GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 25.10.1994



* Prognosen der Wirtschaftsinstitute fuer das kommende Jahr
* Reaktionen auf das Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute
* Solms fordert Schlussstrich unter die Personaldiskussion in der FDP
* Moellemann schliesst erneute Kandidatur als FDP-Landeschef nicht aus
* Koalitionsverhandlungen von CDU und FDP werdem am Donnerstag fortgesetzt
* 2. Runde der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD in Thueringen
* Gruene wollen Vergabe der Ueberhangmandate ueberpruefen lassen
* Erstes Sondierungsgespraech von SPD und PDS in Schwerin
* Europaeische Komission billigt Uebernahme von Eko Stahl
* Keine direkte Finanzhilfe des Landes BW an den Carl-Zeiss-Konzern
* Ehemalige DDR-Juristen wegen Totschlags angeklagt
* Baden-wuerttembergische Landesregierung beschliesst Haushaltssperrre
* Herzog will nur eine Amtsperiode lang Bundespraesident sein
* 5 Verletzte bei Brand in einem vor allem von Auslaendern bewohnten Haus
* Maedchen belasten Vater im Kinderschaenderprozess
* Ingrid Jakobsmeier aus der Haft entlassen



Prognosen der Wirtschaftsinstitute fuer das kommende Jahr

Die 6 fuehrenden deutschen Wirtschaftsinstitute erwarten fuer das kommende Jahr eine Festigung des Aufschwungs bei anhaltend hohen Arbeitslosenzahlen. Die Experten, die heute in Bonn ihr Herbstgutachten vorlegten, rechnen fuer 1995 mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts in ganz Deutschland um 3 %. Ihre Schaetzung fuer das laufende Jahr korrigierten die Forscher nach oben. Sie hatten im Fruehjahr ein Wachstum von 1,5 % prognostiziert, gehen aber jetzt von einer Steigerung um 2,5 % aus. Die Forscher stimmten darin ueberein, dass dieser Aufschwung sich in den Neuen Laendern deutlich staerker als im Westen bemerkbar machen werde. Wie bereits bei frueheren Gutachten vertritt das Deutsche Institut fuer Wirtschaftsforschung eine Mindermeinung. Die Berliner Oekonomen halten die Wachstumserwartungen ihrer Kollegen fuer zu optimistisch. Die Inflationsrate wird sich nach Einschaetzung der Gutachter 1995 in Ost und West auf einen Wert von 2,5 % angleichen. Auf dem Arbeitsmarkt erwarten die Institute keinerlei durchgreifende Wende. Sie sagen ein Jahresmittel von 3,6 Millionen Erwerbslosen voraus. Das waeren 120 000 weniger als im Schnitt dieses Jahres. Die Wirtschaftsforschungsinstitute empfahlen den Tarifpartnern massvolle Lohnabschluesse. Sie wiesen ferner darauf hin, dass die im kommenden Jahr bevorstehenden Abgabenerhoehungen zu einer Belastung der Konjunktur werden koennten. Im Gegensatz zur Bundesregierung sind die Forschungsinstitute der Ansicht, eine deutliche Senkung der Steuern sei wichtiger als eine durch neue Belastung der Buerger erzielte Haushaltskonsolidierung.


Reaktionen auf das Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute

Die Bundesregierung sieht durch das juengste Herbstgutachten der fuehrenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Politik bestaetigt. Finanzminister Waigel und Wirtschaftsminister Rexroth erklaerten heute in Bonn, es werde deutlich, dass die Annahmen der Koalition kein Zweckoptimismus gewesen seien, sondern auf der erreichten Verbesserung der Wachstumsbedingungen beruht haetten. Dagegen gibt es nach Ansicht des wirtschaftspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Jens, keinerlei Anlass zur Euphorie. Die fuer das kommende Jahr prognostizierte Zahl der Arbeitslosen bedeute eher Stagnation als Aufschwung.


