GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 13.12.1994



* Bundeswehr soll vielleicht bei UN-Truppenrueckzug Hilfe leisten
* Artikel von Familienministerin Nolte in rechtsradikalem Jugendkalender
* Metalltarifrunde fuer Nordwuerttemberg-Nordbaden
* Die Polizeigewerkschaft darf Parteimitglieder der Reps ausschliessen
* Die Republikaner erzwingen ihren Bundesparteitag vor Gericht
* Umweltinstitute fordern eine oekologische Steuerreform
* Der bayrische Haushaltsentwurf ist verabschiedet
* Bundesregierung soll Lebensmittel ueber Bihac abwerfen
* Kommentar der SZ: Eine Partei zerstoert sich selbst
* Nachrichten der letzten Seite



Bundeswehr soll vielleicht bei UN-Truppenrueckzug Hilfe leisten

Bei einem moeglichen Abzug der UN-Truppen aus Bosnien soll die Bundeswehr mithelfen und zwar bei der Logistik und dem Schutz der UN-Soldaten. Eine entsprechende Anfrage richtete die NATO an die Bundesregierung, und heute berieten die Spitzenpolitiker der Koalition darueber. Vor einer Entscheidung will Bundeskanzler Kohl aber erst die Positionen der Bundestagsparteien abfragen. Der Begriff der Voranfrage schaffte erneut Verwirrung; doch Bundesverteidigungsminister Ruehe stellte klar, dass es vor allem um die grundsaetzliche Einigung gehe, sich im Falle eines Abzuges solidarisch mit der NATO zu zeigen. Die deutsche Solidaritaet werde er seinen Amtskollegen in Bruessel versichern, erklaerte Ruehe. Groesste Zurueckhaltung bei der Entsendung deutscher Soldaten forderte hingegen erneut der SPD Partei- und Fraktionsvorsitzende Scharping. Gleichwohl gibt es in der SPD auch Stimmen, die eine positive Antwort auf die NATO-Anfrage befuerworten. Sicher ist, dass die von Scharping geforderte Begrenzung eines Bundeswehreinsatzes auf rein humanitaere Aufgaben keine Zustimmung in der Regierung findet. Die Koalitionsparteien sind grundsaetzlich bereit, zur Sicherung eines moeglichen Abzugs der UN-Truppen aus Bosnien, Bundeswehrsoldaten bereitzustellen. Nach einer Gespraechsrunde fuehrender Politiker von CDU, CSU und FDP wurde in Bonn mitgeteilt, dass es bei dem Treffen noch keine detaillierte Entscheidung gegeben habe. Einigkeit bestehe bei der Koalition darueber, sich nicht in Kampfhandlungen hineinziehen zu lassen. Ob es zu einer konkreten Anforderung der NATO komme, haengt auch davon ab, ob die UNO den Rueckzug der Blauhelme beschliesst.


Artikel von Familienministerin Nolte in rechtsradikalem Jugendkalender

Der katholische Jugendkalender "Komm' mit" sorgt fuer Wirbel. Nach Einschaetzung des bischoeflichen Generalvikariats in Trier enthaelt er rechtsextreme Inhalte. Jede Verantwortung fuer die Publikation wird deshalb abgelehnt. In dem Kalender ist aber auch ein Artikel abgedruckt, der fuer besondere Aufregung sorgt. Er stammt aus der Feder von Bundesfamilienministerin Nolte. Sie schrieb auf Anfrage diesen Artikel, in dem sie das christlich-katholische Gedankengut des 1994er Kalenders hervorgehoben habe. Die Ministerin wies heute alle Vorwuerfe zurueck, sie unterstuetze den Kalender. Ihre wohlwollenden Aeusserungen ueber den katholischen Jugendkalender hat Claudia Nolte schon vor etwa zwei Jahren veroeffentlicht. Damals war sie junge, ostdeutsche Bundestagsabgeordnete und verdiene, so die Ministerin heute vor Journalisten, vielleicht ein wenig Nachsicht, wenn sie damals nicht ausreichend informiert gewesen sei. Damals sei ihr ausschliesslich bekannt gewesen, dass der Kalender in vielen Pfarrgemeinden verteilt werde. Dass sie mit dem rechtsextremen Inhalt des Kalender nichts zu tun hat, hielt Frau Nolte fuer selbstverstaendlich. Frau Nolte bat inzwischen Innenminister Kanther, zu pruefen, ob der Kalender verfassungswidrig sei. Auch die katholische Kirche lehnt den Kalender ab. Unter anderem wird in dem Kalender die Wiederherstellung der Grenzen des 3.Reiches gefordert.


