GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Mi, 28.06.1995



* Polizei befreite Geiseln aus Berliner Bank.
* Angriff auf Fernsehgebaeude in Sarajevo
* SPD und Gruene in Nordrhein-Westfalen verhandeln weiter ueber Koalition
* Uebernahme des Tarifabschlusses aus NRW fuer weitere Tarifbezirke
* Bundeswehreinsaetze in Bosnien
* Entschaedigungsprozess zum Olympia-Attentat 1972 beginnt in Muenchen
* CSU bleibt bei Abschiebung der Kurdenfamilie Schimscheck (Sp?) hart
* 50ter Geburtstag der CDU
* Denkmalwettbewerb entschieden
* Tennis in Wimbledon
* Austragungsort des Davis Cup Halbfinales festgelegt
* Boerse



Polizei befreite Geiseln aus Berliner Bank.

Berlin. Die Polizei hat am Morgen das Geiseldrama in der Filiale der Commerzbank in Zelendorf ohne Blutvergiessen beendet. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei stuermte gegen 3:30 MESZ das Gebaeude. Fast alle 16 Geiseln konnten unverletzt befreit werden. Einige der befreiten Geiseln leiden jedoch unter Schock, sie werden behandelt. Die Taeter sind auf der Flucht. Entgegen bisherigen Annahmen waren jedoch nur vier Maenner an der Geiselnahme beteiligt. Der Berliner Polizeipraesident erklaerte, die Taeter haetten neben den fuenf Mill. Mark Loesegeld auch den Inhalt von Tresoren und Schliessfaechern in der Bank an sich gebracht. Ueber die genaue Hoehe der Beute sagte der Polizeipraesident jedoch nichts. Hintergrund: Die Ermittler wissen es selbst noch nicht so genau, wieviel Geld sich zum Zeitpunkt des Ueberfalls in den Tresoren der Filiale befand. Die Taeter haben offenbar schon vor dem Zugriff durch die Polizei das Gebaeude verlassen. Die Geiselnahme und der Bankueberfall waren vermutlich professionell und von langer Hand vorbereitet. Beispiel: Der Fluchttunnel. Etwa 120 Meter von der Bank entfernt befindet sich eine Doppelgarage. Von dort aus buddelten sich die Gangster in Richtung eines Regenwasserkanals, der wiederum fuehrt fast bis zur Bank, der Rest war ein Kinderspiel. Allerdings war die Aktion auch perfekt ausgefuehrt. Bei ihrer Flucht mussten die Bankraeuber dann nur noch den Kellerboden des Gebaeudes durchstemmen. Den letzten telephonischen Kontakt mit einem der Taeter soll die Polizei gegen 1:30 MESZ gehabt haben. Es ist also moeglich, dass die Taeter einen Vorsprung von ueber 2 Stunden haben. Noch immer ist die Gegend um den Tatort von massiven Polizeikraeften abgesperrt, auch rund um Berlin sind Strassensperren errichtet worden. Nach den vier bewaffneten Geiselnehmern wird grossraeumig gefahndet. Dennoch hat die Polizei noch keine heisse Spur. Eine Polizeisprecherin erklaerte in der Bundeshauptstadt, Geruechte, nach denen es erste Hinweise gebe, seien alle falsch. Am Morgen wurde jeder Winkel des Hauses durchsucht, die Polizei vermutete, dass die Taeter Sprengstoff versteck haben. Die Geiseln hatten sich seit gestern Vormittag in der Hand der Geiselnehmer befunden. Diese hatten die Filiale ueberfalen, und sich dann mit Angestellten und Kunden verschantzt. Die Kidnapper forderten Loesegeld in Millionenhoehe, ein Fluchtauto und einen Hubschrauber. Die Polizei hatte unmittelbar nach dem Ueberfall die Gegend abgesperrt und Spezialeinsatzkraefte vor Ort gebracht. Bei der Befreiungsaktion am fruehen Morgen setzten diese mehrere Blendgranaten ein.


Angriff auf Fernsehgebaeude in Sarajevo

Sarajevo. Das Fernsehgebaeude in der bosnischen Hauptstadt ist heute von serbischen Raketen getroffen worden. Dabei kamen mindestens vier Menschen ums Leben. Achtunddreissig Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Waehrend das ARD-Buero nicht betroffen war wurde das Buero das Zweiten Deutschen Fernsehens nach Angaben aus Mainz voellig demoliert. Das Team blieb nach eigenen Angaben unversehrt. Mit dem Schreck davon gekommene Kollegen brachten die Verletzten in die umliegenden Krankenhaeuser. Da gleich zwei Geschosse innerhalb kuerzester Zeit das TV-Gebaeude trafen, wird angenommen, dass die serbischen Belagerer es bewusst angriffen. Bereits vor einigen Tagen war dort eine Granate eingeschlagen, die allerdings kaum Zerstoerung anrichtete.


