GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Th 24.02.1994



* Neuer Anlauf in Sachen Pflegeversicherung
* Erbrechtliche Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder
* BGH erklaert Bankbuergschaftsvertraege fuer teilweise sittenwidrig
* Kabinettsbeschluss zur Privatfinanzierung von Bruecken und Tunnels
* Untersuchungsausschuss zur Gauweilerschen Kanzleiaffaere eingesetzt
* Cholera in Belet Uen ausgebrochen
* Dritte Runde im Tarifpoker im oeffentlichen Dienst
* IG Metall setzt Warnstreiks fort
* Kleinaktionaere der Frankfurter Metallgesellschaft beschuldigen Aufsichtsrat
* Presserat appelliert, auf sensationelle Gewaltdarstellung zu verzichten
* Ausserordentliche Hauptversammlung der Metallgesellschaft
* Kindersexskandal von Flachslanden vor Gericht
* Silbermedaille fuer Martina Ertel im Riesenslalom



Neuer Anlauf in Sachen Pflegeversicherung

Bonn. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat erneut ueber die Pflegeversicherung beraten. Auch heute rechneten weder die Koalition noch die SPD mit einem Durchbruch. Zwei Vorschlaege der Regierung liegen auf dem Tisch. Entweder zwei Feiertage streichen, oder alternativ dazu werden zwei Feiertage nicht mehr bezahlt, bleiben aber erhalten. Die Streichung zweier Feiertage waere nach SPD-Lesart Ueberkompensation, denn nach ihrer Rechnung und der von CDU Minister Bluem reicht ein Feiertag weniger aus, um den Arbeitgeberbeitrag auszugleichen. Die SPD schlaegt deshalb vor, den Pfingstmontag zu streichen und den Buss- und Bettag von Mittwoch auf Freitag zu verlegen. Darueber wollte die SPD schon bei den beiden vorangegangenen Sitzungen der Ermittlungsausschusses abstimmen lassen, das verhinderte die Koalition zweimal indem sie eine Vertagung er- zwang. Die Beratungen wurden am Abend auf den morgigen Tag vertagt.


Erbrechtliche Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder

Bonn. Nichteheliche Kinder sollen im Erbfall kuenftig nicht mehr benachteiligt werden. Ein vom Bundeskabinett verabschiedeter Gestzentwurf sieht vor, dass nichteheliche Kinder als Erben ehelichen Kindern kuenftig gleichgestellt werden. Die bisherige Praxis, so Justizministerin Leuthaeusser-Schnarrenberger, sei aus verfassungsrechtlichen Gruenden bedenklich, weil sie den gesellschaft- lichen Veraenderungen nicht Rechnung trage.


BGH erklaert Bankbuergschaftsvertraege fuer teilweise sittenwidrig

Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof hat die bisher geltenden Bankbuergschafts- vertraege fuer teilweise sittenwidrig und somit ungueltig erklaert. Das Urteil betrifft die Haftung von jungen und mittellosen Buergern, die fuer Bankkredite ihrer Eltern gebuergt haben. Die Karlsruher Richter entschieden, dass ein solcher Vertrag sittenwidrig ist, wenn fuer die Bank bei der Kredit- vergabe erkennbar war, dass die Buergen ihre Schuldlast trotz groesster Anstrengungen nie mehr abtragen koennen. Wenn also junge Familienangehoerige zum Beispiel von den Eltern als Buergen benannt werden, muessen sich die Banken ein klares Bild ueber deren Bonitaet verschaffen. Mit dieser Ent- scheidung hat der Bundesgerichtshof seinen bisherigen Grundsatz "Vertrag ist Vertrag" nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben.


Kabinettsbeschluss zur Privatfinanzierung von Bruecken und Tunnels

Bonn. Beim Fernstrassenbau will der Bund kuenftig teure Projekte wie Bruecken und Tunnels von Privatunternehmen bauen lassen, die dann Nutzungsgebuehren erheben duerfen. Dies sieht ein Kabinettsbeschluss vor, der jetzt in einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktion eingearbeitet werden soll. Bundesver- kehrsminister Wissmann begruendete das sogenannte 'Betreiber-Modell' mit der angespannten Haushaltslage. Fuer Autobahnen komme es freilich vorerst nicht in Betracht.


