GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Sa, 15.04.1995



* Herzlichen Glueckwunsch, Richard von Weizsaecker !
* Papst geht den Kreuzweg im Kolosseum
* FDP will Staatsausgaben senken
* BDI warnt vor Fehlinterpretation der Konjunktur
* Deutsche Post AG bestellt Sortiermaschinen bei Siemens
* Computerschrott wird zum Problem
* Gasexplosion in Neuruppin
* Brandanschlaege auf tuerkische Einrichtungen in Koeln
* Zahl der Drogentoten sinkt weiter
* Bayern Muenchen - die Pappnasen der Saison
* Fussballbundesliga



Herzlichen Glueckwunsch, Richard von Weizsaecker !

Richard von Weizsaecker ist heute 75 Jahre alt. Er wurde am 15.4.1920 in Stuttgart geboren, war 10 Jahre lang Bundespraesident und mit Besonnenheit, diplomatischem Geschick und moralischer Integritaet erwarb er sich in der ganzen Welt hohes Ansehen. Man sagt auch gerne von ihm, er sei ein Politiker der alten Schule.

Es war beim Besuch des amerikanischen Praesidenten in Berlin im letzten Sommer. Bill Clinton hat seine Rede vor dem Brandenburger Tor beendet "Berlin ist frei !", die Ehrengaeste erhoben sich zum Smalltalk und warteten auf offiziellen Abtransport. Nur einer von ihnen wartete nicht mit. Er verabschiedete sich von seinen Nachbarn, schlenderte beiseite, setzte ploetzlich mit einer eleganten Flanke ueber ein Absperrgitter und schlug sich in die Buesche Richtung Buero am Kupfergraben. "Hoffentlich", sagte er dort angekommen zu seinen Mitarbeitern, "hoffentlich hat das kein Fotograf gesehen".

Drei Tage spaeter kam ein Brief. Inhalt: einige freundliche Saetze und ein Foto. Es zeigt den Mann mit wehenden weissen Haaren in der Luft bei seiner Flanke ueber dem Absperrgitter. Da freute er sich herzlich. Der Mann heisst Richard von Weizsaecker.

Die Geschichte - sie trug sich genau so zu - verraet eine Menge ueber die innere Verfassung unseres Altpraesidenten. Er selbst beschreibt sich als Zustand heiterer Gelassenheit. Er geniesse es, nicht mehr im Rampenlicht zu stehen, sagte er. Aber er geniesst es auch, wenn ihn die Leute auf der Strasse erkennen und ihn ansprechen. Vieles erledigt er zu Fuss von seinem Buero aus, gleich gegenueber dem Pergamonmuseum in einem wunderschoen renovierten alten Haus, in dem 1842 Gustav Magnus das erste physikalische Institut in Deutschland gruendete. Und so kommt es immer wieder vor, dass ihn Passanten auf der Strasse fragen: "Sind Sie's wirklich ?" - "Ja, ja", sagt er dann, "ich bin's" und freut sich, dass ihn die Menschen schaetzen.

20 bis 30 Briefe erhaelt er pro Tag von Buergern, die ihn um Rat fragen oder um Hilfe bitten, oder die ihn nur einfach gruessen. Sein Buero, eine Sekretaerin und ein aus der Protokollabteilung des Auswaertigen Amtes abgestellter Diplomat kommen mit den Antworten kaum nach. Und so beantwortet er viele Briefe selbst handschriftlich - "Ihr Richard von Weizsaecker".

Nein - Entzugserscheinungen verspuert er keine, die Politik vermisst er nicht. Neuneinhalb Monate ist es nun her, dass er aus dem Amte schied. Er hat die Zeit seither konsequent zu nutzen versucht, um seine Batterien wieder aufzuladen. Zehn Jahre an der Spitze des Staates, zwei Amtsperioden im Gegensatz zu seinen Vorgaengern Heinemann, Scheel und Carstens, das hat Kraft gekostet, ist an die Substanz gegangen, auch wenn das Amt an sich keine politische Macht verleiht. Aufgeladen hat Richard von Weizsaecker, indem er viel Sport trieb. Man merkts - die 75 sieht man ihm nicht an. Und - indem er systematisch Gedanken, Notizen und amtliche Hinterlassenschaften geordnet hat. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft soll daraus ein Buch entstehen. "Memoiren" oder seine "politischen Erfahrungen", dass weiss er noch nicht ganz genau. Jedenfalls soll es kein "dicker Waelzer" werden. Mit politischen Auftritten und Aeusserungen haelt er sich bewusst zurueck. Schliesslich ist er jetzt, was man einen Privatmann nennt. Aber seine Meinung kriegen die, die es angeht, schon noch dann und wann zu hoeren. Auch als Rentner bleibt Richard von Weizsaecker, was er ein Leben lang war: Ein homo politicus.

