GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 07.01.1996



* Ex-DDR-Spionage-Chef Wolf vor Gericht
* Rexrodt kritisiert Kuendigungsschutz und flaechendeckende Tarifvertraege
* Kaeltewelle in Deutschland fordert weitere Opfer
* DGB rechnet mit noch mehr Arbeitslosen in diesem Jahr
* Experten erwarten dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent
* Flugzeugentfuehrung nach Berlin endet unblutig
* Hartmannbund fordert Ende der Budgetierung
* Mehr als 40.000 Frauen in Frauenhaeuser gefluechtet
* Steuerreformkommission hat Beratungen wieder aufgenommen
* Nicht mehr Geld fuer die neuen Laender
* Hamburger Justizsenator will Urlaubsregelung fuer Haeftlinge ueberpruefen



Ex-DDR-Spionage-Chef Wolf vor Gericht

Duesseldorf. Der ehemalige DDR-Spionage-Chef Markus Wolf steht heute erneut vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, Entfuehrungen angestiftet zu haben. Nach der Aufhebung der Verurteilung wegen Landesverrats im Jahre 1993 versucht die Bundesanwaltschaft nun, Wolf wegen Koerperverletzung, Freiheitsberaubung und Noetigung hinter Gitter zu bringen. In dem neuen Verfahren vor dem Duesseldorfer Oberlandesgericht wirft die Anklage Wolf vor, er sei im Jahre 1962 massgeblich an der gewaltsamen Rueckholung eines gefluechteten Stasi-Offiziers beteiligt gewesen. Sieben Jahre vorher soll er angeordnet haben, dass die Sekretaerin einer amerikanischen Behoerde von West-Berlin aus in die DDR verschleppt wurde. Eine sechsjaehrige Gefaengnisstrafe fuer Wolf wegen Landesverrats hob der Bundesgerichtshof 1995 auf. Vorausgegangen war eine Entscheidung des Verfassungsgerichts, dass Agenten, die von der DDR aus operierten, in der Bundesrepublik nicht wegen Spionage strafrechtlich verfolgt werden duerfen. Da die jetzigen Straftaten nach bundesdeutschem Recht laengst verjaehrt sind, greift auch hier die Bundesanwaltschaft auf DDR-Recht zurueck. Wolf selbst griff die Bundesanwaltschaft an. Er wehre sich vehement dagegen, von der Bundesanwaltschaft als ordinaerer Krimineller hingestellt zu werden, was er getan habe, sei voellig ueblich, im Geheimdienstgeschaeft. Er habe weder die Verfassung des Landes, dem er diente, noch dessen Gesetze verletzt.


Rexrodt kritisiert Kuendigungsschutz und flaechendeckende Tarifvertraege

Bonn. In Deutschland ist es nach den Worten von Wirtschaftsminister Rexrodt viel zu schwierig, Arbeitnehmer zu entlassen. Der uebertriebene Kuendigungsschutz, so Rexrodt in einem Zeitungsinterview, sei fuer die vielen Ueberstunden verantwortlich. Ohne mehr Flexibilitaet im Arbeitsrecht haetten die Betriebe kein Interesse daran Leute einzustellen und damit Ueberstunden abzubauen. Flaechendeckende Tarifvertraege kritisierte der Wirtschaftsminister als Gift fuer die Wirtschaft und die Arbeitsplaetze. Bei den Loehnen koenne es nur so viel Spielraum geben, wie der jeweilige Betrieb habe. Nicht nur die Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU im Bundestag kritisierte diese Aeusserung, auch der DGB protestierte. DGB Vize-Chefin Engelen-Kefer warf Rexrodt vor, eine gegen die Arbeitnehmer gerichtete Konfliktstrategie zu betreiben.


Kaeltewelle in Deutschland fordert weitere Opfer

Jena/Essen. Der anhaltenden Kaelte in Deutschland sind erneut zwei Menschen zum Opfer gefallen. In Karla in Thueringen erfror ein 50-jaehriger Mann in seinem Haus ohne Heizung, das er allein bewohnte. Einige Kilometer entfernt wurde ein 70-jaehriger tot aufgefunden, der nach einem Gaststaettenbesuch gestuerzt war. Damit sind seit Weihnachten mehr als 50 Menschen den Kaeltetot gestorben. In Essen hat ein Leck in einem Fernwaermerohr in der vergangenen Nacht 60.000 Haushalte von der Energieversorgung abgeschnitten. Zwei Menschen wurden durch ausgetretenen Wasserdampf verletzt.


DGB rechnet mit noch mehr Arbeitslosen in diesem Jahr

Bonn. Der Deutsche Gewerkschaftsbund rechnet mit bis zu 4,6 Mio Arbeitslosen im Januar und Februar. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Engelen-Kefer sagte heute, bereits die Dezemberzahlen duerften eine neue Rekordmarke oberhalb von 4,1 Mio. erreichen. Ohne eine aktivere Beschaeftigungspolitik werde diese Zahl wahrscheinlich auch im Jahresdurchschnitt ueberschritten. Engelen-Kefer verlangte erneut, Ueberstunden zu streichen und mehr Stellen fuer Altersteilzeit zu schaffen. Weiterer Personalabbau muesse gestoppt werden. Insgesamt wirke die einseitig auf Geldwertstabilitaet gerichtete Politik der Europaeischen Union und der Bundesregierung daempfend auf die Konjunktur. Ebenso wie der DGB sagt auch das Deutsche Institut fuer Wirtschaftsforschung dramatisch steigende Arbeitslosenzahlen voraus. Eine Halbierung der Arbeitslosenzahl bis zum Jahr 2000, wie sie die Bundesregierung anstrebt, ist nach Ueberzeugung des Berliner Instituts nicht zu schaffen.


