GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Sa, 06.01.1996



* IG Metall fuer Umbau des Sozialstaats
* Lafontaine fuer Modernisierung des Sozialstaats
* Union-Bundestagsfraktionsvorsitzender Rednick fuer Sozialbeitragssenkung
* Kritik an der Mittelstandspolitik der Bundesregierung
* Kritik am Bundesverfassungsgericht
* Zur Telekompanne
* Weitere moegliche Telefongebuehrenvarianten
* CSU will angeblich Lauschangriff erweitern
* Vom Dreikoenigstreffen der FDP
* Glatteis fuehrt zu verbreitetem Verkehrschaos
* Brandanschlag auf tuerkisches Reisebuero
* Kinkel warnt vor zu schneller Rueckfuehrung der Bosnienfluechtlinge



IG Metall fuer Umbau des Sozialstaats

Frankfurt. Die IG-Metall hat sich fuer eine Vereinbarung zu einem Umbau des Sozialstaats ausgesprochen. Der zweite Vorsitzende der Gewerkschaft, Riester, sagte der Neuen Osnabruecker Zeitung, es muesse eine Menge passieren, um die Lohnnebenkosten zu senken und die Wettbewerbsfaehigkeit der deutschen Wirtschaft zu staerken. Dazu gehoere auch, zu ueberdenken, welche Sozialleistungen kuenftig in welcher Hoehe erbracht werden muessten. Der Gewerkschaftler haelt es fuer ueberfluessig, Kindergeld auch an Besserverdienende zu bezahlen. Das selbe gaelte fuer Steuervorteile, die Ehegatten und Familien eingeraeumt wuerden. Auch hier muesse ueber Einkommensgrenzen entschieden werden. Riester sagte: "Wenn wir dieses Problem nicht angehen, riskieren wir, dass unser Sozialsystem mittelfristig unfinanzierbar wird."


Lafontaine fuer Modernisierung des Sozialstaats

Bonn. Der Sozialstaat muss nach Ansicht von SPD-Chef Lafontaine modernisiert werden. Wegen der hohen Staatsverschuldung muesse sich die Sozialpolitik auf die besonders dringlichen Aufgaben konzentrieren. Einen Sozialabbau lehnte Lafontaine ab. Der SPD-Chef schrieb an die Parteimitglieder einen Brief. Darin heisst es, Hauptziel der SPD sei die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplaetzen. Ausserdem muesse es in Deutschland wieder gerechter zugehen. Der Bundesregierung warf er vor, sie habe die Probleme des Landes nicht im Griff.


Union-Bundestagsfraktionsvorsitzender Rednick fuer Sozialbeitragssenkung

Eine Senkung der Sozialversicherungsbeitraege hat der Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Rednick, gefordert. Bei dem von der Bundesregierung geplanten Beschaeftigungspaket muesse es darum gehen, die Beitragssaetze wieder unter die 40%-Grenze zu bekommen, sagte Rednick in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Derzeit muessten Arbeitnehmer rund 41,5% ihres Bruttolohnes fuer Sozialversicherungen aufbringen.


Kritik an der Mittelstandspolitik der Bundesregierung

SPD-Bundesgeschaeftsfuehrer Muentefering (sp?) hat die Mittelstandspolitik der Bundesregierung scharf kritisiert. Ueber den Mitteltand in der Bundesrepublik drohe 1996 eine weitere Konkurswelle zu rollen. Experten rechneten mit einem Anstieg der Firmenpleiten auf weit ueber 25000. Die Bundesregierung habe es versaeumt, die Eigenkapitalkraft mittelstaendischer Unternehmen zu staerken, die Sozialversicherungssysteme von versicherungsfremden Ausgaben zu entlasten und die Genehmigungsverfahren gezielt fuer mittelstaendische Unternehmer und Existenzgruender zu verbessern, sagte Muentefering.