Solms fordert Schlussstrich unter die Personaldiskussion in der FDP

Einen Schlussstrich unter die oeffentlich ausgetragene Personaldiskussion in der FDP hat der Bonner Fraktionschef Solms gefordert. Der gestern abend beschlossene Ruecktritt des nordrhein-westfaelischen Landesvorstandes einschliesslich des Vorsitzenden Moellemann koenne zur Beruhigung beitragen, meinte Solms im Westdeutschen Rundfunk. Die Liberalen an Rhein und Ruhr haetten erkannt, dass es neben der gewaehlten Fuehrung der Bundespartei keinen Gegenvorsitzenden geben duerfe. Im Deutschlandfunkt hatte heute frueh der dem Bundesvorstand angehoerende FDP-Politiker Westerwelle verlangt, die, so woertlich, "Abmeierei" von Parteichef Kinkel muesse ein Ende finden. Die nordrhein-westfaelische FDP will auf einem Sonderparteitag am 3. Dezember in Hagen eine neue Fuehrungsspitze waehlen.


Moellemann schliesst erneute Kandidatur als FDP-Landeschef nicht aus

Nach seinem erzwungenen Ruecktritt als nordrhein-westfaelischer FDP-Chef schliesst der Politiker Moellemann eine erneute Kandidatur fuer dieses Amt nicht aus. In Duesseldorf sagte Moellemann heute, er wolle derzeit noch keine Festlegung treffen. Der Staatssekretaer im Bundesbildungsministerium, Schaumann, rechnet sich nach eigenen Angaben gute Chancen aus, neuer Landesvorsitzender der Freien Demokraten zu werden. Schaumann verwies am Abend im Fernsehsender Sat1 auf entsprechende Informationen aus den Kreis- und Bezirksverbaenden. Fuer den Fall seiner Wahl auf dem Sonderparteitag der nordrhein-westfaelischen FDP kuendigte der Staatssekretaer eine neue Form der Zusammenarbeit mit der Bundespartei an.


Koalitionsverhandlungen von CDU und FDP werdem am Donnerstag fortgesetzt

Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und Freien Demokraten in Bonn sollen am Donnerstag in grosser Runde fortgesetzt werden. Darauf haben sich nach Agenturberichten gestern abend die Spitzenpolitiker der Koalition geeinigt. Als weitere Gespraechstermine seien der Freitag und der Samstag vereinbart worden. Die erste Runde wurde gestern am spaeten Abend ohne Informationen ueber den Inhalt im Kanzleramt beendet. Nach den rund 3 1/2 - stuendigen Beratungen hiess es, es habe sich lediglich um Sondierungen gehandelt. Notwendig seien noch Einzelabstimmungen. Kanzleramtsminister Bohl wollte nicht sagen, welche Sachpunkte das betreffe. Der Minister sprach von einer ausgezeichneten Atmosphaere bei der Begegnung der Partei- und Fraktionsvorsitzenden sowie der Generalsekretaere von CDU, CSU und Freien Demokraten. In Koalitionskreisen hiess es, der Komplex Wirtschaft, Steuern und Finanzen sei der wichtigste Teil der Verhandlungen und solle deshalb auch zu allererst behandelt werden. Union und FDP denken offenbar daran, den Einfluss der Banken auf Industrieunternehmen zu beschraenken. In Bonn hiess es, bei den Koalitionsgespraechen wuerden entsprechende Vorschlaege diskutiert. Danach soll die Zahl der Aufsichtsratsmandate einzelner Personen und der Kreditinstitute begrenzt werden.


2. Runde der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD in Thueringen

Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD in Thueringen gingen heute in die 2. Runde. Bei dem Treffen von Ministerpraesident Vogel, CDU, und SPD- Fraktionschef Schuchard sowie weiteren Vertretern beider Parteien wurden Fragen der Landwirtschaft, der Hochschulen und des Wohnungsbaus eroertert. In der Wohnungspolitik konnten sich beide Seiten nicht verstaendigen. Nach vierstuendigen Gespraechen erklaerte der SPD-Landtagsvizepraesident Friedrich in Ehrfurt, dieser Themenbereich sei heute das groesste Problem gewesen. Die Sozialdemokraten hofften, den Streit in einer Zweiten Runde ausraeumen zu koennen. In diesem Sinne aeusserte sich auch CDU-Fraktionschef Schwaeblein. Die SPD hatte sich in ihrem Wahlprogramm fuer eine Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus und einen staerkeren Mieterschutz ausgesprochen. Nach dem ersten Gespraech ueber den besonders umstrittenen Bereich der Innenpolitik hatten gestern beide Seiten Stillschweigen vereinbart. Personalfragen sollen erst dann behandelt werden, wenn ueber die Sachthemen Einigkeit erzielt worden ist. Die Koalitionsgespraeche gehen morgen weiter.