Die grosse Rede zum 50. Jahrestag des Kriegsendes hat Richard von Weizsaecker eigentlich schon vor zehn Jahren gehalten: Damals, 1985 gab er die Antwort auf den Streit von 1995. Seine Worte ueber den 8. Mai 1945 als "Tag der Befreiung" sind in der ganzen Welt gehoert und in zwanzig Sprachen uebersetzt worden - die Sprache, die man in der politischen Rechten Deutschlands verstehen will, war aber offenbar nicht dabei. Auch von Politikern aus der Partei Weizsaeckers, der CDU, ist naemlich juengst ein Aufruf unterschrieben worden, in dem vom "Selbstverstaendnis einer selbstbewussten Nation" gesprochen wird - welches offenbar Beschoenigung und Relativierung der Naziverbrechen erfordert. Weizsaecker hat dazu beizeiten das Richtige gesagt, noch bevor das "Wir sind wieder wer"-Gefuehl so manche Leute trunken machte.

Weizsaecker besitzt in hohem Masse die Gabe, fuer sich einzunehmen: deshalb gelangen ihm in seiner zehnjaehrigen Amtszeit als Bundespraesident auch heikle Entscheidungen - die Begnadigung ehemaliger RAF-Terroristen zum Beispiel. Es wurde ihm vorgehalten, dass er diese Gabe noch mehr haette nutzen koennen: etwa im Streit um das Asylrecht und auch gegen die Auslaenderfeindlichkeit.

In der Tat ist Weizsaeckers Ton bei diesen Themen schaefer geworden, seidem er Albundespraesident ist. Juengst hat seine vehemente Forderung nach Einfuehrung der doppelten Staatsbuergerschaft aufhorchen lassen. Deutlich waren seine Mahnungen freilich auch schon zu Amtszeiten, wenn er immer wieder darauf hinwies, dass das Grundgesetz von der "Wuerde des Menschen" und nicht von der "Wuerde der Deutschen" spricht. Weizsaecker konnte und kann Orienterungshilfe geben - weil er Autoritaet, Integritaet und Lebensklugheit vereint. In seiner Zeit als Praesident, in der Politikverdrossenheit das Modewort war, wurde an allem und jedem in der Politik gemaekelt: an ihm nicht. Hellsichtig warnte er nach dem Fall der Berliner Mauer vor neuer Entfremdung zwischen den Menschen in Ost und West, wollte er - zu Recht - den Menschen im Osten das Gefuehl ersparen, vierzig Jahre lang vergeblich gelebt und alles falsch gemacht zu haben. Wer die Sensibilitaet Richard von Weizsaeckers mit Sanftmut und Weichheit verwechselt, der taeuscht sich. Konflikte scheute Weizsaecker nie; er pflegte sie freilich nicht mit der Doppelaxt auszutragen. In der CDU war er wohl der einzige, der Helmut Kohl erfolgreich Paroli bot. Ohne Ehrgeiz und feinen Machtinstinkt haette der sueddeutsche Aristokrat seinen Weg nicht gemacht: von vielgeruehmten Infanterieregiment 9 (das 19 Offiziere im Widerstand verloren hat) zu Mannesmann, vom Industriellen zum Privatbankier, von kleine Bruder des grossen Physikers und Philosophen Carl Friedrich von Weizsaecker zum populaersten deutschen Politiker.

Ein einzige Mal hat Weizsaecker alle Zurueckhaltung eines Praesidenten, auch die gebotene, fallen lassen und mit der Doppelaxt gekaempft - als er mit Macht fuer Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz Partei ergriff. Da war Liebe im Spiel, die Liebe eines Mannes zu einer Stadt, in der er zur Schule gegangen war, in der er fuenf Jahre lang Oppositionsfuehrer und in der er Regierender Buergermeister war.

