GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Mi, 19.10.1994



* Explosion in Bonner Heizkraftwerk kostet vier Menschen das Leben
* Entfuehrerin der Lufthansa-Maschine Landshut nach 17 Jahren gefasst
* Waldsterben geht weiter
* Bundestagsfraktionen bestimmen Fraktionssprecher
* Bundeskabinett tritt zu erster Sitzung nach Wahlen zusammen
* Vorsitzender der thueringischen FDP ist zurueckgetreten
* CDU in Thueringen verhandelt mit SPD ueber grosse Koalition
* SPD Mecklenburg-Vorpommern diskutiert ueber Minderheitsregierung
* Bundespraesident Herzog kritisiert Wahlerfolg der PDS
* Arbeitgeberpraesident Murmann fordert Kuerzungen der sozialen Leistungen
* Verband Region Stuttgart tritt zur konstitutionierenden Sitzung zusammen
* Urteil im Prozess um sexuelle Kindesmisshandlung in Flachslanden
* Erneut Verdacht auf Schweinepest in Nordrheinwestfalen
* Alte Fliegerbomben in Ludwigshafen entdeckt und entschaerft
* DAX und Dollarwechselkurs
* Bundestagswahl: Statistische Nachlese



Explosion in Bonner Heizkraftwerk kostet vier Menschen das Leben

Bonn. Bei der Explosion in einem Heizkraftwerk sind vier Menschen getoetet worden. Mindestens drei weitere wurden verletzt. Nach Angaben der Bonner Behoerden platzte ein Heizkessel. Daraufhin trat Wasserdampf aus. Die Anlage im Stadtteil Endenich versorgt etwas 1400 Haushalte mit Fernwaerme. Das Heizkraftwerk soll bis in zwei Jahren vollstaendig auf Gas umgestellt werden. Derzeit wird es zum Teil mit fossilen Brennstoffen betrieben.


Entfuehrerin der Lufthansa-Maschine Landshut nach 17 Jahren gefasst

Karlsruhe. Genau 17 Jahre nach der Entfuehrung des Lufthansa-Flugzeuges Landshut nach Mogadischu ist die einzige ueberlebende Geiselnehmerin gefasst worden. Die Frau mit Namen Soraja Ansari wurde in der Nacht zum vergangenen Freitag in Oslo festgenommen. Gegen die Frau liegt ein Haftbefehl wegen Mordes, Geiselnahme und Angriff auf den Luftverkehr vor. Die Bundesanwaltschaft hat bei den norwegischen Behoerden die Auslieferung beantragt. Die mutmassliche Terroristin lebte offenbar seit laengerem in Norwegen. Die Lufthansa-Maschine Landshut war im Oktober 1977 nach Mogadischu in Somalia entfuehrt worden. Ein Kommando der GSG 9 hatte das Flugzeug gestuermt und drei der vier Terroristen getoetet und die 90 Geiseln befreit. Ansari war in Somalia verurteilt worden, konnte aber anschliessend untertauchen. Die Kaperung der Maschine stand im Zusammenhang mit der Entfuehrung des Arbeitgeberpraesidenten Schleyer im September 1977. Mit beiden Aktionen sollten die in der Bundesrepublik inhaftierten Terroristen der Rote Armee Fraktion RAF freigepresst werden.


Waldsterben geht weiter

Bonn. Das Waldsterben in Deutschland haelt unvermindert an. Das geht aus Erhebungen in den fuenf Bundeslaendern hervor, die die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald vorgestellt hat. Vor allem Buchen und Eichen sind vom Waldsterben betroffen. Das Bundesumweltministerium spricht von einer besorgniserregenden Entwicklung. Aus Thueringen, einem der waldreichsten Gebiete Deutschlands wird gemeldet, dass 78 % der Baeume geschaedigt sind. 45 % werden sogar als stark geschaedigt eingestuft. In den anderen Bundeslaendern ist ebenfalls keine Trendwende in der Waldschadensentwicklung in Sicht. Im Vergleich zum Vorjahr wurde aus fast allen Gebieten eine Zunahme der Erkrankung gemeldet. Das Waldsterben beschraenkt sich dabei inzwischen laengst nicht mehr nur auf Nadelbaeume. Um den deutschen Wald zu retten muesse vor allem der Strassenverkehr als Verursacher Nummer 1 so schnell wie moeglich eingedaemmt werden. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald fordert neben einer Foerderung des oeffentlichen Personennahverkehrs auch ein Tempolimit, eine Schwerverkehrsabgabe und auch die Erhoehung der Mineraloelsteuer um jaehrlich mindestens 25 Pfennig. Damit koennten die oekologischen Folgekosten des Verkehrs abgedeckt werden.


