GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Sa, 05.11.1994



* Bundesversammlung von Buendnis 90/Die Gruenen in Koeln
* Klaus Escher neuer Bundesvorsitzender der Jungen Union
* FDP laut Rexrodt in tiefer Krise
* Teilamnestie fuer Stasi-Mitarbeiter vorgeschlagen
* SPD zur Zusammenarbeit mit der PDS
* Debatte bei der Frauenunion ueber Quotenregelung
* Zentralrat der Juden fordert Parteien zu Distanz zur PDS auf
* Zu den Beitragszahlungen fuer Ersatz-Krankenkassen von Rentnern
* Schnitte im Steuersystem von Experten gefordert
* Einschneidende Sparmassnahmen bei Alkatel-SEL Mannheim
* Betriebsratsitzung des Optik-Elekronik-Konzerns Karl Zeiss
* Bombe aus dem 2. Weltkrieg in Ludwigshafen entschaerft



Bundesversammlung von Buendnis 90/Die Gruenen in Koeln

Koeln. Buendnis 90/Die Gruenen kamen heute zu einem eintaegigen Bundesparteitag zusammen. Im Mittelpunkt des Koelner Treffens standen der Ausgang der Bundestagswahl und Satzungsfragen. Der Parteitag wurde am Mittag mit einer Rede des scheidenden Vorstandssprecher Vollmer eroeffnet. Vollmer hat seine Partei auf der Bundesversammlung in Koeln zu einem Neuanfang in Ostdeutschland aufgerufen. Wenn es nicht gelinge, Buendnis 90/Die Gruenen in den neuen Bundeslaendern zu einem stabilen Faktor zu machen, werde dies mittelfristig die Gesamtpartei in Gefahr bringen, trotz ihrer gegenwaertigen Wahlerfolge im Westen. Er gab zu bedenken, dass die Buendnisgruenen in Ostdeutschland moeglicherweise noch immer ein aufschwungfeindliches Image haetten. Vollmer forderte unter anderem eine Oeffnung der Partei fuer fruehere SED-Mitglieder, die Schaffung des sozialen und oekologischen Profils der Gruenen und eine offensive Auseinandersetzung mit der PDS. Auch kuenftig wird der Grundsatz der Trennung von Parteiamt und Parlamentsmandat gelten. Die Bundesversammlung sprach sich mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit fuer die Beibehaltung dieser Regelung aus. Sie gilt nun auch fuer die Mitglieder in Ostdeutschland. Damit koennen weiterhin Abgeordnete von Landtagen, Bundestag und Europaparlament nicht in den Parteivorstand gewaehlt werden. Dies gilt auch fuer Regierungsmitglieder. Das von vielen erwartete Hauen und Stechen zwischen Ost- und Westgruenen blieb aus. Die schlechten Ergebnisse der Partei bei den Bundestagswahl in den neuen Bundeslaendern wurden nuechtern analysiert, wobei viele Ostgruene selbstkritisch eingestanden: "Wir haben Fehler im Wahlkampf gemacht." Ausfuehrlich diskutierten die Delegierten aber auch ueber das Verhaeltnis in der Partei zwischen Ost- und Westgruenen. Damit stuende es noch immer nicht zum Besten, monierte Marianne Birteler, Gruenensprecherin aus Brandenburg, und deshalb duerfe es auch nicht sein, dass die Gruenen Ost wegen des schlechten Wahlergebnisses in den neuen Bundeslaendern kuenftig nicht mehr im Bundesvorstand vertreten seien.


Klaus Escher neuer Bundesvorsitzender der Jungen Union

Der 29jaehrige Rechtsreferendar Klaus Escher aus Koblenz ist zum neuen Bundesvorsitzenden der Jungen Union gewaehlt worden. Er erhielt gestern Abend auf dem Deutschlandtag der CDU-Nachwuchsorganisation in Berlin 195 von 229 abgegebenen Stimmen. In seiner Antrittsrede forderte er die Junge Union auf, eigenstaendig und unbequem zu sein. Die Junge Union sei nicht das Legoland von CDU und CSU. Escher tritt die Nachfolge von Hermann Grohe an, der bei den Bundestagswahlen ein Mandat erhielt und nach fuenf Jahren Amtszeit nicht mehr kandidierte.


