GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Do, 13.07.1995



* Sondersitzung des Bundestages
* Staatsbesuch von Jiang Zemin
* Scharping fordert Stellungnahme der Regierung zu Atomtests
* BDI will Wirtschaftskriminalitaet staerker verfolgt wissen
* Deutsche Geiseln in Pakistan wieder frei
* Verbrechensbekaempfungsgesetz eingeschraenkt
* Solingen-Prozess
* Ex-Bellino-Chef verurteilt
* Vorwuerfe gegen leitenden Arzt an Universitaet Ulm
* Erneut hohe Ozonwerte in Deutschland
* Boerse



Sondersitzung des Bundestages

Bonn. Die Abgeordneten des Bundestages unterbrachen heute ihre Sommerpause fuer eine Sondersitzung des Parlaments, bei der es erneut um das Jahressteuergesetz 1996 ging. Bundesregierung und Opposition haben sich gegenseitig erneut die Schuld am Scheitern der bisherigen Gespraeche zugeschoben. Finanzminister Waigel sagte in der Sondersitzung des Bundestages, der Antrag der SPD sei schlechtes Sommertheater. Im gemeinsamen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hatten sich Koalition und SPD in der vergangenen Woche nicht auf einen tragfaehigen Kompromiss einigen koennen. Die SPD verabschiedete daraufhin mit ihrer Mehrheit im Vermittlungsausschuss einen Entwurf, in dem unter anderem eine Erhoehung des Kindergeldes auf 220 Mark und ein steuerfreies Existenzminimum von 13.000 Mark im Jahr gefordert werden. Weil die Koalition dies nicht fuer finanzierbar haelt, wurde dieser Vorschlag heute im Bundestag mit der Mehrheit der Koalition und den Stimmen der PDS zurueckgewiesen, die Buendnis-Gruenen stimmten fuer den Vorschlag des Vermittlungsausschusses; von 583 Abgeordneten stimmten 342 gegen den Vorschlag, 239 waren dafuer, zwei enthielten sich; damit stimmte auch ein Abgeordneter aus den Reihen der SPD gegen den Vorschlag. Finanzminister Waigel sagte, die Bundesregierung habe ihrerseits eine tragfaehige Alternative und sei den Sozialdemokraten in diesen beiden Fragen entgegengekommen. Die SPD-Finanzexpertin Matthaeus-Maier erwiderte, die Koalition wolle verhindern dass sich die Lage fuer durchschnittliche Steuerzahler und Familien mit Kindern verbessere. Union und FDP haben bereits angekuendigt, den SPD-Vorschlag mit ihrer Mehrheit im Parlament abzulehnen. Dann will die Bundesregierung in der kommenden Woche ein zweites Vermittlungsverfahren beantragen, das Ende Juli beginnen soll. Der Steuerstreit muss dann erneut im Vermittlungsausschuss behandelt werden. Neben dem Thama Steuern beschaeftigte sich der Bundestag in einer aktuellen Stunde mit den geplanten franzoesischen Atomtests im Suedpazifik. Nach dem Willen der Gruenen sollte das Parlament den franzoesischen Praesidenten Chirac dazu auffordern, seinen Beschluss zu einer Wiederaufnahme der Tests zurueckzunehmen. Bundeskanzler Kohl erklaerte, bei den angekuendigten Tests handle es sich um eine souveraene Entscheidung Frankreichs. Deutschland sei in dieser Frage zwar anderer Meinung, er lehne es aber ab, Paris zum Verzicht zu draengen. Der Kanzler woertlich: "Es widerspricht meinem Verstaendnis vom Umgang mit befreundeten Regierungen, sich oeffentlich gegenseitige Aufforderungen zukommen zu lassen." Auch halte er ueberhaupt nichts von Boykottaufrufen gegen franzoesische Produkte. Ausserdem verurteilte das Parlament auf das Schaerfste die systematische Vertreibung tausender Fluechtlinge aus Srebrenica durch Serben.


