GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Fr, 20.06.1997



* Bundesregierung plant Nachtragshaushalt
* Diskussion ueber das Transplantationsgesetz
* Vor dem G8-Gipfel in Denver
* Evangelischer Kirchentag in Leipzig
* Daimler stellt in Sindelfingen 400 Arbeitnehmer ein
* IG Metall gegen generelle Oeffnungsklauseln
* Boerse



Bundesregierung plant Nachtragshaushalt

Schon lange Zeit ist nicht mehr die Rede von "der grossen Steuerreform", die ab 1999 das System vereinfachen helfe und alle entlaste. Angesichts der riesigen Haushaltsloecher will die Koalition schon im kommenden Jahr Steueraenderungen vornehmen - und die gehen sogar zu Lasten grosser Unternehmen. Fuer das laufende Jahr hat jetzt Kanzleramtsminister Bohl auch noch Etat-Nachbesserungen angekuendigt. Im Rahmen eines Nachtragshaushaltes will die Bundesregierung in diesem Jahr noch hoehere Kredite aufnehmen als bisher vorgesehen. Diese Ankuendigung von Kanzleramtsminister Friedrich Bohl wird im Finanzministerium ergaenzt mit dem Eingestaendnis, dass anders die Luecken im Haushalt des laufenden Jahres nicht geschlossen werden koennen. Ueber die Hoehe der zusaetzlichen Schuldenaufnahme gibt es zwar noch keine Angaben, doch beabsichtigt die Bundesregierung aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit eine sogenannte Stoerung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen zu lassen und sich damit die Moeglichkeit zu verschaffen, mehr Kredite aufzunehmen als an Investitionen im Etat dieses Jahres vorgesehen sind. Der Finanzausschuss des Bundestages hatte zuvor mit der Mehrheit der Koalition Beschluesse gefasst, die dazu beitragen sollen, eine aehnliche Situation im Wahljahr 1998 zu vermeiden. Durch eine Verschlechterung der Regelungen fuer Verlust, Rueck- und Vortraege, eine Beschraenkung der steuerfreien Ruecklagen der Kernkraftwerksbetreiber und weitere Massnahmen zu Lasten der Wirtschaft will der Bund etwa vier Milliarden DM zusaetzlich an Steuern einnehmen. Die mittelstaendische Wirtschaft soll durch entsprechende Schwellenwerte jedoch vor einer Schlechterstellung bewahrt werden. Vorschlaege, den Sparerfreibetrag schon 1998 zu halbieren und nicht erst 1999, lehnte der Ausschuss ebenso ab, wie die Einfuehrung einer Steuer auf Lebensversicherungen im Rahmen schon der Steuerreform 1998. Die SPD hat angekuendigt, diese Plaene abzulehnen. In Regierungskreisen hofft man jedoch darauf, die sozialdemokratische Ablehnungsfront im Bundesrat aufbrechen zu koennen.


