GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Sa, 25.03.1995



* Bei Anruf Mord (Suedwest Presse)
* Tarifverhandlungen im Baugewerbe erfolgreich
* Bundesfamilienministerin Nolte warnt vor Ausbreitung von Sekten
* Bundeslaender wollen Kindergartenplaetze zum 1. Januar 1996 bereitstellen
* FDP-Parteitag und SPD-Parteitag in Bremen zur kommenden Buergerschaftswahl
* Herzklappenskandal weitet sich aus
* Bluem kritisiert Angriff der Tuerkei gegen Stellungen der PKK
* Zusammenkunft von Kurden zur Feier ihres traditionellen Neujahrsfest
* Kosovo-Albaner demonstrierten fuer Einhaltung ihrer Rechte
* Neue Gedenkstaette in Frauenkonzentrationslager Ravensbrueck
* Dritte Nuklearrunde in Berlin
* Unfall in Druckerei des "Muenchener Merkur"
* Umstellung auf Sommerzeit
* Kein Tag fuer Feuerwerk und Boellerschuesse (Sueddeutsche Zeitung)
* Bei Anruf Mord (Suedwest Presse)



Bei Anruf Mord (Suedwest Presse)




Tarifverhandlungen im Baugewerbe erfolgreich

Frankfurt am Main. Bei den Tarifverhandlungen fuer die 1,5 Millionen Beschaeftigten im deutschen Baugewerbe ist offenbar ein Durchbruch gelungen. Nach Informationen der Deutschen Presseagentur (DPA) sollen die Bauarbeitnehmer im Westen 3,8% Arbeitslohn mehr Lohn sowie eine Einmalzahlung von 50 DM zahlen, Auszubildende erhalten 20 DM mehr. Die von der IG-Bau-Steine-Erden geforderte Angleichung der ostdeutschen Tarifeinkommen von derzeit 90 auf 100% sollen am 1. Oktober 1997 erfolgen. Nach Angaben eines Sprechers der Industriegewerkschaft Bau hat die Vereinbarung eine Laufzeit von 12 Monaten. Die Angleichung der Loehne der 440 000 Beschaeftigten in Ostdeutschland von derzeit 90 auf 100% soll in vier Stufen verwirklicht werden. Zum 1. Oktober dieses Jahres werden die Einkommen um 2% auf 92% angehoben, zum 1. Oktober 1996 werden sie auf 95% erhoeht, zum 1. April 1997 auf 96,5% und zum 1. Oktober 1997 gibt es in Ost und West den gleichen Lohn fuer die gleiche Arbeit. Der grosse Knackpunkt bei den Verhandlungen war die Angleichung der Loehne und Gehaelter. Die Arbeitgeber verwiesen auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Branche, schliesslich sei der konjunkturelle Aufwaertstrent nicht in allen Bereichen gleichermassen zu spueren. Schwieriger als erwartet gestaltete sich im Laufe der Verhandlungen auch die Diskussion um die Lohnerhoehungen. Die 4 vor dem Komma, das scheint fuer alle Arbeitgeberverbaende ein politisches Tabu zu sein. Die Arbeitgeber sollten keinesfalls besser abschliessen als die Tarifparteien in der Chemiebranche, also 3,8% und das haben sie schliesslich auch erreicht.


Bundesfamilienministerin Nolte warnt vor Ausbreitung von Sekten

Berlin. Bundesfamilienministerin Nolte hat vor einer zunehmenden Ausbreitung von Sekten in Deutschland gewarnt. Gegenueber der "Berliner Morgenpost" sagte die CDU-Politikerin, die finanzielle Schlagkraft mancher Sekten und ihre Verbreitung im gesellschaftlichen Leben bis hin in die Fuehrungsebenen der Wirtschaft haetten schon fast die Form einer Unterwanderung angenommen. Nolte beklagte, dass juristisch nur selten gegen die Sekten vorgegangen werden koenne, da sie sich bisher auf die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit haetten berufen koennen. Nach dem juengsten Urteil des Bundesarbeitsgerichts muesse dies jedoch ueberprueft werden. Das Gericht hatte Mitte der Woche entschieden, dass die Scientology-Bewegung rechtlich keine Kirche ist, sondern nur ein Wirtschaftsunternehmen.


