GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Mo, 06.05.1996



* Zahl der Arbeitslosen geht nur leicht zurueck
* Kohl schaltet sich in Rentendiskussion ein
* Enttaeuschung nach gescheiterter Laenderfusion
* Durchbruch bei Koalitionsverhandlungen in Schleswig-Holstein
* DDR-Anwalt Vogel erneut vor Gericht
* Widerstand der Atomkraftgegner waechst
* Treffen der EU-Agrarminister
* Boerse



Zahl der Arbeitslosen geht nur leicht zurueck

Die Zahl der Arbeitslosen ist im vergangenen Monat wie erwartet leicht zurueckgegangen. Die Nuernberger Bundesanstalt fuer Arbeit zaehlte im April knapp 3.97 Millionen Menschen ohne bezahlte Beschaeftigung. Der Praesident der Bundesanstalt, Bernhard Jagoda, zeigte sich enttaeuscht ueber die doch eher sehr verhaltene Besserung der Situation. Offenbar sei die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu schwach, um den Arbeitsmarkt auch nur stabilisieren zu koennen, meinte Jagoda. 20 Prozent mehr Stellenangebote als vor einem Jahr zaehlten die Arbeitsaemter. Vor allem die Bauwirtschaft hat wieder eingestellt. Der starke Personalabbau nach dem Wegfall des Schlechtwettergeldes und wegen des kalten Winters wurde also zum Teil wieder rueckgaengig gemacht. Aus dem verarbeitenden Gewerbe gingen dagegen spuerbar weniger Stellenangebote ein als vor einem Jahr. Fazit des Praesidenten: alles in allem stellen die Arbeitsmarktzahlen der Konjunktur kein gute Zeugnis aus.

Weder Opposition noch Regierungsparteien sehen in den Zahlen aus Nuernberg ein Signal, das dauerhafte Entlastung verspricht. Der saisonbedingte Rueckgang duerfe nicht die Augen fuer die tatsaechliche Lage verschliessen, warnte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ottmar Schreiner. Er weist besonders auf den Anstieg der Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen hin, die SPD fordert deshalb eine Ausbildungsoffensive. Das Sparpaket der Bundesregierung wird nach Schreiners Einschaetzung zu keiner Entlastung, sondern zu noch mehr Arbeitslosen fuehren. Ihr Programm fuer mehr Wachstum und Beschaeftigung haelt dagegen der sozialpolitische Sprecher der Union, Luven, fuer die richtige Antwort. "Dieses Programm ist noch nicht Gesetz. Wir arbeiten aber mit Hochdruck daran und ich gehe davon aus, dass wir noch in dieser Woche erste Vorlagen in den Bundestag einbringen." Auch fuer die FDP-Abgeordnete Gisela Babel sind damit die Weichen gestellt. Die Koalition verspricht sich insbesondere durch den verringerten Kuendigungsschutz in Kleinbetrieben mehr Arbeitsplaetze. Ausserdem setzt sie auf mehr Beschaeftigungsverhaeltnisse im Haushaltbereich durch Steuerverguenstigungen. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin von Buendis 90 / Die Gruenden, Marie-Luise Beck, bezweifelt, dass das einen Schub bringen wird. Ihre Partei unterstuetzt den Ansatz der Gewerkschaften, in einem ersten Schritt durch Ueberstundenabbau die Arbeit gerechter zu verteilen.


