GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Fr, 09.06.1995



* FDP-Bundesparteitag in Mainz
* Toepfer fordert Reform des Mietrechts
* SPD fordert Weiterfuehrung der Wirtschaftsfoerderung fuer Ostdeutschland
* Genscher fuer Vollmitgliedschaft der Tschechischen Republik in der EU
* NATO will "Partnerschaft fuer den Frieden" ausweiten
* IG Metall forderte gesetzliche Regelungen angesichts Lehrstellenmangels
* Tarifabschluss im ostdeutschen Einzelhandel
* Briefbombenattentat auf Arabella Kiesbauer vom Privatsender PRO7
* Brandanschlaege auf Polizeiwachen
* Boerse



FDP-Bundesparteitag in Mainz

Die Delegierten des FDP-Parteitages in Mainz haben es abgelehnt, den neuen Parteichef schon heute zu waehlen. Morgen Vormittag faellt die Entscheidung, wer Nachfolger von Klaus Kinkel wird. Der scheidende FDP-Chef selbst warnte in seiner Abschiedsrede nachdruecklich vor Richtungskaempfen. Nach zwei Jahren im Amt wurde der scheidende Parteivorsitzende Klaus Kinkel am Ende geradezu sentimental. Der Abschied falle ihm schwer und er sei traurig darueber, dass sich seine Partei in einer solch schwierigen Lage befinde. Die Schuld dafuer gab er nicht der Basis, sondern der Parteifuehrung. Unter dem Druck des Wahlmarathons im vergangenen Jahr sei man zu sehr zu einer Funktionspartei geworden, zu einer Partei, der man aus Vernunftsgruenden seine Zweitstimme gebe. Sich selbst bescheinigte er, in zwei schwierigen Aemtern das Beste gegeben zu haben. Er gehe nicht, weil er sich aus der Verantwortung stehlen wolle, sondern weil es fuer die Partei besser sei, mit einer neuen Person an der Spitze einen neuen Anfang zu versuchen. Scharf kritisierte er das Auftreten der FDP in der Oeffentlichkeit. Nicht Selbstmitleid und gegenseitige Schuldzuweisungen seien jetzt angebracht, sondern eine demokratische Streitkultur im Inneren der Partei. Zu der Diskussion um einen moeglichen Rechtsruck erklaerte Kinkel, man duerfe sich nicht von aussen eine rechts-links Diskussion aufzwingen lassen. Auch die Nationalliberalen haetten schon immer ihre Heimat in der FDP gehabt. Allerdings sollte die Partei nun ihre ganze Kraft darauf konzentrieren, ihre Position in der Mitte zu staerken. Eine liberale Innen- und Rechtspolitik sei notwendiger denn je. In diesem Zusammenhang wandte sich Kinkel ausdruecklich gegen den Abbau von Buergerrechten und gegen den sogenannten grossen Lauschangriff. Auch wenn es in diesen Sachfragen unterschiedliche Auffassungen gebe duerften sie nicht zu Schicksalsfragen hochstilisiert werden. In seiner mit grossem Beifall bedachten Rede beschwor Kinkel die Delegierten zum Festhalten an der Koalition mit CDU und CSU in Bonn. Zum Auftakt der Beratungen hatte Generalsekretaer Westerwelle die Delegierten vor Fluegelkaempfen gewarnt. Der Platz der FDP sei weder rechts noch links. Sie muesse vielmehr wieder als die einzige liberale Partei in Deutschland erkennbar werden, unterstrich Westerwelle. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Solms sprach sich gegen ein, wie er formulierte, "Abrasieren von Spitzenpolitkern der FDP" aus. Er selbst musste sich wegen seiner Amtsfuehrung gegen Kritik aus den Reihen der Delegierten verteidigen. Solms erklaerte, als Fratkionschef wolle er zwar auch liberales Profil, doch muesse er in der Koalition Kompromisse herbeifuehren. Starken Zuspruch erhielt auch Bundesjustizministerin Leutheuser - Schnarrenberger, die gegen eine nationalliberale Neuorientierung der FDP argumentierte und ihre Ablehnung des sogenannten grossen Lauschangriffs bekraeftigte.


Toepfer fordert Reform des Mietrechts

Bundsbauminister Toepfer hat eine Reform des Mietrechts gefordert. Der CDU-Politiker sagte heute auf dem 55. Deutschen Mietertag in Hannover, die derzeitigen Bestimmungen seien sozial ungerecht und so kompliziert, dass sie lediglich von Fachanwaelten verstanden wuerden. Ein besseres Mietrecht wuerde allen Beteiligten einen Vorteil bringen, weil auch private Kapitalanleger zu mehr Wohnungsbau angeregt werden koennten. Toepfer setzte sich im uebrigen fuer eine groessere Eigentumsquote ein. Der niedersaechsische Ministerpraesident Schroeder erklaerte vor den Delegierten, der Mieterschutz duerfe nicht aufgeweicht werden, solange es an preiswertem Wohnraum mangele.