Bundeslaender wollen Kindergartenplaetze zum 1. Januar 1996 bereitstellen

Hamburg. Die Bundeslaender haben sich nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" nun doch entschlossen, den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz schon bis zum 1. Januar 1996 zu erfuellen. Darauf haetten sich die Laenderchefs schon vor zwei Wochen geeinigt. Urspruenglich war angekuendigt worden, wegen leerer Kassen erst 1998 jedem Kind einen Platz zu schaffen. Laut "Spiegel" wollen die Laender die Vergabe der Kindergartenplaetze mit einem Stichtag aehnlich wie bei der Einschulung reglementieren.


FDP-Parteitag und SPD-Parteitag in Bremen zur kommenden Buergerschaftswahl

Bremen. Knapp zwei Monate vor der Buergerschaftswahl in Bremen sind am Vormittag in der Hansestadt SPD und FDP zu Landesparteitagen zusammengekommen. Beide Parteien wollen ihre Wahlprogramme und die Landeslisten fuer die vorgezogene Wahl am 14. Mai beschliessen. Die FDP will ihren bisherigen Wirtschaftssenator Klaus Jaeger zum Spitzenkandidaten kueren. Der FDP-Vorsitzende Kinkel rechnet bei den anstehenden Landtagswahlen in Bremen, Nordrhein-Westfalen und Berlin mit einem guten Abschneiden seiner Partei. Die FDP habe sowohl im Bund als auch in den Laendern zu innerer Geschlossenheit gefunden. Das sagte Kinkel am Vormittag auf dem Landesparteitag der Liberalen in Bremen. Eine moegliche Rot-Gruene Regierung bezeichnete Kinkel als Gift fuer Bremen. Dort war kuerzlich die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Gruenen gescheitert. Bremens Buergermeister Wedemeier ist heute wieder zum SPD-Spitzenkandidaten fuer die vorgezogene Buergerschaftswahl gewaehlt worden. Auf dem Landesparteitag bekraeftigte Wedemeier seine Absage an eine neue Auflage der Ampelkoalition.


Herzklappenskandal weitet sich aus

Wuppertal. Der sogenannte Herzklappenskandal weitet sich jetzt auch auf andere medizinische Bereiche aus. Nach inoffiziellen Schaetzungen summieren sich die den Krankenkassen durch ueberhoehte Abrechnungen zugefuegten Schaeden auf zweistellige Millionenbetraege. Nach Angaben der Wuppertaler Staatsanwaltschaft tauchen immer mehr Beweise auf. Die Ermittler haetten bislang mehr als 5000 Belege fuer Zahlungen der Lieferanten von Herzklappen und anderen medizinischen Produkten an Aerzte und leitendes Klinikpersonal gefunden. Die Wuppertaler Staatsanwaltschaft verdaechtigt 1500 Aerzte und Klinikangestellte, fuer die Anschaffung ueberteuerter Herzklappen Bestechungsgeld kassiert zu haben. Die Ermittler fanden nach eigenen Angaben heraus, dass die Herstellerfirmen von Herzklappen, Ersatzteilen fuer Herz-Lungen-Maschinen, Herzschrittmachern und anderen Implantaten fast alles bezahlten, was deutschen Aerzten lieb und teuer ist. Arbeitszimmer mit edler Holzvertaefelung fuer 15 000 DM, teure Kosmetika, Privattouren nach China, Kanada oder in die USA, wobei die Lieferanten auch fuer die gut gefuellte Reisekasse sorgten. Die Ausgaben sollen als Rueckverguetungen und Forschungsgelder deklariert gewesen sein. In dem Mitte vergangenen Jahres beschlagnahmten Material fand die Wuppertaler Ermittlergruppe heraus, wie das Finanzierungssystem funktionierte. Laut Oberstaatsanwalt Horst Rosenbaum hatten die Firmen in ihren eigenen Haeusern fuer die Kunden Konten eingerichtet, auf die, je nach Art und Umfang der Lieferung, verdeckte Provisionen gutgeschrieben wurden. Bei Bedarf konnten die beguenstigten Mediziner und die Krankenhausbediensteten Gelder fuer private Zwecke abrufen. Finanziert wurden die Zuwendungen letztlich durch die Krankenkassen. Sie hatten die bislang groesste Polizeiaktion im Medizinbereich am 3. August vergangenen Jahres in Gang gebracht, weil der Verdacht bestand, die Hersteller wuerden ueberteuert abrechnen. Fuer eine Herzklappe, die in den USA nur umgerechnet DM 900 kostet, zahlten die deutschen Krankenkassen das Siebenfache.