Metalltarifrunde fuer Nordwuerttemberg-Nordbaden

Der Verhandlungsfuehrer der Metallarbeitgeber in Nordwuerttemberg-Nordbaden, Hundt, hat fuer die kommende Tarifrunde einen, wie er sagte, vernuenftigen Abschluss gefordert. Ansonsten drohe die Gefahr einer rapiden Tarifflucht. Schon jetzt wuerden viele Firmen in Zusammenarbeit mit Betriebsraeten eigene Loesungen zum Teil am Tarifvertrag vorbei schaffen, so Hundt. Die Verhandlungen im Metallgebiet Nordwuerttemberg-Nordbaden sollen am Freitag aufgenommen werden. Die IG Metall fordert eine Erhoehung der Loehne und Gehaelter um 6%. Dazu meinte Hundt, der erreichte Produktivitaetsfortschritt von 6 bis 7% im laufenden Jahr stehe nicht fuer die Verteilung zur Verfuegung. Der IG Metall-Vorsitzende Zwickel hat die Metallarbeitgeber aufgefordert, Ueberstunden abzubauen und dafuer Personal einzustellen. Wenn die Unternehmen auf 2 bis 3% der Ueberstunden verzichteten, kaemen dabei 100 000 zusaetzliche Arbeitsplaetze heraus. Die Arbeitgeber wollen die mit der Gewerkschaft bereits vereinbarte 35-Stunden Woche zur Disposition stellen. Hundt sagte, die 35 Stunden-Woche habe geringen Beschaeftigungseffekt, muesse aber bei den Lohnkosten mit 2.8% beruecksichtigt werden.


Die Polizeigewerkschaft darf Parteimitglieder der Reps ausschliessen

Die Polizeigewerkschaft darf kuenftig Parteimitglieder der Republikaner ausschliessen. Das hat das Duesseldorfer Landgericht entschieden. Zwei Polizisten hatten gegen ihren Ausschluss aus der Gewerkschaft geklagt. Sie sind Mitglieder der Republikaner.


Die Republikaner erzwingen ihren Bundesparteitag vor Gericht

Mit einer Entscheidung des Landgerichts Stuttgart haben die rechtsradikalen Republikaner ihren Bundesparteitag erzwungen. Er wird am 17. und 18. Dezember in Sindelfingen stattfinden. Genauso turbulent wie in der Partei selbst ging es auch bei der Ausrichtung des Parteitags zu. Parteifunktionaere hatten einen Mietvertrag mit der Messehalle Sindelfingen abgeschlossen. An dieser ist die Stadt mit 10% beteiligt. Erst als oeffentlich bekannt wurde, dass die Republikaner in der Mercedesstadt tagen sollten, wurde der Mietvertrag eilig widerrufen. Angeblich hat die Messeleitung bei Vertragsunterzeichnung nicht gewusst, dass es sich um den Bundesparteitag handelt. Die REP-Funktionaere aber hielten das fuer eine durchsichtige Ausrede und zogen vor Gericht. Die Stuttgarter Richter prueften deshalb heute Vertrags- und Rechtslage. Nun duerfen die Reps sich in Sindelfingen darueber streiten, ob der Parteigruender Schoenhuber weiter als Vorsitzender amtieren darf. Zahlreiche Demonstrationen gegen den Parteitag sind bereits angekuendigt. Das Rechtsradikalentreffen bleibt ein Alptraum fuer die schwaebische Stadt.


