GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Fr, 15.03.1996



* Urteil im Prozess gegen Schnur
* Haushaltsausschuss beraet ueber Ausgabensperre
* Bundestag debattiert ueber Maastrichtfolgekonferenz
* Erneut Streit in rot-gruener Koalition
* Oberleutnant der Bundeswehr in Bosnien schwer verletzt
* Prozess gegen die Telekom beginn in Muenchen
* Fokker endgueltig bankrott
* Weiterbau zweier Schiffe bei Vulkan gesichert
* Mindestlohn von DM 15.00 im Baugewerbe realistisch
* Demonstrationen von Bauarbeitern
* Spranger unterstreicht das Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe"
* Zum Streit um den Status des Religionsunterrichts in Brandenburg
* BGH erlaesst Haftebefehl gegen iranischen Geheimdienstminister
* Wolfgang Koeppen gestorben
* Demonstrationsverbot bestaetigt
* Steffi Graf im Finale von Indian Wells



Urteil im Prozess gegen Schnur

Berlin. Der fruehere DDR-Anwalt und Politiker Schnur ist vom Berliner Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten auf Bewaehrung verurteilt worden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Schnur in den achtziger Jahren die beiden DDR-Buergerrechtler Klier und Kraftschick an die DDR-Staatssicherheit verraten hatte und sie damit der Gefahr einer Verfolgung aussetzte. Schnur, der wegen der Spitzeltaetigkeit seine Anwaltszulassung verloren hat, bekannte sich in dem Verfahren zu einer moralischen Schuld. Das Delikt, dessen Schnur schuldig gesprochen wurde heisst "politische Verdaechtigung." Im Strafgesetzbuch steht dazu, dass bestraft wird, "wer andere der Gefahr aussetzt, aus politischen Gruenden verfolgt zu werden." Schnur habe, so der vorsitzende Richter, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt, als er dem MFS im Januar 1988 berichtete, dass die beiden Kuenstler Kontakt zum Westfernsehen haetten und seinem Fuehrungsoffizier spaeter das Versteck eines Buchmanuskripts von Freya Klier verraten habe. Als Rechtsanwalt habe er wissen muessen, in welche Gefahr er die beiden Kuenstler mit seinen Berichten bringe. Klier und Kraftschick haetten Anklagen wegen Landesverrat und staatsfeindlicher Hetze gedroht. Ende Januar waren die beiden verhaftet und kurze Zeit spaeter in den Westen abgeschoben worden. Schnur sei, so der vorsitzende Richter, ein ehrlicher und zuverlaessiger Mitarbeiter des MFS gewesen, der freiwillig in ein System gegenseitiger Bespitzelung eingebunden gewesen sei. Zielgerichtet habe er sich das Vertrauen der beiden Buergerrechtler erschlichen, deren Vertrauen missbraucht und sie in der Haft gegeneinander ausgespielt.


Haushaltsausschuss beraet ueber Ausgabensperre

Auf Draengen der Bonner Oppositionsparteien ist der Haushaltsausschuss des Bundestages zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Angesichts der heute wirksam werdenden Haushaltssperre verlangten SPD und Gruene Klarheit ueber die zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben im Bundesetat. Nach Schaetzungen der Sozialdemokraten koennte die drohende Finanzluecke im Haushalt bis zu 25 Milliarden DM erreichen - und um die zu fuellen ist ihrer Ansicht nach eine Haushaltssperre nicht ausreichend. Trotz der Loecher in Milliardenhoehe sieht die Koalition offenbar nach wie vor keinen Bedarf fuer einen Nachtragshaushalt oder ein Haushaltssicherungsgesetz. Der CDU-Abgeordnete Dietrich Austermann jedenfalls lehnt entsprechende Forderungen von SPD und Buendnis 90 ab. Die seit heute geltende Haushaltssperre geht der Opposition nicht weit genug. Bundesfinanzminister Waigel, CSU, hatte sie vorgestern erlassen, der FDP-Haushaltspolitiker Wolfgang Wingen haelt einen Nachtragshaushalt zumindest dann fuer wahrscheinlich, wenn sich die Kassenlage bis zur Steuerschaetzung im Mai nicht verbessert hat. Fuer den parlamentarischen Geschaeftsfuehrer der Union, Joachim Hoerster, handelte es sich bei der Sondersitzung des Ausschusses um ein Wahlkampfspektakel, das SPD und Gruene inszenieren wollten.


