GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Sa, 04.07.1998



* Widerstand bei Gewerkschaften gegen SPD-Schattenwirtschaftsminister
* Kinkel: Jugoslawien soll Mitglied in der OSZE werden
* Schaeuble warnt vor Auseinanderbrechen der Union
* Bund der Vertriebenen zu deutsch-polnischen Differenzen
* Gruene wollen generelles Tempolimit einfuehren
* Jugendliche Straftaeter sollen Gitterluft schnuppern
* Verschaerfte Sicherheitsvorkehrungen in Lyon vor WM-Spiel
* Fussball-WM: Viertelfinale



Widerstand bei Gewerkschaften gegen SPD-Schattenwirtschaftsminister

Jost Stollmann hat einen schweren Stand. Der 43jaehrige Unternehmer soll nach einem Wahlsieg der Sozialdemokraten Wirtschaftsminister werden. So wollen es SPD-Kanzlerkandidat Schroeder und auch Parteichef Lafontaine. Von Anfang an regte sich auch innerhalb der SPD Widerstand gegen den parteilosen Stollmann. Jetzt kommt auch Kritik von Seiten der Gewerkschaften. Nach Informationen der Zeitung "Bild am Sonntag" hat DGB-Chef Schulte gestern nach einer Sitzung des DGB-Bundesvorstandes zugesagt, mit Schroeder und SPD-Chef Lafontaine darueber zu verhandeln, dass Stollmann aus dem Schattenkabinett zurueckgezogen wird. Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt Wiesehuegel forderte Stollmann auf, von sich aus zu gehen. Dem Nachrichtenmagazin FOCUS sagte Wiesehuegel, er habe grundsaetzliche Zweifel an der Qualifikation Stollmanns fuer das Amt des Wirtschaftsministers. Er koenne ein hervorragender Unternehmer und gleichzeitig ein schlechter Politiker sein, sagte Wiesehuegel. Nach den Vorstellungen der DGB-Vorstandsmitglieder soll nun zumindest verhindert werden, dass Stollmann neben dem Ressort Wirtschaft auch noch der Bereich Technologie zugesprochen wird. Veraergert sind die Gewerkschafter vor allem, weil Stollmann ihrer Meinung nach mit seinen Aussagen zum Buendnis fuer Arbeit, zur Lohnfortzahlung oder zur Mitbestimmung der Kampagne des DGB fuer einen Politikwechsel in Bonn den Boden entzieht. Ein Gewerkschaftsvorsitzender sagte zu Bild am Sonntag: "Wir geben doch nicht acht Millionen DM aus, um dann einen SPD-Wirtschaftsminister zu haben, der nicht fuer unsere Ziele steht."


Kinkel: Jugoslawien soll Mitglied in der OSZE werden

Auf der Suche nach einer Loesung im Kosovo-Konflikt hat Bundesaussenminister Kinkel vorgeschlagen, die Organisation fuer Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa staerker einzubeziehen. Kinkels Plan: Jugoslawien koennte Mitglied der OSZE werden und muesste dafuer Missionen der Organisation im Kosovo akzeptieren.


