Entscheidung um die Reform des Paragraphen 218 |
Bonn. Der Bundestag hat das neue Abtreibungsrecht verabschiedet, nun muss
noch der Bundesrat zustimmen. Eine Neuregelung war noetig geworden, weil
das Bundesverfassungsgericht im Mai 1993 die zunaechst geplante
Fristenregelung verworfen hatte. 486 Abgeordnete votierten fuer die
gemeinsame Vorlage von Union, FDP und SPD, 145 dagegen. Danach soll eine
Abtreibung in den ersten zwoelf Wochen straffrei bleiben, sofern die Frau
sich spaetestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen.
In der Parlamentsdebatte vor der Abstimmung hatten die Abgeordneten noch einmal die unterschiedlichen Positionen dargelegt. Das Ergebnis nach rund vierstuendiger Debatte fiel eindeutig aus. Nur ihrem Gewissen verpflichtet stimmten heute die Abgeordneten mit grosser Mehrheit dem Kompromissentwurf zum Paragraphen 218 in namentlicher Abstimmung zu. Die 145 Gegenstimmen kamen im wesentlichen aus den Reihen der Gruenen, der PDS und aus der Union, wobei den einen der Entwurf zu weit ging, den anderen nicht weit genug. Fuer die CSU hatte Maria Eichhorn die Verhandlungen gefuehrt. Sie bekannte sich zu einem Sinneswandel: "Je mehr ich mich mit diesem Thema beschaeftigte, umso klarer wurde mir, dass es in dieser Frage darum geht, ein deutliches Signal fuer den Schutz der ungeborenen Kinder zu setzen. Gleichzeitig aber erkannte ich immer mehr, dass es auch darum geht, Frauen in echten Konfliktsituationen, nicht allein zu lassen und Hilfen anzubieten. [...] Entscheidend ist, dass dieser Kompromiss dem Schutz des ungeborenen Lebens dient und dass er verfassungsgemaess ist. Dies koennen wir zusagen." Knackpunkt war bis zuletzt die Beratungsregelung. Jetzt steht im Paragraphen, dass die Beratung dem Schutz des ungeborenen Lebens dient. Allerdings trifft allein die Frau die Entscheidung. Deshalb muss die Beratung ergebnisoffen gefuehrt werden. Konkret: Sie darf nicht belehren oder bevormunden, sondern sie soll ermutigen und Verstaendnis fuer das ungeborene Leben wecken. Wer eine Schwangere zur Abtreibung noetigt oder durch Entzug der Unterhaltszahlungen dazu veranlasst, macht sich strafbar. Die eugenische oder embryopatische Indikation wird der medizinischen zugeordnet, d.h. konkret: eine zu erwartende Behinderung des Kindes ist allein kein Grund fuer eine Abtreibung. Sie ist allerdings dann gerechtfertigt, wenn Gefahr fuer Leib und Seele der Schwangeren besteht. Ein Abtreibungsgrund ist ausserdem eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung, die sogenannte kriminologische Indikation. Es handelt sich um rechtmaessige Abbrueche, die von den Kassen finanziert werden. Entschliesst sich allerdings eine Frau nach einer Beratung zu einer an sich rechtswidrigen aber straffreien Abtreibung, muss sie die Kosten selbst tragen. Nur im Falle der Beduerftigkeit uebernehmen die Krankenkassen die Kosten, die sie wieder von den Laendern zurueckholen koennen. Fuer die Union war wichtig, wie das Beratungsziel formuliert ist. Es sollte das Lebensrecht als schuetzenswert betonen. FDP und SPD akzeptierten das. Fuer die SPD erklaerte deren Verhandlungsfuehrerin, Inge Wettig-Danielmeier, eigentlich habe man eine liberalere Loesung angestrebt: "Aber immer noch sind wir ueberzeugt, dass das Strafrecht werdendes Leben nicht schuetzen kann, und immer noch glauben wir, dass die Veraenderung der gesellschaftlichen Verhaeltnisse, die Gleichstellung der Frau, mehr bewirkt zum Schutz werdenden Lebens als jedes Stafrecht. [...] Aber da waren die Mehrheiten hier und das Bundesverfassungsgericht davor. Aber wir koennen mit diesem Beratungskonzept leben, und ich denke, die Frauen koennen es auch." Das Buendnis 90 / Die Gruenen und die PDS hatten zuvor die Reform des Paragraphen 218 erneut strikt abgelehnt und die voellige Streichung gefordert. Die zustaendige Bundesministerin Nolte (CDU) begruesste zwar das Ende des langjaehrigen Streits, lehnte aber selbst nch wie vor die Abtreibungsregelung ab: "Ich bezweifle, dass allein die Beratung und die klarere Einbeziehung des Umfeldes als rechtlicher Schutz ausreicht, und ich werde deshalb als Abgeordnete diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen."
