GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Mo, 27.11.1995



* Bereits naechste Woche etwa 180 Offiziere nach Bosnien-Herzegowina
* Fischer fuer den Bundeswehreinsatz
* Erste SPD-Praesidiumssitzung unter Leitung von Lafontaine
* FDP bleibt beim Thema "Solidaritaetszuschlag" hart
* EU Finanzminister einigen sich auf Uebergangsszenario
* Nach dem Gondelunglueck auf Berliner Weihnachtsmarkt
* Praesidentin des PEN-Zentrums kritisiert geplante Rechtschreibereform
* Super-Plus-Benzin bringt keine Umweltentlastung
* Getraenkedosen ab Januar teurer



Bereits naechste Woche etwa 180 Offiziere nach Bosnien-Herzegowina

Bundesverteidigungsminister Ruehe geht davon aus, dass schon Ende naechster Woche etwa 180 Offiziere der Bundeswehr nach Bosnien-Herzegowina entsandt werden. Sie sollen dort mithelfen, das Hauptquartier und die insgesamt drei Divisionsstaebe der internationalen Friedenstruppe der NATO einzurichten. Das Hauptquartier soll in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo liegen. Die US-Division soll ihren Stab im Industriezentrum Tuzla aufbauen. Fuer die britischen Streitkraefte ist Gorni-Vakuv vorgesehen. In Mostar soll sich das Kommando der franzoesischen Kontingente installieren. Das Bundeskabinett will morgen die Beteiligung der Bundeswehr an der internationalen Friedenstruppe foermlich beschliessen. Anschliessend soll das Votum der Minister dem Bundestag zur Billigung zugeleitet werden. Das Parlament wird darueber voraussichtlich Mitte naechster Woche entscheiden. Die Verteidigungsminister und die Militaerbefehlshaber der Mitgliedslaender des Nordatlantikpaktes wollen morgen in Bruessel letzte Einzelheiten des geplanten Einsatzes in Bosnien eroertern. Der russische Beitrag an der Streitmacht ist Gegenstand eines weiteren Gespraechs zwischen US-Verteidigungsminister Perry und seinem russischen Kollegen Gratschow.


Fischer fuer den Bundeswehreinsatz

Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Buendnis 90 / Die Gruenen, Fischer, hat seine Auffassung bekraeftigt, dass sich Bundeswehrsoldaten an UNO-Einsaetzen zur Friedenserhaltung beteiligen sollten. Vier Tage vor dem Bremer Parteitag warf Fischer seinen innerparteilichen Kritikern in einem offenen Brief vor, realitaetsfern zu argumentieren und alte Feindbilder zu kultivieren. Er unterstrich, nur im Falle akuter Gefahr oder bei Voelkermord duerfe sich Deutschland auch an militaerischen Einsaetzen gemaess der UNO-Charta beteiligen. In dem Schreiben wertete Fischer das Bosnien-Friedensabkommen als vorlaeufiges Ende des Mordens, Vergewaltigens und Vertreibens. Wenn Hilfe zum Ueberleben moeglich sei, muesse sie geleistet werden, verlangte Fischer. Wer diese Haltung aufgeben stelle linke Grundwerte in Frage.