SPD und Gruene in Nordrhein-Westfalen verhandeln weiter ueber Koalition

Bonn. SPD und Gruene haben sich bei ihren Koalitionsgespraechen in Nordrhein-Westfalen weiter angenaehert. Die Verhandlungen gingen heute weiter. Ueber den Hauptstreitpunkt, den Braunkohletagebau Gartsweiler2, wurde offenbar ein Kompromiss gefunden. Der Verhandlungsfuehrer der Gruenen Michael Vesper im Deutschlandfunk: "Es geht nicht darum, dass wir uns auf einen verkleinerten Tagebau geeinigt haben, sondern die Einigung liegt in einem [...] Zeitfenster. Wir wollen versuchen, den Tagebau Gartsweiler durch enorme Anstrengungen im Energiesparbereich, in der Nutzung erneuerbarer Energien und im Bereich rationeller Energieerzeugung und -verwendung ueberfluessig zu machen." Das Hauphindernis Gartsweiler2 sei vom Tisch, hier habe man zum Kompromiss gefunden, sagte auch Rergierungssprecher Lieb von der SPD. Tatsaechlich hatten die Verhandlungskommissionen vergangene Nacht einen Kompromiss vereinbart, jedoch scheint es noch Differenzen bei der Auslegung zu geben. In einer Verhandlungspause sagte der Verhandlungsfuehrer der Gruenen, Vesper, ob der Kohleabbau komme sei eine Frage, die spaeter entschieden werde. Der Fraktionschef der SPD, Matthiesen, hingegen erklaerte, nach dem Kompromiss bleibe die rechtliche Grundlage bestehen; der Tagebau komme auf jeden Fall. Der Landesvorstand der Sozial-Demokraten hatte am gestrigen Abend noch einmal geschlossen seinen Willen zu Rot-Gruen bekraeftigt, und an die Gruenen apelliert sich in der Frage Gartsweiler zu bewegen. Offen ist jetzt noch, welche Ministerien fuer die Energiepolitik in NRW zustaendig sein sollen. Die Gruenen beanspruchen das entsprechende Ressort. Dem Wunsch der Gruenen in der kuenftigen Regierung die Zustaendigkeit fuer den Bergbau zu erhalten, erteilte Matthiesen (Sp?) eine Absage. Dies sei eine massive Kampfansage, die die SPD nicht mitmachen werde. Beobachter der Verhandlungen schliessen nicht aus, dass die Politiker in Baelde ein fertiges Konzept fuer eine Zusammenarbeit bekanntgeben. Die moeglichen Koalitionspartner wollten aber noch nicht sagen, wie dieses Konzept aussieht. Zuletzt hiess es aus der gemeinsamen Verhandlungskomission, bis morgen Nachmittag werde bekannt gegeben zu welchem Ergebnis die Gespraeche gefuehrt haben. SPD-Chef Scharping hatte nach den Wahlen in NRW erklaert, die Rot-Gruene Zusammenarbeit unter dem SPD-Ministerpraesidenten Rau in Duesseldorf koenne ein Modell fuer Bonn werden.


Uebernahme des Tarifabschlusses aus NRW fuer weitere Tarifbezirke

Hannover. Die Tarifparteien des Einzelhandels in Niedersachsen, Bayern und im Saarland haben den Pilotabschluss von Nordrhein-Westfalen in den wesentlichen Punkten uebernommen. Er sieht 3,4% hoehere Einkommen und eine Einmalzahlung fuer April bis Juni vor.


Bundeswehreinsaetze in Bosnien

Bonn. Der Bundestag hat heute in erster Lesung ueber eine deutsche Beteiligung an der schnellen Eingreiftruppe in Bosnien beraten. Nach den Plaenen der Regierung sollen Tornado Kampfflugzeuge und 1500 Soldaten zum Einsatz kommen.


Entschaedigungsprozess zum Olympia-Attentat 1972 beginnt in Muenchen

Muenchen. Vor dem Landgericht hat heute, 23 Jahre nach der Ermordung von 11 israelischen Sportlern bei den Olympischen Spielen 1972 in Muenchen, der Prozess um die Schadensersatzforderung von Angehoerigen der Opfer des Attentates begonnen. Die Angehoerigen fordern von den Behoerden 40 Mill. Mark. Die Muenchner Anwaelte, die die 29 Kinder, Geschwister, Witwen und Eltern der Opfer vertreten, gehen von einer Amtshaftung der Behoerden aus: Die Bundesrepublik Deutschland, das Land Bayern und die Stadt Muenchen seien mitschuldig am Tod der Sportler. Sowohl die Bewachung des israelischen Mannschaftsquartiers als auch die versuchte Geiselbefreiung am Flughafen Fuerstenfeldbruck seien aeusserst dilletantisch gewesen, wodurch der Tod der Olympia-Athleten verschuldet worden sei. Beim Eindringen des Palaestinenser-Kommandos in die Unterkunft waren zwei der Sportler ums Leben gekommen und neun weitere starben dann bei der versuchten Befreiung im Kugelhagel. Dazu starb ein deutscher Polizist und fuenf der acht Attentaeter. Nach Ansicht der Anwaelte sind die Ansprueche nicht verjaehrt, da die Familien der getoeteten Sportler erst 1992 Einsicht in die bis dahin geheimen Polizeiakten nehmen konnten. Die Anwaelte der Hinterbliebenen stuetzen sich auf Polizeiakten, aus denen hervorgehe, dass die Sportler durch Kugeln deutscher Polizisten getoetet wurden. Die Behoerden weisen die Anschuldigungen zurueck. Am Nachmittag wurde der Prozess vertagt. Die Beklagten beantragten eine Schriftersatzfrist. Der Prozess wird vom Muenchner Landgericht nach dem 23. September fortgesetzt werden.