Der Gesetzentwurf des CDU-Abgeordneten Hueppe (sp.?) und anderer
Lebensschuetzer, die eine drastische Verschaerfung des Abtreibungsgesetzes
gefordert hatten, erhielt 105 Stimmen. |
Meinungen zu der neuen Abtreibungsregelung |
Heute Nachmittag wurde im Bundestag das neue Abtreibungsrecht
verabschiedet. Damit sind aber noch laengst nicht alle Fragen geklaert.
Kaum einer hat noch den Durchblick. Doch nach der Neuregelung des Paragraphen 218 sind vor allem die Frauen, die abbrechen wollen, und die Beratungsstellen in Panik. Eva Zattler (sp.?) arbeitet bei Pro Familia in Muenchen. Ihre Erfahrung der letzen Wochen: "Ueber die Pflicht sind die Frauen nicht froh, sondern da sind sie sehr oft sehr veraergert, weil sie sich entmuendigt sehen. Ploetzlich wird ihnen zugemutet, dass sie sich zur Beratung begeben. Sie sagen: 'Meine anderen Entscheidungen, da hilft mir keiner. Und hier soll ich dann ploetzlich herkommen.'" Die Beratungspflicht ist nur ein fauler Kompromiss, schimpft Eva Zattler. Von ergebnisoffener Beratung, die ermutigen und Verstaendnis wecken soll, wie es im Gesetzestext heisst, kann keine Rede sein. Ihre Kritik: Durch das Gespraech lassen sich nicht einmal mehr die Beruehrungsaengste der Frauen mit der Beratungsstelle abbauen. "Letzten Endes kann die Frau in aller Konsequenz nie anonym bleiben, weil sie ja auf diesem Beratungsschein ihre Namen stehen haben muss. Sie kann anonym beraten werden, und eine andere Person an der Stelle stellt dann den Nachweis aus. Da wird sie dann aber ihren Namen nennen muessen." Friedel Schalk, Leiterin der Frauengleichstellungsstelle im Muenchner Rathaus regt sich ebenfalls ueber die Beratungspflicht auf. Ihre Prognose: In Zukunft wird es wieder mehr Frauen geben, die fuer eine illegale Abtreibung auch den weiten Weg bis nach Holland nicht scheuen. "Moeglicherweise weichen Frauen wieder dieser Huerde aus und gehen lieber woanders hin, wo sie nicht auf Herz und Nieren geprueft werden, sondern wo sie sich selbst ihre Gedanken machen koennen und eigenverantwortlich handeln." Als blanken Hohn bezeichnet Friedel Schalk auch den Noetigungsparagraphen. Demnach muessen Eltern, Freunde oder Ehemaenner mit bis zu fuenf Jahren Haft rechnen, wenn sie eine Schwangere zum Abbruch noetigen. "Auch das halt' ich fuer problematisch. Es ist bekannt, dass Frauen unter Druck gesetzt werden. Aber ich meine, die Verantwortung der Maenner laesst sich nicht durch den Strafparagraph erzwingen." Eine wirkliche Rechtsklarheit gibt es bei der Noetigung zum Schwangerschaftsabbruch also nicht, so Friedel Schalk. Allerdings anders verhaelt sich die Sache bei der Finanzierung des Abbruchs. Hier herrscht weitgehend Rechtsklarheit. Demnach koennen Frauen, die weniger als 1700 DM im Westen oder 1500 DM im Osten pro Monat verdienen, einen Abbruch nunmehr direkt ueber die Krankenkassen finanzieren. Das grosse Plus dabei: Der Gang zu den Sozialaemtern faellt damit weg. Trotzdem gibt's auch da einen Haken: "Es bleibt die Sache, dass es keine einheitlichen Saetze gibt. In den letzten zwei Jahren hat sich in Muenchen immer gezeigt, durch die Rechnungen, die beim Sozialamt eingereicht wurden, dass Aerzte zwischen 500 und 1200 DM verlangen. Und wenn eine Frau mit weniger Geld an einen Arzt kommt, der von ihr 1200 DM oder sowas verlangt, dann laeuft sie Gefahr, dass sie das nicht von der Krankenkasse zurueckkriegt."
