GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Mo, 24.04.1995



* Castor-Transport von neun Brennstaeben von Phillipsburg nach Gorleben
* Anschlaege auf Bahnleitungen als Protest gegen Atommuelltransport
* Demonstrationen gegen Atommuelltransport
* Politiker zum Atommuelltransport nach Gorleben
* Gespraeche ueber Energiekonsens zwischen CDU/CSU und SPD
* SPD ueber Castor-Transport verstimmt
* Bekennerschreiben zum Attentat auf Blank
* FDP distanziert vom umstrittenen Aufruf zum 8. Mai 1945
* DGB zum umstrittenen Aufruf zum 8. Mai 1945
* SPD fordert Aufklaerung der Plutonium-Affaire
* Tarifgespraeche fuer Einzelhandel vertagt
* Ex-DDR-Unterhaendler Vogel aus Haft entlassen
* Stellvertretender NPD-Vorsitzender Foerster verurteilt
* Franzoesisches Kernkraftwerk Cattenom weiter umstritten
* "Pax Christi" fuer Umbenennung der General-Kuebler-Kaserne
* Moeller verzichtet auf Berufung gegen Schwalbenurteil



Castor-Transport von neun Brennstaeben von Phillipsburg nach Gorleben

Der Castor-Transport mit neun abgebrannten Brennelementen ist heute Abend gegen 20:00 Uhr in Phillipsburg abgefahren. Eine Diesel-Lok der Deutschen Bahn AG zog den mit einer Plane abgedeckten Sicherheitsbehaelter mit den hochradioaktiven Brennstaeben aus dem Kraftwerksgelaende. Ein massives Polizeiaufgebot versucht die Demonstranten von den Gleisen fernzuhalten. Ueber 60 Atomkraftgegner wurden in Gewahrsam genommen. Der Transport des Atommuells nach Gorleben fuehrt von Baden-Wuerttemberg ueber Hessen in Richtung Norden. Er soll morgen im niedersaechsischen Gorleben eintreffen. Gegen 23:00 Uhr erreichte der Zug das Stadtgebiet Mannheim.


Anschlaege auf Bahnleitungen als Protest gegen Atommuelltransport

Mannheim. Unbekannte haben in Sued- und Norddeutschland den Bahnverkehr gestoert. Sie beschaedigten an mehreren Strecken die Oberleitungen. Die Polizei vermutet einen Zusammenhang mit dem Castor-Atommuelltransport nach Gorleben, der an diesem Abend durchgefuehrt wurde. Auf den Bahnstrecken zwischen Mannheim und dem Rhein-Main-Gebiet hatten die Zuege bis zu zwei Stunden Verspaetung. Zwischenfaelle habe es auch auf der Strecke zwischen Hamburg und Bremen sowie in der Naehe von Worms in Rheinland-Pfalz gegeben. Dort haetten die Taeter Stromleitungen mit Wurfankern abgerissen. Entlang der moeglichen Fahrtstrecken des Zuges verursachten die Anschlaege heute frueh erhebliche Behinderungen und Schaeden in Millionenhoehe. Nach Angaben eines Bahnsprechers waren jedoch alle Routen seit etwa 16:00 Uhr wieder befahrbar. Am heutigen Abend versuchten etwa 400 Demonstranten auf dem Bahnhof Hitzacker in der Naehe von Gorleben die Schienen zu unterhoehlen. Auf den Gleisen wurden Feuer gelegt, auch in Luechow-Dannenberg wurden Barrikaden auf den Schienen angezuendet.


Demonstrationen gegen Atommuelltransport

Im niedersaechsischen Dannenberg blockierten etwa 200 Demonstranten mit Traktoren die Verbindungsstrasse nach Gorleben. Auch in Phillipsburg kam es in der Nacht und heute zu Protestaktionen. Am Nachmittag hat es vor dem Atomkraftwerk Rangeleien zwischen Gegnern des geplanten Castor-Transports und der Polizei gegeben. Etwa 100 Kernkraftgegner versuchten nach Polizei-Angaben die Bahngleise zu blockieren. Eine Reiterstaffel habe die Demonstranten von dem Bahndamm abgedraengt. Am Zielbahnhof des Transports in Dannenberg loesten Bundesgrenzschutzbeamte eine aehnliche Blockadeaktion auf.


