? Geht nicht. Die SPD, Sie wissen schon.
Subventionen an anderer Stelle streichen ? Den Ausgabendschungel
durchforsten? Ja, das ist populaer, da muss man doch mal ran. Aber wehe, wenn
der erste Baum gefaellt wird. Waigel hat sich schon mehr als einmal als
Steuerfoerster versucht, immer mal wieder die Axt angesetzt und manche
Verletzung davongetragen. Nein, das wollte er doch diesmal gerade vermeiden.
Er hatte sich sorgfaeltig Modelle basteln lassen, die zwar vielen nicht viel
Entlastung bringen, jedoch vor allem niemanden zusaetzlich belasten. Wenn es
bei dem Grundsatz bleibt, bleibt nur der einfachste und zudem schlechteste
Weg: mehr Schulden machen. Natuerlich will das niemand. Weder die Regierung,
noch die Opposition. Aber es koennte trotzdem so kommen. Es waere ja nicht
das erste Mal. |
Schneise im Tarifdschungel (Sueddeutsche Zeitung) |
Der Abschluss fuer den oeffentlichen Dienst gelang schneller und
geraeuschloser als erwartet. Beide Seiten hatten sich mit grossmaeuligen
Drohgebaerden im Gegensatz zu frueher auch betont zurueckgehalten, was nicht
zuletzt darauf schliessen laesst, dass auch im oeffentlichen Dienst langsam
die Erkenntnis waechst, dass dieses unselige und einfallslose Gezerre um ein
paar Tarif-Zehntelprozente mehr oder weniger nicht mehr zeitgemaess ist. Der
oeffentliche Dienst hat ganz andere Probleme, als dass es sich die
Tarifparteien leisten koennten, mit viel Getoese etwas nachzuvollziehen, was
andere Branchen unter dem Stichwort "Reallohnsicherung" in dieser Tarifrunde
bereits vollzogen haben. Das klang auch deutlich genug heraus bei den
Unterhaendlern beider Seiten.
So hatte zum Beispiel der Verhandlungsfuehrer der Kommunen, der Koelner Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier, noch am Dienstag gesagt, der Kompromiss muesse einerseits die finanziell angespannte Lage der oeffentlichen Haushalte beruecksichtigen, andererseits duerfe er die Beschaeftigten im oeffentlichen Dienst nicht von der allgemeinen Tarifentwicklung in der Privatwirtschaft abkoppeln. Von einer Null- oder gar Minusrunde war also von Anfang an nicht die Rede. Mit einem taktischen Bravourstueck hatte der neue OeTV-Vorsitzende Herbert Mai schon im Januar, vor seiner Wahl, den Boden fuer Tarifverhandlungen der etwas anderen Art vorbereitet. Ohne Rueckversicherung der Tarifkommission und trotz der offiziellen Forderung der Gewerkschaft nach sechs Prozent Einkommenssteigerung hatte der designierte OeTV-Chef gesagt, sechs Prozent seien sowieso nicht zu erreichen, er richte sich auf drei Prozent ein. Das war ungewohnter, starker Tobak fuer die niedrigverdienenden Arbeiter und Angestellten des oeffentlichen Dienstes, die aber als Mitgliedschaft das Rueckgrat der OeTV bilden. Mit dieser offensiven Aeusserung hatte sich der neue Vorsitzende und Verhandlungsfuehrer der OeTV die Messlatte selbst so niedrig gelegt, dass er die Mitglieder hinterher nicht enttaeuschen konnte. Das Trauma der Gewerkschaft aus dem Streikjahr 1992 sitzt tief, als die Mitglieder den anschliessend ausgehandelten Tarifkompromiss in der zweiten Urabstimmung nicht billigten. Der neue OeTV-Vorsitzende hat sich elegant eine Schneise ins Dornengestruepp auf dem Weg zum tarifpolitischen Neuland geschlagen, indem er die Basis rechtzeitig davon ablenkte, wie gebannt immer nur auf jene Ziffer zu starren, die aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung im wesentlichen vorher schon feststeht. Interessanter als jene 3.2 Prozent sind die weiteren Vereinbarungen dieses Abschlusses, die die Einfuehrung einer Jahresarbeitszeit und den Einstieg in leistungsgerechtere Bezahlung der Staatsbediensteten vorsehen. Der oeffentliche Dienst ist zwar kein Unternehmen, dass sich unter Konkurrenzbedingungen auf dem Markt bewaehren muss. In der Privatwirtschaft dient die Festlegung einer Jahresarbeitszeit vor allem dazu, entsprechend des Auftragseingangs flexibel auf den unterschiedlichen Arbeitsanfall reagieren zu koennen. Im oeffentlichen Dienst hingegen schlaegt eine nur noch uebers Jahr verteilte Arbeitszeit nur kostensparend zu Buche, weil teure Ueberstunden wegfallen. Was Arbeitnehmer dadurch weniger an Geld in der Tasche haben wird ihnen aber durch einen Vorteil vergolten, der unter dem Begriff "Zeitsouveraenitaet" firmiert: sie haben die Chance, ihre Arbeitszeiten mehr ihren persoenlichen Wuenschen anzupassen. Leistungsgerechte Bezahlung im oeffentlichen Dienst schliesslich war bis kurzem ein so heisses Eisen fuer die Gewerkschaften und ihr Mitglieder, dass sie es nicht einmal mit spitzen Fingern anzupacken wagten. Erst auf ihrem letzten Kongress hat sich die OeTV, wenn auch nur mit knapper Mehrheit, dieser Option geoeffnet. Auch wenn die Tarifpartner erst noch miteinander aushandeln muessen, wer welche Kriterien zur Leistungsbeurteilung anlegen darf, diese qualitative Tarifregelung ist der Dreh- und Angelpunkt fuer eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben des oeffentlichen Dienstes: Die Modernisierung des buerokratischen und schwerfaelligen Dienstrechts.