SPD fordert Weiterfuehrung der Wirtschaftsfoerderung fuer Ostdeutschland

Eine Weiterfuehrung der Wirtschaftsfoerderung fuer Ostdeutschland hat die SPD verlangt. In einer heute verabschiedeten Magdeburger Resolution der wirtschaftspolitischen Sprecher von Bund und Laendern heisst es, in einem mittelfristig angelegten Programm muessten die Mittel auf dem derzeitgen Niveau festgeschrieben werden. Zugleich sollte die Vielzahl der Foerderinstrumente begrenzt werden. Dazu gehoerten die Investitionszulage, der Investitionszuschuss, Liquiditaets- und Markterschliessungshilfen sowie die Qualifizierung.


Genscher fuer Vollmitgliedschaft der Tschechischen Republik in der EU

Der fruehere Bundesaussenminister Genscher hat sich fuer eine baldige Vollmitgliedschaft der Tschechischen Republik in der Europaeischen Union ausgesprochen. In einem Beitrag fuer die Nordseezeitung in Bremerhaven schrieb Genscher, Bonn muesse dafuer eintreten, dass ein festes Datum fuer die Aufnahme entsprechender Verhandlungen genannt werde. Man duerfe Prag nicht laenger warten lassen. Der FDP-Politiker plaedierte ferner dafuer, tschechischen Opfern des Nazi-Terrors schnellstmoeglich materielle Entschaedigungen zukommen zu lassen.


NATO will "Partnerschaft fuer den Frieden" ausweiten

Die NATO will ihre Zusammenarbeit mit den osteuropaeischen Laendern konkreter als bisher gestalten. Die Manoever mit diesen Staaten haetten in der ersten Zeit vor allem politisch-symbolischen Charakter gehabt, sagte Bundesverteidigungsminister Ruehe heute in Bruessel auf der Fruehjahrstagung des Buendnisses. Kuenftig wolle man die militaerische Effizienz staerker beachten. Im Rahmen der "Partnerschaft fuer den Frieden" sind 1995 elf gemeinsame Manoever geplant. Im August soll erstmals eine Militaeruebung mit osteuropaeischer Beteiligung in den USA stattfinden.


IG Metall forderte gesetzliche Regelungen angesichts Lehrstellenmangels

Angesichts fehlender Lehrstellen haelt die Industriegewerkschaft Metall gesetzliche Regelungen fuer noetig. Nach ihren Vorstellungen sollen Unternehmen entweder eine bestimmte Zahl von Lehrlingen ausbilden oder eine Abgabe zahlen. Gute Worte und Appelle allein koennten das Problem nicht loesen. Die Wirtschaft halte ihre Selbstverpflichtung, dieses Jahr die Zahl der Lehrstellen um 10 % zu erhoehen nicht ein. Zu diesem Ergebnis kommt die IG Metall aufgrund einer Blitzumfrage in ueber 1.000 Betrieben. IG Metall-Chef Klaus Zwickel forderte deshalb die Einfuehrung eines gesetzlichen Umlageverfahrens. "Wer nicht oder zu wenig ausbildet soll wenigstens zahlen. Das Geld soll fuer mehr und eine bessere Ausbildung verwandt werden." Besorgt ueber den Rueckgang von Lehrstellen aeusserte sich heute auch die Bundesregierung. Der Geschaeftsfuehrer von Gesamtmetall, Rudolf Gehr, zeigte sich hingegen zuversichtlich, dass auch in diesem Jahr wieder jeder Bewerben einen Ausbildungsplatz finden werde. Die gewerkschaftliche Forderung lehnte er ab mit der Begruendung: "Eine Umlage ist ein Angebot an die Betriebe, sich auch durch Zahlung einer Abstandssumme aus der kostenintensiven Facharbeiterausbildung verabschieden zu koennen. Wer das will, der legt praktisch die Axt an das Fundament der deutschen Facharbeiterausbildung." Einig sind sich alle Experten, dass der Lehrstellenmangel in den neuen Laendern nur mit Hilfe eines staatlichen Programmes ueberbrueckt werden kann.


