GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Do, 10.11.1994



* Heim eroeffnet konstituierende Sitzung des 13. Deutschen Bundestages
* Stasi-Vorwuerfe gegen Heim
* Antje Vollmer zur Vizepraesidentin gewaehlt, Suessmuth im Amt bestaetigt
* Schwaetzer fest zu Ruecktritt entschlossen
* Neuer Landtagspraesident in Thueringen
* Kanter verbietet neonazistische Vereinigung "Wikingjugend"
* Gewerkschaft der Polizei begruesst Verbot der "Wikingjugend"
* Wulff-Matthies vom OeTV-Vorsitz zurueckgetreten
* Proteste gegen Zeiss-Sanierungskonzept
* Teufel will sich fuer Erhaltung von Arbeitsplaetzen bei SEL einsetzen



Heim eroeffnet konstituierende Sitzung des 13. Deutschen Bundestages

Im Berliner Reichstagsgebaeude hat am Vormittag mit einer Rede des Alterspraesidenten Heim die konstituierende Sitzung des 13. Deutschen Bundestages begonnen. Heim, der fuer die PDS im Parlament sitzt, wuerdigte in seiner Ansprache die Verdienste des frueheren Bundeskanzlers und SPD-Politikers Brandt, der vor 4 Jahren den ersten gesamtdeutschen Bundestag eroeffnet hatte. Er aeusserte zugleich die Hoffnung, die heutige Demokratie in der Bundesrepublik werde solider sein als die der Weimarer Republik. In den naechsten 4 Jahren seien Entwicklungen zu erwarten, auf die sich bisher nur wenige Politiker eingestellt haetten. An die in Berlin versammelten Abgeordneten richtete der parteilose Schriftsteller die Frage, ob es nicht auch Erfahrungen aus dem Leben der frueheren DDR gaebe, die zu uebernehmen es sich lohne. Jetzt gehe es darum, mit gegenseitiger Toleranz und Verstaendnis die unterschiedlichen Gedanken in Ost und West einander anzunaehern.


Stasi-Vorwuerfe gegen Heim

Ueber die Stasi-Vorwuerfe gegen Heim besteht Unklarheit. Nach Erkenntnissen der zentralen Ermittlungsgruppe "Regierungs- und Vereinigungskriminalitaet" bei der Berliner Polizei bot der 81jaehrige Schriftsteller der DDR-Staatssicherheit 1958 an, ueber seine Kontakte zum Gewerkschafter Heinz Brandt zu berichten. Brandt war damals in die Bundesrepublik geflohen, wurde aber 1961 nach Ostberlin entfuehrt und dort wegen angeblicher Spionage zu 13 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. In diesem Zusammenhang soll Heim auch Anmerkungen zum damaligen Regimekritiker Havemann gemacht haben. Die Berliner Staatsanwaltschaft wollte die Vorwuerfe gegen Heim bis jetzt nicht bestaetigen. Da noch nicht alle Akten des Vorgangs von der Gauck-Behoerde freigegeben worden seien. Heim selbst will sich morgen auf einer Pressekonferenz zu den Anschuldigungen aeussern.


Antje Vollmer zur Vizepraesidentin gewaehlt, Suessmuth im Amt bestaetigt

Zum ersten Mal ist eine gruene Politikerin zur Vizepraesidentin des Bundestages gewaehlt worden. Im Berliner Reichstag stimmten 358 Abgeordnete fuer Antje Vollmer vom Buendnis 90 / Die Gruenen. Ihre Gegenkandidatin Anke Fuchs von der SPD erhielt 279 Stimmen. Zuvor waren bereits Hans Klein, CSU, und Hans-Ulrich Klose, SPD, zu Stellvertretern von Rita Suessmuth gewaehlt worden. Die CDU-Politikerin hatte bei ihrer Wiederwahl als Bundestagspraesidentin 555 von 669 Stimmen erhalten. Burkhard Hirsch wurde fuer die FDP zum Vizepraesidenten gewaehlt. Keine Mehrheit fanden die Sozialdemokraten mit ihrem Wunsch, die Zahl der Vizepraesidenten von 4 auf 5 zu erweitern. Parlamentspraesidentin Suessmuth warnte in ihrer Antrittsrede vor Gefahren fuer die Demokratie. Niemand duerfe in der Gesellschaft nur Rechte in Anspruch nehmen, sondern muesse sich auch den Pflichten stellen.


Schwaetzer fest zu Ruecktritt entschlossen

Irmgard Schwaetzer bleibt bei ihrer Entscheidung, als stellvertretende FDP-Vorsitzende zurueckzutreten. Sie habe sich diesen Entschluss sorgfaeltig ueberlegt, sagte Frau Schwaetzer im Berliner Reichstag. FDP-Chef Kinkel hatte zuvor gesagt, er wolle versuchen, Frau Schwaetzer umzustimmen. Innerhalb der FDP gibt es Kritik an der Parteifuehrung. So warf Hildegard Hamm-Bruecher der FDP-Spitze Versagen und menschliche Kaelte vor. Frau Schwaetzer gibt nicht nur ihre Parteiamt auf, sondern wird auch nicht mehr in der Bundesregierung vertreten sein. Das Bundesbauministerium wird moeglicherweise von dem CDU-Politiker Karl-Heinz Dere uebernommen. Er war frueher Bauminister in Sachsen-Anhalt.