(Zum neuen Gesetzentwurf des Paragraphen 218, der heute im Plenum
beschlossen wurde, Klaudia Hangen, Bayern 3) |
Entschaedigungen fuer Opfer des HIV-Blutskandals |
Bonn. Im Anschluss an die Verabschiedung des neuen Abtreibungsrechtes
beschloss der Bundestag, die rund 2000 Opfer des HIV-Blutskandals zu
entschaedigen. Es wird eine Stiftung gegruendet, in die der Bund und die
Industrie je 100, die Laender 50 Millionen DM einzahlen. Die Menschen, die
sich vor 1988 ueber Blutpraeperate mit dem AIDS-Virus angesteckt haben,
erhalten daraus Renten. Auch unterhaltsberechtigte Kinder sowie Ehegatten
haben Anspruch auf Entschaedigung.
Die Opposition sprach von einer Billigloesung. Noetig gewesen waere nach
Schaetzungen des AIDS-Untersuchungsausschusses 700 Millionen DM. |
Entscheidungen zur Sommersmogverordnung und BAFoeG |
Bonn. Im Steit um die Sommersmogverordnung haben sich Koalition und SPD
angeblich auf einen Kompromiss verstaendigt. Niedersachsens
Ministerpraesident Schroeder sagte am Rande der Sitzung des
Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat, das Ozonproblem sei
geloest.
Der noch nicht formell verabschiedete Kompromiss sieht vor, dass Fahrverbote, wie von Union und FDP vereinbart, ab 240 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft verhaengt werden. Allerdings gilt ein anderes Messverfahren als bisher geplant. Das von der Koalition vorgesehene Verfahren haette nach Auffassung von Experten dazu gefuehrt, dass es so gut wie nie Ozonalarm gegeben haette. Die SPD verzichtet auf Tempolimits unterhalb der 240 Mikrogrammschwelle, vereinbart wurde aber ein Grossversuch mit Geschwindigkeitsbegrenzungen in zwei Bundeslaendern. Zuvor hatte sich der Vermittlungsausschuss ueber die Erhoehung des BAFoeG geeinigt. Demnach soll die Ausbildungsfoerderung fuer Schueler und Studenten von diesem Herbst an um vier Prozent steigen. Der Leistungsnachweis zum Ende des zweiten Semesters soll dafuer nicht mehr verlangt werden.
Ueber das umstrittene Jahressteuergesetz 1996 soll erst kommenden Mittwoch
beraten werden. Bis dahin soll eine Arbeitsgruppe Loesungsvorschlaege
erarbeiten. |
Planung des Regierungsumzuges nach Berlin |
Bonn. Der Umzug der Regierung nach Berlin und der Bau einer
Magnetschwebebahn waren die Hauptthemen der heutigen Sitzung des
Bundeskabinetts. Wegen der vorhergehenden Abstimmung im Bundestags ueber
die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs, trat die Ministerrunde unter
Leitung von Bundeskanzler Helmut Kohl aber erst um 15:00 Uhr zusammen.
Bundesbauminister Toepfer legte dabei ein Personal- und Wohnkonzept fuer den
Umzug der Bundesbediensteten nach Berlin vor.