Experten erwarten dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent

Berlin. Der von der Bundesregierung erwartete Wirtschaftsaufschwung wird nach Ansicht von Wissenschaftlern ausbleiben. Mit einem Wirtschaftswachstum von zwei Prozent rechnen die Forscher des Deutschen Instituts fuer Wirtschaftsforschung und daher wie sie sagen mit viel zu wenig. Denn dieses Wachstum reiche weder aus, um den Arbeitsmarkt zu entlasten, noch wuerden damit die immer noch bestehenden Herausforderungen der deutschen Einigung geschultert. Die Arbeitslosigkeit werde im Osten wie im Westen steigen und einen Spitzenwert von 4,5 Mio. Menschen ohne Beschaeftigung erreichen, wobei der Westen des Landes leicht profitiert, von einer belebten Auslandskonjunktur und einer abgewerteten D-Mark. Der Osten der Republik hingegen tritt auf der Stelle.


Flugzeugentfuehrung nach Berlin endet unblutig

Wien/Berlin. Ohne Blutvergiessen ist am Mittag in Berlin eine Flugzeug- entfuehrung zuende gegangen. Nur zwei Minuten nachdem die Maschine gelandet war, konnte ein Spezialeinsatzkommando der Polizei den Luftpiraten, der nur mit einem Messer bewaffnet war, ueberwaeltigen und festnehmen. Verletzt wurde niemand. Der 39-jaehrige Taeter stammt aus Bosnien und war schon zu DDR-Zeiten als Arbeiter in die Hansestadt Rostock gekommen. Spaeter ist er dann erneut 1992 ins Bundesgebiet eingereist. Bei ihm handelt es sich um keinen Buergerkriegsfluechtling, wie die Auslaenderbehoerde bestaetigte. Weitere Informationen wollte man aber nicht mitteilen. Er hatte eine Linienmaschine der oesterreichischen Fluggesellschaft Austrian Airlines beim Anflug auf Wien in seine Gewalt gebracht und zur Umkehr nach Berlin/Tegel gezwungen. An Bord der McDonald Douglas 87 waren 28 Passagiere und fuenf Besatzungsmitglieder. Der Mann hatte in Deutschland einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt wurde. Nach Angaben der Justiz muss er mit der Abschiebung rechnen. Mit der Entfuehrung wollte der Taeter eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung erzwingen. Kurz nach seiner ersten Vernehmung noch im Flughafengebaeude wurde der Mann in Untersuchungshaft gebracht. Jetzt wird unter anderem zu klaeren sein, wie es dem Entfuehrer gelang, Knueppel und Messer durch die Kontrollen zu schmuggeln. Morgen soll der Beschuldigte einem Haftrichter vorgefuehrt werden. Der Vorwurf lautet unter anderem auf schweren Eingriff in den Luftverkehr. Sollte er verurteilt werden, drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft.


Hartmannbund fordert Ende der Budgetierung

Bonn. Die Aerztevertretung Hartmannbund fordert ein Ende der Budgetierung fuer niedergelassene Aerzte. Das erste Jahr des neuen Abrechnungssystems habe gezeigt, dass die medizinischen Leistungen nicht weiter eingeschraenkt werden koennten.


Mehr als 40.000 Frauen in Frauenhaeuser gefluechtet

Frankfurt. Mehr als 40.000 Frauen und ihre Kinder sind im vergangenen Jahr vor ihren pruegelnden Maennern in Frauenhaeuser gefluechtet. Der paritaetische Wohlfahrtsverband kritisiert, dass die Frauenhaeuser nur unzureichend gefoerdert wuerden.


Steuerreformkommission hat Beratungen wieder aufgenommen

Bonn. Die Steuerreformkommission hat die Beratungen wieder aufgenommen. Bis zum Monatsende sollen die Entscheidungen zur grossen Einkommen- und Koerperschaftssteuerreform vorbereitet werden. Finanzminister Waigel stellte aber klar, dass der Solidaritaetszuschlag nur stufenweise abgebaut werden koenne.


Nicht mehr Geld fuer die neuen Laender

Berlin. Fuer die neuen Laender wird es auch im kommenden Jahr nicht mehr Geld geben. Kanzleramtsminister Bohl sagte, die Mittel aus dem Bundesetat seien erschoepft.


Hamburger Justizsenator will Urlaubsregelung fuer Haeftlinge ueberpruefen

Hamburg. Der Hamburger Justizsenator will die Urlaubsregelung fuer Haeftlinge ueberpruefen lassen. Drei Insassen der Strafanstalt Buettel waren in den letzten Tagen von Freigaengen nicht zurueckgekehrt. Justizsenator Wolfgang Riehm (sp?) liess sich immerhin zu dieser bedauernden Aeusserung hinreissen. Er wolle im Nachhinein gar nicht sagen, dass alles, was da passiert sei, richtig gelaufen ist, allerdings, Risiken seien bei Vollzugslockerungen seien nicht vermeidbar, sie muessten nur minimiert werden. Es werde an dem Grundsatz festgehalten, sagte der Justizsenator, dass Gefangene gegen Ende ihrer Haft wieder auf das Leben in Freiheit vorbereitet werden. Von dem geflohenen Uwe Zimmermann geht nach Einschaetzung des Leiters der Strafvollzugsanstalt Zwei keine Gefahr aus. Er habe seinerzeit den Mord als Beziehungstat im Affekt begangen.


Quellen

SWF3:    08:30 MEZ    16:00 MEZ    18:00 MEZ
Radio 7:    17:00 MEZ
B 5:    08:45 MEZ    15:15 MEZ    17:15 MEZ