Bundestag debattiert ueber Maastrichtfolgekonferenz

Bonn. Der Bundestag debattierte am Vormittag ueber die Folgekonferenz von Maastricht. Die SPD brachte dazu einen Antrag ein, in dem sie verstaerkte beschaeftigungspolitische Aktivitaeten der Europaeischen Union fordert.

Ein weiteres Thema des Bundestages war die zweite Stufe der Pflegeversicherung, die zum ersten Juli in Kraft treten soll. Geplant ist mit einem Ergaenzungsgesetz die Kosten fuer die medizinische Behandlung in Pflegeheimen von den Krankenkassen auf die Pflegeversicherung zu uebertragen.


Erneut Streit in rot-gruener Koalition

Der Streit in der nordrhein-westfaelischen Koalition zwischen Sozialdemokraten und Gruenen hat sich vor dem morgigen Landesparteitag von Buendnis 90 / Die Gruenen zugespitzt. Im Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages votierten heute drei Vertreter der Gruenen mit der CDU und bereiteten damit dem Koalitionspartner SPD eine Abstimmungsniederlage. SPD-Fraktionschef Mathiesen sprach von einem gravierenden politischen Vorgang. Im Koalitionsvertrag seien wechselnde Mehrheiten auch in den Ausschuessen ausgeschlossen worden. Die Sprecherin der gruenen Fraktion, Nacken, sagte, das kritisierte Stimmverhalten sei nicht mit der Fraktionsspitze abgesprochen gewesen. Das Votum der 275 Delegierten auf dem morgigen Parteitag der nordrhein-westfaelischen Gruenen ueber die Zukunft der rot-gruenen Koalition in Duesseldorf ist voellig offen. Die Chancen stuenden 50 zu 50.


Oberleutnant der Bundeswehr in Bosnien schwer verletzt

Ein Oberleutnant der Bundeswehr ist heute beim Bosnieneinsatz der deutschen IFOR-Truppe durch eine Minenexplosion schwer verletzt worden. Der Soldat sei beim Brueckenbau durch die Detonation einer Mine verletzt worden, sagte ein Bundeswehrsprecher. Der Offizier sei noch vor Ort von einem Truppenarzt versorgt worden. Anschliessend sei er mit einem Hubschrauber in das deutsche Feldlazarett in die kroatische Kuestenstadt Trodje geflogen worden. Seine Verletzungen wurden als nicht lebensgefaehrlich bezeichnet. Sobald die Wunden behandelt sind und es der Gesundheitszustand zulaesst soll der verletzte Offizier nach Deutschland geflogen werden. Bundesverteidigungsminister Volker Ruehe sandte dem Verletzten ein Genesungstelegramm und warnte die deutschen Soldaten in Kroatien, die Augen offen zu halten und mit aeusserster Vorsicht vorzugehen.


Prozess gegen die Telekom beginn in Muenchen

Muenchen. Zum Auftakt eines Prozesses gegen die Telekom hat der Muenchner Anwalt Thieler die neuen Tarife fuer rechts- und sittenwidrig erklaert. Thieler warf dem Unternehmen Machtmissbrauch und Wucher vor. Eine Entscheidung wird das Amtsgericht Muenchen voraussichtlich erst im Juli treffen. Der Anwalt vertritt nach seinen Angaben ueber 50 weitere unzufriedene Telekomkunden. Sein eigentliches Ziel ist eine Verfassungsbeschwerde.