Die Ministerrund wollte ferner in zwei Gesetzentwuerfen verbindlich den Bau
der Magnetschwebebahn zwischen Hamburg und Berlin beschliessen und die
rechtlichen Rahmenbedingungen fuer den Betrieb ab dem Jahr 2004 oder 2005
verabschieden. Die Schnellbahntrasse soll vom Bund finanziert, aber von
einem Privatunternehmen betrieben werden. |
Verheugen fordert Schroeder zur Kandidatur als Parteivorsitzender auf |
Bonn. SPD-Bundesgeschaeftsfuehrer Verheugen hat den niedersaechsischen
Ministerpraesidenten Schroeder indirekt aufgefordert, fuer das Amt des
Parteivorsitzenden zu kandidieren. Verheugen sagte in der BILD-Zeitung
woertlich, wenn jemand in der Spitze meint, es besser zu koennen, dann soll
er sich auf dem SPD-Parteitag im November zur Wahl stellen. Dann werde die
Sache entschieden und der klare Gewinner werde Scharping heissen.
Nach Ansicht Verheugens, steht derzeit das gesamte Erscheinungsbild der
Partei auf dem Spiel. Die Waehler der SPD haetten den Streit in der
Parteifuehrung endgueltig satt. |
Weiterhin grosses Interesse an Stasiakten |
Berlin. Das Interesse an den Stasiakten ist ungebrochen. Fast eine Million
Menschen wollen ihre Akten einsehen und haben einen Antrag bei der
Gauckbehoerde gestellt. Dies geht aus dem zweiten Taetigkeitsbericht
hervor, den der Bundesbeauftragte fuer die Stasiakten, Joachim Gauck, in
Berlin vorstellte. Die Zahl der Antraege auf Akteneinsicht habe alle
anfaenglichen Erwartungen der Behoerde uebertroffen. Inzwischen stehen mehr
als 35 Millionen Karteikarten fuer Recherchen zur Verfuegung.
Gauck, dessen Amtszeit im Oktober auslaeuft, hat bereits seine Kandidatur
fuer eine zweite Amtsperiode angekuendigt. |
Ruecktritt der baden-wuerttembergischen Kultusministerin |
Stuttgart. Die baden-wuerttembergische Kultusministerin, Schulz-Hektor,
tritt zurueck. Das bestaetigten CDU-Kreise im Landtag. Ministerpraesident
Teufel informierte am Mittag die Fraktion darueber. Nachfolgerin sei
Anette Schawan, Leiterin der bischoeflichen Begabtenfoerderung Cusanoswerk
(sp.?). |
Beratungen des baden-wuerttembergischen Landtages |
Stuttgart. Der Landtag von Baden-Wuerttemberg beriet heute den
Generalverkehrsplan. Er sieht unter anderem vor, den Transportverkehr von
der Strasse auf Schiene und Wasser zu verlegen. Ausserdem befassten sich die
Abgeordneten mit der geplanten Diaetenreform. |
Handelsabkommen zwischen den USA und Japan |
Tokio/Genf. Die japanische Regierung hat die Einigung im Autostreit mit den
USA begruesst. Ministerpraesident Murajama sagte, man betrachte den
Konflikt jetzt als beigelegt. Beide Seiten hatten sich gestern wenige
Stunden vor Ablauf eines amerikanischen Ultimatums darauf verstaendigt,
US-Autofirmen bessere Absatzchancen in Japan einzuraeumen und mehr
japanische Autos in den USA herzustellen.
