Sondersitzung des Bundestages |
Bonn. Die Abgeordneten des Bundestages unterbrachen heute ihre Sommerpause
fuer eine Sondersitzung des Parlaments, bei der es erneut um das
Jahressteuergesetz 1996 ging. Bundesregierung und Opposition haben sich
gegenseitig erneut die Schuld am Scheitern der bisherigen Gespraeche
zugeschoben. Finanzminister Waigel sagte in der Sondersitzung des Bundestages,
der Antrag der SPD sei schlechtes Sommertheater. Im gemeinsamen
Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hatten sich Koalition und
SPD in der vergangenen Woche nicht auf einen tragfaehigen Kompromiss einigen
koennen. Die SPD verabschiedete daraufhin mit ihrer Mehrheit im
Vermittlungsausschuss einen Entwurf, in dem unter anderem eine Erhoehung des
Kindergeldes auf 220 Mark und ein steuerfreies Existenzminimum von 13.000
Mark im Jahr gefordert werden. Weil die Koalition dies nicht fuer
finanzierbar haelt, wurde dieser Vorschlag heute im Bundestag mit der
Mehrheit der Koalition und den Stimmen der PDS zurueckgewiesen, die
Buendnis-Gruenen stimmten fuer den Vorschlag des Vermittlungsausschusses;
von 583 Abgeordneten stimmten 342 gegen den Vorschlag, 239 waren dafuer,
zwei enthielten sich; damit stimmte auch ein Abgeordneter aus den Reihen der
SPD gegen den Vorschlag. Finanzminister Waigel sagte, die Bundesregierung
habe ihrerseits eine tragfaehige Alternative und sei den Sozialdemokraten in
diesen beiden Fragen entgegengekommen. Die SPD-Finanzexpertin
Matthaeus-Maier erwiderte, die Koalition wolle verhindern dass sich die
Lage fuer durchschnittliche Steuerzahler und Familien mit Kindern
verbessere. Union und FDP haben bereits angekuendigt, den SPD-Vorschlag mit
ihrer Mehrheit im Parlament abzulehnen. Dann will die Bundesregierung in der
kommenden Woche ein zweites Vermittlungsverfahren beantragen, das Ende Juli
beginnen soll. Der Steuerstreit muss dann erneut im Vermittlungsausschuss
behandelt werden. Neben dem Thama Steuern beschaeftigte sich der Bundestag
in einer aktuellen Stunde mit den geplanten franzoesischen Atomtests im
Suedpazifik. Nach dem Willen der Gruenen sollte das Parlament den
franzoesischen Praesidenten Chirac dazu auffordern, seinen Beschluss zu
einer Wiederaufnahme der Tests zurueckzunehmen. Bundeskanzler Kohl
erklaerte, bei den angekuendigten Tests handle es sich um eine souveraene
Entscheidung Frankreichs. Deutschland sei in dieser Frage zwar anderer
Meinung, er lehne es aber ab, Paris zum Verzicht zu draengen. Der Kanzler
woertlich: "Es widerspricht meinem Verstaendnis vom Umgang mit befreundeten
Regierungen, sich oeffentlich gegenseitige Aufforderungen zukommen zu
lassen." Auch halte er ueberhaupt nichts von Boykottaufrufen gegen
franzoesische Produkte. Ausserdem verurteilte das Parlament auf das
Schaerfste die systematische Vertreibung tausender Fluechtlinge aus
Srebrenica durch Serben. |
Staatsbesuch von Jiang Zemin |
Bonn. Der chinesische Staats- und Parteichef Jiang Zemin ist am dritten Tag
seines Deutschlandbesuches von Bundespraesident Herzog mit militaerischen
Ehren empfangen worden. Am Mittag kamen Zemin und Bundeskanzler Kohl
zusammen. Bei dem Gespraech ging es nach Angaben von Regierungssprecher
Haussmann neben wirtschaftlichen Fragen auch um die Lage der
Menschenrechte in der Volksrepublik. Jiang bezeichnete Deutschland als
wichtigsten Kooperationspartner Chinas in Europa. Ausserdem erklaerte Jiang,
China wolle seine Reformpolitik zuegig fortsetzen. Bundespraesident Herzog
hat ebenso wie Aussenminister Klaus Kinkel die Menschenrechtslage in China
angesprochen. Er uebergab Jiang eine Liste mit den Namen von 15 politischen
Gefangnenen, deren Freilassung die Organisation Amnesty International
fordert. Mehrere Menschenrechtsorganisationen kuendigten im Vorfeld
Demonstrationen gegen die kommunistischen Machthaber an. Im Mittelpunkt des
Staatsbesuches stehen aber die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und
Deutschland. Wirtschaftsvertreter beider Laender haben mehrere Abkommen
ueber eine engere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet unterzeichnet. Insgesamt
wurden acht Vereinbarungen ratifiziert, darunter ein deutscher Kredit in
Hoehe von 180 Millionen Mark im Rahmen der Entwicklungshilfe und ein Vertrag
zwischen Mercedes-Benz und einem chinesischen Unternehmen ueber allein 1,4
Milliarden Mark. Mercedes will in der Volksrepublik in Zusammenarbeit mit
einem dortigen Unternehmen Grossraumlimousienen, Busse und Motoren bauen.