Politiker zum Atommuelltransport nach Gorleben

Die niedersaechsische Landesregierung sah am Morgen nach den Worten von Umweltministerin Griefahn keine Moeglichkeit mehr, den Spezialzug mit dem Castor-Behaelter zu stoppen. Der Fraktionssprecher von Buendnis 90/Die Gruenen hat die militanten Proteste heute morgen verurteilt. Im Deutschlandfunk betonte er heute frueh, jegliche Form von Gewalt lehne er ab. Das unbedingte Festhalten am Transport durch die Bundesregierung muesse aber als Provokation gewertet werden. Daher empfahl Fischer der SPD, die fuer den Abend geplanten Energiegespraeche abzusagen. Bundesumweltministerin Merkel appellierte an die Demonstranten, auf Gewalt zu verzichten. CDU-Generalsekretaer Hintze verurteilte die gewalttaetigen Proteste gegen den Transport scharf und kuendigte eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel an, Sitzblockaden strafbar zu machen. Dies lehnt der Bonner Koalitionspartner FDP bislang ab.


Gespraeche ueber Energiekonsens zwischen CDU/CSU und SPD

Die Gespraeche zwischen der Bonner Regierungskoalition und den Sozialdemokraten ueber einen kuenftigen Energiekonsens gingen heute in die zweite Runde. Dabei sollte es auch um die Frage der kuenftigen Nutzung der Kernkraft gehen.


SPD ueber Castor-Transport verstimmt

Die SPD hatte wegen des fuer heute geplanten Castor-Transports bis zum Nachmittag noch nicht darueber entschieden, ob sie an der zweiten Energiekonsensrunde mit der Regierung am Abend teilnimmt. In Bonn hiess es, die Verhandlungsdelegation der Sozialdemokraten werde am spaeteren Nachmittag zusammenkommen, um darueber zu beraten. Der Start des Castor-Transports ausgerechnet am Abend der Konsensgespraeche werde von der Mehrheit der Unterhaendler als Provokation empfunden. Einige Delegierte forderten, den Gespraechen fern zu bleiben. Diese Auffassung vertraten auch der Landrat des Kreises Luechow-Dannenberg Zuelke und der Hannoveraner SPD-Unterbezirksvorsitzende Dede. Zuelke kuendigte an, er werde sich dem fuer den im Kreis verhaengten Demonstrationsverbot widersetzen. Die Entscheidung liege letztlich beim sozialdemokratischen Verhandlungsfuehrer, dem niedersaechsischen Ministerpraesidenten Schroeder, hiess es aus Bonn. Schroeder hat bislang eine Absagung der Gespraeche mit der Begruendung abgelehnt, der Castor-Transport sei ohnehin nicht mehr zu stoppen. Trotz zunehmender Kritik auch aus den eigenen Reihen beschloss die SPD jedoch am Spaetnachmittag, an den Verhandlungen teilzunehmen. SPD-Vorstandssprecherin Wiebusch sagte am Nachmittag in Bonn, die Delegation werte den Transport zwar als eine Belastung der Gespraeche, doch werde das Treffen wie geplant stattfinden. Die CDU warnte angesichts der zunehmenden Kritik von Sozialdemokraten, Buendnis 90/Die Gruenen und Umweltverbaenden die SPD davor, die Energiekonsens-Gespraeche platzen zu lassen. Dadurch wuerde die SPD gewaltaetige Demonstranten ermutigen, sagte CDU-Generalsekretaer Hintze nach einer Vorstandssitzung in Bonn.


