Unterschiedliche Bewertung der Kanzlerrunde zum "Buendnis fuer Arbeit" |
Bonn. Die Gespraechsrunde zwischen Regierung, Arbeitgebern und
Gewerkschaften ueber ein "Buendnis fuer Arbeit" gestern abend im Kanzleramt
ist von den Beteiligten unterschiedlich bewertet worden. Die Gespraeche
waren gestern ohne Ergebnis geblieben.
Die Gewerkschaften aeusserten sich enttaeuscht. DGB-Chef Schulte warf der
Bundesregierung vor, bei der Lohnfortzahlung und beim Kuendigungsschutz die
Position der Arbeitgeber uebernommen zu haben. Der Kanzler habe sich klar auf
die Seite der Arbeitgeber gestellt. Es sei keine Minute ueber Moeglichkeiten
zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit gesprochen worden. Stattdessen sei
versucht worden, die Gewerkschaften zum "Kopfnicken" fuer das Sparpaket zu
bewegen. Der IG Metall-Chef Zwickel sagte im ZDF, die Arbeitgeber strebten
anstelle von Reformen eine Systemveraenderung in Deutschland an. Die
Gewerkschaften schlossen Streiks nicht aus. DAG-Chef Issen sagte, wenn die
Arbeitgeber ein neues Lohnfortzahlungsgesetz zum Anlass nehmen sollten,
tarifvertragliche Regelungen aufzukuendigen, gebe es einen Arbeitskampf.
Dagegen sagte Arbeitgeberpraesident Murmann, die Gespraeche seien nicht
gescheitert. Man habe alle wichtigen Themen angesprochen, allerdings sei
nicht alles im Konsens erreichbar. Er gehe davon aus, dass die
Gewerkschaften an den Runden Tisch zurueckkehren, frueher oder spaeter.
Auch Kanzleramtsminister Bohl wollte nicht von einem Scheitern der
Gespraeche sprechen. Es sei normal, dass Loesungen fuer bestimmte Bereiche im
Konflikt gefunden werden muessten.
Der katholische Bischof Hengsbach warf der Bundesregierung vor, ihr fehle der
Sinn fuer eine soziale Symmetrie. Das "Buendnis fuer Arbeit" sei zum
Regierungsbuendnis fuer mehr Arbeitslosigkeit geworden. |
Gewerkschaften kuendigen Teilnahme an Kanzlergespraechen vorerst auf |
Bonn. Nach der erfolglosen Kanzlerrunde gestern abend haben die
Gewerkschaften ihre Teilnahme an weiteren Spitzentreffen mit den Vertretern
von Wirtschaft und Politik bis auf weiteres aufgekuendigt. DGB-Chef Dieter
Schulte erklaerte, solche Gespraeche fuer ein "Buendnis fuer Arbeit" haetten
zur Zeit keinen Sinn. Das gestrige Treffen bezeichnete er als Bewegung weg
vom Konsens hin zum Konflikt. Auch IG Metall-Chef Klaus Zwickel sagte, er
sehe zur Zeit keine Basis fuer neue Kanzlerrunden. Der Vorsitzende der
Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) Issen bezeichnete das gestrige
Treffen als frustrierend.
Die Kritik der Gewerkschaften richtet sich insbesondere gegen die Plaene zur
Neuregelung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, zur Lockerung des
Kuendigungsschutzes sowie zu Einschraenkungen beim Arbeitsfoerderungsgesetz.
Im Gespraech ist offenbar eine Senkung der Lohnfortzahlung auf 80 Prozent in
den ersten Krankheitswochen.
Dagegen geht Arbeitgeberpraesident Klaus Murmann davon aus, dass die Treffen
fortgesetzt wuerden. Murmann erklaerte, er gehe auch nicht davon aus, dass es
zu Streiks kommen werde. |
Beratungen ueber Sparpaket |
CDU, CSU und FDP setzten unterdessen ihre Beratungen ueber das Sparpaket der
Bundesregierung fort. Das Sparpaket soll bis morgen weiterberaten und dann
den Fraktionen vorgelegt werden. Bundeskanzler Kohl will am Freitag in
einer Regierungserklaerung vor dem Bundestag erlaeutern, wie die
angestrebten 50 Mrd. DM eingespart werden sollen. Kanzleramtsminister Bohl
kuendigte an, die Regierung werde auch ohne die Zustimmung der Tarifpartner
notfalls im Alleingang die Lohnfortzahlung und den Kuendigungsschutz
einschraenken.