Ausserdem haben die Unternehmen Porsche und Bosch Abkommen ueber
Gemeinschaftsprojekte mit chinesischen Firmen unterzeichnet. Die Vertraege
haben laut dem Pekinger Aussenminister insgesamt einen Wert von 4,1
Milliarden Mark. Morgen reist Jiang Zemin nach Essen und Muenchen weiter.
In Muenchen sollen drei weitere Wirtschaftsprojekte vereinbart werden. Die
Polizei riegelte heute das Regierungsviertel weitraeumig ab, der Verkehr
wurde zeitweise gestoppt. Mehrere hundert Demonstranten haben anlaesslich
des Saatsbesuches gegen die Menschenrechtsverletzungen Chinas in Tibet
protestiert. Die Demonstranten stellten sich in einer Kette auf und
schwenkten die in Tibet verbotene tibetanische Nationalfahne. Der
Vorsitzende der Tibetinitiative Deutschland, Ludwig, warf Jiang Zemin vor,
massgeblich fuer die Unterdrueckung der Menschenrechte in Tibet
verantwortlich zu sein. |
Scharping fordert Stellungnahme der Regierung zu Atomtests |
Bonn. Der SPD-Vorsitzende Scharping hat die Bundesregierung zu einer
Stellungnahme zu den geplanten Atomtests aufgefordert. In einem
Zeitungsinterview sagte Scharping, es muesse gesagt werden, dass
Atomwaffentests eine unverantwortbare Gefahr fuer Mensch und Umwelt
darstellten. Zudem koennten der Atomwaffensperrvertrag durch die geplanten
franzoesichen Tests an Glaubwuerdigkeit verlieren. |
BDI will Wirtschaftskriminalitaet staerker verfolgt wissen |
Hannover. Der Chef des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Henkel, will
die Wirtschaftskriminalitaet bekaempfen. Die Gesellschaft muesse sich
aufraffen, Korruption zu raechen, sagte Henkel in einem Zeitungsinterview.
In den Spitzenjobs der Wirtschaft mache sich eine Abzockermentalitaet breit.
Als ein Beispiel nannte Henkel die Ermittlungen gegen Dutzende von
Opelmitarbeitern wegen Untreue. |
Deutsche Geiseln in Pakistan wieder frei |
Islamabad. Die zwei in Pakistan entfuehrten Ingenieure von AEG und Siemens
sind wieder frei. Die beiden sollen sich in guter Verfassung befinden; sie
wurden heute morgen in den Bergen noerdlich der Provinzhauptstadt Peschavar
aufgefunden. Ein Sprecher der deutschen Botschaft in Islamabad sagte,
er habe noch keine Einzelheiten ueber die Freilassung. Vor mehr als zwei
Wochen waren im Nordwesten Pakistans an der Grenze zu Afghanistan drei
deutsche Ingenieure verschleppt worden. Einer war bereits vor zehn Tagen
freigelassen worden. |
Verbrechensbekaempfungsgesetz eingeschraenkt |
Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat das umstrittene
Verbrechensbekaempfungsgesetz mittels einer einstweiligen Anordnung in einem
wesentlichen Punkt beschraenkt. Bis auf weiteres duerfen Daten aus
abgehoerten Auslandstelefonaten vom Bundesnachrichtendienst nur bei
Verdacht einer Straftat ausgewertet und weitergegeben werden. In der
Entscheidung heisst es, ohne die einstweilige Anordnung wuerden bereits
aufgrund blosser Anhaltspunkte Ermittlungsverfahren eingeleitet, die sich im
Ergebnis als strafrechtlich irrelevant erwiesen. |
Solingen-Prozess |
Duesseldorf. Im Prozess um den Brandanschlag von Solingen hat die
Bundesanwaltschaft Hoechststrafen fuer die vier Angeklagten beantragt.