Bundestagsfraktionen bestimmen Fraktionssprecher

Bonn. Die neue Bundetagsfraktion von Buendnis90/Die Gruenen hat den frueheren hessischen Umweltminister Fischer und die nordrheinwestfaelische Abgeordnete Mueller zu ihren Sprechern gewaehlt. Bei einer Klausurtagung in Rhoendorf bei Bonn erhielt Fischer gestern Abend 46 der 49 Stimmen. Fuer die dem linken Parteifluegel zugerechnete Juristin Kerstin Mueller votierten 28 Abgeordnete bei 12 Gegenstimmen. Als Kandidatin fuer das Amt einer Vizepraesidentin des Bundestages nominierte das Buendnis 90/Die Gruenen die Abgeordnete Antje Vollmer.

Bei der SPD war Parteichef Scharping zuvor zum neuen Fraktionsvorsitzenden bestimmt worden.

Die neugewaehlten PDS-Bundestagsabgeordneten kommen heute zusammen. Diese werden als Chef ihrer Gruppe voraussichtlich den Abgeordneten Gysi bestaetigen.


Bundeskabinett tritt zu erster Sitzung nach Wahlen zusammen

Bonn. Das Bundeskabinett tritt heute zu seiner ersten Sitzung nach der Bundestagswahl zusammen. Auf der Tagesordnung stehen die Lage der Medien und die Kriegswaffenmeldeverordnung.

Die Spitzen von Union und FDP haben heute im Kanzleramt drei Stunden lang ein erstes Sondierungsgespraech zur Vorbereitung der Koalitionsverhandlungen gefuehrt. An der Gespraechsrunde nahmen die Parteivorsitzenden, Fraktionschefs und Generalsekretaere teil. Anschliessend verlautete lediglich, dass die Koalitionsverhandlungen Anfang naechster Woche beginnen sollten.


Vorsitzender der thueringischen FDP ist zurueckgetreten

Erfurt. Der Landesvorsitzende der thueringischen FDP Kniepert ist nach der Niederlage seiner Partei bei der Landtagswahl zurueckgetreten.


CDU in Thueringen verhandelt mit SPD ueber grosse Koalition

Erfurt. Die CDU-Fraktion im thueringer Landtag hat Verhandlungen mit der SPD ueber eine grosse Koalition zugestimmt. Am kommenden Montag beginnen die Verhandlungen.


SPD Mecklenburg-Vorpommern diskutiert ueber Minderheitsregierung

Schwerin. Innerhalb der SPD in Mecklenburg-Vorpommern gibt es nach Angaben von Fraktionschef Ringstorff unterschiedliche Meinungen hinsichtlich einer moeglichen SPD Minderheitsregierung mit Duldung der PDS. Dies wurde gestern Abend bei einer Fraktionssitzung deutlich. Zu einer Zerreissprobe innerhalb der SPD Fraktion kam es allerdings nicht. Nach den Worten von Landtagsvizepraesident Rolf Eggert (SPD) gab es aber eine heftige Auseinandersetzung zwischen Parteichef Harald Ringstorff und der Fraktionsmehrheit. Ringstorff haelt laut Eggert eine SPD Minderheitsregierung mit Unterstuetzung der PDS nach wie vor fuer moeglich. Die meisten Abgeordneten aber seien fuer eine grosse Koalition mit der CDU. Der SPD Chef dagegen relativierte den Streit, einige Fraktionsmitglieder wuerden eher zu einer grossen Koalition tendieren, einige seien Befuerworter einer Minderheitsregierung. Zerrissen sei die SPD Fraktion deswegen jedoch nicht, so Ringstorff. Jetzt werden zuerst die geplanten Sondierungsgespraeche sowohl mit der CDU als auch mit der PDS ausgetragen.

Auch die Bundes-SPD hat eine Minderheitsregierung in Mecklenburg-Vorpommern politisch nicht ausgeschlossen.

CDU und Sozialdemokraten wollen morgen ein erstes Sondierungsgespraech ueber die Bildung der neuen Landesregierung fuehren.


Bundespraesident Herzog kritisiert Wahlerfolg der PDS

Hamburg. Angesichts der PDS Wahlerfolge hat Bundespraesident Herzog eine mangelnde politische Auseinandersetzung mit der SED-Nachfolgepartei kritisiert. In einem Interview der BILD Zeitung sagte Herzog, man muesse sich einmal vor Augen fuehren, welche Auseinandersetzung es auf der rechten Seite mit den Republikanern gegeben und zu welchem Ergebnis dies gefuehrt habe. Den Erfolg der PDS in den neuen Bundeslaendern fuehrte der Bundespraesident auch auf Irritationen in Ostdeutschland zurueck. Diese ergaeben sich aus den Umstellungsleistungen, die man von den Menschen verlangt habe, der Arbeitslosigkeit und aus vielem mehr.