Bekennerschreiben zum Attentat auf Blank

Bonn. Die sogenannten Antiimperialistischen Zellen haben nach eigenen Angaben den Anschlag auf das Haus des CDU-Abgeordneten Blank begangen. In einem siebenseitigen Schreiben, das heute bei der Deutschen Presse Agentur in Frankfurt am Main einging, heisst es, Blank gehoere zum Fuehrungszirkel der Unionsfraktion als Operative im Machtzentrum. Bei kuenftigen Aktionen, so wird in dem Brief weiter ausgefuehrt, werde man vor Menschenleben nicht mehr zurueckschrecken. Den Anschlag begruendeten die Terroristen mit den Verbindungen Blanks zur Asyl- und Kurdenpolitik der Bundesregierung. Der Bombenanschlag auf das Haus des CDU-Abgeordneten Blank ist somit moeglicherweise der Auftakt weiterer Attentate von Linksextremisten. Gestern war vor dem Haus des CDU-Politikers in Erkrath bei Duesseldorf ein Sprengsatz explodiert. Blank und seine Familie entgingen dem Attentat nur knapp. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe hat die Ermittlungen uebernommen. Das Schreiben duerfte nach einer ersten Einschaetzung der Bundesanwaltschaft echt sein. Die AIZ gilt als eine der radikalsten Splittergruppen aus dem Umfeld der Rote Armee Fraktion. Die CDU hat sich besorgt ueber den juengsten Anschlag auf den Unions-Politiker Blank geaeussert. Die Partei nehme die Tat ausserordentlich ernst, hiess es nach einer Praesidiums-Sitzung. Der Chef des nordrhein-westfaelischen Verfassungsschutzes Baumann charakterisierte die Mitglieder als eine Art Wochenend-Terroristen, die einer buergerlichen Arbeit nachgingen.


FDP distanziert vom umstrittenen Aufruf zum 8. Mai 1945

Der Bundesvorstand der Freien Demokraten hat sich von dem umstrittenen Aufruf mit dem Titel "Gegen das Vergessen" distanziert, in dem der 8. Mai 1945 auch als Beginn von Vertreibung und Teilung Deutschlands sowie neuem Unrecht im Osten bewertet wird. Der FDP-Vorsitzende Bundesaussenminister Kinkel betonte heute in Bonn, wer sich auf solche Weise in die Gesellschaft von Republikanern begebe, habe nicht die Unterstuetzung der Liberalen. Er forderte jene Parteimitglieder, die den Aufruf unterzeichnet haben, auf, ihre Unterschrift zurueckzuziehen. Der Berliner FDP-Politiker und fruehere Generalbundesanwalt von Stahl wies die Forderung Kinkels zurueck. Er habe mit der Unterzeichnung des Appells nicht gegen liberale Grundsaetze verstossen, sagte Stahl dem "Berliner Tagesspielgel". In dem Aufruf wird kritisiert, dass der 8. Mai 1945 einseitig als Tag der Befreiung dargestellt werde.


DGB zum umstrittenen Aufruf zum 8. Mai 1945

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich im Zusammenhang mit der Debatte um das Kriegsende in Europa am 8. Mai 1945 gegen die Aufrechnung von Unrecht ausgesprochen. Deutschland und Europa seien damals von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft befreit worden, heisst es in einer heute in Duesseldorf veroeffentlichten Erklaerung des DGB. Der Holocaust sei und bleibe ein in der Geschichte einmaliges Verbrechen.


SPD fordert Aufklaerung der Plutonium-Affaire

Das sozialdemokratische Parteipraesidium hat die vollstaendige Aufklaerung der Plutonium-Affaire gefordert und dafuer plaediert, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Bisher haetten die Verantwortlichen die gegen sie erhobenen Vorwuerfe weder aufklaeren noch entkraeften koennen, erklaerte das SPD-Spitzengremium heute in Bonn. Vor allem muesse dargelegt werden, zu welchem Zeitpunkt Bundeskanzler Kohl Kenntnis von den Vorgaengen erhalten und wie er darauf reagiert habe. Die Bundestagsfraktion Buendnis 90/Die Gruenen beantragte heute formell die Einsetzung des Ausschusses. Ausserdem verlangte sie eine erneute Sitzung der parlamentarischen Kontrollkommission noch in dieser Woche.