Erste SPD-Praesidiumssitzung unter Leitung von Lafontaine

Das SPD-Praesidium kam heute zu seiner ersten Sitzung unter Leitung des neugewaehlten Parteichefs Lafontaine zusammen. Lafontaine forderte einen neuen Fuehrungsanspruch der SPD. Vor allem wirschaftspolitische will er auf Konfrontationskurs zur Regierung gehen. Dafuer hat Lafontaine die Aufgaben im Fuehrungskreis der Sozialdemokraten neu verteilt. So wird Niedersachsens Ministerpraesident Schroeder wieder Wirtschaftssprecher. Was das Praesidium sonst noch beschlossen hatte, das berichtete Lafontaine anschliessend auf einer Pressekonferenz. Offensichtlich um seinen Ruf als "Einheitsskeptiker" loszuwerden - vom neuen SPD-Chef stammt die Zustandsbeschreibung der "nationalen Besoffenheit" - stellte Lafontaine besonders einen Praesidiumsbeschluss an den Anfang seiner Pressekonferenz. Darin fordert die SPD die Bundesregierung auf, den Sonderkuendigungsschutz fuer die Mieter in den neuen Bundeslaendern ueber 1995 hinaus bis Ende 1998 zu verlaengern. Ausserdem kuendigte Lafontaine an, demnaechst auf Auslandstournee zu gehen. Erst zu Frankreichs Praesident Chirac nach Paris, dann nach Moskau und im Anschluss daran im Dezember zum EU-Gipfel nach Madrid. Innenpolitisch beschaeftigte sich das Praesidium sich heute unter anderem auch mit den Aeusserungen des Gruenen-Fraktionssprechers Joschka Fischer, der die SPD am Wochenende davor gewarnt hatte, ihm seine linken Waehler abspenstig zu machen. Die SPD muesse sich mehr auf die politische Mitte konzentrieren, so Fischer, sonst werde man den rot-gruenen Machtwechsel nicht schaffen. Oskar Lafontaine sah trotzdem keinen Anlass, dieser Aufforderung von Joschka Fischer nachzukommen. "Man sieht ihn manchmal schon auf den Baenken der Liberalen Platz nehmen, so dass er also schon weit ueber die Mitte hinaus vorgedrungen ist, so dass ich keine Sorgen habe, dass wir uns gegenseitig allzu sehr ins Gehege kommen." Zum Thema Personalveraenderungen teilte der SPD-Vorsitzende das mit, was bereits am Wochenende durchgesickert war: Hamburgs Buergermeister Henning Voscherau uebernimmt Lafontaines Job als finanzpolitischer Sprecher und Gerhard Schroeder ist wieder fuer die Wirtschaftspolitik in der Partei zustaendig.


FDP bleibt beim Thema "Solidaritaetszuschlag" hart

Die FDP will beim Thema "Solidaritaetszuschlag" hart bleiben. Die Liberalen halten an einem Abbau der Sondersteuer ab 1997 fest. Das sagte FDP-Generalsekretaer Westerwelle nach einer Praesidiumssitzung in Bonn. Die Forderung ist Teil einer groesseren steuerpolitischen Offensive. Dazu legten die Liberalen einen 9-Punkte-Plan vor, mit dem die Steuern- und Abgabenlast gesenkt werden soll. Knallhart werde die FDP mit dem Koalitionspartner verhandeln, versprach Westerwelle. Die Aeusserungen von Finanzminister Waigel in Sachen Solidaritaetszuschlag entspraechen naemlich nicht der Koalitionsvereinbarung, wonach dieser jaehrlich ueberprueft werde. Und welchen Sinn wuerde eine solche Ueberpruefung machen, wenn sie nicht zum Ziel haette, den Zuschlag wieder abzubauen. "Ich bin ganz fest davon ueberzeugt, dass die Rueckfuehrung des Solidaritaetszuschlages ab 1997 beginnen wird." Und deshalb gaebe es auch keinen Grund, ueber die Koalitionsfrage nachzudenken. Deshalb tat Westerwelle auch die Geruechte ueber Neuwahlen als eine reine Geisterdiskussion ab.


EU Finanzminister einigen sich auf Uebergangsszenario

Die Finanzminister der Europaeischen Union haben sich heute in Bruessel auf das Uebergangsszenario zur Waehrungsunion bis zum Jahr 2002 geeinigt. Laut Bundesfinanzminister Waigel verstaendigte sich der Ministerrat auf die Formel, so frueh wie moeglich im Jahre 1998 auf der Basis der IST-Daten des Jahres 1997 ueber den Teilnehmerkreis an der Einheitswaehrung zu entscheiden. Ferner haetten seine Kollegen dem von ihm vorgeschlagenen zusaetzlichen Stabilitaetspakt prinzipiell zugestimmt. Er sieht zur Absicherung der angestrebten Waehrungsunion unter anderem Sanktionen gegen die EU-Staaten vor, die nach der Einfuehrung der gemeinsamen Waehrung gegen die Konvergenzkriterien des Vertrages von Maastricht verstossen. Auf der Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs Mitte Dezember in Madrid sollen weitere Entscheidungen fallen.