Bundesanwalt Dirk Fernholz verlangte in seinem Plaedoyer vor dem
Duesseldorfer Oberlandesgericht fuer den 25jaehrigen Markus Gartmann eine
lebenslange Freiheitsstrafe. Fuer die drei Mitangeklagten forderte Fernholz
Jugendstrafen; sie sollen fuer zehn Jahre ins Gefaengnis. Alle Beschuldigten
haetten sich des fuenffachen Mordes, des versuchten mehrfachen Mordes und
der besonders schweren Brandstiftung schuldig gemacht. Der Bundesanwalt
sagte, angesichts der Schwere der Tat fielen weder verminderte
Schuldfaehigkeit noch verminderte Steuerungsfaehigkeit ins Gewicht. Die vier
Angeklagten muessen sich in dem seit rund 15 Monate dauernden Verfahren
wegen des Anschlags auf das Haus der tuerkischen Familie Genc am
Pfingstsamstag des Jahres 1993 verantworten. Damals waren fuenf Frauen und
Maedchen ums Leben gekommen und mehrere Familienangehoerige schwer verletzt
worden. Im Mittelpunkt der Ausfuehrungen der Oberstaatsanwaltschaft standen
gestern und heute das Gestaendnis und der Wiederruf des 25jaehrigen
Angeklagten Markus Gartmann. Er hatte die Tat zunaechst zugegeben, das
Gestaendnis dann aber widerrufen. Diesen Widerruf sieht die
Staatsanwaltschaft aber als voellig unglaubwuerdig und als Versuch an, doch
noch aus der Sache herauszukommen. Im Kernbereich habe er seine Aussage
auch bei zahlreichen Vernehmungen nie veraendert. |
Ex-Bellino-Chef verurteilt |
Stuttgart. Im sogenannten Bellino-Prozess hat das Landgericht das Urteil
gesprochen. Der ehemalige Chef der Goeppinger Bellino-Werke Wolfgang Greiner
ist zu fuenf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Greiner wird
vorgeworfen, die Treuhandanstalt um mehr als 20 Millionen Mark betrogen zu
haben. Zudem soll er zahlreiche Firmen im Raum Halle ungesetzlich erworben
und ausgebeutet haben. Die Richter befanden Greiner in drei Faellen fuer
schuldig. Ausserdem hat er eine Urkundenfaelschung und Bestechungen
begangen. Ob das Gerichtsurteil rechtskraeftig wird, haengt davon ab ob
Greiner in die Revision geht. |
Vorwuerfe gegen leitenden Arzt an Universitaet Ulm |
Ulm. Gegen einen leitenden Arzt der Universitaet Ulm ermittelt die
Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Verstoss gegen die aerztliche
Kunst. Einzelheiten nannte die Behoerde nicht. Mehrere Dutzend Krankenakten
wurden beschlagnahmt. Ob die Vorwuerfe zutreffen, muessen jetzt Vernehmungen
von aerztlichem Personal und Patienten ergeben. Die Kripo Ulm richtete eine
Sonderkommission ein. |
Erneut hohe Ozonwerte in Deutschland |
Stuttgart. Der anhaltende Sonnenschein hat bis zum Nachmittag in
Baden-Wuerttemberg erneut zu hohen Ozonwerten gefuehrt. Die Spitze lag bei
249 Mikrogramm Ozon in Mannheim. Zugleich wurden bei 15 Messstationen in
Ba-Wue Werte zwischen 180 und 240 Mikrogramm Ozon registriert. Hessen hat
erneut Ozonalarm ausgerufen. Wie das Umweltministerium mitteilte, wurden an
mehreren Orten Werte von ueber 215 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen.
Damit gilt auf hessischen Autobahnen Tempo 90, auf Bundes- und Landstrassen
Tempo 80. |
Boerse |
Die Bundesbank hat die Zinszuegel, wie erwartet, nicht gelockert, sondern nur die Mindestreservesaetze auf 2% reduziert, diesen Effekt aber durch geringere Wertpapierpensionsgeschaefte kompensiert. 1 US$ = 1,4119 (+ 0.005) (Nachboerslich: 1,39) DAX = 2214,42 (+ 15 ) (Nachboerslich: 2201) Durchschnittsrendite : 6,40 (- 0.050) |
Quellen |
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