Kritik am Bundesverfassungsgericht

Unter deutschen Richtern gibt es offenbar weitverbreitete Kritik am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dies sagte im saarlaendischen Rundfunk der Verfassungsexperte Wassermann. Dies fuehre zu grossen Spannungen. Vor allem die Richter der ersten Instanzen und der Fachgerichte bemaengelten, dass das Bundesverfassungsgericht zu sehr in Reservate einbreche, die eigentlich der Fachgerichtsbarkeit gehoerten.


Zur Telekompanne

Bonn. Wegen der Abrechnungspanne am Neujahrstag prueft die Telekom, ob sie die Stuttgarter SEL/Alcatel fuer die Abrechnungspanne haftbar machen kann. Die Telekom fuehrt die falsche Abrechnung von Ferngespraechen auf einen Fehler in der Software von Alcatel zurueck. Es sei aber noch nicht endgueltig geklaert, wie dieser Fehler zustande gekommen sei, sagte ein Sprecher der Telekom. 70 Millionen kostet die Abrechnungspanne am Neujahrstag, schaetzt die Deutsche Telekom. Dazu komme noch der Image-Schaden, der bei dem geplanten Gang an die Boerse um ein vielfaches hoeher liegen duerfte, so der Sprecher der Telekom. Nach seinen Angaben war dies die teuerste Telefonnacht fuer dieses Unternehmen.

Der Verband der Postbenutzer lehnt die von der Telekom fuer die Gebuehrenpanne vom Neujahrstag angebotene Entschaedigung ab. Der Verbandsvorsitzende Huebner kritisierte im Deutschlandfunk, es waere korrekter gewesen, die fehlerhaften Rechnungen individuell zu begleichen. Es sei aber verstaendlich, dass die Telekom wegen der hohen Kosten den Weg ueber Freieinheiten suche. Nach Huebners Ansicht sind jedoch die zugesagten 30 Einheiten im Wert von 3,60 DM zu wenig. Er wirft der Telekom vor, mit der angebotenen Entschaedigungsregelung Geld zu verdienen.


Weitere moegliche Telefongebuehrenvarianten

Die Telekom hat fuer den Herbst weitere Ermaessigungen bei den Telefongebuehren in Aussicht gestellt. Der Vorsitzende der Bundesanstalt fuer Post und Telekommunikation, Bernhardt (sp?), sagte der Zeitung Bild am Sonntag, neben dem sogenannten Familien- und Freundschaftstarif seien weitere Modelle im Gespraech. So koenne fuer Wenigtelefonierer ein Tarif ohne Grundgebuehr und mit erhoehten Gebuehren fuer das erste Telefonat eingefuehrt werden, eine zweite Moeglichkeit sei eine erhoehte Grundgebuehr fuer 30 DM und dazu 100 freie Einheiten. Fuer Grosskunden koennten prozentuale Rabatte auf die Rechnungshoehe gegeben werden.


CSU will angeblich Lauschangriff erweitern

Hamburg. In der CSU gibt es nach Informationen der Bildzeitung Bestrebungen, die Moeglichkeiten beim sogenannten Grossen Lauschangriff noch zu erweitern. Dazu sollen zur Beweissicherung in Wohnungen Verdaechtiger nicht nur versteckte Wanzen, sondern auch versteckte Videokameras von der Polizei eingesetzt werden koennen. Ein entsprechendes Papier soll auf der Klausurtagung der CSU naechste Woche in Kreuth vorgelegt werden, schreibt die Bildzeitung.


Vom Dreikoenigstreffen der FDP

Stuttgart. Die Freien Demokraten kommen heut zu ihrem fuenfzigsten Dreikoenigstreffen nach dem Krieg zusammen. Die Spitzenpolitiker der Liberalen wollen die Marschroute festlegen fuer die Landtagswahlen in Baden-Wuerttemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Am 24ten Maerz entscheiden die Waehler ueber die Zukunft der FDP, die um den Wiedereinzug in die Landtage in Stuttgart, Mainz und Kiel bangen muss. Die baden-wuerttembergische FDP hatte sich gestern auf ihrem Landesparteitag in Stuttgart fuer eine Koalition mit der CDU ausgesprochen. Die FDP ist ansonsten nur noch im hessischen Landtag vertreten.