Damit wurde ein Handelskrieg zwischen Tokio und Washington abgewendet. Am
New Yorker Devisenmarkt reagierte der US-Dollar mit kraeftigen
Kursgewinnen. |
... und was die Europaeische Union dazu meint |
Bruesel. Die Europaeische Union will am Autoabkommen zwischen Japan und den
USA teilhaben. Nach Ansicht von EU-Kommissar Bangemann muessen auch andere
Laender von dieser Regelung profitieren. Bangemann sagte gestern Abend in
Bruessel, es sei gegen die Grundprinzipien der internationalen
Handelsabkommen, wenn der japanische Markt nur fuer US-Produkte geoeffnet
wird. |
Daimler-Benz reagiert besorgt auf Waehrungsverluste der Unternehmensgruppe |
Stuttgart. Der Gesamtbetriebsrat des Daimler-Benz-Konzerns hat besorgt auf
die hohen Waehrungsverluste in der Unternehmensgruppe reagiert. Der
Betriebsratvorsitzende, Feuerstein, sagte im Sueddeutschen Rundfunk, im
Moment laegen keine konkreten Plaene der Konzernleitung ueber
Betriebsschliessungen und Personalabbau vor, es werde aber darueber
diskutiert. Dies betreffe vor allem die DASA, da der Flugzeugbau unter den
starken Wechselkursschwankungen besonders leide. Aber auch Mercedes-Benz
bleibe davon nicht unberuehrt. Dort seien allerdings nicht so spektakulaere
Massnahmen im Gespraech. |
Ergebnis des Prozesses um die "Fuehrerscheinmafia" |
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft spricht von der groessten kriminellen
Vereinigung in der deutschen Geschichte - der "Fuehrerscheinmafia".
Zig-Tausende Telefongespraeche wurden abgehoert, der Mammutprozess wurde
dann allerdings zum Fiasko fuer die Verfolgungsbehoerde. Der Verdacht einer
kriminellen Vereinigung konnte bislang in keinem Fall bewiesen werden.
Der ehemalige Oberamtsanwalt wurde zu 23 Monaten Haft auf Bewaehrung verurteilt. Er hat fuenf Jahre lang Promille-Suender in einer Anwaltskanzlei beraten, fuer die er spaeter milde Strafen herausholte und ihnen schnell den Fuehrerschein wieder besorgte. Dafuer bekam er 12.000 DM. Einen Beamten der Fuehrerscheinstelle schmierte er mit 600 DM. Die Urteil hat eine lange Vorgeschichte. Bereits vor neun Jahren hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft den Verdacht, dass es in Frankfurt eine Gruppe gibt, die Promille-Suendern auf illegale Weise ihre eingezogenen Fuehrerscheine wiederbeschafft. Insgesamt kam man auf elf Personen: Mitarbeiter der Fuehrerscheinstelle, zwei Mediziner, die Gefaelligkeitsurteile ueber die Promille-Suender abgeben sollten, drei Rechtsanwaelte, die die faulen Geschaefte abwickelten und daran gut verdienten, Polizeibeamte und ein Oberamtsanwalt. Weil vier Juristen in dieser Gruppe waren, sprach man anfangs auch von der "Frankfurter Justizmafia". Die Arbeit der Staatsanwaltschaft nahm mit der Zeit monstroese Formen an. Da wurde ein verdeckter Ermittler eingeschaltet, und schliesslich kam es zur groessten Telefonueberwachung in der Geschichte der Bundesrepublik. Weil es sich ja um eine kriminelle Vereinigung handelte wurde diese Aktion genehmigt, bei der sage und schreibe 62.000 Gespraeche abgehoert und aufgezeichnet wurden. Das hatte bizarre Auswirkungen. Sie kostete nebenbei dem hessischen Innenminister Gottfried Milde das Amt und dem Boxpromoter Ebitus (sp.?) die Freiheit. Milde hatte in einer Landtagssitzung aus dem vertraulichen Abhoerprotokoll zitiert, deshalb wurde er kurz darauf von Walteer Wallmann geschasst. Ebitus hatte versucht, den Vater von Tennisstar Steffi Graf um 800.000 DM zu erpressen. Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, die er gerade verbuesst. Am 26. April 1990 wurden alle Mitglieder dieser vermeintlich kriminellen Vereinigung verhaftet. Am 21. Oktober '92 begann dann der Mammutprozess, der in die deutsche Rechtsgeschichte eingehen sollte. Denn ein ganzes Jahr lang passierte gar nichts. Das Verfahren war bestimmt von taktischem Hin und Her. Immer mehr Angeklagte wurden von der langen Verhandlungsdauer zermuerbt. Um endlich aus dem Verfahren rauszukommen gingen sie einen Deal mit der Staatsanwaltschaft ein. Sie gaben irgendwelche Taten zu und bekamen dafuer eine geringere Strafe. Schliesslich kamen die Urteile. Die hoechste Strafe war ein Jahr und drei Monate, die naechste ein Jahr - natuerlich auf Bewaehrung. Zwei Verfahren wurden eingestellt, es gab eine Verwarnung und zwei Freisprueche. Kein einziger wurde wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verurteilt - auch heute nicht. Die uebrigen Beschuldigten wurden krank, ihr Verfahren wurde abgebrochen. Nach 780 Verhandlungstagen, also nach 25 Monaten, war der Fuehrerscheinprozess endgueltig geplatzt. Vier Tage vorher hatte man uebrigens versucht, die Telefonmitschnitte als Beweise zu nutzen. Da stellte sich heraus, dass viele Gespraeche gar nicht zu verstehen waren, weil die Qualitaet so schlecht war. Die gigantische Aktion fuer die Katz'. Der Prozess hat uebrigens nicht nur die Angeklagten zermuerbt. Bei einem Plaedoyer lagen dem Anklagevertreter die Nerven blank.Er warf dem Gericht Desinteresse und schlechte Vorbereitung vor. Wuetend rief er in den Saal: "Die Verhandlung vor dieser Staatsschutzkammer war eine Realsatiere. Vor einer solchen Kammer muss der Staat geschuetzt werden." Die Verbitterung eines Mafiajaegers, der erkennt, dass er offenbar hinter einem Phantom her war. Der Staatsanwalt wurde in eine andere Abteilung versetzt.
Ohne Beispiel auch der infame Versuch eines Angeklagten, den Richter durch
pikante Details aus dessen Privatsphaere abzuschiessen. Der Richter hatte
nach diesem Versuch die Nase voll vom Strafrecht, er ist jetzt
Handelsrichter. |
Grossbrand in Regensburger Krankenhaus |
Regensburg. Der Grossbrand im Evangelischen Krankenhaus in Regensburg ist
vermutlich in dem Zimmer der beiden Maenner ausgebrochen, die bei dem
Unglueck ums Leben gekommen sind. Ursache fuer das Feuer, das um drei Uhr
frueh bemerkt wurde, koennte eine brennende Zigarrette gewesen sein. Der
Sachschaden in dem Krankenhaus geht in die Millionen. Eine Krankenschwester
schwebt noch immer in Lebensgefahr. Ueber 100 Patienten mussten in
umliegende Krankenhaeuser evakuiert werden. |
Zugunglueck in Schleswig-Holstein |
Itzehoe. Ein Zugunglueck hat sich in der vergangenen Nacht in
Schleswig-Holstein ereignet. In der Naehe von Elmshorn fuhr ein Personenzug
aus noch nicht geklaerten Gruenden auf einen stehenden Gueterzug auf. Die
beiden Lokfuehrer und zwei Fahrgaeste wurden dabei schwer verletzt. Sie
waren in den Truemmern eingeklemmt. 14 Menschen erlitten leichte
Verletzungen. Wie die Polizei mitteilte, lief aus einem aufgerissenen Wagon
Diesel aus. Die Bahnstrecke Neumuenster-Elmshorn wird voraussichtlich 24
Stunden in beiden Richtungen gesperrt bleiben. |
Weltraummanoever |
Houston. In millimetergenauer Handarbeit hat der Kommandant der
amerikanischen Raumfaehre Atlantis das Shuttle an die russische Raumstation
MIR angedockt. Fuer das Manoever bei 28.000 Stundenkilometern hatte er nur
zwei Minuten Zeit und etwa sieben Zentimeter Spielraum. Alles klappte aber
genau nach Plan. Es war das erste amerikanisch-russische Manoevber im All
seit 1975, als eine Apollo- an eine Sojuskapsel ankoppelte.