FDP laut Rexrodt in tiefer Krise

Die FDP steckt nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministers Rexrodt in einer tiefen Krise, an der es nichts schoenzureden gebe. Auf einem Parteitag der schleswig-holsteinischen FDP sagte Rexrodt in Luebeck, die Partei brauche eine inhaltliche Erneuerung und eine ehrliche Standortbestimmung. Die FDP sei weder eine linksliberale Zeitgeistpartei noch rechtspolitischer Schaumschlaeger a la Joerg Heider. Wer sich in die rechte Ecke draengen lasse, komme darin um, sagte Rexrodt, der an Stelle des erkrankten FDP-Vorsitzenden Kinkel auf dem FDP-Parteitag in Luebeck sprach.


Teilamnestie fuer Stasi-Mitarbeiter vorgeschlagen

Der Alterspraesident (sp?) des neuen Bundestages Heim (sp?) hat sich fuer die Schliessung der Stasi-Akten ausgesprochen. Er sagte den "Stuttgarter Nachrichten", es gebe dringlicheres zu tun, man muesse die Einheit verwirklichen statt die Menschen in Ost und West gegeneinander zu jagen. Im Bundestag will der parteilose Schriftsteller, der fuer die PDS in Berlin ein Direktmandat gewann, Gespraeche ueber die Parteigrenzen hinweg pflegen. Er sei fuer eine Koalition der Klugen, sagte Heim. Am Nachmittag schlug der SPD-Parteivorsitzende Scharping eine Teilamnestie fuer ehemalige Stasi-Mitarbeiter vor, lautete es im "Hessischen Rundfunk". Dem privaten Fernsehsender "RTL" sagte Scharping, dabei gehe es ihm nicht um einen Schlussstrich gegenueber schweren Verbrechen wie Mord, Totschlag und Schiessbefehl. Versoehnung koenne es aber nur geben, wenn nicht alles mit buerokratischer Perfektion bis in die letzten Winkel aufgefieselt werde.


SPD zur Zusammenarbeit mit der PDS

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Witschorek-Zeul (sp?) hat allen Ueberlegungen in Richtung Zusammenarbeit mit der PDS eine klare Absage erteilt. Im Sender i"Freies Berlin" sagte die Politikerin, sie rechne sich selbst zum linken Spektrum der SPD, lehne aber Buendnisse, Koalitionen oder Koalitions-Achsen mit der SED-Nachfolgepartei PDS strickt ab. Solche Verbindungen halte sie fuer abenteuerlich und gefaehrlich. Mit ihren Aeusserungen wandte sie sich auch gegen Ueberlegungen der SPD-Linken des Frankfurter Kreises, in der eine begrenzte Kooperation mit der PDS befuerwortet wird. Weiterhin erklaerte die Politikerin, die politische Auseinandersetzung mit der PDS schliesse normale parlamentarische Kontakte allerdings ein. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Tierse (sp?) hat seine westdeutschen Kollegen Lafontaine und Schroeder kritisiert, weil sie das Verhaeltnis der SPD zur PDS unter dem Aspekt des Machtkalkuel saehen. Im "Spiegel" sagte Tierse, diese Logik schade der SPD und gefaehrde den Grundkonsens der Partei. Jede Kooperation mit der PDS muesse zu einer geradezu dramatischen Zerreissprobe fuer die Partei selber werden. Die Sozialdemokraten duerften nicht den Eindruck erwecken, sie hingen der Illusion nach, sie koennte zusammen mit den Postkommunisten in Ostdeutschland linke Mehrheiten erzielen. Zugleich plaedierte Tierse dafuer, dass die SPD fruehere SED-Mitglieder aufnehme, wenn diese keine Schuld auf sich geladen haetten.