Staatsbesuch von Jiang Zemin

Bonn. Der chinesische Staats- und Parteichef Jiang Zemin ist am dritten Tag seines Deutschlandbesuches von Bundespraesident Herzog mit militaerischen Ehren empfangen worden. Am Mittag kamen Zemin und Bundeskanzler Kohl zusammen. Bei dem Gespraech ging es nach Angaben von Regierungssprecher Haussmann neben wirtschaftlichen Fragen auch um die Lage der Menschenrechte in der Volksrepublik. Jiang bezeichnete Deutschland als wichtigsten Kooperationspartner Chinas in Europa. Ausserdem erklaerte Jiang, China wolle seine Reformpolitik zuegig fortsetzen. Bundespraesident Herzog hat ebenso wie Aussenminister Klaus Kinkel die Menschenrechtslage in China angesprochen. Er uebergab Jiang eine Liste mit den Namen von 15 politischen Gefangnenen, deren Freilassung die Organisation Amnesty International fordert. Mehrere Menschenrechtsorganisationen kuendigten im Vorfeld Demonstrationen gegen die kommunistischen Machthaber an. Im Mittelpunkt des Staatsbesuches stehen aber die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Deutschland. Wirtschaftsvertreter beider Laender haben mehrere Abkommen ueber eine engere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet unterzeichnet. Insgesamt wurden acht Vereinbarungen ratifiziert, darunter ein deutscher Kredit in Hoehe von 180 Millionen Mark im Rahmen der Entwicklungshilfe und ein Vertrag zwischen Mercedes-Benz und einem chinesischen Unternehmen ueber allein 1,4 Milliarden Mark. Mercedes will in der Volksrepublik in Zusammenarbeit mit einem dortigen Unternehmen Grossraumlimousienen, Busse und Motoren bauen. Ausserdem haben die Unternehmen Porsche und Bosch Abkommen ueber Gemeinschaftsprojekte mit chinesischen Firmen unterzeichnet. Die Vertraege haben laut dem Pekinger Aussenminister insgesamt einen Wert von 4,1 Milliarden Mark. Morgen reist Jiang Zemin nach Essen und Muenchen weiter. In Muenchen sollen drei weitere Wirtschaftsprojekte vereinbart werden. Die Polizei riegelte heute das Regierungsviertel weitraeumig ab, der Verkehr wurde zeitweise gestoppt. Mehrere hundert Demonstranten haben anlaesslich des Saatsbesuches gegen die Menschenrechtsverletzungen Chinas in Tibet protestiert. Die Demonstranten stellten sich in einer Kette auf und schwenkten die in Tibet verbotene tibetanische Nationalfahne. Der Vorsitzende der Tibetinitiative Deutschland, Ludwig, warf Jiang Zemin vor, massgeblich fuer die Unterdrueckung der Menschenrechte in Tibet verantwortlich zu sein.


Scharping fordert Stellungnahme der Regierung zu Atomtests

Bonn. Der SPD-Vorsitzende Scharping hat die Bundesregierung zu einer Stellungnahme zu den geplanten Atomtests aufgefordert. In einem Zeitungsinterview sagte Scharping, es muesse gesagt werden, dass Atomwaffentests eine unverantwortbare Gefahr fuer Mensch und Umwelt darstellten. Zudem koennten der Atomwaffensperrvertrag durch die geplanten franzoesichen Tests an Glaubwuerdigkeit verlieren.


BDI will Wirtschaftskriminalitaet staerker verfolgt wissen

Hannover. Der Chef des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Henkel, will die Wirtschaftskriminalitaet bekaempfen. Die Gesellschaft muesse sich aufraffen, Korruption zu raechen, sagte Henkel in einem Zeitungsinterview. In den Spitzenjobs der Wirtschaft mache sich eine Abzockermentalitaet breit. Als ein Beispiel nannte Henkel die Ermittlungen gegen Dutzende von Opelmitarbeitern wegen Untreue.


Deutsche Geiseln in Pakistan wieder frei

Islamabad. Die zwei in Pakistan entfuehrten Ingenieure von AEG und Siemens sind wieder frei. Die beiden sollen sich in guter Verfassung befinden; sie wurden heute morgen in den Bergen noerdlich der Provinzhauptstadt Peschavar aufgefunden. Ein Sprecher der deutschen Botschaft in Islamabad sagte, er habe noch keine Einzelheiten ueber die Freilassung. Vor mehr als zwei Wochen waren im Nordwesten Pakistans an der Grenze zu Afghanistan drei deutsche Ingenieure verschleppt worden. Einer war bereits vor zehn Tagen freigelassen worden.


Verbrechensbekaempfungsgesetz eingeschraenkt

Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat das umstrittene Verbrechensbekaempfungsgesetz mittels einer einstweiligen Anordnung in einem wesentlichen Punkt beschraenkt. Bis auf weiteres duerfen Daten aus abgehoerten Auslandstelefonaten vom Bundesnachrichtendienst nur bei Verdacht einer Straftat ausgewertet und weitergegeben werden. In der Entscheidung heisst es, ohne die einstweilige Anordnung wuerden bereits aufgrund blosser Anhaltspunkte Ermittlungsverfahren eingeleitet, die sich im Ergebnis als strafrechtlich irrelevant erwiesen.


