GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Do, 27.07.1995



* Bundesregierung plant Kuerzung der Sozialleistungen fuer Asylbewerber
* Erneut Brandanschlaege auf tuerkische Einrichtungen
* Kurdendemonstrationen in Frankfurt
* Explosion in Hamburger U-Bahnhof
* Abschiebestop fuer Kurden rechtswidrig
* Juengste Bosnienpolitik hat hohen Abschreckungswert
* LKW-Lieferung nach Aethiopien
* Seehofer will keine Positivliste
* Schnelle Einigung ueber Jahressteuergesetz soll Wirtschaft staerken
* Landes-CSU hilf Muenchner Parteibezirk aus Finanzproblemen
* Boerse



Bundesregierung plant Kuerzung der Sozialleistungen fuer Asylbewerber

Hamburg. Die Bundesregierung will die Sozialleistungen fuer Asylbewerber und Buergerkriegsfluechtlinge offenbar trotz zahlreicher Proteste drastisch kuerzen. Gesundheitsminister Seehofer kuendigte in einem Zeitungsinterview entsprechende Gesetzesaenderungen an und bestaetigte dies am Nachmittag nochmals. Geplant ist, die Gelder um 20% zu kuerzen oder reine Sachleistungen einzufuehren. Diese Regelung wird bislang schon auf Asylbewerber im ersten Jahr ihres Verfahrens angewendet, und soll ausgeweitet werden. Die Kuerzungen koennen sich kuenftig auf die gesamte Verfahrensdauer beziehen, und auch fuer abgelehnte Asylbewerber und auch fuer Buergerkriegsfluechtlinge gelten. Es waere laut Seehofer naemlich ungerecht, bei Buergerkriegsfluechtlingen andere Massstaebe anzusetzen. Nach Seehofers Worten wird dadurch der Bundeshaushalt um jaehrlich etwa 1,3 Milliarden Mark entlastet. Die FDP habe dem Vorhaben schon zugestimmt. Jetzt erwarte er einen parteiuebergreifenden Kompromiss. Hilfsorganisationen uebten heftige Kritik an den Plaenen Seehofers. Fuer Buendnis90-Die Gruenen erklaerte das Vorstandsmitglied Trittin, es gehe nicht an, dass die ohnehin schmalen Leistungen fuer Kriegsfluechtlinge aus Ex-Jugoslawien noch einmal gekuerzt werden.


Erneut Brandanschlaege auf tuerkische Einrichtungen

Hamburg. In mehreren deutschen Staedten sind in der vergangenen Nacht erneut Brandanschlaege auf tuerkische Einrichtungen veruebt worden. Im Hamburger Stadtteil St. Pauli warfen die Taeter einen Molotowcocktail in ein Restaurant; dabei wurden zwei Gaeste leicht verletzt. Brandsaetze wurden ausserdem in eine Gaststaette und ein Kulturzentrum in der Hansestadt geworfen, ohne dass sie groesseren Schaden anrichteten. Nach einem Anschlag auf ein tuerkisches Reisebuero in Wetzlar nahm die Polizei zwei verdaechtige Tuerken fest. Auch zwei Reisebueros in Osnabrueck und eines in Lohlahr (Sp?) waren das Ziel von Anschlaegen. Vor einem tuerkischen Lebensmittelgeschaeft in Villingen konnten Passanten einen Brandsatz loeschen. Schon in den vergangenen beiden Naechten hatte es in Baden-Wuerttemberg Anschlaege auf tuerkische Einrichtungen gegeben. Die Polizei vermutet, dass die Taeter der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK angehoeren. Ein in Singen im Zusammenhang mit einem Brandanschlag auf ein tuerkisches Lokal festgenommener Kurde ist wieder auf freiem Fuss; dem mutmasslichen PKK-Sympathisanten konnte keine Beteiligung an dem Anschlag nachgewiesen werden. Die baden-wuerttembergische Polizei sucht noch immer fieberhaft nach den Urhebern der Brandanschlaege auf tuerkische Einrichtungen. Bislang wurden fuenf Verdaechtige zum Teil voruebergehend festgenommen. Die Mehrzahl der Anschlaege soll von der in Deutschland verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK veruebt worden sein. Das erklaerte ein Sprecher des Stuttgarter Innenministeriums. Die PKK setzt bewusst jugendliche Attentaeter fuer die Anschlaege ein, entsprechende Hinweise erhielten die Ermittlungsbehoerden bei der Vernehmung der festgenommenen Tatverdaechtigen nach der juengsten Anschlagserie in Baden-Wuerttemberg; unter ihnen: 16- bis 18-jaehrige Jugendliche. In den letzten drei Naechten waren von der PKK allein im Suedwesten 12 Terroranschlaege veruebt worden. Nach Informationen des baden-wuerttembergischen Verfassungsschutzes wirbt die PKK in der Bundesrepublik junge Kurden an, um sie ideologisch und, teilweise auch in Deutschland, militaerisch auszubilden; nach Ansicht des Verfassungsschutzes greift das 1993 erlassene bundesweite Verbot der PKK nicht. Der Stuttgarter Innenminister Birzele raeumte ein, dass der Handlungsspielraum der PKK nicht entscheidend eingegrenzt werden konnte.