Schaeuble warnt vor Auseinanderbrechen der Union

Wolfgang Schaeulbe macht sich anscheinend Sorgen um die Unionsparteien. In einem Interview mit dem Magazin "FOCUS" erklaerte der Fraktionschef der CDU/CSU im Bundestag, natuerlich konzentriere er sich darauf, dass die Koalition die Wahl gewinne. Dennoch machte Schaeuble sich aber auch oeffentlich Gedanken darueber, was aus der Union wird, wenn sie am 27. September unterliegt. In diesem Falle schliesst er offenbar ein Auseinanderbrechen der Union nicht mehr aus. Er rief dazu aus, die Union als integrierende Volkspartei der Mitte unbedingt zu erhalten. Das sei fuer die Stabilitaet des demokratischen Systems der Bundesrepublik ungeheur wichtig. Eine Aufloesung der Union in mehrere buergerliche Gruppierungen muesse auf alle Faelle verhindert werden. Das wuerde nur die Parteien am linken und rechten Spektrum staerken, so Schaeuble. In diesem Zusammenhang wies der designierte Kohl-Nachfolger erneut zu einem staerker auf Inhalte ausgerichteten Wahlkampf auf. Wohl auch im Hinblick auf die umstrittene sogenannte "Rote-Haende-Kampagne" der Union sagte Schaeuble, in der ersten Mobilisierungsphase seien bestimmte Plakate richtig. Aber dies koenne nicht das tragende Element im Wahlkampf der Union sein. Dafuer brauche die Union politische Substanz. Damit will Schaeuble die Sozialdemokraten in die Bredouille bringen. Denn seiner Auffassung nach ist die Frage nach den politischen Inhalten fuer die SPD lebensgefaehrlich. Bereits vor Monaten hatte Schaeuble in einem internen Papier CDU und CSU dazu gedraengt, die Wahlkampftaktik zu aendern und mehr auf Inhalte zu setzen.


Bund der Vertriebenen zu deutsch-polnischen Differenzen

Selten zuvor waren die deutsch-polnischen Beziehungen so freundschaftlich wie in letzter Zeit. Ein Schatten ueber diese Harmonie wirft allerdings die gestern verabschiedete Entschliessung des polnischen Parlamentes, die die Vertriebenenerklaerung des Bundestages scharf kritisiert. Oel ins Feuer goss nun auch noch der Bund der Vertriebenen. Der Bund der Vertriebenen schade der deutschen Aussenpolitik. So ein Sprecher des Bonner Aussenministeriums gegenueber der Stuttgarter Zeitung "Sonntag aktuell". Die Forderungen von Erika Steinbach, CDU-Bundestagsabgeordnete und Praesidentin des Bundes der Vertriebenen, seien unverantwortlich und vergifteten die Atmosphaere. Steinbach hatte den Beschluss des polnischen Parlaments gestern als voellig unverstaendlich bezeichnet und erklaert, auf diese Weise werde Polen den Weg nach Europa nicht gehen koennen. Die Vertriebenen werfen der Bundesregierung vor, sich nicht genug fuer ihr Anliegen einzusetzen. Sie fordern ihr frueheres Eigentum zurueck, beziehungsweise die Zahlung von Entschaedigungen. So weit ging die Entschliessung des Bundestages vom 29. Mai nicht, auch wenn das polnische Parlament darin Zweideutigkeiten und, so woertlich, "gefaehrliche Tendenzen" entdeckt hatte. In der Bonner Entschliessung, die mit den Stimmen der Koalition verabschiedet worden war, wird die Vertreibung der Deutschen nach dem zweiten Weltkrieg als voelkerrechtswidrig bezeichnet und es wird erklaert, dass sich die Vertriebenen im Zuge der EU-Erweiterung in Polen und in Tschechien wieder frei niederlassen koennten. Der aussenpolitische Sprecher der Union, Karl Lamers, versucht mittlerweile, die Diskussion zu entspannen. Er gibt sich in der "Neuen Osnabruecker Zeitung" zuversichtlich, dass die Beziehungen beider Laender nicht leiden werden und keine Auswirkungen auf die EU-Beitrittsverhandlungen zu erwarten seien.


