Die SPD und die Agenda 2010 |
Hannover/Berlin. Bundeskanzler Schroeder, SPD-Fraktionschef
Muentefering und SPD-Generalsekretaer Scholz haben gestern Abend rund
viereinhalb Stunden ueber die Reformdebatte in der Partei und ihre
weitere Strategie beraten. Nach dem Ende des Treffens gegen
Mitternacht im Privathaus des Kanzlers wollte sich jedoch keiner der
drei zu Inhalten oder Ergebnissen aeussern. Vor dem Gespraech hatte
Schroeder allerdings noch einmal davor gewarnt, seine Reformplaene zu
blockieren. Am 1. Juni sollen die SPD-Mitglieder auf einem
Sonderparteitag ueber den Kurs des Kanzlers abstimmen, der von Teilen
des linken Parteifluegels heftig kritisiert wird. Bundesfinanzminister
Eichel hat unterdessen wesentliche Aenderungen an den geplanten
Reformen abgelehnt. Eichel sagte, der Grundsatz der Agenda 2010 sei
alternativlos. Wirtschaftsminister Clement sagte der "Westdeutschen
Allgemeinen Zeitung", die Reformvorschlaege sollen schnell
verabschiedet werden. Der niedersaechsische SPD-Oppositionsfuehrer
Gabriel schlug unterdessen vor, das Kindergeld fuer Besserverdienende
zu streichen. Die Jusos forderten Clements Ruecktritt. Dessen Plaene
zur Reform des Kuendigungsschutzes seien "inakzeptabel". Die
Bundesregierung wies dies scharf zurueck. SPD-Generalsekretaer Scholz
hat erneut den Vorwurf zurueckgewiesen, sich bei der Parteibasis nicht
ausreichend um die Vermittlung der geplanten Reformen bemueht zu
haben. Er habe alles Notwendige unternommen, um eine breite
Unterstuetzung fuer die "Agenda 2010" zu sichern. Der Vorsitzende der
Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, hat Bundeskanzler
Schroeder scharf kritisiert. Dieser sei auf dem Weg, die Regierung mit
seiner Politik um ihre Mehrheitsfaehigkeit zu bringen. |
Nach den Rentenvorschlaegen der Ruerup-Kommission |
Berlin. Mit dem Vorschlag, das Rentenalter auf 67 Jahre
heraufzusetzen, hat die Ruerup-Kommission eine heftige Diskussion
ausgeloest. Arbeitgeberpraesident Hundt begruesste den Vorstoss und
sagte, die Praxis der Fruehverrentung sei ein Fehler gewesen. Auch die
empfohlene Senkung des Rentenniveaus bewerten die Arbeitgeber positiv.
Dagegen kommt von den Gewerkschaften, den Sozialverbaenden und aus
Teilen der Union Kritik. Die stellvertretende DGB-Chefin Engelen-Kefer
sagte, schon jetzt wuerden Zehntausende mit 60 Jahren aus dem
Erwerbsleben gedraengt. Es sei ein Raetsel, wie diese Luecke zum
gesetzlichen Renteneintritt geschlossen werden soll. Vertreter von VdK
und CDU nannten die Vorschlaege angesichts der hohen Arbeitslosigkeit
zynisch. Unions-Fraktionsvize Merz nannte die Idee zwar "im Ansatz
richtig". Es sei aber zweifelhaft, ob so die Balance zwischen
Leistungsempfaengern und Beitragszahlern gesichert werden koenne.
Arbeitgeberpraesident Hundt begruesste den Ruerup-Vorschlag hingegen.
Die Bundesregierung laesst unterdessen offen, ob sie die Rentenreform
noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen wird. Ueber den
Zeitplan werde noch entschieden, sagte Regierungssprecher Steg. Er
wollte die Reformvorschlaege der Ruerup-Kommission auch nicht
kommentieren. |
Kollaps des Gesundheitssystems befuerchtet |
Hamburg. Der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach aus der
Ruruep-Kommission hat vor einem Kollaps des Gesundheitssystem in
den naechsten sieben Jahren gewarnt. Der Fachmann sagte zur
Begruendung, die Gesundheitskosten in Deutschland laegen inzwischen
fast ein Drittel ueber dem europaeischen Schnitt. |
Steueraufkommen gesunken |
Berlin. Die Deutschen fahren offenbar weniger Auto. Die Finanzaemter
nahmen im ersten Quartal dieses Jahres 14,6 Prozent weniger
Mineraloel-Steuer ein als 2002. Insgesamt waren es 4,9 Milliarden
Euro. Die Entwicklung kommt ueberraschend, weil die Oeko-Steuer zum
Jahresbeginn noch einmal erhoeht wurde. Insgesamt ging das
Steueraufkommen von Bund und Laendern von Januar bis Maerz um knapp
drei Prozent auf 89 Milliarden Euro zurueck. Damit lagen die
Steuerzufluesse um 2,9 Prozent unter denen des ersten Quartals 2002.