Dem Praesidenten - auch dem Altbundespraesidenten - sind so viele und so schoene Kraenze geflochten worden wie keinem anderen deutschen Politiker der Nachkriegszeit. Er hat sie verdient, weil er den Buergern gezeigt hat, dass Ehrlichkeit und Politik gut zusammenpassen. Um gehoert zu werden, braucht Richard von Weizsaecker sein Amt nicht mehr. Auch das hat er sich verdient. Wir hoeren ihn gerne - auch nach seinem 75. Geburtstag, den er am heutigen Samstag begeht - Herzlichen Glueckwunsch, Richard von Weizsaecker !

Fuehrende Politiker wuerdigten zum 75. Geburtstag die Leistungen Weizsaeckers. Sein Nachfolger Roman Herzog sagte, Weizsaeckers Leben habe ganz im Dienste der Republik gestanden. Im Wortlaut schrieb Herzog an Weizsaecker: "Ihr Leben bezeugt, dass Sie im hoechsten Masse die Gabe hatten, Verantwortung fuer unsere Gesellschaft und unseren Staat zu tragen." SPD-Chef Scharping sagte, Weizsaecker habe durch seine Persoenlichkeit und durch die Kraft des Wortes das Ansehen Deutschlands nach Innen wie nach Aussen gepraegt. Der fruehere Aussenminister Hans-Dietrich Genscher nannte Weizsaecker einen Gluecksfall fuer Deutschland, der in unvergleichlicher Weise fuer die innere Integration der Deutschen gewirkt habe.


Papst geht den Kreuzweg im Kolosseum

Rom. An die tragischen Ereignisse vor 50 Jahren und an das Leiden in gegenwaertigen Kriegen hat Papst Johannes Paul II beim traditionellen Kreuzweg im roemischen Kolosseum erinnert. Der Kreuzweg 1995 verweise auf das schreckliche Konzentrationslager Auschwitz, die Zerstoerung Dresdens und den Atombombenabwurf auf Hiroshima, sagte der Papst gestern Abend bei der liturgischen Feier, zu der sich trotz stroemenden Regens mehrere tausend Glaeubige um die antike Arena versammelt hatten. Johannes Paul II verwies auch auf die Opfer gegenwaertiger Kriege und Konflikte wie in Bosnien, Tschetschenien, Ruanda, Burundi, Somalia und im Nahen Osten. Mit seiner Ansprache am Ende des Kreuzweges gedachte der Papst der unzaehligen Christen, die in der Fruehzeit der Kirche in Rom und dann im Laufe der Jahrhunderte an vielen anderen Orten der Erde ihr Leben fuer Christus hingegeben haben.


FDP will Staatsausgaben senken

Die Freien Demokraten wollen nach Ostern in der Bonner Koalition einen Vorstoss zum Abbau der Staatsausgaben unternehmen. Dies kuendigte FDP-Generalsekretaer Westerwelle in einem Gespraech mit der Nachrichtenagentur ddp/adn an. Nach seinen Worten wollen die Liberalen unter anderem durchsetzen, dass ausgabenwirksame Gesetze auf fuenf Jahre befristet werden.


BDI warnt vor Fehlinterpretation der Konjunktur

Der Bundesverband der deutschen Industrie hat vor einer Fehlinterpretation der Konjunktur gewarnt. Zwar koennten die prognostizierten drei Prozent Wachstum in diesem Jahr angesichts der derzeitigen Auftragslage erreicht werden, sagte der BDI-Praesident Henkel heute in Koeln der Nachrichtenagentur ddp/adn. Viel wichtiger sei jedoch die Frage, ob es danach zu einem weiteren Konjunkturanstieg oder aber einer deutlich nachlassenden Dynamik der Wirtschaftsentwicklung komme. Henkel unterstrich, die hohen Kostenbelastungen deutscher Unternehmen seien durch die starke Mark und die diesjaehrigen Tarifabschluesse noch weiter verschaerft worden. Es bestehe die Gefahr, dass immer mehr Firmen ihre Produktion ins Ausland verlagerten.


Deutsche Post AG bestellt Sortiermaschinen bei Siemens

Die Deutsche Post AG hat beim Siemenskonzern 178 Grossbrief-Sortiermaschinen bestellt. In Muenchen wurde heute mitgeteilt, nach einer europaweiten Ausschreibung habe Siemens den Zuschlag fuer das Geschaeft in einem Gesamtwert von rund 400 Millionen DM erhalten. Die Sortiermaschinen sollen bis 1999 ausgeliefert werden.