Gruene wollen generelles Tempolimit einfuehren

Nach der Diskussion um Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften gehen die Gruenen jetzt noch einen Schritt weiter. Im Falle einer rot-gruenen Koalition nach der Bundestagswahl wollen sie auch auf Autobahnen ein generelles Tempolimit einfuehren. 100 Stundenkilometer sollen dort nur noch erlaubt sein, so die verkehrspolitische Sprecherin der Partei in einem Zeitungsinterview. Ausserdem fordern Buendnis 90 / Die Gruenen eine kilometerabhaengige Abgabe fuer LKW. Mit dieser Massnahme sollen die Transporte verstaerkt auf Schiene und Wasserstrassen verlagert werden, sagte Gruenen-Politikerin Gila Altmann der "Hannoverschen Neuen Presse". Denn allein eine Erhoehung der Mineraloelsteuer braechte nichts. Der "Bild-Zeitung" sagte die Sprecherin, ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen sei wichtigstes Ziel. In Koalitionsverhandlungen mit der SPD wollten die Gruenen versuchen, Tempo 100 auf Autobahnen und 80 auf Landstrassen durchzusetzen. Die SPD lehnt solche generellen Geschwindigkeitsbegrenzungen ab. Der rheinland-pfaelzische Ministerpraesident Kurt Beck sagte derselben Zeitung woertlich: "Tempolimits sind keine ideologische, sondern eine praktische Angelegenheit. Ueber Beschraenkungen sollte mit Blick auf konkrete Einzelsituationen entschieden werden." Das Bundesumweltamt hatte in dieser Woche die Einfuehrung von Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften mit Ausnahme von Hauptverkehrsstrassen gefordert. Der Studie zufolge wuerden damit Unfaelle, Laerm und Schadstoffe deutlich verringert. Am praegnantesten auesserte sich die CSU: Sie sei die Partei der Autofahrer und wolle freie Fahrt fuer freie Buerger, erklaerte ihr Generalsekretaer Bernd Protzner und warnte vor Obrigkeitsstaatlichkeit und Gaengelung.


Jugendliche Straftaeter sollen Gitterluft schnuppern

Lieb will Jugendliche Gitterluft schnuppern lassen. Mit dieser Formulierung hat sich der bayerische Justizminister fuer die Schaffung eines Einstiegsarrests fuer jugendliche Straftaeter ausgesprochen. Lieb will die Jugendlichen bis zu vier Wochen ins Gefaengnis stecken. Davon gehe ein deutlicheres Warnsignal aus, als von einer Bewaehrungsstrafe, sagte er auf der Landesversammlung der CSU-Juristen in Ingolstadt.


Verschaerfte Sicherheitsvorkehrungen in Lyon vor WM-Spiel

Vor dem WM-Viertelfinalspiel zwischen Deutschland und Kroatien in Lyon wurden etwa 10.000 Fussballanhaenger aus Deutschland vor Ort erwartet. Viele der Fans hatten voraussichtlich keine Eintrittskarte fuer das Stadion. In der Innenstadt wurden nicht wie urspruenglich geplant grosse Leinwaende aufgestellt. Die Uebertragungen wurden abgesagt, weil die Sicherheitskraefte Ausschreitungen von Hooligans befuerchteten. Obwohl viele gewaltbereite Krawallmacher wegen Meldeauflagen in Deutschland bleiben mussten, rechnete die Polizei damit, dass hundert bis dreihundert Hooligans nach Lyon kommen werden. Die Praefektur der Rhone-Stadt teilte mit, dass mehr als 2.000 Polizisten im Einsatz sein wuerden, um Ausschreitungen schon im Keim zu ersticken. 18 deutsche Polizeibeamte unterstuetzen die franzoesischen Sicherheitskraefte. Ab 16:00 Uhr durfte in der Naehe des Stadions und im Umkreis der Bahnhoefe keine Alkohol mehr verkauft oder ausgeschenkt werden. In der ganzen Stadt wurde die Sperrstunde auf 23 Uhr vorgezogen, die Diskotheken blieben am Abend geschlossen. In Paris haben die franzoesischen Fans bis tief in die Nacht den Erfolg der Equipe Tricolore gegen die italienische Mannschaft und den Einzug ins WM-Halbfinale gefeiert. Auf den Champs-Elysees war zwischen hupenden Autos und singenden Jugendlichen kein Durchkommen. Trotz der Enttaeuschung ueber das Ausscheiden ihres Teams nahmen auch zahlreiche italienische Fans an den ausgelassenen Feiern teil.


Fussball-WM: Viertelfinale

Niederlande - Argentinien   2:1
Deutschland - Kroatien      0:3



Quellen

B5    11:00 MESZ    19:30 MESZ
B3    12:00 MESZ