Kohl schaltet sich in Rentendiskussion ein

Bundesfinanzminister Waigel hat am Wochenende eine Diskussion ueber die Besteuerung der Rente ausgeloest. Sein Vorhaben, die Altersbezuege kuenftig hoeher zu besteuern, stiess auf Kritik. Die SPD sprach von Rentenbetrug, der Bund der Steuerzahler nannte den Vorstoss des Finanzministers ungerechtfertigt. Heute hat sich Bundeskanzler Kohl in die Rentendiskussion eingeschaltet. Es ist offenbar alles moeglich bei der Rente. Doch was, darueber kann und will der Kanzler jetzt noch nichts sagen. Dazu soll erst einmal eine Kommission gebildet werden und zwar noch in diesem Monat. An dieser Kommission zur Reform der sozialen Sicherungssystem will der Kanzler auch Vertreter der SPD und der Gewerkschaften beteiligen. Ein Angebot, das SPD-Bundesgeschaeftsfuehrer Muentefering inzwischen dankend abgelehnt hat. Seine Partei werde sich an solchen Gespraechen nicht beteiligen, wenn die Regierung das Sparpaket wie geplant durchziehen wolle. Dennoch, nach dem Willen des Kanzlers soll die Rentenkommission Vorschlaege erarbeiten, die bis Ende naechsten Jahres, so versprach der CDU-Vorsitzende, in Gesetzesform gegossen werden sollen. Bis dahin, so Helmut Kohl: "waere es fuer viele sehr gut, wenn sie am Wochenende spazieren gingen, das Fruehjahr geniessen wuerden und Ihnen nicht die Gelegenheit geben wuerden, dass Sie was fragen koennen." Er, Kohl, habe das mit allem Nachdruck in der heutigen Praesidiumssitzung der CDU-gepredigt, wobei die, so der Kanzler mit Anspielung auf CSU-Chef Waigel, die eine solche Predigt noetig gehabt haetten, gar nicht dagewesen seien. Seinen Sozialminister Norbert Bluem bezeichnete Kohl einmal mehr als Mann seines Vertrauens und die Bemerkung des Jungen-Unionsvorsitzenden Escher, Bluem sei ein Bremser bei der Rentenreform, kommentierte Kohl mit der Feststellung, dass er nicht glaube, dass der JU-Vorsitzende eine Kapazitaet auf diesem Gebiet sei.


Enttaeuschung nach gescheiterter Laenderfusion

Mit Enttaeuschung haben die Regierenden in Berlin und Brandenburg auf das Scheitern der Laenderfusion reagiert. Brandenburgs Ministerpraesident Stolpe raeumte eine schwere persoenliche Niederlage ein. Berlins Regierender Buergermeister Diepgen sagte, die Ablehnung zeige keinen Ost-West-Konflikt sondern sei ein Ergebnis alter Vorbehalte der frueheren DDR gegen die alte Hauptstadt. Auch nach dem Aus der geplanten Laenderehe zwischen Berlin und Brandenburg haelt die Diskussion ueber eine umfassende Neugliederung der Bundeslaender an. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Rupert Scholz, bezeichnete das Abstimmungsergebnis als grossen Rueckschlag fuer die Region. Ob gewollt oder ungewollt wuerden Berlin und Brandenburg wieder verstaerkt in Konkurrenz treten und vor allem Brandenburg, dessen Wahlberechtigte die Laenderfusion mehrheitlich abgelehnt hatten, werde die Lasten zu spueren bekommen, betonte der CDU-Politiker. Das Thema "Neugliederung der Bundeslaender" sei jedoch mit dem gestrigen Ergebnis nicht vom Tisch. Elf der sechzehn Laender hingen am Tropf des Bundes sowie des Laenderfinanzausgleichs. Von alten, kleinen, nicht leistungsfaehigen Einheiten muesse man sich trennen, sagte Scholz mit Blick auf die Stadtstaaten Bremen und Hamburg. Aeusserst zufrieden mit dem Nein der Brandenburger zeigten sich Bremens Buergermeister Henning Scherf und der saarlaendische SPD-Vorsitzende Rheinhard Klimt. In Bremen wolle niemand die Unabhaengigkeit des Landes aufgeben, meinte Scherf. In grossen Betrieben sei zudem Dezentralisierung angesagt. Klimt schloss fuer das Saarland eine Laenderneugliederung aus. Wenn man den Foederalismus ernst nehme, muesse man die Selbstaendigkeit respektieren. Fuer die Buendnisgruenen erklaerte deren Sprecher Juergen Trittin, die Menschen in Brandenburg haetten Selbstbewusstsein bewiesen. Dort sei man nicht bereit gewesen, einem Prozess zuzustimmen, den viele als aufgenoetigt empfunden haetten.