Computerschrott wird zum Problem

Die Zunahme von Computerschrott auf eine Jahresmenge von bis zu 1.8 Millionen Tonnen duerfte zu erheblichen Problemen in der Kreislaufwirtschaft fuehren. Darauf verwies die Bundesvereinigung mittelstaendischer Elektro- und Elektronikentsorgungs- und -Verwertungsunternehmen. In der in Suhl erscheinenden Tageszeitung "Freies Wort" kritisierte der Verband die Bundesregierung, die hier die zuegige Schaffung von bis zu 20.000 neuen Arbeitsplaetzen verhindere. Die laengst ueberfaellige Elektronikschrottverordnung sei trotz aufwendiger Vorleistungen des Mittelstandes noch immer nicht verabschiedet. Von dem derzeit anfallenden Computerschrott, so heisst es weiter, gelange zur Zeit nur etwa zehn Prozent in den ordnungsgemaessen Rueckbau. Der Rest werde als Sperrmuell oder in Verbrennungsanlagen entsorgt.


Gasexplosion in Neuruppin

Neuruppin. Nach der Gasexplosion in einem Wohnhaus in der brandenburgischen Stadt Neuruppin werden noch immer zwei Menschen vermisst. Wegen Einsturzgefahr wurde die Suche nach ihnen am fruehen Morgen vorlaeufig unterbrochen. Bei dem Unglueck waren gestern vier Bewohner getoetet und neun schwer verletzt worden. Die Ursache der Explosion ist noch ungeklaert.


Brandanschlaege auf tuerkische Einrichtungen in Koeln

Koeln. Fast gleichzeitig sind in der vergangenen Nacht in der Koelner Innenstadt Brandanschlaege auf fuenf tuerkische Einrichtung veruebt worden. Wie die Polizei mitteilte, entstand in allen Faellen geringer Sachschaden, da die Brandsaezte an den gesicherten Glasscheiben und Rollaeden abprallten. An den Tatorten seien Symbole einer linksextremen tuerkischen Organisation gefunden worden. Die Polizei nahm insgesamt neun verdaechtige Personen fest.


Zahl der Drogentoten sinkt weiter

Bonn. Die Zahl der Drogentoten in der Bundesrepublik ist weiter gesunken. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden 322 Menschen Opfer ihrer Rauschgiftsucht. Das sind rund 14% weniger als im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres. Nach Angaben des Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Lindner, ist auch die von der Polizei registrierte Zahl von Erstkonsumenten harter Drogen zurueckgegangen. Die staerkere Anwendunge von Programmen mit dem Ersatzstoff Methodon und der Trend bei jungen Menschen zu gesundheitsorientierter Lebensweise spielte bei dieser Entwicklung nach Ansicht Lindners eine Rolle.


Bayern Muenchen - die Pappnasen der Saison

Heute Abend gewann Bayern Muenchen ein Bundesligaspiel. Das aber interessiert niemand. Denn die Bayern-Fuehrungsriege hat vier Vertragsamateure eingesetzt - und das ist nur mit vorheriger Genehmigung erlaubt. Nach dem Spiel nahmen Trainer und Manager die Schuld auf sich. Ja, wir haben einen vierten Vertragsamateur eingesetzt, obwohl wir keine Sondergenehmigung vom DFB hatten. Klartext: weil die hochbezahlte Fuehrungsriege hochgradig gepennt hat, gehen nicht nur die zwei Punkte floeten, sondern auch moeglicherweise auch die Teilnahme am UEFA-Cup. Was fast genauso schlimm ist: ueber diesen Faux-pas lacht nun ganz Fussballdeutschland. Die Bayern - bis auf die Knochen blamiert. Dass so etwas dem Rekordmeister passiert, eine Sensation. Nach dem Schlusspfiff sagte Manager Ulli Hoeness: "ich muss ehrlich zugeben, ich habe ueberhaupt keine Sekunde daran gedacht." Die Frankfurter Eintracht, der Gegner des heutigen Spieltages, hat nun Protest gegen die Spielwerung eingelegt.


Fussballbundesliga

1.FC Koeln - SV Werder Bremen               1:1
1.FC Kaiserlautern - Dresden                3:1
MSV Dusiburg - Borussia M'Gladbah           0:2
Vfb Stuttgart - 1.FC Schalke 04             1:1
Eintracht Frankfurt - 1.FC Bayern Muenchen  2:5



Quellen

SDR 3    9:00 MESZ    15:00 MESZ
B5    9:30 MESZ
DLF    10:00 MESZ
Antenne Bayern    17:00 MESZ