Nach dem Gondelunglueck auf Berliner Weihnachtsmarkt

Der TUeV und das Berliner Landesamt fuer Arbeitsschutz forschen noch immer nach der Ursache fuer das Gondelunglueck auf einem Weihnachtsmarkt in der Hauptstadt. Gestern Abend war eine Aussichtsgondel mit mehreren Dutzend Menschen abgestuertzt. 22 Verletzte mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Als die um einen mobilen Aussichtsturm rotierende Drehgondel um kurz nach 18:00 Uhr 65 Meter ueber dem Platz der Vereinten Nationen wieder ihren hoechsten Punkt erreicht hatte gab es ploetzlich einen Ruck. Augenzeugen berichteten, dass an dem Fahrgeschaeft mit dem Namen "Top of the World" schlagartig die Lichter ausgingen und die fuer 132 Menschen ausgelegte Menschen in fast freien Fall nach unten absackte. Erst in Hoehe der Mitte des Turmes fing sie sich wieder, aber nur um erneut etwa 5 Meter weiterzufallen. Ab dieser Hoehe gab es dann keinen Widerstand mehr, die geschlossene runde Plattform schlug nach etwa zehn Metern Fall ungebremst auf einem Puffer auf. Bisher gibt es zur Unfallursache keine offizielle Stellungnahmen. Ob der "Top of the World"-Aussichtsturm vor der Eroeffnung des Weihnachtsmarktes wie vorgeschrieben vom TUeV abgenommen wurde, konnte gestern niemand mit Sicherheit sagen. Ein Schild an dem mobilen Fahrgeschaeft, das in Friedrichshain seine Berlinpremiere hatte, wies aber auf eine Untersuchung des TUeVs Bayern-Sachsen hin. Die Polizei hat die Drehgondel vorerst gesichert, der Weihnachtsmarkt jedoch ging schon gestern Abend weiter.


Praesidentin des PEN-Zentrums kritisiert geplante Rechtschreibereform

Die geplante Rechtschreibereform wird nach Einschaetzung der Praesidentin des westdeutschen PEN-Zentrums, Bacher, zu einem Verlust der sprachlichen Identitaet und des historischen Bewusstseins fuehren. In einem Beitrag fuer die Dienstagsausgabe fuer die Tageszeitung "Die Welt" erklaert Frau Bacher, wuerde die Reform wie geplant durchgesetzt wuerde man spaeter nur mit Befremden die Literatur des eigenen Landes lesen. Diese wuerde fehlerhaft und sperrig erscheinen. Weiter kritisierte die Praesidentin der Schriftstellervereinigung, das Vorhaben der Reformer, der Sprache formalistisch das geschichtlich Gewachsene auszutreiben und per Erlass eine vereinfachte Schreibweise aufzuzwingen, sei ein juristisch aeusserst zweifelhafter Versuch. Frau Bacher empfiehlt fuer Deutschland die Gruendung einer Sprachakademie nach franzoesischem Vorbild. Eine solche Einrichtung wuerde nur einen Bruchteil des Geldes kosten, das die Sprachreform verschlinge.


Super-Plus-Benzin bringt keine Umweltentlastung

Stuttgart. Das benzolarme Super-Plus-Benzin bringt nach Ansicht des baden-wuerttembergischen Umweltministeriums keine Umweltentlastung. Das berichten die Zeitungen "Mannheimer Morgen" und "Heilbronner Stimme" in ihren morgigen Ausgaben. Die Blaetter zitieren aus einem internen Vermerk des Verkehrsministeriums, wonach in den Raffinerien die Einzelkomponenten der verschiedenen Benzinsorten nur anders gemischt werden. Waehrend der Benzolgehalt bei Super-Plus verringert wurde, steige er in den anderen Benzinsorten an. In beiden Zeitungen wird dieser Vorwurf von Sprechern der Mineraloelindustrie zurueckgewiesen.


Getraenkedosen ab Januar teurer

Hersteller und Handel wollen Getraenkedosen von Januar an um 10 Pfennig verteuern. Damit solle das steigende Aufkommen dieser Verpackungen eingedaemmt werden, teilten Bundesumweltministerin Merkel sowie die betroffenen Verbaende von Wirtschaft und Handel heute in Bonn mit. Aus den erwarteten rund 350 Millionen DM Mehreinnahmen jaehrlich sollen Programme gegen die Verschmutzung der Landschaft durch Dosen und zur Foerderung von Mehrwegsystemen finanziert werden.


Quellen

DLF    23:00 MEZ
B5    8:30 MEZ    23:30 MEZ
SDR3    24:00 MEZ