Kurdendemonstrationen in Frankfurt

Frankfurt. Bei Auseinandersetzungen zwischen kurdischen Demonstranten und Polizisten sind am Nachmittag mehrere Menschen verletzt worden. Die Beamten hatten mit Wasserwerfern eine Demonstration aufgeloest, nachdem mehrere Kurden Symbole der in Deutschland verbotenen PKK gezeigt hatten. Nach Angaben der Polizei hatten Demonstranten zuvor Beamte mit Steinen beworfen und mit Knueppeln geschlagen. Das Land Hessen hatte heute den Abschiebestop fuer Kurden aufgehoben. Innenminister Boekel (Sp?) erklaerte, jetzt trete die Einzelfallpruefung wieder in Kraft.


Explosion in Hamburger U-Bahnhof

Hamburg. Im Bereich der U-Bahnstation Hauptbahnhof Nord der Hansestadt hat es eine Explosion gegeben. Nach Angaben der Bahnpolizei gerieten dort offenbar Chemikalien, die in einem ausrangierten Kiosk gelagert waren in Brand. Zwei Menschen erlitten leichte Rauchvergiftungen. Die Ursache der Explosion ist noch nicht bekannt. Augenzeugen berichten von einer starken Rauchentwicklung. Der Qualm sei aus den U-Bahnschaechten aufgestiegen. Der Hauptbahnhof wurde geraeumt, weil Daempfe aus dem benachbarten U-Bahnhof in das Gebaeude eindringen. Es war ein Grossaufgebot von Polizei und Feuerwehr im Einsatz.


Abschiebestop fuer Kurden rechtswidrig

Kassel. Der Abschiebestop fuer Kurden, den das hessische Innenministerium nach Auslaufen der bundesweiten Regelung verfuegt hatte, ist rechtswidrig. Das entschied heute der hessische Verwaltungsgerichtshof. Zur Begruendung hiess es, der Innenminister haette die Zustimmung des Bundesinnenministeriums einholen muessen. Die Bundeslaender duerfen nur fuer jeweils sechs Monate und mit Erlaubnis aus Bonn verfuegen, dass Kurden nicht mehr in die Tuerkei abgeschoben werden. Ein solcher regulaerer Abschiebestop galt in Hessen bis November vergangenen Jahres; im Gegensatz zu anderen SPD gefuehrten Laendern liess die Regierung in Wiesbaden ihren eigenen generellen Abschiebestop danach aber zunaechst nicht verlaengern. Erst am 13. Juni erfolgte ein neuer Erlass, dies jedoch ohne Zustimmung aus Bonn.


Juengste Bosnienpolitik hat hohen Abschreckungswert

Bonn. Die juengste Bosnienpolitik der Weltgemeinschaft hat nach Einschaetzung von Bundesverteidigungsminister Ruehe einen hohen Abschreckungseffekt auf die bosnischen Serben. Der Minister nannte in diesem Zusammenhang die Beschluesse der Londoner Bosnienkonferenz sowie die Entscheidungen der Vereinten Nationen und der NATO, den Serben mit massiven Luftangriffen zu drohen. Ziel der geplanten Aktionen sei, dass die UNO in Jugoslawien erfolgreicher arbeite als bisher. Ruehe warnte, sollte auch die UN-Schutzzone Gorazde an die Serben fallen, wuerde dies das Ende aller UN-Aktivitaeten in Bosnien bedeuten.


LKW-Lieferung nach Aethiopien

Ulm. Der Nutzfahrzeughersteller Iveco-Magirus AG hat 55 LKW nach Aethiopien geliefert. Laut Firmenangaben werden die Laster im Rahmen der Fluechtlingshilfe eingesetzt. Finanziert wird der Auftrag von der Deutschen Kreditanstalt fuer Wiederaufbau.