Diskussion ueber das Transplantationsgesetz

Am kommenden Mittwoch wird der Bundestag ueber das Transplantationsgesetz entscheiden. Heute haben Vertreter aller Fraktionen einen Antrag vorgelegt, der nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Seehofer zur Zwei-Klassenmedizin fuehren werde, weil nach Annahme des Antrages noch mehr Organe fehlen wuerden und nur Vermoegendere koennten sich dadurch helfen, dass sie die Operationen im Ausland vornehmen liessen. Rechtssicherheit und Vertrauen kann es nur geben, wenn der Wille des Organspenders im Mittelpunkt steht. Da sind sich die Verfechter des Gruppenantrages zum neuen Transplantationsgesetz einig. Sie kommen aus allen Bundestagsfraktionen und wollen, wie Gerald Hefner vom Buendnis 90 / Die Gruenen erklaert, den Ausfall der Hirnfunktionen nicht mit dem Tod eines Menschen gleichsetzen. "Sterben ist ein Prozess und nicht ein punktueller Vorgang. Und niemand von uns weiss, was im Sterbenden und mit ihm vorgeht." Deshalb, so Hefner, duerfe der Gesetzgeber die umstrittene Gleichsetzung vom sogenannten Hirntod mit dem Tod nicht festschreiben. Edzard Schmidt-Jortzig, FDP-Abgeordneter, Rechtsprofessor und Bundesjustizminister ist der gleichen Meinung. "Wenn dem so ist, dass der Ganzheitstod des Menschen, das endgueltige Ende seines Lebens, noch nicht mit dem Hirntod eingetreten ist, dann kann es nach meiner, nach unserer Auffassung nur so sein, dass er selbst im Sinne seines Selbstbestimmungsrechts, im Sinne seines Persoenlichkeitsrechts ueber diese Phase bestimmen kann, die Phase zwischen Hirntod und Ganzheitstod." Wie aber ein potentieller Spender seinen Willen dartun soll, ob hoechstpersoenlich und schriftlich oder unter Zeugen, da sind die Antragssteller verschiedener Meinung. Deshalb ist noch unklar, wie der Bundestag in der kommenden Woche darueber abstimmen wird. Die Gegenseite ist parteipolitisch ebenfalls bunt gemischt. Parlamentarier von CSU, SPD und FDP sehen im Hirntod den Tod des Menschen. Ihrer Meinung nach duerfen auch Angehoerige ueber die Organentnahme bei einem Familienmitglied entscheiden.


Vor dem G8-Gipfel in Denver

In Denver beginnt am Abend der erste G8-Gipfel. Noch ist zwar nicht geklaert, ob Russland offiziell in den Reigen der fuehrenden Wirtschaftsnationen aufgenommen wird, die russische Delegation ist jedoch diesmal bei fast allen Gespraechsrunden dabei. Die deutsche Position ist - nach Wirtschaftskriterien gemessen - derzeit nicht gerade die staerkste. Das Wachstum liegt unter dem Duchschnitt, die Arbeitslosenrate weit ueber dem Durchschnitt der G7-Laender. Selbst fuer erfahrene Gipfelteilnehmer wie Bundeskanzler Helmut Kohl ist diesmal alles etwas anders als sonst. Russland ist erstmals von Anfang an dabei und Kohl machte bei seiner Ankunft in Denver klar, dass dies auch kuenftig so bleiben solle. Ueber Boris Jelzins Teilnahme am Wirtschaftsgipfel freuen sich nicht alle so sehr wie der Kanzler. Die Japaner stemmen sich gegen eine dauerhafte Gipfelbeteiligung Russlands und verweisen auf die immer noch ungeloesten Nachkriegsprobleme zwischen beiden Laendern. Die Deutschen wollen in Denver vor allem die Umwelt zum Thema machen. Kohl moechte, dass der vor allem in den USA noch immer exorbitante Ausstoss an Kohlendioxid, das die Erdathmosphaere schaedigt, deutlich verringert wird. Und er will sich fuer eine Waldkonvention stark machen, denn ein halbes Jahrzehnt nach dem grossen UN-Umweltgipfel von Rio wird weltweit immer noch eine Waldflaeche von der Groesse Griechenlands pro Jahr abgeholzt. Die Deutschen muessen bei diesen Themen allerdings mit Gegenwind rechnen, die USA und Japan halten die Vorschlaege aus Bonn fuer ueberzogen.