An Bord der Atlantis sind fuenf Astronauten und zwei Kosmonauten. Die
beiden Russen sollen zwei andere Kosmonauten und einen Amerikaner abloesen,
die sich seit dem 14. Maerz an Bord der MIR befinden. |
Pressestimmen |
Der 50. Geburtstag der CDU, das rot-gruene Buendnis in Nordrhein-Westfalen
und die Ertragslage im Hause Daimler-Benz beschaeftigen heute die
Kommentatoren.
Zum ersten Thema der erste Blick in die NEUE OSNABRUECKER ZEITUNG: "50 Jahre Christlich Demokratische Union, das bedeutet eine lange, praegende Wirkung fuer die Politik der Bundesrepublick Deutschland, die sie 33 Jahre lang als staerkste Partei regiert. Das Spektrum der von ihr bestimmten oder herangetriebenen historischen Ereignisse reicht von der Westbindung bis zur Vollendung der Deutschen Einheit. Zugleich war die CDU weit mehr eine Reformpartei, als es heute oft scheint. Die Einfuehrung der Montanmitbestimmung und der dynamischen Rente stehen stellvertretend fuer das soziale Engagement. Die Hochstimmung, in der die Union sich gegenwaertig befindet, kann jedoch nicht darueber hinwegtaeuschen, dass es zur Selbstzufriedenheit keinerlei Anlass gibt. Gewiss, die Partei stellt mit Helmut Kohl zur Zeit einen Kanzler, der fuer sie, vor allem wegen seines internationalen Ansehens zum Gluecksfall geworden ist. Doch es darf nicht verkannt werden, dass die Staerke der CDU auch aus der Schwaeche der SPD resuliert", dies die Einschaetzung der NEUEN OSNABRUECKER ZEITUNG. Der MANNHEIMER MORGEN stellt fest: "Obwohl Kohl oeffentlich nur Verachtung fuer den Zeitgeist zeigt, registriert der Kanzler genau gesellschaftliche Stroemungen und Stimmungen im Volk. Unter seiner Regie hat sich die Partei zu einer modernen, pragmatischen Volkspartei entwickelt, die sich vorsichtig von konfessionellen Bindungen und dem Klischee loeste, sie sei allzu kapitalhoerig. Dafuer nahm sie auch Konflikte, wie etwa bei der Abtreibungsreform oder der Pflegeversicherung in kauf. Das Dilemma der Opposition liegt schliesslich auch darin, dass die CDU heute in Teilen eine klassische sozialdemokratische Politik betreibt, ohne ihr Gesicht wesentlich zu veraendern", dies die Sicht des MANNHEIMER MORGEN. Ein Blick nach Nordrhein-Westfalen, die KOELNISCHE RUNDSCHAU schreibt: "Jetzt muessen die Genossen die Macht teilen. Sitzen sie mit den Gruenen in einem Boot, einem ungeliebten Partner, den ein nicht gerade kleiner Teil der SPD-Mitglieder mit Skepsis und Argwohn betrachtet. Dort liegt der Sprengsatz verborgen, der das neue Buendnis bedroht. Die SPD wird in Zukunft beweisen muessen, ob ihr nach 15jaehriger Alleinherrschaft nicht die Faehigkeit abhanden gekommen ist, notwendige und verantwortbare Kompromisse im Regierungsalltag zu schliessen. Daran entscheidet sich unter anderem, ob ein rot-gruenes Buendnis in Nordrhein-Westfalen ein Intermezzo ist oder laengerfristige Perspektiven besitzt. Natuerlich mussen auch die Gruenen dazulernen. Die Zeit der politischen Pubertaet ist fuer denjenigen vorbei, der in einem grossen Bundesland Verantwortung fuer rund 17 Millionen Menschen mituebernimmt. Politik ist nunmal die Kunst des