Bluem kritisiert Angriff der Tuerkei gegen Stellungen der PKK

Seit fast einer Woche sind im Norden des Irak rund 35 000 tuerkische Soldaten im Einsatz. Unterstuetzt von der Luftwaffe und Panzern greifen sie Stellungen der kurdischen Arbeiterpartei PKK an. Waehrend die Regierung in Ankara beteuert, die Offensive werde nicht laenger dauern als noetig, nimmt die Kritik an dem Vorgehen zu. Bundesarbeitsminister Bluem erklaerte in einem Zeitungskommentar, die Tuerkei trete die Menschenrechte mit Fuessen. Sie behandle die Kurden, wie man nicht einmal Tiere behandeln duerfe. Dagegen sagte Kanzleramtsminister Bohl, nach Analyse der Menschenrechtssituation stehe fest, dass Abschiebungen von Kurden in die Tuerkei moeglich seien. Die Bundesregierung forderte die Bundeslaender zu einem verschaerften Schutz tuerkischer Einrichtungen auf. Gleichzeitig plaedierte Bonn an die SPD-gefuehrten Landesregierungen, ueberfuehrte kurdische Gewalttaeter sofort abzuschieben. Innenminister Kanther und Kanzleramtschef Bohl erklaerten angesichts der neuen Serie von Anschlaegen auf tuerkische Einrichtungen, Deutschland werde die Bedrohung durch extremistische Gruppierungen nicht hinnehmen.


Zusammenkunft von Kurden zur Feier ihres traditionellen Neujahrsfest

Stuttgart. Etwa 15 000 Kurden sind heute in Stuttgart zusammengekommen, um ihr traditionelles Neujahrsfest zu feiern. Nach Polizei-Angaben ist die Veranstaltung bislang friedlich verlaufen. Einige Fahnen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK seien beschlagnahmt worden.


Kosovo-Albaner demonstrierten fuer Einhaltung ihrer Rechte

Bonn. Rund 40 000 Kosovo-Albaner haben fuer die Einhaltung ihrer Rechte demonstriert. Ziel sei ein freies Europa ohne Grenzen und das Ende des Toetens und Verwundens, stand auf den Transparenten in Bonn. Politiker sicherten den Demonstranten ihre Unterstuetzung bei der friedlichen Durchsetzung ihrer Rechte in Kosovo zu.


Neue Gedenkstaette in Frauenkonzentrationslager Ravensbrueck

Im frueheren Frauenkonzentrationslager Ravensbrueck in Brandenburg erinnert seit heute eine Gedenkstaette an die von den Nationalsozialisten ermordeten 500 000 Sinti und Roma. Der Vorsitzende des Deutschen Zentralrats der Sinti und Roma Rose rief bei der Einweihung dazu auf, allen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung engagiert entgegenzutreten. In Luebeck erinnern heute Buerger mit einer 24stuendigen Mahnwache an den Brandanschlag auf die Synagoge der Hansestadt vor einem Jahr.


Dritte Nuklearrunde in Berlin

Berlin. Vertreter der USA und Nordkoreas sind am Vormittag zur dritten Nuklearrunde zusammengetroffen. Dabei sollen Einzelheiten des Atomabkommens von Genf besprochen werden. Darin ist vorgesehen, Nordkorea moderne Leichtwasser-Reaktoren zu liefern, wenn die Koreaner dafuer ihre bisherigen Atomkraftwerke stillegen. Mit dem bisherigen Reaktortyp kann Nordkorea atomwaffenfaehiges Plutonium herstellen.


Unfall in Druckerei des "Muenchener Merkur"

Muenchen. Bei einem Unfall in einer Druckerei der Zeitung "Muenchener Merkur" sind drei Arbeiter getoetet worden. Ein weiterer wurde schwer verletzt. Nach Angaben von Polizei und Feuerwehr waren die Maenner mit dem Abbau schwerer Maschinen beschaeftigt, als eine Stahlplatte auf sie herabfiel.


Umstellung auf Sommerzeit

Offenbach. Puenktlich zum Beginn der Sommerzeit meldet sich der Winter zurueck. Heute Nacht um 2:00 Uhr werden die Uhren in Deutschland auf 3:00 Uhr vorgestellt.


Kein Tag fuer Feuerwerk und Boellerschuesse (Sueddeutsche Zeitung)

Das Schengen-Abkommen bedeutet rechtsstaatlich einen Schritt in die falsche Richtung.