Durchbruch bei Koalitionsverhandlungen in Schleswig-Holstein

Die rot-gruenen Koalitionsgespraeche in Schleswig-Holstein haben laenger gedauert als geplant. SPD und Gruene liessen am Wochenende wissen, die Atmosphaere bei den Verhandlungen sei hart aber fair gewesen, ging es doch schliesslich auch darum, sich beim Hauptstreitpunkt, der geplanten Ostseeautobahn A20, zu einigen. SPD und Buendnis-Gruene haben waehrend ihres Sitzungsmarathons am Wochenende die meisten inhaltlichen Huerden beiseite geraeumt und so die Weichen gestellt, um den Kieler Koalitionsfahrplan einzuhalten. Ministerpraesidentin Simonis geht davon aus, dass sie am 22. Mai vom Landtag mit rot-gruener Mehrheit in ihrem Amt bestaetigt wird. Obwohl bei einigen Themen erhebliche Meinungsunterschiede bestanden haetten, sei man sich sehr viel naeher gekommen, sagte die Ministerpraesidentin. Und die gruene Fraktionsvorsitzende Froehlich ergaenzte, dass die grosse Verhandlungskommission gut die Haelfte aller Themen abgehandelt habe. Darunter die Felder Umwelt und Energie, Bildung und Frauen sowie Wirtschaft und Verkehr. In der Frage der A20 praesentierten die Unterhaendler einen zweigeteilten Kompromissvorschlag. Er laeuft im Kern darauf hinaus, dass an den Plaenen fuer die Fernstrasse festgehalten, der Baubeginn aber durch ein ausgekluegeltes Verwaltungsverfahren hinausgezoegert wird. Zudem wurde fuer die Schulen vereinbart, Lehrerstellen von der generellen Wiederbesetzungssperre auszunehmen und durch interne Umschichtungen mehr als 1.400 zusaetzliche Stellen zu schaffen, durch beispielsweise groessere Klassen und den Abbau von Stundenverguenstigungen fuer aeltere Paedagogen.


DDR-Anwalt Vogel erneut vor Gericht

Der ehemalige DDR-Unterhaendler Wolfgang Vogel muss sich erneut wegen Erpressung vor Gericht verantworten. Das Berliner Landgericht prueft von heute an erneut, ob der einflussreiche Jurist zu DDR-Zeiten seine Macht dazu nutzte, Ausreisewillige zu erpressen. In einem ersten Prozess hatten die Richter Vogel bereits im Januar in mindestens vier Faellen fuer schuldig befunden und verurteilt. Laut Staatsanwaltschaft hat Vogel seine Position als Unterhaendler fuer sich oder Dritte ausgenutzt, um wirtschaftliche Vorteile zu erlangen. In den 39 angeklagten Faellen soll er die Ausreisebewilligung nur dann in Aussicht gestellt haben, wenn DDR-Buerger, die das Land verlassen wollten, ihr Land oder ihr Grundstueck auf ganz bestimmte Personen uebertragen wuerden.