Die SPD warf der Bundesregierung einen "primitiven Abbau des Sozialstaates"
vor, der Deutschland immer tiefer in die Krise fuehre. Die Koalition lege
jetzt die Karten auf den Tisch, die sie aus Feigheit vor den Waehlern
monatelang zu verheimlichen versucht habe. Parteichef Lafontaine
und der Fraktionsvorsitzende Scharping erklaerten, die Koalition wolle die
selbstverschuldete Finanzmisere auf Kosten der Familien, Rentner und
Arbeitslosen loesen. Die Kanzlerrunde gestern abend habe gezeigt, das Kanzler
Kohl weiter auf Sozialabbau setze. Wie weiter mitgeteilt wurde, will die SPD
ihr eigenes Sparkonzept bereits zur Bundestagsdebatte am Freitag vorlegen.
Urspruenglich war dies erst fuer kommende Woche vorgesehen. |
Gemeinsame Anstrengungen fuer Lehrstellen |
Bonn. Mit einer gemeinsamen Anstrengung wollen Bund, Laender, Wirtschaft und
Gewerkschaften versuchen, in diesem Jahr jedem interessierten Jugendlichen
eine Lehrstelle anzubieten. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit
Vertretern der Tarifpartner betonte Bundesbildungsminister Ruettgers jedoch,
dass dies keine Garantie dafuer bedeute, dass jeder seinen Traumberuf am Ort
seiner Wahl erlernen koenne.
Ruettgers zufolge wird dieses Jahr mit einem Bedarf von rund 620.000
Lehrstellen gerechnet. Mit einer konzertierten Aktion wollen Staat und
Tarifpartner sicherstellen, dass vor allem die in den neuen Laendern
benoetigten rund 140.000 Ausbildungsplaetze zur Verfuegung stehen. |
Pleiten in Ostdeutschland nehmen weiter zu |
Wiesbaden. Die Zahl der Pleiten in den fuenf neuen Bundeslaendern nimmt
weiter deutlich zu. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden berichtete,
wurden im Januar in Ostdeutschland 560 Unternehmen und 86 Einzelpersonen
zahlungsunfaehig. Gegenueber Januar 1995 sei dies insgesamt eine Zunahme um
gut 42 Prozent, bei den Unternehmensinsolvenzen sogar ein Plus von fast 55
Prozent. Im Westen wurden dagegen um 2,2 Prozent weniger Unternehmen
zahlungsunfaehig. |
GRUENE fordern gruendliche Ueberpruefung des Rentensystems |
Bonn. Die GRUENEN fordern eine gruendliche Ueberpruefung des Rentensystems.
Kuenftig sollten die Interessen der jungen Generation im Mittelpunkt des
Generationenvertrages stehen, sagten die Sprecher der
GRUENEN-Bundestagsfraktion, Fischer und Mueller. Es muesse darueber
nachgedacht werden, auch von der aelteren Generation gesellschaftliche
Solidaritaet einzufordern. Dies sei auch deshalb wichtig, weil fast alle
jungen Deutschen bei der Ausbildung schlechte Chancen haetten, so Mueller.
Fischer meinte, nur ein Umbau des Rentensystems koenne die Altersversorgung
der heutigen Beitragszahler sichern. |
Razzia auf Grossbaustelle: Massive Verstoesse aufgedeckt |
Oberhausen. Die Bundesanstalt fuer Arbeit hat heute auf einer Grossbaustelle
in Oberhausen eine Razzia durchgefuehrt. Dabei wurden massive Verstoesse von
Arbeitern und Subunternehmern festgestellt. 150 Firmen und Bauarbeiter stehen
im Verdacht, illegale Verleihtaetigkeit, Lohndumping und Leistungsmissbrauch
betrieben zu haben. In der Haelfte der Faelle seien sofort
Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, teilte das nordrhein-westfaelische
Landesarbeitsamt in Duesseldorf mit.
Bei der Razzia auf Deutschlands zweitgroesster Baustelle "Neue Mitte
Oberhausen" waren 800 Arbeiter und 115 Firmen kontrolliert worden; rund 300
Beamte waren im Einsatz. |
Bundesfinanzhof-Praesident fordert Steuervereinfachungen |
Berlin. Der Praesident des Bundesfinanzhofes, Klaus Offerhaus, hat sich fuer
eine Vereinfachung der Steuergesetzgebung ausgesprochen. In einem Interview
schlug er vor, Steuerverguenstigungen und Steuersparmodelle abzuschaffen.