Debatte bei der Frauenunion ueber Quotenregelung

Bonn. Zu einer kontroversen Debatte ueber die geplante Quotenregelung in der CDU ist es bei der Vorsitzenden-Konferenz bei der Frauenunion gekommen. Deren Vorsitzende Bundestagspraesidentin Suessmuth warb ebenso wie CDU-Generalsekretaer Hinze fuer eine feste Frauenquote in der Partei. Skeptisch aeusserte sich hingegen die stellvertretende Parteivorsitzende und Bundesfrauenministerin Merkel. Sie sagte, das Ziel sei zwar richtig, den Anteil von Frauen in den Parteigremien und -aemtern zu staerken, die CDU muesse aber ueberlegen, ob sie einen solchen Zwang in ihrer Satzung verankern wolle. Als absurd wies die Bundesfrauenministerin die Darstellung mancher Maenner in der CDU zurueck, wonach es zu wenig qualifizierte Frauen gebe.


Zentralrat der Juden fordert Parteien zu Distanz zur PDS auf

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland Bobis (sp?) hat die demokratischen Parteien aufgefordert, auf Distanz zur PDS zu bleiben. Bei der "Neuen Osnabruecker Zeitung" sagte Bobis, das Verhaeltnis der PDS zur antisemitischen Tradition ihrer Vorgaengerpartei SED sei weiter nebuloes. Die Politik der DDR-Fuehrung habe unter dem Deckmantel des Antizionismus auch ein gehoeriges Stueck mit Rassismus zu tun gehabt. Er vermisse ein klares Wort, dass die PDS dieser frueheren Haltung tatsaechlich abschwoeren wolle. Bei den Honecker-Nachfolgern wisse man nie genau, was Anpassung und was Ueberzeugung sei.


Zu den Beitragszahlungen fuer Ersatz-Krankenkassen von Rentnern

Nach Informationen das Nachrichtenmagazins "Focus" muessten Rentner, die in den Ersatz-Krankenkassen versichert seien, von Januar an hoehere Beitrage bezahlen. Statt des Beitragsatzes ihrer jeweiligen Kasse werde dann nach Anweisung von Bundesgesundheitsministers Seehofer der Durchschnittssatz aller Kassen vom Ruhegeld abgezogen, berichtet das Blatt. Der Ueberschuss gehe in den sogenannten Risiko-Strukturausgleich, von dem hauptsaechlich die AOKs profitierten. Nach den Angaben von Focus hat die Anweisung Seehofers keine Rechtsgrundlage. Ein entsprechendes Gesetz sei am Einspruch des Bundesrates gescheitert.

Das Bundesarbeitsministerium hat klargestellt, dass die 15 Millionen Rentner, die in Ersatzkassen versichert sind, nicht mit hoeheren Krankenkassenbeitraegen zu rechnen haben. Ein Ministeriumssprecher sagte, anderslautende Berichte traefen nicht zu. Das Ministerium in Bonn betonte, fuer den einzelnen Rentner aendere sich ueberhaupt nichts. Es gehe lediglich um einen neuen Strukturausgleich zwischen den einzelnen Krankenversicherung.


Schnitte im Steuersystem von Experten gefordert

Eine Expertenkommission hat nach Darstellungen des Nachrichtenmagazins "Spiegel" harte Schnitte im Steuersystem gefordert. Die Kommission schlaegt nach Darstellung im Spiegel vor allem Einschnitte bei Steuerverguenstigungen vor. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Steuerbefreiung des Existenzminimums werde rund 40 Milliarden DMark kosten.