Untersuchungsausschuss zur Gauweilerschen Kanzleiaffaere eingesetzt

Muenchen. Der bayerische Landtag hat einstimmig einen Untersuchungs- ausschuss eingesetzt, der die sogenannte Kanzleiaffaere des zurueckge- tretenen bayerischen Umweltministers Gauweiler durchleuchten soll. Mit Zustimmung der CSU Mehrheit will die Opposition vor allem die Hinter- gruende der Vertraege klaeren, mit denen Gauweiler seinen frueheren Mandantenstamm fuer monatlich 10.000 DM an seine ehemalige Rechtsanwalts- kanzlei verpachtet haben soll. Der Untersuchungsausschuss soll in der kommenden Woche seine Arbeit aufnehmen.


Cholera in Belet Uen ausgebrochen

Nairobi. In einigen somalischen Staedten, darunter auch dem Stationierungs- ort deutscher Blauhelmsoldaten ist eine Choleraepidemie ausgebrochen. Die Weltgesundtheitsorganisation WHO berichtete von insgesamt 465 Faellen. Mehr als 50 Somalier sollen an der Krankheit bereits gestorben sein. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministerium erklaerte, dass es keinen Cholerafall bei den deutschen Soldaten gebe. Die Epidemie ist vor allem auf verschmutzes Trinkwasser zurueckzufuehren.


Dritte Runde im Tarifpoker im oeffentlichen Dienst

Stuttgart. Die Tarifverhandlungen fuer die 3.5 Millionen Beschaeftigten im oeffentlichen Dienst sind heute in die dritte Runde. Auch fuer diesen Durch- gang wurde kein Durchbruch erwartet, jedoch gingen beide Seiten davon aus, dass in die bislang starre Tariffront Bewegung kommen werde. Dies nicht zuletzt wegen Auesserungen von Bundeskanzler Helmut Kohl, der sich fuer einen differenzierten Tarifabschluss ausgesprochen hatte, man koenne Brieftraeger nicht genauso behandeln, wie Beschaeftigte aus hoeheren Gehaltsgruppen. OeTV Chefin Monika Wulf-Matthies hatte ihm daraufhin sofort eine gewisse Lernfaehigkeit attestiert. Diese erwarte sie nun auch Verhandlungsfuehrer der Arbeitgeber, Bundesinnenminister Manfred Kanther. Dieser hatte noch in der zweiten Runde Punkt fuer Punkt an seinem Kuerzungskatalog und an der Nullrunde festgehalten. Richard Klein, der Verhandlungsfuehrer der kommunalen Arbeitgeber machte klar, dass heute nicht mit einem Angebot der Arbeitgeber zu rechnen sei. Zu dem Vorschlag von Bundeskanzler Kohl meinte Klein, das sei mit den kommunalen Arbeitgebern nicht zu machen, denn dann kaeme das Tarifgefuege durcheinander. Die Gewerkschaften OeTV und DAG verlangen Einkommensverbesserungen im Volumen von 4% und in Ostdeutschland einen weiteren Schritt zur Einkommensangleichung. Abstriche am geltenden Tarifrecht kommen nicht in Frage, betonte DAG Verhandlungsfuehrer Zahn zudem. Zur Forderung der oeffentlichen Arbeitgeber nach mehr Arbeitszeit- flexibilitaet sagte er, dass bereits jetzt im oeffentlichen Dienst einen Monat lang eine Wochenarbeitszeit von bis zu 50 Stunden moeglich sei, wenn sie im Folgemonat wieder ausgeglichen werde. Die dritte Verhandlungsrunde wurde von vorneherein auf zwei Tage anberaumt.


IG Metall setzt Warnstreiks fort

Frankfurt. Die IG Metall setzt ihre Warnstreiks fort. In Berlin und im hessischen Gustafsburg legten Mitarbeiter der Fruehschicht die Arbeit kurz nieder. Fuenf Tage vor Beginn der Urabstimmung ueber einen regulaeren Streik in Niedersachsen ist es heute zu der bisher groessten Warnstreik- welle dieser Tarifrunde gekommen. Nach Angaben der IG Metall legten rund 360.000 Beschaeftigte der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie kurzfristig die Arbeit nieder. Allein in Nordrhein-Westfalen traten 157.000 Metallarbeiter in den Warnstreik. In Baden-Wuerttemberg beteiligten sich rund 90.000 Beschaeftigte an den Aktionen, zu denen auch der Deutsche Gewerkschaftsbund aufgerufen hatte.