Wenn alle Steuerverguenstigungen abgeschafft wuerden, koennten jaehrlich 50
bis 60 Mrd. DM eingespart werden. Steuersparmodelle, die zum Beispiel das
Bauen in den neuen Bundeslaendern steuerlich foerdern, entziehen dem Staat
laut Offerhaus unnoetig Steuern. |
Goethe-Institut muss fuenf weitere Standorte schliessen |
Muenchen. Das Goethe-Institut wird aus Spargruenden weitere fuenf Standorte
im Ausland schliessen, und zwar in Brasilien, Norwegen, Indien, Indonesien
und Finnland. Durch die Bonner Sparauflagen bleibe nichts anderes uebrig,
teilte die Zentrale in Muenchen mit. Die befuerchtete Schliessung eines
italienischen Goethe-Instituts habe jedoch durch Umstrukturierungen
abgewendet werden koennen. |
Am Duesseldorfer Flughafen wurde gegen Brandschutzbestimmungen verstossen |
Duesseldorf. Knapp zwei Wochen nach dem Brandunglueck auf dem Duesseldorfer
Flughafen hat Ministerpraesident Rau bestaetigt, dass in dem Gebaeude gegen
Brandschutzvorschriften verstossen wurde. In einer Regierungserklaerung vor
dem Landtag sagte er, in den Zwischendecken der Flughafenhallen seien
brennbare Baustoffe verwendet worden, die nicht dem Brandschutzkonzept
entsprochen haetten. Es muesse jetzt geprueft werden, auf wessen Veranlassung
hin diese Materialien eingebaut worden seien.
Bei dem Brand waren 16 Menschen ums leben gekommen und mehr als 60 verletzt
worden. |
Diskussion um PVC als Kabelmaterial |
Bonn. Der Flughafenbrand in Duesseldorf war heute auch Thema einer aktuellen
Stunde des Bundestags. Dabei ging es vor allem um den Kunststoff PVC
(Polyvinylchlorid), mit dem Kabel am Flughafen ummantelt waren. In der
Debatte warf der GRUENEN-Abgeordnete Rochlitz der Bundesregierung
Mitverantwortung an der Brandkatastrophe vor. Die Regierung habe zugelassen,
dass der umstrittene Kunststoff uneingeschraenkt eingesetzt werden konnte.
Der SPD-Umweltexperte Mueller erklaerte, an freigesetztem Dioxin aus
brennendem PVC sei kein einziger Mensch in Duesseldorf gestorben, sondern am
Kohlenmonoxid im Rauchgas. Bundesbauminister Toepfer kuendigte an, den
Einsatz von PVC zu ueberpruefen. |
Verkehrsausschuss billigt Transrapid-Bau |
Bonn. Der Verkehrsausschuss des Bundestages hat den Bau der umstrittenen
Magnetschwebebahn zwischen Berlin und Hamburg gebilligt. Zuvor hatte sich
schon der Haushaltsausschuss fuer den Transrapid ausgesprochen. Die
notwendigen Gesetze koennen jetzt dem Bundestag vorgelegt werden.
Die SPD kritisierte das Projekt als verkehrspolitisch falsch und zu teuer.
Der Bund rechnet mit Kosten von 5,6 Mrd. DM. |
Bau-Tarifpartner nehmen Schiedsspruch an |
Frankfurt(Main). Die Tarifparteien des Baugewerbes haben die von Schlichter
Apel gefaellten Schiedssprueche endgueltig angenommen. Danach erhalten
westdeutsche Bauarbeiter rueckwirkend vom 1.April an 1,85 Prozent mehr Lohn.
Ihre ostdeutschen Kollegen erhalten die Tariferhoehung zum 1.September.