Einschneidende Sparmassnahmen bei Alkatel-SEL Mannheim

Mannheim. Beim Elektronikkonzern Alkatel-SEL sind offenbar einschneidende Sparmassnahmen geplant. Das Werk in Mannheim ist von der Schliessung bedroht. Gegenueber dem Sueddeutschen Rundfunk sagte der Betriebsratvorsitzende des Mannheimer Werks Dieter Schwab am Morgen: "Wir haben in Mannheim von Geruechten gehoert und die haben sich jetzt verdichtet, dass man beabsichtigt, den Alkatel-SEL Standort Mannheim zu schliessen. Man beabsichtigt, ihn zu schliessen und am 9.11. soll dies im Aufsichtsrat vom Vorstand verkuendet werden. Es handelt sich hier um eine Mannschaft von 450 hochqualifizierten Mitarbeitern und 110 Mitarbeitern fuer eine Navigation, die in dem Bereich von Funkgeraeten, Navigationsgeraeten arbeiten. Die Kolleginnen und Kollegen, die hier beschaeftigt sind, werden aufgrund unserer Struktur wohl in eine lange Arbeitslosigkeit gehen." Als sehr ernst hat auch der Gesamtsbetriebsratvorsitzende von Alkatel-SEL Suess in Stuttgart Berichte ueber weitere Sparmassnahmen bezeichnet. Gegenueber dem Suedwestfunk sagte Suess, es gebe zwar noch keine offizielle Stellungnahme der Unternehmensleitung zur moeglichen Schliessung von Werken, er rechne aber damit, dass bei der Aufsichtsratsitzung am Mittwoch Einzelheiten genannt wuerden. Fuer den Sitzungstag kuendigte er eine Protestkundgebung vor der Konzernzentrale in Stuttgart an. Als dramatisch bezeichnete Suess die Meldung, dass das Werk in Mannheim geschlossen werden solle. Der Betriebsratsvorsitzende reagierte auf eine Meldung des "Sueddeutschen Rundfunks", wonach bei Alkatel-SEL einzelne Werke geschlossen oder verkauft und zahlreiche weitere Stellen gestrichen werden sollen.


Betriebsratsitzung des Optik-Elekronik-Konzerns Karl Zeiss

Stuttgart. Der Konzernbetriebsrat der Optik-Elektronikfirma Karl Zeiss beraet heute ueber sein weiteres Vorgehen. Es geht um moegliche Protestaktionen gegen die angekuendigte Streichung von 3000 Stellen. Ausserdem sollen die Belegschaftsvertreter bei dem Treffen in Stuttgart auf einen gemeinsamen Informationsstand gebracht werden. Der Konzernbetriebsrat fordert die Abloesung des Unternehmensvorstands. Um moeglichst viele Arbeitsplaetze zu sichern, sei eine voellig neue Konzernfuehrung noetig. Der Betriebsrat kuendigte nach seiner Sitzung ausserdem an, dass in der kommenden Woche ein Gerichtsverfahren zur Durchsetzung eines Sachverstaendigen eingeleitet werde. Der Experte soll den Betriebsrat bei der Beurteilung von Unternehmensdaten beraten.


Bombe aus dem 2. Weltkrieg in Ludwigshafen entschaerft

Polizei, Feuerwehr und Hilfsdienste haben in Ludwigshafen rund 15 000 Menschen evakuiert. Eine 36-Zentner-Bombe aus dem 2. Weltkrieg sollte am Mittag entschaerft werden. Die Bombe mit drei Zuendern war auf einem Acker entdeckt worden, der von Wohnanlagen umgeben ist. 50 Minuten dauerte die Entschaerfung und sie war so brisant wie die Sprengstoffexperten befuerchtet hatten. Denn einer der drei Zuender hatte sich verkeilt und liess sich nur mit grossem Fingerspitzengefuehl herausdrehen. Um 14:55 Uhr durften die Bewohner der Siedlungen ihre Wohnungen wieder betreten. Die Autobahn wurde freigegeben und saemtliche Strassensperren wurden inzwischen wieder aufgehoben. Bereits am Montag soll mit Hilfe alter Luftaufnahmen nach weiteren Blindgaengern gesucht werden und die Experten befuerchten, dass sie erneut fuendig werden. Ludwigshafens Oberbuergermeister Dr. Wolfgang Schulte lobte die Arbeit des Kampfmittelbeseitigungsdienstes, kritisierte aber dessen Suchsystem. Statt eine Bombe nach der anderen aufzuspueren und zu entschaerfen, forderte Schulte, zunaechst alle zu orten und dann an einem Tag zu beseitigen. Ein staendiges Evakuieren von grossen Teilen des Stadtgebietes sei weder der Bevoelkerung zuzumuten, noch Ludwigshafens Stadtkasse.


Quellen

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DLF    9:00 Uhr MEZ
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