Wieder einmal heisst es: Die Grenzkontrollen entfallen. Wieder einmal heisst es: Freizuegigkeit, uneingeschraenkt. Wieder einmal heisst es: Ganz Europa ist Inland. Indes: Wieder einmal ist das eine Luege. Kein anderes europaeisches Versprechen wurde so oft gebrochen, wie das Versprechen eines Europas ohne Grenzen. Wenn nun von Sonntag an der sogenannte Schengen-Vertrag umgesetzt wird und die Regierungen deshalb von einem historischen Schritt reden, dann erreicht nicht das alte Europa, sondern die alte Luege eine neue Qualitaet.

Es ist naemlich nicht so, dass die Grenzen in der ganzen Europaeischen Union fallen: sie fallen nur in einem Teil der Mitgliedslaender, und sie fallen auch dort gar nicht richtig. An die Stelle der alten Kontrollen treten naemlich neue, andersartige Kontrollen. Im Artikel 7a des Vertrages ueber die Europaeische Union steht zu lesen, dass es fuer die Menschen in der ganzen Union spaetestens (!) mit Beginn 1993 keine Binnengrenzen mehr gibt. Dieser Artikel bleibt auch nach dem Sonntag ein papierener Artikel.

Das europaeische Grenzkonzept lautet, auf einen Nenner gebracht, so: Aussen zu und innen offen. Also: Die Aussengrenzen Europas werden so dicht wie moeglich gemacht - weil dies der Preis ist fuer die groesstmoegliche Kontrollfreiheit im Inneren. Kritiker bezeichnen dieses Modell als "Festung Europa". Am Teil 1 des Konzepts wird mit Hochdruck gearbeitet: Die europaeischen Aussenmauern werden massiv verstaerkt und erhoeht.

Von Teil 2 des Konzepts ist wenig zu sehen: Abbau der Binnenkontrollen findet vorerst nicht statt. Und daran aendert der morgige Schengen-Sonntag nicht sehr viel: Schengen ist weniger ein Beitrag zum Abbau der Personenkontrollen in Europa als ein Beitrag zum Abbau der Festung Europa. Schengen zieht innerhalb Europas eine neue Mauer. Um im Festungsbild zu bleiben: Bisher gab es nur die aeussere europaeische Mauer. Jetzt ist innerhalb der Festung eine zweite, die innere Ringmauer errichtet worden. Innerhalb dieser neuen Schengen-Mauer befinden sich die Deutschen, die Franzosen, Belgier, Niederlaender, Luxemburger, die Spanier und die Portugiesen. Zwischen der Innen- und der Aussenmauer leben die Menschen der uebrigen Staaten der Europaeischen Union. So ist nun also aufgrund des Schengen-Vertrags, der schon vor zehn Jahren in Luxemburgs Weinort Schengen geschlossen wurde, ein Zwei-Klassen-Europa entstanden.

Wie sieht nun das Leben innerhalb der Schengen-Mauern aus? Es herrsche volle Freizuegigkeit fuer alle Bewohner, heisst es. In der Tat werden von nun an Fluggaeste aus den Schengen-Laendern, wenn sie nur von einem Land zum anderen fliegen, an den Inlandsterminals abgefertigt - also ohne Passkontrolle. Die Mindereuropaeer, die zwischen Innen- und Aussenmauer leben, muessen aber diese Prozedur nach wie vor ueber sich ergehen lassen. Und Nichteuropaeer werden noch schaerfer als bisher kontrolliert werden. Die Landgrenzen innerhalb der Schengen-Mauer werden nicht schon am Sonntag, sondern erst am 1. Juli fallen. An die Stelle der Grenzstationen treten dann allerdings mobile Kontrollen. Die ehemaligen Grenzkontrollen werden also schlicht ins Inland verlagert. Es werden Kontrollen des fliessenden Verkehrs und Sonderfahndungstage eingefuehrt. Dies laeuft auf eine generelle Kontrolle von Menschen mit auslaendischem Aussehen hinaus.