Moeglichen und nicht des Wuenschenswerten", erklaert die KOENLISCHE RUNDSCHAU. Der Konstanzer SUEDKURIER fuehrt aus: "... Das drueckt sich besonders in der strittigen Frage zum Thema Braunkohletageabau aus. Von Einigung oder Loesung kann ueberhaupt keine Rede sein. Das Problem, an dem tausende von Arbeitsplaetzen haengen wurde schlicht vertagt. Selten ist der Oeffentlichkeit der Nichtvollzug einer Richtungsentscheidung derart dreist als Kompromiss verkauft worden. Was den Modellcharakter fuer ein rot-gruenes Buendnis in Bonn angeht, stellt sich daher vor allem die Frage: Soll nach diesem landespolitischen Muster von Ausklammern und rechtlicher Verwaesserung auch Bundespolitik betrieben werden?", eine Gruebelei des SUEDKURIER. Zum Thema 'Daimler-Benz' schreibt die ESSLINGER ZEITUNG: "Als neuer Daimler-Benz-Chef trat Juergen Schremp zweimal an die Oeffentlichkeit. Vor zwei Wochen verkuendete er der Stellenabbau in der Konzernzentrale, gestern offenbarte er ueberraschend, dass der Konzern 1995 mit roten Zahlen abschliesst. Kritiker des von Edzart Reuter geschmiedeten Technologieunternehmens werden die schlechten Unternehmenszahlen zum Anlass nehmen, wieder einmal die Konzernpolitik zu verdammen; vor allem die Kleinaktionaere. Schremp will die angeschlagene DASA retten und den Technologiekonzern zum Mobilitaetskonzern umwandeln. Dennoch drohen weiterer Stellenabbau im Inland, Produktionsverlagerung und verstaerkter Einkauf von auslaendischen Zulieferern. Das wird erneut Arbeitsplaetze in deutschen Betrieben kosten", prophezeit die ESSLINGER ZEITUNG.
Die STUTTGARTER ZEITUNG ergaenzt:
"Vor allem im Luftfahrtbereich, aber nicht nur dort, werden viele Stellen
abgebaut werden. Wer glaubt, mit dem allgemeinen Aufschwung der Konjunktur
in Deutschland werde sich die Lage am Arbeitsmarkt ueber kurz oder lang
schon wieder entspannen, sollte endlich begreifen, dass die Kritik der
Unternehmen an zu hohen Steuern und Arbeitskosten, sowie zuviel Buerokratie
kein leeres Gerede ist. Vielleicht weckt der Paukenschlag aus Stuttgart, wo
tiefrote Zahlen erwartet werden, so manchen Tiefschlaefer endlich auf."
Das waren Ausfuehren der STUTTGARTER ZEITUNG. |
Wechselkurse |
1 US-$ = 1.3967 DM ECU-Wert = 1.85122 DM DAX = 2106.5 Punkte (2096.4) IBIS-DAX = 2094.6 Punkte (2094.6) Einige weitere ausgewaehlte Devisenkurse (Stand 29.06.95): Geld Brief USA 1 US-Dollar = 1.3927 DM 1.4007 DM England 1 Brit.Pfund = 2.2028 DM 2.2168 DM Irland 1 Irl.Pfund = 2.2760 DM 2.2900 DM Kanada 1 Kan.Dollar = 1.0098 DM 1.0178 DM Niederlande 100 hfl = 89.150 DM 89.370 DM Schweiz 100 sfr = 120.180 DM 120.380 DM Belgien 100 bfrs = 4.8540 DM 4.8740 DM Frankreich 100 FF = 28.455 DM 28.575 DM Daenemark 100 dkr = 25.566 DM 25.686 DM Norwegen 100 nkr = 22.388 DM 22.508 DM Schweden 100 skr = 19.120 DM 19.240 DM Italien 1000 Lire = 0.8484 DM 0.8564 DM Oestereich 100 OeS = 14.201 DM 14.241 DM Spanien 100 Ptas = 1.1391 DM 1.1471 DM Portugal 100 Esc = 0.9431 DM 0.9491 DM Japan 100 Yen = 1.6365 DM 1.6395 DM Finnland 100 Fmk = 32.530 DM 32.690 DM Australien 1 Aust.Dollar = 0.9910 DM 1.0010 DM ohne Gewaehr |
Quellen |
|