Seehofer will keine Positivliste

Bonn. Bundesgesundheitsminister Seehofer will auf die Einfuehrung einer sogenannten Positivliste fuer verschreibungsfaehige Medikamente verzichten. Seehofer sagte in Bonn, so eine Liste sei schaedlich und ausserdem ueberfluessig; so muessten nicht wenige chronisch Kranke ihre Medikamente kuenftig selbst zahlen. Die Aerzte koennten naemlich viele chronische Erkrankungen noch nicht ursaechlich behandeln, sondern nur Medikamente zur Linderung verschreiben, und diese wuerden laut Seehofer nicht in einer Positivliste auftauchen. Die Krankenkassen dagegen erklaerten, durch die Positivliste haette sichergestellt werden sollen, dass kuenftig nur noch therapeutisch zweckmaessige Arzneimittel zu Lasten der Beitragszahler verordnet werden. Darueber hinaus verwies der Gesundheitsminister darauf, dass die Liste das Aus fuer eine Reihe von Arzneimittelhersteller bedeuten wuerde. Das Bundeskabinett wird Anfang September ueber die Gesetzesvorlage entscheiden.


Schnelle Einigung ueber Jahressteuergesetz soll Wirtschaft staerken

Bonn. Bundesfinanzminister Waigel hat davor gewarnt, immer neue Vorschlaege ueber neue Steuern und Steuererhoehungen zu machen. Die laufenden Diskussionen sind nach den Worten des Bundesfinanzministers schaedlich fuer die Volkswirtschaft. Laut Waigel kann vor allem eine schnelle Einigung ueber das Jahressteuergesetz 1996 das Wirtschaftswachstum foerdern. Zentrale Streitpunkte sind die Finanzverteilung zwischen Bund und Laendern, die Freistellung des Existenzminimums und das Kindergeld. Die SPD hatte hier zuletzt gefordert, schon im kommenden Jahr fuer das erste und das zweite Kind monatlich 220 Mark zu zahlen. Einzelne SPD-Politiker, unter anderem Niedersachsens Ministerpraesident Schroeder, lehnen dies strikt ab und wollen im Bundesrat gegen die eigene Partei stimmen. Bundesregierung und Opposition berieten heute ueber das Jahressteuergesetz 1996. Unter Leitung von Finanzminister Waigel und dem saarlaendischen Ministerpraesidenten Lafontaine sollen die Verhandlungsdelegationen die zweite Runde im Vermittlungsausschuss vorbereiten, die am Montag beginnen wird. Die beiden Verhandlungsfuehrer aeusserten sich vor Beginn des Gespraeches optimistisch. Beide bestaetigten, dass in einem entscheidenden Punkt, naemlich wie die Kosten fuer das Kindergeld zwischen Bund und Laendern verteilt werden sollen, eine weitgehende Einigung erzielt worden sei. Verhandeln muesse man jetzt noch ueber die Hoehe des Kindergeldes und die Gesamtkosten des Steuergesetzes fuer Laender und Gemeinden. Das Gesetz regelt ausserdem die steuerliche Freistellung des Existenzminimums.


Landes-CSU hilf Muenchner Parteibezirk aus Finanzproblemen

Muenchen. Die Landes-CSU will ihrem Muenchner Parteibezirk aus den finanziellen Schwierigkeiten helfen. CSU-Chef Theo Waigel sagte vor der Landtagspresse, eine Unterstuetzung halte er fuer vernuenftig und vertretbar. Die Muenchner CSU hatte vorallem wegen des Oberbuergermeisterwahlkampfes im vergangenen Jahr einen Verlust von rund vier Millionen Mark gemacht. Waigel zufolge werde der Landesverband jedoch deutlich weniger als die Haelfte der Schulden uebernehmen. Der CSU-Chef bestaetigte, dass auf dem Parteitag im September eine Satzungsaenderung beschlossen werden soll, damit eine Ueberschuldung von Bezirksverbaenden kuenftig vermieden wird.


Boerse

DAX   =     2234 (-   6.0000)
1 US$ =   1,3860 DM



Quellen

Radio7 :    11.00 MESZ    13.00 MESZ    14.00 MESZ    16.00 MESZ
B5    :    10.45 MESZ    12.15 MESZ    13.45 MESZ    16.15 MESZ    17.45 MESZ