Ausserdem stimmten Arbeitgeber und Gewerkschaften einem Mindestlohn zu, mit
dem ein Lohndumping durch auslaendische Firmen auf deutschen Baustellen
verhindert werden soll. |
Subventionsbetrug richtet EU-weit 2 Mrd. DM Schaden pro Jahr an |
Saarbruecken. Durch Subventionsbetrug wird die EU jaehrlich angeblich um
zwei Mrd. DM geschaedigt. Wie der Praesident des Europaparlamentes Haentsch
sagte, werden in Deutschland mit 145 Mio. DM die meisten Gemeinschaftsgelder
veruntreut. Haentsch kritisierte, dass die nationalen Regierungen zuwenig
unternaehmen, um die Gelder zurueckzufordern. |
Sechs Verletzte bei Chemieunfall |
Hamburg. Bei einem Chemieunfall im Geesthacht (sp?) sind mindestens sechs
Menschen verletzt worden. In der Produktionshalle eines Farbenherstellers
waren zwei Kessel geplatzt, dadurch wurden giftige Loesungsmittel
freigesetzt. Die Bevoelkerung von Geesthacht wurde vorsorglich aufgefordert,
Tueeren und Fenster geschlossen zu halten. Ein Geschaeftsfuehrer des
Unternehmens sagte, die Substanz sei nicht besonders giftig, koenne aber die
Schleimhaeute reizen. Inzwischen wurde Entwarnung gegeben. Die Ursache des
Ungluecks ist noch ungeklaert. |
Eishockey-WM: Deutschland - Kanada 5:1 |
Wien. Bei der Eishockey-WM hat die deutsche Nationalmannschaft ihren ersten
Sieg erzielt. Das Team von Bundestrainger George Kingston schlug Kanada mit
5:1. Die Chancen, nach zwei Auftaktniederlagen doch noch das Viertelfinale zu
erreichen, sind damit deutlich gestiegen. |
Siemens: 1 Mrd. Halbjahresgewinn, trotzdem Stellenabbau |
Muenchen. Die Siemens AG, Deutschlands groesster Elektrokonzern, hat erstmals
in der Geschichte des Unternehmens einen Halbjahresgewinn von ueber 1 Mrd. DM
erzielt. In der ersten Haelfte des Geschaeftsjahres 1995/96 stieg der Gewinn
um 15 Prozent auf 1.083 Mio. DM. Weltweit beschaeftigt Siemens derzeit
381.000 Mitarbeiter, davon 211.000 in Deutschland. Trotz des guten Gewinns
will Siemens in diesem Jahr bis zu 7.000 Stellen streichen. |
Baden-Wuerttemberg: Kuenftige Regierung will Landesbeteiligungen verkaufen |
Stuttgart. Die kuenftige CDU/FDP-Landesregierung in Baden-Wuerttemberg will
die Landesbeteiligung an Unternehmen deutlich verringern. Ministerpraesident
Teufel sagte, in den Koalitionsverhandlungen gebe es beim Thema
Privatisierungen eine Grunduebereinkunft. Weder Teufel noch FDP-Landeschef
Doering nannten den Umfang, in dem Landesbeteiligungen verkauft werden
sollen. Zuvor war bekannt geworden, dass Doering durch eine Privatisierung
drei Mrd. DM, Teufel nur eine Mrd. DM erloesen will.
Daneben wurde bekannt, dass die kuenftige Landesregierung auf neun Minster
und zehn Ministerien gekuerzt werden wird. Das Amt des Staatsministers soll
wegfallen und zwei Ministerien werden aufgeloest, darunter das fuer Frauen,
Famile und Kunst. Ausserdem sollen 4.000 Stellen bei der Verwaltung
gestrichen werden.
Schwerpunkte bei der kuenftigen Regierungsarbeit seien Forschung und
Technologie sowie Beschaeftigungs- und Standortsicherung und ein Programm
fuer den Eigenheimbau. |
Goennenwein zu 96.000 DM Geldstrafe verurteilt |
Stuttgart. Der Leiter der Ludwigsburger Schlossfestspiele und fruehere
Generalintendant der Wuerttembergischen Staatstheater Goennenwein ist vom
Landgericht Stuttgart zu einer Geldstrafe von 96.000 DM verurteilt worden.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass von 1987 bis 1989 die Lohnsteuer-
und Sozialversicherungsbeitraege fuer Aushilfskraefte bei den Ludwigsburger
Schlossfestspielen nicht abgefuehrt wurden, insgesamt ueber 500.000 DM. Dem
Festspielleiter sei dies bekannt gewesen und er habe es billigend in Kauf
genommen, zugunsten der kuenstlerischen Qualitaet der Festspiele.
Wegen Steuerhinterziehung bei der persoenlichen Steuererklaerung Goennenweins
ist dessen Ehefrau heute zu einer Geldstrafe in Hoehe von 27.000 DM
verurteilt worden. |
Boerse |
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Quellen |
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