Arbeitgeberpraesident Murmann fordert Kuerzungen der sozialen Leistungen

Koeln. Arbeitgeberpraesident Murmann ist mit seinen Vorschlaegen zur Kuerzung sozialer Leistungen auf scharfe Kritik bei Politikern, Gewerkschaften und Verbaenden gestossen. Bundesgesundheitsminister Seehofer nannte die Aeusserungen Murmanns voelligen Bloedsinn. Der SPD-Sozialexperte Dressler sprach von einem Horrorkatalog, der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB sprach von einem Generalangriff auf das deutsche Sozialversicherungssystem. Auch Krankenkassen, der Verband der Rentenversicherungstraeger und der deutsche Familienverband wiesen die Ueberlegungen Murmanns in scharfer Form zurueck.

Der DGB-Vorsitzende Schulte hat die Vorschlaege von Murmann zum Abbau von Sozialkosten scharf kritisiert. Im Deutschlandfunk erklaerte Schulte heute frueh, mit der gestrigen Hagener Erklaerung fordere die Wirtschaft ihre massive Wahlhilfe fuer die Regierungskoalition ein. Wer wie Murmann den Sozialstaat nicht umbauen sondern abschaffen wolle, gefaehrde die Gespraechsgrundlagen, die man vor der Wahl geschaffen habe. Sollten solche Forderungen, wie die nach Kuerzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall weiter auf dem Tisch liegen, koenne er, Schulte, keine Basis fuer eine konzertierte Aktion erkennen. Der Gewerkschaftsvorsitzende begruesste entsprechende Vorschlaege von BDI-Praesident Necker, der erneut auf die Notwendigkeit eines "Runden Tisches" von Wirtschaft, Arbeit und Politik hingewiesen hatte. Fuer die bevorstehenden Tarifverhandlungen erwarte er schwierige Gespraeche, sagte Schulte.


Verband Region Stuttgart tritt zur konstitutionierenden Sitzung zusammen

Stuttgart. Die im Juni gewaehlte Regionalversammlung des Verbandes Region Stuttgart tritt heute zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Die 87 Mitglieder der Regionalversammlung waren im Sommer erstmals von den 1,7 Millionen Wahlberechtigten der Landkreise Ludwigsburg, Rems-Murr, Goeppingen, Esslingen, Boeblingen und des Stadtkreises Stuttgart bestimmt worden.


Urteil im Prozess um sexuelle Kindesmisshandlung in Flachslanden

Ansbach. In der Prozesserie um den sexuellen Missbrauch von Kindern im fraenkischen Flachslanden wird heute das Urteil gegen die Hauptangeklagte gesprochen. Der 35jaehrigen Mutter von fuenf Kindern wird vorgeworfen, eigene Toechter und das Kind ihrer Stieftochter selbst missbraucht bzw. gegen Bezahlung Fremden zum Missbrauch zur Verfuegung gestellt zu haben. Die Angeklagte hatte ein Teilgestaendnis abgelegt. Das Urteil des Landesgerichtes betrug 10 Jahre Haft.


Erneut Verdacht auf Schweinepest in Nordrheinwestfalen

Muenster. Wegen des Verdachtes auf Schweinepest sind im westfaelischen Sendenhorst fast 1000 Ferkel getoetet worden. Wie die Bezirksregierung Muenster mitteilte, soll damit ein erneutes Ausbreiten der Seuche verhindert werden. Die Tiere waren von Mecklenburg-Vorpommern nach Nordrheinwestfalen geliefert worden. Am Montag ist in Bayern ein neuer Fall von Schweinepest bekannt geworden.


Alte Fliegerbomben in Ludwigshafen entdeckt und entschaerft

Ludwigshafen. Gestern wurde eine 1800 Kilogramm schwere Fliegerbombe in Ludwigshafen entdeckt. Gegen 16:00 entschaerften Sprengmeister die Fliegerbombe. Rund 10,000 Menschen in 2 Kilometer Entfernung wurden in Sicherheit gebracht. Auch die Autobahn A650 wurde zeitweise gesperrt. Noch waehrend der Evakuierung ist etwa 200 Meter vom ersten Fundort entfernt ein weiterer etwa 250 Kilogramm schwerer Blindgaenger entdeckt worden. Nach Angaben von Fachleuten war die Entschaerfung der Bomben besonders gefaehrlich, weil die drei Zuender stark verrostet waren. Bereits am Montag war im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim eine 10 Zentner-Bombe gefunden und entschaerft worden.