Der FDP-Vorsitzende Gerhardt hat seine Partei zu Geschlossenheit aufgerufen. Er forderte die unterschiedlichen Gruppen in der Partei auf, ihre Diskussion zu beenden. Die FDP muesse ihre Reihen schliessen, wenn sie die Landtagswahlen im Maerz gewinnen wolle, sagte Gerhardt. Gerhardt hat die CSU/CDU gedraengt, den Solidaritaetszuschlag abzubauen. Der Einstieg in den Ausstieg aus dem Solidaritaetszuschlag muesse im kommenden Jahr beginnen, sagte Gerhardt. Der baden-wuerttembergische Landesvorsitzende Doering verlangte sogar, davon das regierungsbuendnis in Bonn abhaengig zu machen. Bundesvorsitzender Gerhardt bekraeftigte die Forderung der FDP nach weiteren Steuersenkungen und einem Umbau des Sozialsystems.

Der FDP-Generalsekretaer Westerwelle mahnte eine deutliche Kurskorrektur der deutschen Finanz- und Sozialpolitik an. Der Staat sei inzwischen zu einer Agentur fuer die Bedienung von Klientel-Interessen und die Versicherung privater Lebensrisiken geworden, sagte Westerwelle. Diese Gefaelligkeitsdemokratie habe zu der enormen Staatsverschuldung von bis zu 2 Billionen DM gefuehrt. Der Sozialstaat in seiner jetzigen Form sei unfinanzierbar geworden.

CDU und SPD gehen von Neuwahlen aus fuer den Fall, dass die FDP aus der Bundesregierung ausscheiden sollte. CSU-Chef Waigel sagte der Bild am Sonntag, die CSU habe keine Angst vor Neuwahlen. Waigel zeigte sich ueberzeugt, dass die CDU/CSU allein die Mehrheit schaffen koennte.


Glatteis fuehrt zu verbreitetem Verkehrschaos

Frankfurt. Gefrierender Regen hat in weiten Teilen Suedwestdeutschlands den Verkehr behindert. Auf spiegelglatten Strassen gab es zahllose Unfaelle. Besonders betroffen waren Rheinland-Pfalz, Baden-Wuerttemberg und das Saarland. Die Wetterforscher erwarten morgen in ganz Deutschland Glatteis. Sie rechnen mit steigenden Temperaturen und Regen, waehrend der Boden noch gefroren ist. In Bayern kam es zu Staus von ueber 120km Laenge. Heimkehrende Winterurlauber sorgten fuer ein Verkehrschaos.


Brandanschlag auf tuerkisches Reisebuero

Unbekannte haben in der vergangenen Nacht einen Brandanschlag auf ein tuerkisches Reisebuero in Berlin veruebt. Es entstand geringer Sachschaden. Die Polizei vermutet einen Zusammenhang mit den derzeitigen Haeftlingsrevolten in der Tuerkei. Zettel mit entsprechenden Hinweisen seien in der Naehe des Tatortes gefunden worden. Aus dem selben Grund war gestern auch das Buero des tuerkischen Arbeitsattaches in Mainz besetzt worden. Gegen Mitternacht raeumten die 13 Besetzer das Gebaeude freiwillig. Sie sollen heute dem Haftrichter vorgefuehrt werden.


Kinkel warnt vor zu schneller Rueckfuehrung der Bosnienfluechtlinge

Bundesaussenminister Kinkel hat vor einer zu schnellen Rueckfuehrung der Bosnienfluechtlinge gewarnt. Der Mainzer Allgemeinen Zeitung sagte Kinkel, es muesse vermieden werden, dass die Heimkehr neue Probleme in Bosnien-Herzegowina schaffe. Zuerst muessten menschenwuerdige Lebensbedingungen geschaffen werden. Die Rueckkehrer muessten Perspektiven haben fuer den Aufbau einer wirtschaftlichen Existenzgrundlage.


Quellen

HR3    9:00 MEZ    12:00 MEZ    15:00 MEZ    18:00 MEZ    22:00 MEZ
SWF3    11:00 MEZ    15:00 MEZ    22:00 MEZ