Fokker endgueltig bankrott

77 Jahre niederlaendische Luftfahrtgeschichte gehen zu Ende. Fokker ist unwiderruflich bankrott. Die Konzernmutter Daimler Benz hatte Ende Januar ihre Finanzhilfen fuer den Flugzeugbauer eingestellt. Fokker hatte vorher am 1995er Daimler-Rekordverlust von 6 Milliarden DM einen erheblichen Anteil. Die Verhandlungen mit moeglichen Uebernahmepartnern aus China und Korea haben nichts ergeben. "Wir haben bis zuletzt gekaempft, heute morgen noch", sagte der Fokker-Chef am Vormittag in Amsterdam. Doch es sei nicht gelungen, Fokker doch noch in einen sicheren Hafen zu lotsen. Auch eine selbstaendige Weiterexistenz ohne Partner ist ausgeschlossen, da Fokker keine Investoren finden konnte und weder Banken noch die Regierung bereit sind, weiter zu investieren. Rund 5.600 der 7.900 Fokker-Arbeitnehmer haben heute morgen per Kurier ein Kuendigungsschreiben erhalten. Die lebensfaehigen Teile von Fokker, darunter die Militaer-, Raumfahrt- und Wartungsabteilung werden zur Fokker-Aviation GmbH zusammengeschlossen. Auch hier werden 350 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, 350 andere koennen noch drei Monate weiterarbeiten, um bestellte Flugzeuge fertigzubauen. Einen Sozialplan fuer die Entlassen gibt es nicht. Der europaeische Sozialfonds hingegen will rund 5 Millionen DM fuer Umschulungsprogramme zur Verfuegung stellen.


Weiterbau zweier Schiffe bei Vulkan gesichert

Der Weiterbau von zwei Kreuzfahrtschiffen fuer den italienschen Reeder Costa bei der Bremer Vulkan Verbund AG ist gesichert. Die Vergleichsverwalter des Werftenkonzerns teilten mit, nach tagelangen Verhandlungen sei die Finanzierung gewaehrleistet. Der Auftrag fuer beide Schiffe umfasst ein Volumen von 1.2 Milliarden DM.


Mindestlohn von DM 15.00 im Baugewerbe realistisch

Der Geschaeftsfuehrer des Zentralverbands des deutschen Handwerks, Schleier, hat zu einer raschen Einigung auf einen Mindestlohn im Baugewerbe gedraengt. Im ZDF-Morgenmagazin sagte Schleier, ein Mindestlohn von DM 15.00 pro Stunde sei eine realistische Groesse. Dieser Satz ermoegliche auch deutschen Bauarbeitern Beschaeftigung. Der Tarifstreit, der eine praktische Verwirklichung des Entsendegesetzes verhindert, soll in der kommenden Woche von dem Schlichter, dem frueheren Bundesminister Apel, beigelegt werden. Das Entsendegesetz soll die wachsende Beschaeftigung auslaendischer Arbeitnehmer zu Niedrigloehnen eindaemmen.


Demonstrationen von Bauarbeitern

Frankfurt. Bauarbeiter haben heute bundesweit gegen die Billiglohnkonkurrenz aus anderen EU-Staaten demonstiert. Ausserdem forderten sie die Einfuehrung von Mindestloehnen fuer auslaendische Beschaeftigte auf deutschen Baustellen. Die IG Bau hatte nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen ueber Mindestloehne zum sogenannten Entsendegesetz zu den Kundgebungen aufgerufen. Die Veranstalter erwarteten mehrere 10.000 Teilnehmer.


Spranger unterstreicht das Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe"

Der Bundesminister fuer wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Spranger, hat das Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe" fuer die Laender der dritten Welt unterstrichen. Im Deutschlandradio Berlin sagte Spranger, die Vergabe von oeffentlichen Mitteln sei nicht eingeschraenkt, jedoch werde sie durch die Erblasten in Osteuropa beeintraechtigt. Nach seinen Angaben fliesst zunehmend Privatkapital in die armen Laender. Spranger sagte weiter, die juengsten Welthandelskonferenzen haetten dazu beigetragen, auch die Erwerbssituation der Menschen in den Entwicklungslaendern zu verbessern. Er hob die Beachtung von Umweltkriterien bei der Vergabe von Foerdermitteln hervor.