Fuer den Bund allein ergab sich ein Steueraufkommen von 36,2
Milliarden Euro, 5,1 Prozent oder zwei Milliarden Euro weniger als im
Vorjahr. Zugleich stiegen die Ausgaben um vier Prozent auf 72,4
Milliarden Euro. Grund dafuer sei die hohe Arbeitslosigkeit, hiess es. |
Verschaerfung des Jugendschutzes gefordert |
Muenchen/Berlin. Ein Jahr nach dem Massaker in einer Erfurter
Schule hat der bayerische Innenminister Beckstein weitere
Verschaerfungen beim Jugendschutz verlangt. Er mahnte haertere
Vorschriften gegen Gewaltdarstellungen in den Medien an.
Bundesjustizministerin Zypries vertrat dagegen die Ansicht, der
Gesetzgeber habe alles Noetige getan. Vielmehr muesse man Kinder
moeglichst frueh zur Gewaltvermeidung erziehen. Am 26. April 2002
hatte ein 19jaehriger Schueler im Erfurter Gutenberg-Gymnasium 16
Menschen und sich selbst getoetet. |
Streikverbot fuer Lokfuehrer bestaetigt |
Die Gewerkschaft der Lokfuehrer (GDL) hat bei der
Gerichtsverhandlung um ihre geplanten Streiks erneut eine
Niederlage hinnehmen muessen. Das Arbeitsgericht Frankfurt
bestaetigte die von der Bahn vor Ostern gegen die GDL erwirkte
einstweilige Verfuegung. Die geplanten Streiks seien
"unverhaeltnismaessig und damit unzulaessig", begruendete das Gericht
die Entscheidung. Die GDL kuendigte an, sie wolle Berufung
einlegen und ueber die Einleitung einer Urabstimmung nachdenken.
Die Gewerkschaft GDL will mit einem Streik einen eigenen
Tarifvertrag fuer Lokfuehrer, was die Bahn ablehnt. |
Arbeitskampf im Osten angedroht |
Berlin. Die IG Metall droht mit einem Arbeitskampf im Osten. Der
Berliner Gewerkschafts-Verband forderte die dortigen Arbeitgeber
auf, den Weg fuer die 35-Stunden Woche frei zu machen. |
Tarifgespraeche im NRW-Einzelhandel vertagt |
Die Tarifverhandlungen fuer die 435.000 Beschaeftigten im
nordrhein-westfaelischen Einzelhandel sind ohne Einigung
geblieben. Wie in Duesseldorf mitgeteilt wurde, wird am 5. Mai
eine neue Gespraechsrunde stattfinden. Die Gewerkschaft Ver.di
erklaerte, die Arbeitgeber haetten kein Angebot vorgelegt. Ver.di
verlangt 3,5 Prozent mehr Lohn. |
Streit um Sparmassnahmen an der FH Mainz |
Studenten und Professoren wehren sich gegen die Sparmassnahmen der
Landesregierung fuer die Fachhochschule Mainz (FH). Vertreter der
FH fordern von der Landesregierung eine definitive Mittelzusage
fuer ihren Neubau im Haushalt 2004/2005. Studenten und Professoren
draengen darauf, dass wenigstens im naechsten Landeshaushalt die
noetigen 85 Millionen Euro fuer die FH bereitgestellt werden. In
Gonsenheim muessen Studenten und Mitarbeiter bereits auf Container
ausweichen, weil das Gebaeude erhebliche bauliche Maengel aufweist.
FH-Praesident Michael Morath wies darauf hin, dass Maengel im
Brandschutz des alten Hauptgebaeudesbald Investitionen in
Millionenhoehe erforderlich machen wuerden. Wissenschaftsminister
Juergen Zoellner (SPD) erklaerte am Freitag, der Neubau sei
weiterhin geplant, aber aus Kostengruenden verschoben. Es handele
sich hierbei um ein "schmerzliches, doch letztlich fuer alle
Beteiligten akzeptierbares Opfer". |
Grossauftrag fuer Airbus |
Toulouse/Peking. Der europaeische Flugzeugbauer Airbus hat
innerhalb von zwei Tagen den zweiten Grossauftrag an Land gezogen.