CSU bleibt bei Abschiebung der Kurdenfamilie Schimscheck (Sp?) hart

Muenchen. Die CSU im Bayrischen Landtag bleibt im Fall des Kurden Faris Schimscheck hart. Mit ihrer Mehrheit lehnte sie im Petitionsausschuss eine weitere Duldung der Familie ab. Menschenrechtsorganisationen und zahlreiche Einzelpersonen hatten gefordert, die Fluechtlingsfamilie vorlaeufig nicht abzuschieben. Abgeordnete der CSU und das Bayrische Innenministerium verwiesen auf die abgelehnten Asylantraege. Die Opposition vertrat dagegen die Auffassung, der Familie drohe bei ihrer Rueckkehr Gefahr und sie solle deshalb geduldet werden. Schimscheck war in der Tuerkei gefoltert worden. Wegen seiner Teilnahme an den Augsburger Krawallen im vergangenen Jahr soll er nun in seine Heimat abgeschoben werden.


50ter Geburtstag der CDU

Berlin. Anlaesslich des 50jaehrigen Bestehens der CDU hat der Bundesvorsitzende und Kanzler Kohl die Verdienste seiner Partei beim Aufbau Deutschlands gewuerdigt. Bei einem Festakt im Berliner Schauspielhaus erklaerte Kohl, die Union habe die Bundesrepublik Deutschland gepraegt, wie keine andere Partei. Die CDU sei die erste grosse Buergerinitiative in Deutschland gewesen, und sie sei gewiss bei weitem die erfolgreichste. Er verwies darauf, dass in den 46 Jahren des Bestehens der BRD die CDU 33 Jahre die Regierung im Bund gefuehrt habe. CSU-Vorsitzender Theo Waigel hob in Berlin die "tiefen gemeinsamen Urspruenge" von CSU und CDU hervor. Die langjaehrige Zusammenarbeit in Bonn hat laut Waigel aber nie den Eindruck hinterlassen, als sei die CSU nur eine regionale Organisation.


Denkmalwettbewerb entschieden

Berlin. Der Wettbewerb um das Berliner Denkmal fuer die im Nationalsozialismus ermordeten deutschen Juden ist entschieden. Nach Angaben des Berliner Bausenators Nagel erhielt der Entwurf der Berliner Gruppe um die Architektin Marx (Sp?) den Zuschlag. Nach deren Plaenen sollen im Zentrum der Bundeshauptstadt eine zwei Fussballfelder grosse Betonplatte aufgestellt werden, die Namen von 4,2 Millionen ermordeten Juden werden in den Beton eingraviert. Der Wettbewerb um die Errichtung des Denkmals war nach den Worten des Berliner Bausenators der wichtigste seit dem Kriegsende.


Tennis in Wimbledon

London. Der Muenchner Tennisprofi Bernd Karbacher ist beim Tennisturnier in Wimbledon in der zweiten Runde ausgeschieden. Er unterlag dem Russen Karfelnikov (Sp?) in drei Saetzen. Damit sind bei den All England Champion Chips bereits neun von 14 gestarteten Deutschen ausgeschieden.


Austragungsort des Davis Cup Halbfinales festgelegt

Wimbledon. Das Davis Cup Halbfinale zwischen Russland und Deutschland findet endgueltig in der Moskauer Olympiahalle statt. Der Tennisweltverband und der Russische Tennisverband beendeten ihre Streitigkeiten heute am Rande des Turnieres in Wimbledon. Die Gastgeber hatten fuer die Begegnungen Ende September die Stadt Sotschi (Sp?) am Schwarzen Meer vorgesehen. Der Streit um den Spielort hatte zu politischen Irritationen gefuehrt, als Russlands Praesident Jelzin den Turnierort Sotschi zur Chefsache erklaerte.


Boerse

Kursrutsch an den deutschen Boersen: Im Abwaertsstrudel der Daimler-Aktie,
die bei regen Umsaetzen um rund 7% verlor, wurde auch der DAX um 26 Punkte in
die Tiefe gerissen.
Schlussstand heute:
DAX =  2096
1 US$ = 1,3892 DM  (amtlicher Mittelkurs)



Quellen

SWF3    :    7:00 MESZ    8:00 MESZ
B5    :    7:15 MESZ    14:15 MESZ    15:45 MESZ
Radio7:    16:00 MESZ