Neuer Landtagspraesident in Thueringen

Neuer Praesident des Thueringer Landtages ist der bisherige Sozialminister Petsch (sp?). Der CDU-Politiker wurde am Vormittag in Ehrfurt auf der konstituierenden Sitzung des Parlaments mit 76 Stimmen gewaehlt. 7 Abgeordnete votierten mit "nein", 3 enthielten sich. Der 61jaehrige Regierungschef Vogel, der als Alterspraesident die Sitzung eroeffnete, forderte den Landtag in Thueringen auf, bei allem politischen Streit den Grundkonsens der Demokraten nicht zu gefaehrden. Ein frei gewaehltes Parlament duerfe keinen Naehrboden fuer Radikalismus bilden, der Andersdenkende nicht dulde.


Kanter verbietet neonazistische Vereinigung "Wikingjugend"

Bundesinnenminister Kanter hat mit sofortiger Wirkung die neonazistische Vereinigung "Wikingjugend" verboten. Zur Begruendung erklaerte Kanter, die wehrhafte Demokratie werde nicht hinnehmen, dass neonazionalsozialisten durch ihre Propagande und sonstige politische Taetigkeit die freiheitliche demokratische Grundordnung untergrueben. Derartige Vereinigungen, die Rassismus und Antisemitismus verbreiteten, junge Menschen zu Gewaltbereitschaft, Intoleranz und Hass auf die Demokratie erzoegen, muessten aus dem oeffentlichen Leben ausgeschaltet werden. Woertlich fuegte Kanter hinzu: "Deutschland ist kein Tummelplatz fuer Extremisten, gleich welcher Art." Die 1952 in Wilhelmshaven gegruendete Wikingjugend soll etwa 400 zumeist erwachsene Mitglieder haben. Mit der Verbotsverfuegung wurde auch das Vereinsvermoegen beschlagnahmt. In 10 Bundeslaendern begannen heute frueh Wohnungsdurchsuchungen. Die zustaendigen Landesbehoerden teilten mit, es seien auch umfangreiches Propagandamaterial und Adressenlisten sichergestellt worden. Bereits vor 2 Jahren wurden die "Nationalistische Front", die "Deutsche Alternative" und die "Nationale Offensive" verboten. Im September 1993 hat die Bundesregierung ausserdem gegen die rechtsextremistische "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" ein Verbot beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beantragt.


Gewerkschaft der Polizei begruesst Verbot der "Wikingjugend"

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Lutz, hat das Verbot der Wikingjugend begruesst. Auf dem Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei sagte Lutz, er wundere sich allerdings, warum das Verbot erst jetzt ausgesprochen worden sei. Die Wikingjugend haben schon immer faschistisches Gedankengut in sich getragen. Auf ihrem Kongress forderte die Polizeigewerkschaft ein Verbot neonazistischer Aktivitaeten in die Verfassung aufzunehmen.


Wulff-Matthies vom OeTV-Vorsitz zurueckgetreten

Die amtierende OeTV-Chefin Wulff-Matthies ist heute zurueckgetreten. Der Hauptvorstand der Gewerkschaft "Oeffentliche Dienste, Transport und Verkehr" nominierte den hessischen Bezirksleiter Herbert Mey (sp?) als Nachfolger von Frau Wulff-Matthies. Die endgueltige Entscheidung ueber den kuenftigen Vorsitz der OeTV faellt am 13. Februar naechsten Jahres in Hannover. Dann entscheidet ein ausserordentlicher Gewerkschaftstag ueber die neue Spitze der OeTV.


Proteste gegen Zeiss-Sanierungskonzept

Sowohl in Baden-Wuerttemberg als auch in Thueringen haben Mitarbeiter des Zeiss-Konzerns gegen das Sanierungskonzept protestiert. In Oberkochen gingen 3500 Mitarbeiter auf die Strasse, in Jena waren es mehr als 2000 Beschaeftigte. Zeiss will insgesamt 3000 Stellen abbauen. Der Zeiss-Betriebsratsvorsitzende in Oberkochen, Michler, kritisierte das fehlende Zukunftskonzept des Zeiss-Vorstands und forderte dessen Ruecktritt.


Teufel will sich fuer Erhaltung von Arbeitsplaetzen bei SEL einsetzen

Baden-Wuerttembergs Ministerpraesident Teufel will moeglichst viele Arbeitsplaetze beim Elektronikkonzern Alcatel SEL retten. Er zeigte sich heute bestuerzt ueber den Stellenabbau, den die Unternehmensfuehrung von SEL in Stuttgart plant. Teufel sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Zeidler und dem Aufsichtsratschef Holzer und lud ausserdem den Betriebsrat ins Staatsministerium ein. Der Ministerpraesident will sich jetzt gemeinsam mit Wirtschaftsminister Spoeri darum bemuehen, dass deutsche Staatsunternehmen Auftraege an die SEL vorziehen.


Quellen

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