Tarifabschluss im ostdeutschen Einzelhandel

Nach offenbar schwierigen Verhandlungen haben sich die Tarifparteien des ostdeutschen Einzelhandels heute auf einen Kompromiss geeinigt. In drei Jahren, am 1. Oktober 1998 erreichen die Loehne und Gehaelter der Beschaeftigten in Brandenburg, Thueringen und Sachsen-Anhalt Westniveau. Der Stufenplan, den die Tarifparteien heute in Dessau ausgearbeitet haben sieht nach Aussagen der Gewerksschaft HBV folgendermassen aus: Noch in diesem Jahr -genau ab 1.Juli- werden die Loehne und Gehaelter der rund 250.000 ostdeutschen Beschaeftigten von derzeit 87 % auf 90 % des Westniveaus angehoben. Ein Jahre spaeter dann auf 91.5 % und ab 1997 auf 94 %. Der letzte Schritt zur vollstaendigen Angleichung wird dann im Oktober 1998 erfolgen. Ausserdem soll ab 1998 die woechentliche Arbeitszeit von 39 auf 38 Stunden verkuerzt werden. HBV und DAG aeusserten sich zufrieden. Beide Gewerkschaften bewerteten den Abschluss als tragfaehigen Kompromiss, der den Beschaeftigten klare und ueberschaubare Schritte zur voelligen Angleichung an das Westniveau sichere. Ohne die Streiks von tausenden von Beschaeftigten, so die Verhandlungsfuehrer, haette dieses Ziel nicht erreicht werden koennen. Der Tarifabschluss wird laut Gewerkschaftssprecherin Susanne Anger wahrscheinlich auch fuer Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern uebernommen.


Briefbombenattentat auf Arabella Kiesbauer vom Privatsender PRO7

Eine Redakteurin des privaten Fernsehsenders PRO7 ist heute mittag bei einem Briefbombenanschlag im Gesicht verletzt worden. Nach den juengsten Angaben der Aerzte schwebt die 26jaehrige Frau aber nicht in Lebensgefahr. Das bayerische Landeskriminalamt vermutet, dass die Tat einen rechtsextremen Hintergrund hatte, weil das Paket fuer eine dunkelhaeutige Fernsehmoderatorin bestimmt war. Die Briefbombe kam aus Wien. Sie war adressiert an die TV-Moderatorin Arabella Kiesbauer mit dem Zusatz "persoenlich". Der Brief mit der Bombe war mit Bluemchen dekoriert, sie ging hoch, als eine junge Redaktionsassistentin den offenbar als Fanbrief dekorierten Brief oeffnete. Nach den bisherigen Ermittlungen muss der Anschlag in Zusammenhang gesehen werden mit zwei Briefbombenserien in Oesterreich im Dezember 93 und im Oktober 94. In den Resten des explodierten Briefes fanden sich zwei Absendernahmen. Es waren die Namen "Andreas Hofer" und "Graf von Starenberg". Diese Namen fanden sich ebenfalls auf Bekennerschreiben zu den Briefbombenanschlaegen in Oesterreich. Graf Ruediger von Starenberg war 1683 Militaerkommandant in Wien und hatte dort erfolgreich die Stadt gegen die Tuerken verteidigt. Man muss also von einem eindeutigen rechtsradikalen Hintergrund dieses Briefbombenanschlages ausgehen. Auch ein zweiter Briefbombenanschlag heute in Linz auf zwei auslaendische Mitarbeiterinnen einer Partnervermittlung koennte in diesem rechtsradikalen Taeterkreis seine Urheber haben, so der Staatsschutzchef des bayerischen Landeskriminalamtes.


Brandanschlaege auf Polizeiwachen

Stuttgart. Bisher unbekannte Taeter haben in der Nacht Brandanschlaege auf zwei Polizeiwachen in der Stuttgarter Innenstadt veruebt. In einem Fall entstand nach Angaben der Polizei erheblicher Sachschaden. Personen wurden nicht verletzt. Anschlaege gab es fast zeitgleich auch in Ludwigshafen, Nuernberg und Kiel. Hinweise auf die Motive gibt es noch nicht.


Boerse

Frankfurt am Main. Die deutschen Aktienmaerkte tendierten heute schwaecher. Der DAX gab um 9 Punkte nach und wurde mit einem Wert von 2122 notiert. Auch der Rentenmarkt war ruecklaeufig. Der US-Dollar gab um 1.25 Pfennig nach und stand beim Fixing bei etwas mehr als DM 1.40 .


Quellen

B5    8:30 MESZ    15:30 MESZ    17:30 MESZ
SDR3    9:00 MESZ    16:00 MESZ    18:00 MESZ