In Strassburg geht ein Polizei-Grosscomputer in Betrieb - das Schengen Informationssystem SIS: alle Polizei- und Fahndungsdaten, die in einem Staat in die EDV-Systeme eingespeichert werden, sind kuenftig automatisch auch in allen anderen Staaten verfuegbar. Dies betrifft auch die Personalien von Fahrzeughaltern, deren Auto in eine Verkehrskontrolle geraten ist, oder von Personen, die irgendwann bei der Polizei eine Zeugenaussage gemacht haben. Solange solche Daten in Deutschland blieben, konnte man davon ausgehen, dass mit ihnen kein Schindluder getrieben wurde. Kuenftig kann man sich so sicher nicht mehr sein.

Generell ist es so: Die Buergerrechte bleiben hinter den neuen Polizeirechten zurueck: vom Informationsaustausch bis zur grenzueberschreitenden Observation: Es ist nicht klar, wie sich der Buerger dagegen wehren kann. Der Deutsche muss sich also kuenftig gegebenenfalls mit Behoerden in Spanien oder Portugal herumschlagen - der Europaeische Gerichtshof hat keine Zustaendigkeiten erhalten.

Es ist bezeichnend, dass der "Exekutivausschuss", der die Durchfuehrung des Schengen-Abkommens ueberwachen soll, schalten und walten kann, wie er will. In diesem Ausschuss sitzen Beamte der nationalen Regierungen und haben quasi gesetzgeberische Regelungskompetenz. Wesentliche Teile eines europaeischen Auslaenderrechts werden in diesem Exekutiv-Ausschuss gestaltet, sein Einfluss auf die nationale Gesetzgebung ist enorm. Doch all dies passiert ohne demokratische und gerichtliche Kontrolle, die nationalen Parlamente haben keinen Vertreter in diesem Exekutiv-Ausschuss, und auch das Europaeische Parlament hat auf dessen Arbeit keinerlei Einfluss. Dazu fuegt sich, dass der Exekutivausschuss grundsaetzlich geheim beraet.

So sieht also die "Offenheit und Transparenz der Gemeinschaft" aus, von der der Europaeische Rat immer spricht. Schengen ist ein Beispiel dafuer, wie heimlich undemokratische europaeische Strukturen entstehen. Der morgige Schengen-Sonntag ist deshalb kein Tag fuer Feuerwerk und Boellerschuesse. Es mag sein, dass Europa einen Schritt weiterkommt - einen Schritt in die falsche Richtung.


Bei Anruf Mord (Suedwest Presse)

Kaum dass wir uns schaudernd der Frage gestellt haben, wie wir so lange ohne Handy ueberhaupt ueberleben konnten, kaum dass uns klar war, dass das Menschsein in seiner bedeutenderen Form untrennbar an die Handyphonitis gekoppelt ist, stellt sich dem Handytraeger die Existenzfrage. Seit laengerem schon wird ihm ja ohnehin die Menschenwuerde beschnitten, indem Drei-Sterne-Restaurants handyfreie Zonen einrichten. Die Kirche zwingt uns zur Kommunion ohne Kommunikation. Im Theater darf nur noch im Orchestergraben geklingelt werden. Und das Golfplatz-Verbot fuer Handys gefaehrdet den Wirtschaftsstandort Deutschland mehr als Gewerkschaften in voller Lohngier dies jemals tun koennten.

Hoechste Zeit, dass unsere Verfassung um das Grundrecht erweitert wird, zu jeder Zeit an jedem Ort unsere persoenliche Bedeutung vorfuehren zu koennen. Wie ueberfaellig diese Verfassungsreform ist, zeigt der radikale Ruf nach einem Handy-Verbot auf den Intensivstationen der Krankenhaeuser, den das Bonner Gesundheitsministerium erhebt. Wo wenn nicht gerade dort ist ein Handy sozusagen ueberlebenswichtig. Wie anders als ueber D- oder E-Netz die Nachtschwester alamieren, wie die liebe Verwandtschaft vom nahen Ableben informieren, wie den letzten Willen noch modifizieren?

Handys sollen die Traeger von Herzschrittmachern gefaehrden? Einfach laecherlich! Wer einen billig importierten Herzschrittmacher benutzt, weil er fuer ein anstaendiges deutsches Modell zu geizig ist, muss halt auch das Restrisiko tragen: Bei Anruf Mord.


Quellen

RADIO7    10:00 MEZ    13:00 MEZ    16:00 MEZ
SDR3    8:00 MEZ    10:00 MEZ    13:00 MEZ    19:00 MEZ
DLF    17:00 MEZ
B5    17:30 MEZ
Sueddeutsche Zeitung vom 25.,26.03.1995
Suedwest Presse vom 25.03.1995