Solingen-Prozess

Duesseldorf. Im Prozess um den Brandanschlag von Solingen hat die Bundesanwaltschaft Hoechststrafen fuer die vier Angeklagten beantragt. Bundesanwalt Dirk Fernholz verlangte in seinem Plaedoyer vor dem Duesseldorfer Oberlandesgericht fuer den 25jaehrigen Markus Gartmann eine lebenslange Freiheitsstrafe. Fuer die drei Mitangeklagten forderte Fernholz Jugendstrafen; sie sollen fuer zehn Jahre ins Gefaengnis. Alle Beschuldigten haetten sich des fuenffachen Mordes, des versuchten mehrfachen Mordes und der besonders schweren Brandstiftung schuldig gemacht. Der Bundesanwalt sagte, angesichts der Schwere der Tat fielen weder verminderte Schuldfaehigkeit noch verminderte Steuerungsfaehigkeit ins Gewicht. Die vier Angeklagten muessen sich in dem seit rund 15 Monate dauernden Verfahren wegen des Anschlags auf das Haus der tuerkischen Familie Genc am Pfingstsamstag des Jahres 1993 verantworten. Damals waren fuenf Frauen und Maedchen ums Leben gekommen und mehrere Familienangehoerige schwer verletzt worden. Im Mittelpunkt der Ausfuehrungen der Oberstaatsanwaltschaft standen gestern und heute das Gestaendnis und der Wiederruf des 25jaehrigen Angeklagten Markus Gartmann. Er hatte die Tat zunaechst zugegeben, das Gestaendnis dann aber widerrufen. Diesen Widerruf sieht die Staatsanwaltschaft aber als voellig unglaubwuerdig und als Versuch an, doch noch aus der Sache herauszukommen. Im Kernbereich habe er seine Aussage auch bei zahlreichen Vernehmungen nie veraendert.


Ex-Bellino-Chef verurteilt

Stuttgart. Im sogenannten Bellino-Prozess hat das Landgericht das Urteil gesprochen. Der ehemalige Chef der Goeppinger Bellino-Werke Wolfgang Greiner ist zu fuenf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Greiner wird vorgeworfen, die Treuhandanstalt um mehr als 20 Millionen Mark betrogen zu haben. Zudem soll er zahlreiche Firmen im Raum Halle ungesetzlich erworben und ausgebeutet haben. Die Richter befanden Greiner in drei Faellen fuer schuldig. Ausserdem hat er eine Urkundenfaelschung und Bestechungen begangen. Ob das Gerichtsurteil rechtskraeftig wird, haengt davon ab ob Greiner in die Revision geht.


Vorwuerfe gegen leitenden Arzt an Universitaet Ulm

Ulm. Gegen einen leitenden Arzt der Universitaet Ulm ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Verstoss gegen die aerztliche Kunst. Einzelheiten nannte die Behoerde nicht. Mehrere Dutzend Krankenakten wurden beschlagnahmt. Ob die Vorwuerfe zutreffen, muessen jetzt Vernehmungen von aerztlichem Personal und Patienten ergeben. Die Kripo Ulm richtete eine Sonderkommission ein.


Erneut hohe Ozonwerte in Deutschland

Stuttgart. Der anhaltende Sonnenschein hat bis zum Nachmittag in Baden-Wuerttemberg erneut zu hohen Ozonwerten gefuehrt. Die Spitze lag bei 249 Mikrogramm Ozon in Mannheim. Zugleich wurden bei 15 Messstationen in Ba-Wue Werte zwischen 180 und 240 Mikrogramm Ozon registriert. Hessen hat erneut Ozonalarm ausgerufen. Wie das Umweltministerium mitteilte, wurden an mehreren Orten Werte von ueber 215 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen. Damit gilt auf hessischen Autobahnen Tempo 90, auf Bundes- und Landstrassen Tempo 80.


Boerse

Die Bundesbank hat die Zinszuegel, wie erwartet, nicht gelockert, sondern nur
die Mindestreservesaetze auf 2% reduziert, diesen Effekt aber durch geringere
Wertpapierpensionsgeschaefte kompensiert.
1 US$                =   1,4119 (+  0.005)      (Nachboerslich: 1,39)
DAX                  =  2214,42 (+ 15    )      (Nachboerslich: 2201)
Durchschnittsrendite :     6,40 (-  0.050)



Quellen

Radio 7:    9.00 MESZ    13.00 MESZ    17.00 MESZ
B5    :    8.15 MESZ    12.15 MESZ    15.45 MESZ    17.15 MESZ