Widerstand der Atomkraftgegner waechst

Der umstrittene Atommuelltransport von La Hague nach Gorleben startet heute. Und der Widerstand der Atomkraftegegner waechst. Am Morgen wurden auf diverse Bahnstrecken wieder Anschlaege veruebt. Allein vergangene Nacht waren 3.000 Grenzschuetzer und Polizisten im Einsatz gegen die Demonstranten. 89 Menschen wurden nach Polizeiangaben voruebergehend festgenommen. Der vor der Bezirksregierung in Lueneburg postierte Streifenwagen mit zersplitterter Windschutzscheibe sprach Baende. Polizei und Bundesgrenzschutz rechnen offenbar mit gewalttaetigen Auseinandersetzungen rund um den Castortransport. Die Einsatzleitung legte eine umfassende Dokumentation aller schon im Vorfeld begangener Straftaten vor. Danach wurden von Mitte Maerz bis zum 5. Mai 34 Bombendrohungen registriert, fast 30 Beschaedigungen von Bahnanlagen und 47 gefaehrliche Eingriffe in den Bahnverkehr. Thema auf der Pressekonferenz in Lueneburg war auch das Hin und Her um die vom Landkreis Luechow-Dannenberg erlassenen Demonstrationsverbote. Das Verwaltungsgericht Lueneburg hatte heute Morgen dem Erlass von Totalverboten ueber einen laengeren Zeitraum enge Grenzen gesetzt und entsprechende Verfuegungen von 1994 und 1995 fuer nicht zulaessig erklaert. Diese Entscheidung duerfte auch nicht ohne Auswirkungen zu der noch ausstehenden Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zum aktuellen Demonstrationsverbot rund um den Castortransport bleiben. Bei der Einsatzleitung in der Lueneburger Bezirksregierung zeigte man sich unbeeindruckt von der Gerichtsentscheidung. Regierungspraesidentin Ulrike Rolf-Geppert (sp?) sagte, man werde alle rechtlichen Moeglichkeiten ausschoepfen, um die Position des Landkreises Luechow-Dannenberg durchzusetzen. Von einem Totalverbot koenne nicht die Rede sein, weil sich das Demonstrationsverbot nur auf einen Streifen entlang der Transportstrecke fuer den Castor bezieht.


Treffen der EU-Agrarminister

Die Agrarminister der Europaeischen Union sind heute im italienischen Otranto zusammengekommen. Wichtigstes Thema ist wiederum das Exportverbot fuer britische Rindfleischprodukte. Einmal mehr wird die britische Delegation auch bei diesen zweitaegigen Beratungen darauf draengen, dass das Handelsverbot wenn schon nicht aufgehoben, so doch rasch gelockert wird. Gegen eine rasche Lockerung dieses Exportverbotes hat sich erneut Bundeslandwirtschaftsminister Borchert ausgesprochen. Zum Auftakt des informellen Treffens betonte der Minister, ersteinmal muesse Grossbritannien seine Massnahmen zur Bekaempfung der Rinderseuche BSE konkret umsetzen, bevor ueberhaupt an eine Lockerung des Verbotes gedacht werden kann. Zwar wird der staendige Veterinaerausschuss der EU darueber beraten, ob nicht schon bald bestimmte Produkte wie z.B. aus Rinderabfaellen gewonnene Gelatine vom Exportstop augeklammert werden koennen. Aber mit einer Entscheidung rechnet Minister Borchert nicht. Besorgt aeusserte er sich ueber die Folgen der BSE-Krise - den fast totalen Zusammenbruch des Marktes fuer Rindfleisch. Jochen Borcher rechnet damit, dass gerade in Deutschland die Schwierigkeiten in den naechsten Wochen noch zunehmen werden, wenn Masttiere verkauft werden muessen. Deshalb macht er sich im Kreis seiner EU-Kollegen dafuer stark, den Zuechtern eine Sonderpraemie zu zahlen als Ausgleich fuer entstandene Verluste. Diese Praemie soll aus dem EU-Haushalt finanziert werden. Moeglicherweise wird darueber beim naechsten Rat der Agrargminister Ende Mai entschieden.


Boerse

Einige Kurse:
US-Dollar(1 US_$)  1,5249
Kanada(1 $)  1,1170
ECU-Wert(1 ECU)  1,90920
England(1 Pfund)  2,2994
Schweiz(100 sfr)  122,660
Frankreich(100 FF)  29,5800
Italien(1000 Lit)  0,9779
Oesterreich(100 oeS)  14,2110
Spanien(100 Ptas)  1,1985
Japan(100 Yen)  1,4527
Schweden(100 skr)  22,2900
 
Einige Indizes:
DAX:2468.91
Dowjones-Index:5442.63
Nikkei-Index:21662.38
 
(alle Angaben ohne Gewaehr)  



Quellen

B5    12:00 MESZ    14:00 MESZ    17:00 MESZ