DAX und Dollarwechselkurs

DAX        2051 Punkte
1 US-$ ca. 1.50 DM (neues Jahrestief)



Bundestagswahl: Statistische Nachlese

Das vorlaeufige amtliche Endergebnis ergibt folgende Verteilung der
Zweitstimmen in % (Mandate):
CDU/CSU 32.8% (232/50); Nichtwaehler 20.9% (0); SPD 28.8% (248);
B90/Gruene 5.8% (49); FDP 5.5% (47); PDS 3.5% (30, davon 4 Direkt);
Sonstige 2.7% (0).

Im Anschluss an den Beitrag vom letzten Dienstag stellt sich nun die
Frage, wie die Branche der Meinungsforscher und die Wahlboerse sich
im Kampf um die beste Prognose geschlagen haben.
Die hochgelobten Erfolge der Wahlboerse zur Prognose des Wahlausgangs
konnten dieses mal nicht wiederholt werden. Legt man als Messlatte die
Summe der absoluten Abweichungen zwischen Prognose und Wahlergebnis fuer
die im neuen (13.) Bundestag vertretenen Parteien an, so liegt die Wahl-
boerse nur auf dem dritten Rang. Offensichtlich haben die Boersianer die
SPD massiv unterschaetzt -zu Gunsten von B90/Gruene. Nach dem zweiten
Platz bei der 1990er Bundestagswahl ist das Vertrauen in den "Markt"
also leicht erschuettert.
Hier nun die Rangfolge der Meinungsforschung und der Wahlboersianer:
1) Emnid 8.10.; 2) Allensbach 14.10.; 3) Wahlboerse 14.10.;
4) Infas 7.10.; 5) Forsa 13.10.;

          BW90   BW94   1)     2)     3)     4)     5)
CDU/CSU   43.8   41.5   42.0   41.0   41.4   41.0   43.0
SPD       33.5   36.4   37.0   35.5   33.7   35.0   38.0
B90/Gr.    5.1    7.3    7.0    8.0    8.1    8.0    7.0
FDP       11.0    6.9    6.0    7.5    6.7    6.0    5.0
PDS        2.4    4.4    4.0    4.0    4.3    4.0    3.0
Sonst.     1.3    3.5    4.0    4.0    4.8    6.0    4.0
Abweichung               2.7    3.1    3.9    3.9    6.7

(Anmerkung: die Wahlboerse liegt vor Infas, da sie die Mehrheitsver-
haeltnisse zw. Koalition und Opposition korrekt prognostiziert hat,
waehrend Infas ein 47:47-Patt sah.)
Ohne alle Zahlen anzugeben, sei nun noch die Qualitaet der Prognosen
und der Hochrechnungen beleuchtet. Angetreten sind die Forschungsgruppe
Wahlen (ZDF), Infas (ARD und SAT.1) und Forsa (RTL). Hier die Rang-
folgen mit den Abweichungen.
Prognose (18:00):      1) FgWahl 1.4; 2) Infas 1.9; 3) Forsa  3.6;
1. Hochrech. (18:12):  1) FgWahl 0.7; 2) Infas 1.2; 3) Forsa  2.0;
spaete Hochr. (24:00): 1) Forsa  1.0; 2) Infas 1.1; 3) FgWahl 1.3;
Betrachtet man die Bloecke CDU/CSU-FDP vs. SPD-B90/Gruene (vs. Rest),
so werden die Fehler extrem gering (0.1 bei Infas in der spaeten
Hochrechnung), allerdings ist Forsa dann auch bei den spaeten Hoch-
rechnungen wieder letzter, schlechter als die Allensbacher Meinungs-
umfrage.
Fazit: Die Wahlboerse ist zwar im Mittelfeld gelandet, ist aber zur
Prognose der Ergebnisse durchaus geeignet. Die Befragungen am Wahltag
sind deutlich genauer. Die Hochrechnungen sind -besonders im Verlauf-
unter 1.5 Prozentpunkten in der Gesamtabweichung, bieten jedoch keine
Gewaehr dafuer, im Verlauf des Abends besser zu werden (siehe FgWahlen).



Quellen

SDR3    7:00 Uhr MEZ    8:00 Uhr MEZ    9:00 Uhr MEZ    17:00 Uhr MEZ    18:00 Uhr MEZ
DLF    8:30 Uhr MEZ
SWF1    16:00 Uhr MEZ
Quellen der Bundestagsstatistik: 3sat Boerse, SAT.1-Text, ARD, ZDF, RTL.