Gruene wollen Vergabe der Ueberhangmandate ueberpruefen lassen

Die Gruenen wollen die Vergabe der Ueberhangmandate bei der Bundestagswahl verfassungsrechtlich ueberpruefen lassen. Das hat heute die Bundestagsfraktion beschlossen. Das System der Ueberhangmandate fuehre im Ergebnis dazu, dass fuer einen Bundestagssitz der Gruenen rund 4000 Stimmen mehr benoetigt wurden als fuer einen Sitz der CDU, sagte Fraktionschef Fischer. Ohne solche allein auf Erststimmen beruhenden Mandate, 12 fuer die CDU, 4 fuer die SPD, haette die Koalition nur noch eine Mehrheit von 2 Stimmen. Es gehe nicht darum, nachtraeglich das Wahlergebnis zu korrigieren, sagte Fischer. Nach dem Grundgesetz muesse aber jede Stimme dasselbe Gewicht haben.


Erstes Sondierungsgespraech von SPD und PDS in Schwerin

In Schwerin wollen Sozialdemokraten und PDS am fruehen Abend ein erstes Sondierungsgespraech zur Regierungsbildung in Mecklenburg-Vorpommern beginnen. Dies teilte der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Freund, mit. Im Mittelpunkt des Treffens duerfte das Angebot der SED-Nachfolgepartei stehen, eine vom SPD-Landeschef Ringstorff gefuehrte Minderheitsregierung zu dulden. Diese Option wird von der Bonner Parteispitze um den Bundesvorsitzenden Scharping abgelehnt. Scharping sagte heute im Suedwestfunk, es werde, so woertlich, einen Riesenkrach geben, falls die SPD in Schwerin mit der PDS zusammenarbeite. Die Dresdner Erklaerung der Sozialdemokraten, die von Ringstorff mit formuliert und mit verabschiedet worden sei, gelte nach wie vor. Darin werde eine Kooperation mit der SED-Nachfolgepartei ausdruecklich abgelehnt. Die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern hatten in der vergangenen Woche bereits mit der CDU erste Beratungen ueber eine moegliche grosse Koalition gefuehrt.


Europaeische Komission billigt Uebernahme von Eko Stahl

Die Eko-Stahlwerke Eisenhuettenstadt sind der geplanten Privatisierung einen Schritt naeher gekommen. Die Europaeische Komission in Strassburg billigte heute die Uebernahme der Unternehmen durch den Belgischen Konzern Cockerill Sambre. Zudem duerfen Treuhand und Bundesregierung die Sanierung der Eko Stahl mit 910 Millionen DM subventionieren. Cockerill Sambre will in Eisenhuettenstadt eine moderne Warmwalzstrasse bauen und 2000 Arbeitsplaetze erhalten. Im Gegenzug sollen Stahlproduktionsstetten in Henningsdorf und Burg geschlossen werden. Dem Sanierungskonzept muss nun noch der EU-Ministerrat zustimmen.