Umweltinstitute fordern eine oekologische Steuerreform

Der Staat kann nach Ansicht von Umweltinstituten durch eine oekologische Steuerreform jaehrlich mehrere hundert Milliarden Mark einnehmen. Das Heidelberger Umwelt- und Prognoseinstitut schlaegt ebenso wie das Wuppertaler Institut fuer Klima, Umwelt und Energie eine jaehrlich um 5% steigende Steuer fuer Energie und Rohstoffe vor. Gleichzeitig koennten die Lohnnebenkosten schrittweise gesenkt werden, so dass fuer die Buerger keine zusaetzliche Steuerbelastung entstehe. Mit Hilfe der Steuereinnahmen koennten Millionen neuer Arbeitsplaetze geschaffen werden. In der morgigen Suedwestfunksendung "Arbeit fuer alle: das oekologische Wirtschaftswunder" erlaeutert der Praesident des Wuppertaler Instituts Ulrich von Weizsaecker dieses Konzept. Er weist darauf hin, dass eine derartige oekologische Steuerreform in den skandinavischen Staaten und in Holland bereits mit Erfolg eingeleitet wurde. Wenn die Arbeit billiger werde, koennten Energie und Rohstoffe teurer werden.


Der bayrische Haushaltsentwurf ist verabschiedet

Das bayrische Kabinett hat den Haushaltsentwurf fuer die beiden kommenden Jahre verabschiedet. Nach den Worten von Finanzminister Von Waldenfels will Bayern mit einem ausgewogenen Sparkonzept finanzielle Spielraeume fuer neue politische Akzente schaffen. Finanzielle Kahlschlaege wie in anderen Bundeslaendern werde es aber in Bayern nicht geben. Der Staatshaushalt wird in den beiden naechsten Jahren durchschnittlich um 1.75% steigen und 1996 56.6 Milliarden Mark umfassen.


Bundesregierung soll Lebensmittel ueber Bihac abwerfen

Die Gesellschaft fuer bedrohte Voelker hat an die Bundesregierung appelliert, notfalls im Alleingang mit Hilfe von Bundeswehrmaschinen Lebensmittel ueber der eingeschlossenen Moslem-Enklave Bihac abzuwerfen. Dort stuerben immer mehr Kinder an Folgen von Unterernaehrung. Die Gesellschaft fuer bedrohte Voelker kritisiert, dass sich Bundesregierung und Opposition in einer rein theoretischen Debatte ueber den Einsatz von Tornado-Kampfflugzeugen verlieren, waehrend Zehntausende von Menschen in Bihac eine praktische Ueberlebenshilfe braeuchten.