Nach dem amerikanischen Billigflieger JetBlue orderte jetzt China
30 Airbus-Jets im Wert von 1,7 Milliarden Dollar. |
Neuer Vorstands-Vorsitzender bei EnBW |
Karlsruhe. Utz Claassen ist neuer Vorstands-Vorsitzender des
Konzerns Energie Baden-Wuerttemberg (EnBW). Claassen uebernahm am
Freitag die Leitung der EnBW vom bisherigen Vorstandschef Gerhard
Goll. Der 39-Jaehrige hatte bislang das Goettinger
Bio-Technologie-Unternehmen Sartorius gefuehrt. Goll zog auf der
Hauptversammlung in Karlsruhe eine positive Bilanz seiner
Amtszeit. Die EnBW habe den Umsatz im vergangenen Geschaeftsjahr
um mehr als zehn Prozent auf fast 8,7 Milliarden Euro gesteigert.
Der Konzern-Gewinn nach Steuern habe sich im Vergleich zum
Vorjahr um rund drei Prozent auf 280 Millionen Euro erhoeht.
Kritik musste sich der scheidende Chef zum Thema Yello-Strom
anhoeren. Mehrere Kleinaktionaere monierten die Konzernstrategie
bezueglich des Billigstromanbieters, der der EnBW seit Jahren
Verluste in Millionenhoehe beschert. Goll erklaerte dazu, die
Verluste seien Vorleistungen, die ein Konzern bei jeder
Neuentwicklung zu leisten habe. |
Aufsichtsratswahl bei Kaessbohrer angefochten |
Laupheim. Die Sparkasse Biberach hat die Wahl der Aufsichtsraete
bei Kaessbohrer Gelaendefahrzeug AG in Laupheim gerichtlich
angefochten. Wie die Sparkasse am Freitag gegenueber dem
Suedwestrundfunk bestaetigte wird das Landgericht mit der Klage
aufgefordert, die Stimmenanteile der Unternehmensfamilie Merckle
aus Blaubeuren zu ueberpruefen. Auf der Hauptversammlung Ende Maerz
hatte es eine offene Auseinandersetzung zwischen der Sparkasse
Biberach, die rund 40 Prozent der Anteile an Kaessbohrer haelt, und
dem Pharmaunternehmer Adolf Merkle gegeben. Dieser haelt mehr als
50 Prozent. Bei einer Abstimmung hatte die Sparkasse ihr
Aufsichtsratsmandat verloren. Alle drei Aufsichtsraete werden
jetzt der Merckle-Gruppe zugerechnet. |
Neues Genehmigungsverfahren fuer Biblis A notwendig |
Biblis. Das hessische Atomkraftwerk Biblis A bleibt aufgrund
eines Sicherheitsproblems vorerst abgeschaltet. Bereits bei der
Betriebsgenehmigung von 1975 habe ein Sieb im Notkuehlsystem nicht
den Bestimmungen entsprochen, sagte Hessens Umweltminister
Wilhelm Dietzel (CDU) am Freitag. Bevor der Reaktor wieder
starte, muesse ein neues Genehmigungsverfahren durchlaufen werden.
Bundesumweltminister Juergen Trittin (Gruene) stimmte dieser
Auffassung zu. Durch das zu kleine Notkuehlsystem kann bei einem
Unfall wegen mangelnder Kuehlung Radioaktivitaet freigesetzt
werden. |
Call-by-Call nun auch im Ortsnetz |
Ab sofort koennen Kunden der Deutschen Telekom im Ortsnetz
deutlich billiger telefonieren. Ueber Call-by-Call sind nun auch
Gespraeche ueber die Konkurrenz moeglich. 19 Anbieter wollen dem
Bonner Konzern im Ortsnetz Konkurrenz machen. Dort hat die
Telekom mit einem Marktanteil von rund 95 Prozent noch ein
De-facto-Monopol, das ihr im vergangenen Jahr Einnahmen von 2,7
Mrd. Euro brachte. Bei Call-by-Call waehlt der Kunde vor der
eigentlichen Telefonnummer eine anbieterabhaengige Vorwahl. Das
Gespraech laeuft dann automatisch ueber den jeweiligen
Telekom-Wettbewerber. |
Chemieunfall in Hessen |
Ein Chemieunfall im hessischen Eltville am Freitagmorgen ist
glimpflich verlaufen. Wie die Wiesbadener Polizei mitteilte,
konnten zwei lecke Dichtungen an zwei Tankwaggons nachgezogen
beziehungsweise erneuert werden. Eine Gefahr fuer die Bevoelkerung
habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Der Zugfuehrer des Gueterzuges
hatte bei einem planmaessigen Halt Essiggeruch bemerkt. Bei der
Suche nach der Ursache stiess die Feuerwehr auf einen Waggon mit