Tarifgespraeche fuer Einzelhandel vertagt

Die Tarifgespraeche fuer den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen sind auf den 5. Mai vertagt worden. Die Arbeitgeber hatten in der heutigen Runde Einkommenserhoehungen um 2.3% angeboten. Die Gewerkschaften HBV und DAG lehnten das Angebot als unzureichend ab. Die DAG fordert fuer die rund 450000 Beschaeftigten in der Branche Lohnerhoehungen von 6%.


Ex-DDR-Unterhaendler Vogel aus Haft entlassen

Das Berliner Landgericht hat heute den Haftbefehl gegen den frueheren DDR-Unterhaendler fuer humanitaere Fragen Vogel aufgehoben. Nach der bisherigen Beweislage drohe dem Angeklagten im Falle der Verurteilung keine Strafe, die ihn zur Flucht veranlassen koennte, begruendete die sechste Strafkammer ihre Entscheidung. Gegen den Rechtsanwalt laeuft seit einem halben Jahr ein Prozess wegen Erpressung, Untreue und Meineids. Er soll Buerger, die die DDR verlassen wollten, zum Verkauf ihrer Haeuser und Grundstuecke veranlasst haben.


Stellvertretender NPD-Vorsitzender Foerster verurteilt

Der stellvertretende Vorsitzende der rechtsextremen NPD von Schleswig-Holstein Foerster ist heute wegen versuchten Mordes, versuchter schwerer Brandstiftung und Landfriedensbruch zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Das Schweriner Landesgericht sah es als erwiesen an, dass der 68jaehrige Gastronom im Juli 1992 etwa 30 Jugendliche zu einem Ueberfall auf ein Asylbewerberheim in Baalen bei Beutzenbrueck angestiftet hat. Dabei waren auch Molotow-Cocktails und Schreckschusswaffen eingesetzt worden. Verletzt wurde niemand. Mit ihrem Urteil blieben die Richter unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die fuer Foerster fuenf Jahre Haft gefordert hatte.


Franzoesisches Kernkraftwerk Cattenom weiter umstritten

Der Rechtsstreit um das franzoesische Kernkraftwerk Cattenom wird auch von deutscher Seite weiterbetrieben. Mehrere deutsche Kommunen und Kreise im deutsch-franzoesischen Grenzgebiet wollen sich der Revision gegen das Urteil vom Februar anschliessen, darunter die Stadt Trier und der Landkreis Trier-Saarburg. In dem Urteil hatte das Verwaltungsgericht Strassburg Klagen gegen radioaktive Emissionen des Kernkraftwerks abgewiesen.


"Pax Christi" fuer Umbenennung der General-Kuebler-Kaserne

Die katholische Friedensbewegung "Pax Christi" hat Bundesverteidigungsminister Ruehe zu einer Umbenennung der General-Kuebler-Kaserne in Mittenwald aufgefordert. In einer Erklaerung der Organisation hiess es heute, General Kuebler sei im Juli 1947 wegen seiner Kriegsverbrechen auf dem Balkan zum Tode verurteilt worden. Eine Kaserne, in der Bundeswehrsoldaten fuer den Ernstfall ausgebildet wuerden, so Pax Christi weiter, duerfe nicht den Namen eines Kriegsverbrechers tragen.


Moeller verzichtet auf Berufung gegen Schwalbenurteil

Andreas Moeller verzichtet auf eine Berufung gegen das sogenannte Schwalbenurteil. Das gab das Praesidium von Moellers Verein Borussia-Dortmund bekannt. Moeller war am Donnerstag vom DFB-Sportgericht wegen seiner Schwalbe im Spiel gegen den KSC fuer zwei Punktspiele gesperrt worden.


Quellen

SWF1    10:00 MESZ
DLF    11:00 MESZ    12:00 MESZ    16:00 MESZ    18:00 MESZ    21:00 MESZ    23:00 MESZ
RPR1    17:00 MESZ