Evangelischer Kirchentag in Leipzig

Der evangelische Kirchentag in Leipzig befasste sich heute mit Oekumene und interreligioesem Dialog. Aber es ging auch um die sozialen Fragen, die zur Zeit in Deutschland aktuell sind. Dazu gehoerten die hohe Arbeitslosigkeit, die Ost-West-Spaltung und auch die Funktion der Medien. Der Kirchentag dauert noch bis Sonntag, es nehmen rund 106.000 Christen daran teil. Viel Beifall gab es zu Beginn fuer einen, der reichlich wenig von der schoenen neuen Medienwelt haelt. Der Kabarettist Dieter Hildebrandt hat diese neue Welt auf die scharfe Schippe genommen, die weit weniger schoen, dafuer eher armselig und auch gefaehrlich fuer das gesellschaftliche Miteinander daherkomme. Medien werden unsere Welt veraendern, darueber sind sich auf dem Podium alle einig, nur ueber das "wie" wird gestritten. Sind es Segnungen die da kommen und neue Chancen der Kommunikation bieten oder kommt es zur Endindividualisierung, entsteht so etwas wie ein Unterhaltungsproletariat. Die Mechanismen der neuen Medienlandschaft, die sieht zumindest der Friedenspreistraeger Friedrich Schormlemmer gefahrvoll. "Das Schielen nach der Quote ist Hauptbeschaeftigung von Medienmachern und da wird die Billigmethode immer wichtiger als der Sachinhalt. Was wird aus dem Menschen der immer mehr und mehr zum bloedgemachten bildgesteuerten Werbeobjekt wird, das seinen Sinn erfuellt hat, wenn es zum Kaeufer wird. Was soll denn werden, wenn die Medien immer mehr und mehr privat werden und ihre Zuschauer versus Quotenbringer sich immer mehr privatisieren und der Primitivisierungsprozess unaufhaltsam vorangetrieben wird ?"


Daimler stellt in Sindelfingen 400 Arbeitnehmer ein

Daimler Benz stellt wegen der hohen Nachfrage nach Mercedes-PKW zusaetzliche Mitarbeiter ein. Wie das Unternehmen heute in Stuttgart mitteilte sollen im Werk Sindelfingen rund 400 Menschen einen befristeten Arbeitsvertrag erhalten. Vor allem Beschaeftigungslose sollen eine Chance bekommen. Zudem werden 550 bislang mit Zeitvertrag Beschaeftigte unbefristet uebernommen.


IG Metall gegen generelle Oeffnungsklauseln

Die IG Metall lehnt generelle Oeffnungsklauseln in Tarifvertraegen ab. Der Gewerkschaftsvorsitzende Zwickel sagte in Hannover, mit der Forderung nach Oeffnungsklauseln versuchten die Arbeitgeber moeglichst alle Entscheidungen in die Betriebe zu verlagern um direkt mit den Betriebsraeten verhandeln zu koennen. Diese haetten im Gegensatz zu den Gewerkschaften kein Streikrecht. Allerdings sei die IG Metall bereit, sich kuenftig bei der Gestaltung von Flaechentarifvertraegen flexibler zu verhalten, so Zwickel weiter. Wahlmoeglichkeiten in den Vereinbarungen koennten zielgenauer den wirtschaftlichen Erfordernissen und den Arbeitnehmerwuenschen Rechnung tragen. Auch zeitliche befristete Abweichungen von Tarifvertraegen seien moeglich, fuehrte Zwickel aus, wenn damit Unternehmen aus Schwierigkeiten herausgeholt werden koennten.


Boerse

Einige Kurse:
US-Dollar(1 US_$)  1,7293
Kanada(1 $)  1,2466
England(1 Pfund)  2,8492
Irland(1 Pfund)  2,6135
Schweiz(100 sfr)  119,983
Frankreich(100 FF)  29,623
Italien(1000 Lit)  1,0220
Oesterreich(100 oeS)  14,212
Spanien(100 Ptas)  1,1855
Japan(100 Yen)  1,5090
Schweden(100 skr)  22,351
 
Einige Indizes:
DAX:3788,27
Dowjones-Index:7806,01( Stand 17:00 MESZ )  
7777,06( Schlussstand Vortag )  
Nikkei-Index:20385,54
 
(Alle Angaben ohne Gewaehr)  



Quellen

B5    15:30 MESZ
DLF    16:00 MESZ