undichtem Deckel, der explosives Ethylacrylat enthielt. Die
Bahnstrecke nach Wiesbaden und die direkt neben der Bahn
verlaufende B 42 waren fuer sechseinhalb Stunden gesperrt. Etwa 80
Feuerwehrleute, zahlreiche Polizisten, Aerzte und Rettungskraefte
waren im Einsatz. Der Bundesgrenzschutz wird gegen die Schweizer
Transportfirma ermitteln, der die Kesselwagen gehoeren. |
Entfuehrung eines Bremer Linienbusses geht unblutig zu Ende |
Hannover. Die Entfuehrung eines Linienbusses ist am Nachmittag
unblutig zu Ende gegangen. Der Geiselnehmer gab auf und liess sich
von Beamten eines Sondereinsatzkommandos festnehmen. Bei dem
Entfuehrer handelt es sich um einen 17-jaehrigen Libanesen. Er war
mit einer Pistole bewaffnet. Ueber sein Motiv ist noch nichts
bekannt. Der Mann hatte am Morgen in Bremen einen Linienbus mit
15 Fahrgaesten in seine Gewalt gebracht und den Fahrer gezwungen,
auf der Autobahn 7 nach Sueden zu fahren. Bei Hildesheim wurde der
Bus gestoppt. Polizisten verhandelten mehrere Stunden lang mit
dem Entfuehrer. Er liess waehrend dessen sechs seiner Geiseln frei.
Zuletzt waren noch neun Menschen in seiner Gewalt, darunter auch
Kinder. |
Prozess wegen dreifacher Kindstoetung |
Konstanz. Wegen dreifacher Kindstoetung muss sich eine 29-jaehrige
Frau seit Freitag vor dem Landgericht Konstanz verantworten. Die
Frau soll zwischen 1993 und 2001 drei ihrer vier Toechter jeweils
wenige Wochen nach der Geburt erstickt haben. Die erstgeborene
Tochter ueberlebte laut Anklage einen Toetungsversuch im Jahr 1992
nur durch Zufall. Die Frau legte erste umfassende Gestaendnisse
ab. Was geschehen sei, tue ihr leid. Sie stehe zu ihrer Schuld.
Oberstaatsanwalt Christian Weiss erklaerte, die Angeklagte sei der
Betreuung und Pflege der Kinder nicht gewachsen gewesen. Die
Anklage wegen Totschlags und nicht wegen Mord begruendete der
Staatsanwalt damit, dass typische Merkmale wie Heimtuecke oder
niedere Beweggruende im Ermittlungsverfahren nicht ausreichend
haetten nachgewiesen werden koennen. Der Vater des juengsten Kindes
war Ende Januar vom Landgericht zu acht Jahren Haft wegen
Totschlags verurteilt worden. Er soll die Tochter
gemeinschaftlich mit der Frau getoetet haben. Die Aerzte hatten in
allen Faellen eine natuerliche Todesursache bescheinigt. Nach dem
Tod des dritten Kindes waren die Behoerden misstrauisch geworden
und hatten Ermittlungen aufgenommen. |
Karlheinz Boehm mit Hans-Rosenthal-Ehrenpreis ausgezeichnet |
Der Schauspieler Karlheinz Boehm wird fuer seinen humanitaeren
Einsatz in Aethiopien mit dem "Hans-Rosenthal-Ehrenpreis"
ausgezeichnet. Die Auszeichnung zur Erinnerung an den Berliner
ZDF-Showmaster Hans Rosenthal (1925-1987) ist mit 5.000 Euro
dotiert. Boehm hatte 1981 die Stiftung "Menschen fuer Menschen"
gegruendet. In der Jury sassen unter anderen auch die
ARD-Journalistin Sabine Christiansen, "Focus"-Chefredakteur
Helmut Markwort und der SWR-Landessenderdirektor Uwe Rosenbaum. |
Abschied vom Schwabenrocker: Wolle Kriwanek beigesetzt |
Bei strahlendem Sonnenschein und unter grosser Anteilnahme der
Bevoelkerung ist am Freitag der Musiker Wolle Kriwanek in Backnang
(Rems-Murr-Kreis) beigesetzt worden. Der als "Schwabenrocker"
bekannt gewordene Dialekt-Musiker war am Ostersonntag im Alter
von 53 Jahren voellig ueberraschend an einer geplatzten Schlagader
gestorben. Die Predigt in der Gotischen Kapelle wurde ueber
Lautsprecher auf den Vorplatz der Halle uebertragen. Die
Stadtverwaltung schaetzte die Zahl der Trauergaeste auf etwa 1.000. |
Boerse |
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Quellen |
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