Keine direkte Finanzhilfe des Landes BW an den Carl-Zeiss-Konzern

Die baden-wuerttembergische Landesregierung will dem angeschlagenen Carl-Zeiss-Konzern keinerlei direkte Finanzhilfe gewaehren, um die Sanierung des Unternehmens zu ermoeglichen. Nach einem Gespraech mit dem Stiftungskommissar, Franz, erklaerte Regierungschef Teufel heute in Stuttgart, die Konzerngruppe sei durchaus in der Lage, sich aus eigener Kraft zu helfen. Man wolle jedoch alles unternehmen, um die Wettbewerbsfaehigkeit zu erhalten und die Arbeitsplaetze vor Ort zu sichern. Teufel schloss finanzielle Hilfen zuer Bereitstellung von neuen Beschaeftigungsmoeglichkeiten nicht aus. Der baden-wuerttembergische Ministerpraesident betonte, die Sanierung des Unternehmens muesse konsequent durchgefuehrt werden. Dazu gehoere unter anderem der Abbau von 3000 Arbeitsplaetzen.


Ehemalige DDR-Juristen wegen Totschlags angeklagt

Die Staatsanwaltschaft hat mehrere ehemalige DDR-Juristen wegen Totschlags angeklagt. Drei frueheren Richtern und zwei Staatsanwaelten wird vorgeworfen, Mitarbeiter der Staatssicherheit wegen Spionage angeklagt und zum Tode verurteilt zu haben. Die Urteile wurden 1979 und 1981 vollstreckt. Sie seien jedoch nach dem DDR-Recht nicht gedeckt und damit rechtswidrig gewesen, so die Berliner Staatsanwaltschaft.


Baden-wuerttembergische Landesregierung beschliesst Haushaltssperrre

Die baden-wuerttembergische Landesregierung hat eine allgemeine Haushaltssperre beschlossen. Grund sind Steuerausfaelle von rund 900 Millionen DM. Die Sperre gilt vorlaeufig fuer einen Monat. In dieser Zeit sind nur noch Ausgaben moeglich, um Rechtsverpflichtungen zu erfuellen und die Verwaltung aufrechtzuerhalten.


Herzog will nur eine Amtsperiode lang Bundespraesident sein

Bundespraesident Herzog will lediglich fuer die Dauer einer Amtsperiode Staatsoberhaupt sein. Das Praesidialamt in Bonn bestaetigte damit am Vormittag einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung. Laut Bild hat Herzog seine Absicht bereits vor zwei Wochen bei einem Besuch in Bruessel bekundet.


5 Verletzte bei Brand in einem vor allem von Auslaendern bewohnten Haus

5 Menschen sind heute frueh im baden-wuerttembergischen Wellendingen bei einem Brand verletzt worden. Das Feuer in dem Haus, das vor allem von auslaendischen Familien bewohnt wird, ist nach Angaben der Polizei an mehreren Stellen ausgebrochen. Deshalb werde Brandstiftung nicht ausgeschlossen.


Maedchen belasten Vater im Kinderschaenderprozess

In der Prozessserie um die Kinderschaender von Flachslanden haben betroffene Maedchen den angeklagten Vater schwer belastet. In nicht oeffentlicher Sitzung haetten die Kinder einen Grossteil der Vorwuerfe des Staatsanwalts bestaetigt, sagte der vorsitzende Richter am Landgericht Ansbach. Die psychologische Gutachterin beurteilte die Aussagen der jetzt 9 und 13 Jahre alten Maedchen als glaubwuerdig. Der 56jaehrige soll zwischen 1991 und 1993 die beiden Maedchen mehrfach zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben. Auch die juengeren Toechter, den Sohn und die Enkelin soll er missbraucht haben. Der Staatsanwalt beschuldigt den Vater ausserdem der Kinderprostitution.


Ingrid Jakobsmeier aus der Haft entlassen

Die fruehere RAF-Terroristin Ingrid Jakobsmeier ist nach rund 10 Jahren Haft entlassen worden. Das bestaetigte heute eine Sprecherin des hessischen Justizministeriums. Jakobsmeier sass zuletzt in Frankfurt wegen Mordversuchs an 17 Menschen beim Sprengstoffanschlag auf die US-Basis Ramstein und weiterer Delikte ein. Auf Beschluss des Stuttgarter Oberlandesgerichts sei die 40jaehrige bereits am vergangenen Freitag aus der Haft entlassen worden. Sie hatte 2/3 ihrer 15jaehrigen Gesamtfreiheitsstrafe verbuesst.


Quellen

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