Kleinaktionaere der Frankfurter Metallgesellschaft beschuldigen Aufsichtsrat

Frankfurt. Die Kleinaktionaere der Frankfurter Metallgesellschaft haben dem Aufsichtsrat Mitschuld gegeben am Niedergang des Rohstoff- und Anlagen- baukonzerns. Ein Sprecher der Kleinaktionaere sagte auf der ausserordent- lichen Hauptversammlung der Metallgesellschaft, der Aufsichtsrat koenne sich nicht darauf berufen, vom Vorstand bewusst getaeuscht geworden zu sein. Man habe erwartet, dass der Aufsichtsrat geschlossen zuruecktritt. Der Aufsichtsrat hatte zuvor erklaert, die Schuld am Niedergang der Metall- gesellschaft liege allein beim ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Schimmel- busch. Der Aufsichtsrat habe sich wie die Banken und die Oeffentlichkeit taeuschen lassen, wie riskant die Oeltermingeschaefte des Vorstands ge- wesen seien.


Presserat appelliert, auf sensationelle Gewaltdarstellung zu verzichten

Bonn. Der deutsche Presserat, das Selbstkontrollorgan der Printmedien, hat erneut an Zeitungen und Zeitschriften appelliert auf ein unangemessene sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalitaet zu verzichten. Der Presserat ergaenzte diesen Appell durch eine Erweiterung des Pressekodex. Darin wird verbindlich definiert, was unter unangemessen sensationeller Darstellung zu verstehen ist. Die Berichterstattung ueber leidende Menschen, so heisst es, findet dort ihre Grenzen, wo sie ueber das oeffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgeht.


Ausserordentliche Hauptversammlung der Metallgesellschaft

Frankfurt. Der Aufsichtsrat der Metallgesellschaft hat dem im Dezember entlassenen Vorstandsvorsitzenden Schimmelbusch die Alleinschuld an der Fast-Pleite des Unternehmens gegeben. Auf der ausserordentlichen Haupt- versammlung betonte der Vorstand, dass Schimmelbusch den Aufsichtsrat ueber die Milliardenverluste nicht oder nicht richtig informiert habe. Die existenzbedrohende Krise der Metallgesellschaft hat eine breite Diskussion ueber die Kontrollfaehigkeit von Aufsichtsraeten ausgeloest. Als Konsequenz will die Bundesregierung die gesetzlichen Bestimmungen so aendern, dass kuenftig nur noch fuenf Aufsichtsratsmandate pro Person erlaubt sind.


Kindersexskandal von Flachslanden vor Gericht

Ansbach. Vor dem Landgericht begann der erste Prozess im Kindersexskandal von Flachslanden. Neun Kinder sollen jahrelang von mehreren Erwachsenen missbraucht und vergewaltigt worden sein. Im Juni letzten Jahres hatte die Polizei in einer Ueberraschungsaktion 21 Verdaechtige nach Hinweisen aus der Bevoelkerung festgenommen. 12 sitzen noch heute in Untersuchungshaft und warten nun auf ihre Prozesse wegen sexuellem Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung. Ihnen drohen Haftstrafen bis zu 15 Jahren. Die Angeklagten hatten teilweise Gestaendnisse abgelegt, so auch die 37 und 31 Jahre alten Maenner gegen die heute zum Prozessauftakt verhandelt wurde. Nun hat einer von ihnen ein umfassendes Gestaendnis abgelegt. Die Angeklagten sind teil- weise die Eltern und Verwandte der kindlichen Opfer. Am Abend wurden die ersten Urteile gesprochen. Das Landesgericht Ansbach verurteilte den 37- jaehrigen Angeklagten wegen Vergewaltigung von fuenf kleinen Kindern und sexuellem Missbrauch von neun Kindern zu achteinhalb Jahren Gefaengnis. Der 31jaehrige Angeklagte erhielt dreieinhalb Jahre Haft wegen Kindesmissbrauchs in zwei Faellen. Insgesamt wird sich die Verhandlungsserie im Sexskandal von Flachslanden voraussichtlich bis Juni hinziehen.


Silbermedaille fuer Martina Ertel im Riesenslalom

Lillehammer. Bei den olympischen Winterspielen hat Martina Ertl aus Lengries im Riesenslalom hinter der Italienerin Compagnoni die Silber- medaille gewonnen.


Quellen

SWF 3    7:00 MEZ    9:00 MEZ    13:00 MEZ    17:00 MEZ
    SDR 3    20:00 MEZ    22:00 MEZ