Kommentar der SZ: Eine Partei zerstoert sich selbst

Aus dem Leitartikel der Sueddeutschen Zeitung Muenchen vom 13.12.1994: Die FDP torkelt weiter. Sie schleppt sich weiter ohne Ziel, ohne Hoffnung, ohne Proviant. Die Partei weiss nicht, wie lange sie das noch aushaelt, sie weiss nicht einmal mehr, ob sie es noch aushalten will; ihr fehlt der Lebenswille. Auf dem Sonderparteitag von Gera jedenfalls war die FDP dem Sterben naeher als dem Leben. Die wenigen Kraefte, die sie noch hat, gebrauchte sie zur Selbstzerstoerung. Gera war der Ort, an dem die Liberalen neue Kraft schoepfen wollten, dort wollten die Partei und ihre Basis wieder zueinander finden. Doch Gera erwies sich als Fata Morgana. In einem Akt grausigen Uebermuts fielen die Liberalen ueber ihren Parteichef her - gerade so, als sei dieser ganz allein schuld daran, dass die Partei verdurstet und verhungert. [...] Das Gedaechtnis ist kurz: Die FDP bewegte sich schon auf Treibsand, als sie Kinkel die Fuehrung antrug. In den zwei Kinkel-Jahren freilich ist die FDP immer tiefer darin versunken. [...] Mit der Vertrauensfrage, die er den Delegierten stellte, rettete er sich und seine Partei mit Muehe und fuers erste aus der selbstverschuldet elenden Situation: Das knappe Zwei-Drittel-Votum reicht [...] aus, um die FDP noch bis zum naechsten Parteitag im Juni zu fuehren. Zu mehr reicht es nicht. In einem halben Jahr [...] wird eine neue Fuehrungsriege gewaehlt werden muessen. [...] Womit wird die FDP nun eine halbes Jahr beschaeftigt sein? Mit dem, was sie am besten kann: mit Personaldebatten, mit Personaldebatten und nocheinmal mit Personaldebatten. Sie wird keine Zeit haben, sich darum zu kuemmern, wie liberale Politik in Zukunft aussehen soll. Genau dies verspricht sie nun schon jahrelang. Und genau mit diesem Versprechen war sie zum Sonderparteitag nach Gera gezogen. Nichts wird daraus. Und deshalb wird aus der FDP nichts mehr werden. [...] Doch selbst die Personaldebatten unterliegen einem "error in persona". Das Problem heisst naemlich nicht in erster Linie Klaus Kinkel, sondern: FDP-Fraktion im Bundestag. Wenn die Oeffentlichkeit den Eindruck hat, die FDP sei so etwas wie eine hoerige Unterabteilung der Union, dann liegt dies in erster Linie an der FDP-Fraktion und ihrem Fraktionschef Solms. Die FDP als Partei wurde von ihrer Bundestagsfraktion in eine Kuemmerrolle abgedraengt: Die Partei ist nichts, die Fraktion ist alles. Politik macht die Fraktion, die Partei darf zuschauen (und auf dem Parteitag Beschluesse fassen, um die sich die Fraktion dann nicht kuemmert). Die FDP ist also nur noch als Fraktion wahrzunehmen - und hier von der CDU/CSU kaum noch zu unter- scheiden. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Solms agiert zumeist wie ein Adjudant von Wolfgang Schaeuble. Das ist der entscheidende Grund fuer die Misere der FDP. Bei Union und SPD gibt es aehnliche Fehlentwicklungen. [...] Die grossen Parteien aber koennen das leichter verkraften, weil sich die Vielfalt ihrer Gliederungen auch in ihren Fraktionen widerspiegelt. [...] Die FDP dagegen ist davon schon erschlagen.


Nachrichten der letzten Seite

* Koeln verliert einen der groessten Komiker und Komponisten aller Zeiten: Hans Zimmermann, dat Ei, ist 74jaehrig an Krebs gestorben.

* `Spachteln gegen die PDS', unter diesem Motto handeln elf CDU/CSU Parlamentarier, die nicht wuenschen, dass ihnen die Bundestagsverwaltung die komplette Fuehrungsriege der PDS als Bueronachbarn aufzwingt. Aus Protest wird deshalb Broiler, Soljanka und Rotkaeppchensekt gereicht. (Uebrigens gibt's da ja das Buch 1000 legale Steuertricks. Ob die jetzt als wirkungsvollsten Trick den Hungerstreik mit in ihre Ratschlaege uebernehmen?) (Soll ja Steuerbetrug in Millionenhoehe erleichtern)

* Wissenschaftler entdecken auf dem Jupitermond Ganymed (da war doch was mit `Music takes me higher....') (hat meine Schwester immer gehoert) Sauerstoff. Er bildet nur ein Prozent der Atmosphaere, aber da man ausser auf der Erde dieses Element nicht in groesseren Mengen nachweisen kann, ist das schon eine kleine Sensation.

* Guenter Jauch, RTL/Stern TV, zum Thema Abstumpfung: `Wenn ich das Wort >Sarajewo< in den Mund nehme, verliere ich eine Millionen Zuschauer.'

* In Horb am Neckar wird ein 27 jaehriger Wirtschaftswissenschaftsstudent von den Jungen Liberalen (hei, was wird sich Thomas freun..) juengster Oberbuergermeister von Baden-Wuerttemberg. Stimmenanteil im zweiten Wahlgang: 62 Prozent.


Quellen

SDR3    10:00 MEZ    12:00 MEZ    14:00 MEZ
SWF1    15:00 MEZ
Radio7    16:00 MEZ
Leitartikel der Sueddeutschen Zeitung Muenchen vom    13.12.1994
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