Das in der Oeffentlichkeit mit Hingabe gepflegte Image der sechseinhalb
Millionen Beamten, Arbeitern und Angestellten im Staatsdienst als
kategorische Faulenzer tut all denen unrecht, die zwar gerne mehr leisteten,
aber im althergebrachten System festsitzen und durch das veraltete
Besoldungssystem auf Dauer demotiviert werden. Wer alle zwei Jahre eine Stufe
in seiner Besoldungsgruppe hoeher rueckt, egal ob er gut oder schlecht, wenig
oder viel arbeitet, der wird sich zwangslaeufig mit gebremster Begeisterung
an seine Arbeit machen. Genausowenig, wie der oeffentliche Dienst nur
faulenzt, bremst und blockiert die OeTV ausschliesslich. Mit ihrem Programm
"Zukunft durch oeffentliche Dienste" und ihren Praxisprojekten in Kommunen
und Kreisen haben Gewerkschaft und Beschaeftigte schon gezeigt, wie sich
groessere Buergernaehe, hoehere Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter,
selbstbestimmte Organisationen, Produktivitaetssteigerungen und
Kostenreduktion auch im oeffentlichen Dienst unter einen Hut bringen lassen.
Nicht der oeffentliche Dienst an sich ist unproduktiv, sonderen seine
unflexible Dienstleistungsstruktur. Dass sich diese Erkenntnis nicht nur in
ein paar Vorzeige-Verwaltungen, sondern ueberall durchsetzen kann, dafuer
wurde mit diesem Tarifabschluss ein kleiner, aber wichtiger Schritt getan. |
Das Streiflicht (Sueddeutsche Zeitung) |
Mit einem Satz ist es nicht getan, und manche werden es nie kapieren. Was
ist das: BAYERISCHE LEBENSART? Ist es wirklich so, dass die Menschen im
Oberland und den angrenzenden Gebieten schnaderhuepfelnd und jodelnd ihrem
Tagwerk nachgehen und an Festtagen die Geisseln schnalzen lassen ? Gehoert
dazu, dass sich zwichen Lueftelmalerei und Geranienburschen ab und an ein
Gewehrlauf herausschiebt, weil die Buergerwehr halt auch ueben muss, wenn das
Schuetzenheim geschlossen ist? Und kommen wir dem Wesen dieser Art irgendwie
naeher, wenn wir die "Liberalitas Bavariae" verkoerpert sehen von einer ueber
allem thronenden Matrone mit Kropfband und weitem Rock, der ueber alles
Moegliche gebreitet wird - ueber Polizisten, die Demonstranten einkesseln,
und fette Dackel, denen nur Schweinernes in den Napf kommt? Kruzifix, was
sind das fuer Klischees! Der Polizeikessel ist in seiner hohen Praezision ein
Hamburger Patent, der Jodler kommt nur noch aus dem Fernsehapparat, und das
Schiessen hat sich aufgehoert, weil, es koennt ja ein Tourist dabei sein, und
am Ende fehlt die Kurtax.
Bayerische Lebensart, das muss was anderes sein, wenn wir die Aufregung richtig einschaetzen, die in Muenchen herrscht. Bayerische Lebensart, das ist, wenn man am Abend nach der Arbeit in einen Biergarten faehrt, am besten in einer Clique (auch Blasen genannt). Der Biergarten sollte moeglichst weit draussen liegen, damit das Auto seinen Auslauf hat. Schoen ists, wenn auf ein paar tausend Besucher nur wenige Parkplaetze kommen, damit man laenger herumkurven muss und einen richtigen Durst kriegt. Ein paar Mass sind da immer drin, und weil die Musik so laut spielt (am besten Bavarian Jazz), muss man auch laut reden. Ueblicherweise fuehrt das zu temporaerer Taubheit und dazu, dass die meisten auch auf dem Weg zum Auto bruellen muessen und die Tueren fest zuschmeissen, weil man sonst nicht weiss, ob man schon drinsitzt. Ein paar Anwohner stoert das immer und sie laufen vor Gericht und sie bekommen manchmal recht. Bayerische Lebensart gebietet es, dagegen mit Demonstrationen und Unterschriftenlisten einzuschreiten, denn es geht ja um die Arterhaltung.
Dass bayerische Lebensart Bauernschlaeue impliziert, belegt der auch fuer
das Wirtschaften zustaendige Minister Wiesheu, der auf Biergaerten nicht die
Laermwerte von Arbeitsplaetzen, sondern von Sportplaetzen anwenden will
(siehe auch "Kampftrinken"). Inzwischen droht neues Ungemach aus Bonn, wo
einige Parlamentarier die Promillegrenze im Verkehr auf 0.5 heruntersetzen
wollen, die Gruenen sogar auf Null. Dass das nicht in Frage kommt, muesste
sogar im Vollrausch klar sein. Zum Biergarten gehoert ein Auto und eine
Musik. Wer in Ruhe ein Bier trinken will, kann daheim bleiben. Und was hat
einer fuer eine Lebensart, wenn er im Suff immer leiser wird ? |
Quellen |
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