Zum Streit um den Status des Religionsunterrichts in Brandenburg

Der Streit um den Status des Religionsunterrichts in Brandenburg muss nach Ansicht des rheinland-pfaelzischen Justizministers Caesar im Land und nicht auf Bundesebene geregelt werden. Im Deutschlandfunk sagte er heute frueh, die Bundeslaender muessten ihre Spielraeume erhalten. Auch vor das Karlsruher Bundesverfassungsgericht gehoere dieses Thema nicht. Der FDP-Politiker raeumte ein, dass er dem brandenburgischen Schulgesetz sehr kritisch gegenuebersteht. Unionsfraktionschef Schaeuble hat davor gewarnt, den Religionsunterricht an den Schulen in Frage zu stellen. Zu Beginn einer Debatte ueber die Einfuehrung von Ethikunterricht in Brandenburg verwies er heute im Bundestag darauf, dass die Religion ueber Jahrhunderte eine wichtige Quelle der Wertorientierung gewesen sei. Diese duerfe nicht versiegen. Nach dem Willen von CDU/CSU und FDP hat der Bundestag nun den brandenburgischen Landtag aufgefordert, das geplante Schulgesetz nicht zu verabschieden. Dort ist der Religionsunterricht nicht als Pflichtfach vorgesehen. Der entsprechende Antrag der Koalitionsfraktion wurde nach erregter Debatte in namentlicher Abstimmung verabschiedet. Vertreter der Union nannten das neue brandenburger Schulgesetz verfassungswidrig, da es das bekenntnisfreie Pflichtfach "Lebensgestaltung" schaffen will.


BGH erlaesst Haftebefehl gegen iranischen Geheimdienstminister

Der Bundesgerichtshof hat Haftbefehl wegen vierfachen Mordes und versuchten Mordes gegen den iranischen Geheimdienstminister Ali Falachian (sp?) erlassen. Falachian soll der Drahtzieher des sogenannten Mykonos-Attentates gewesen sein. In dem Berliner Restaurant Mykonos wurden vor drei Jahren vier iranische Oppositionelle umgebracht. Seit Oktober 1993 muessen sich ein Iraner und vier Libanesen vor dem Berliner Landgericht wegen dem Anschlag verantworten.


Wolfgang Koeppen gestorben

"Der Tod in Rom" war einer seiner bekanntesten Romane, jetzt ereilte ihn der Tod in einem Muenchner Altersheim. Wolfgang Koeppen, der seit 1945 in Muenchen gelebt hatte, ist in der vergangenen Nacht im Alter von 89 Jahren gestorben. Oberbuergmeister Uhde wuerdigte ihn mit den Worten: "Wir verlieren einen aeusserst sensiblen Liebhaber der Stadt." Wolfgang Koeppen war der grosse alte Mann der deutschen Literatur. Seine ersten Romane "Eine unglueckliche Liebe" und "Die Mauer schwankt" veroeffentlichte er bereits in den 30er Jahren. Seine Durchburch erlebte Wolfgang Koeppen aber erst nach dem Krieg. Insbesondere Marcel Reich-Ranitzki hat sich damals wie heute fuer den Autor und sein Werk eingesetzt. Koeppen, der nie ein Bestsellerautor gewesen ist hat in Romanen wie "Tauben in Gras" von 1950 schonungslos am Nachkriegsdeutschland Kritik geuebt, lange bevor Kollegen wie Heinrich Boell ihre sozialkritischen Romane geschrieben haben. 1962 wurde der Schriftsteller mit dem Georg Buechner Preis ausgezeichnet, dem wichtigsten deutschen Literaturpreis. Es war eine Anerkennung fuer seine in einem betont nuechternen Stil gehaltene, treffende Sprachkunst.


Demonstrationsverbot bestaetigt

Gelsenkirchen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat das Verbot einer fuer morgen in Dortmund geplanten Demonstration von Kurden bestaetigt. Es sei anzunehmen, dass es dabei zu Straftaten kommen werde. Das Gericht verwies bei seiner Entscheidung auf gewalttaetige Ausschreitungen bei einer Demonstration von Kurden am vergangenen Wochenende in Bonn. Innenminister Kanther forderte die, so woertlich, grosse rechtstreue kurdische Mehrheit auf, sich von politischen Scharfmachern nicht verfuehren zu lassen.


Steffi Graf im Finale von Indian Wells

Steffi Graf hat beim Turnier von Indian Wells das Finale erreicht. Die Weltranglistenerste besiegte Lindsay Davenport aus den USA mit 6:7, 7:6 und 6:4. Im Endspiel trifft sie morgen auf die Siegerin des zweiten Halbfinals zwischen der Spanierin Conchita Martinez und der Japanerin Kimiko Date.


Quellen

B5    8:00 MEZ    12:00 MEZ    16:00 MEZ
DLF    8:30 MEZ    12:30 MEZ    17:30 MEZ
SDR 3    9:00 MEZ    13:00 MEZ    18:00 MEZ
Radio 7    10:00 MEZ    14:00 MEZ    18:00 MEZ