GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 23.01.1996



* Kanzlerrunde mit Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern
* Schaeuble zu Gespaechen in Paris
* Erster Bundeswehrversorgungskonvoi in Bosnien unterwegs
* Deutschland und Restjugoslawien unterzeichnen zwischenstaatliches Protokoll
* Vierlaenderabkommen in Karlsruhe unterzeichnet
* Berliner Senat loest Bezirksbuergermeisterwahl auf
* Fokker und die Folgen
* Nachrichtensperre ueber Luebecker Ermittlungen verhaengt
* BND und LKA sollen umfangreiches Kokaingeschaeft geplant haben
* Deutscher Botschafter in Haiti abgeloest



Kanzlerrunde mit Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern

Kanzler Kohl hat fuer heute Abend wieder Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertreter nach Bonn geladen. Es geht um ein Konzept gegen die Arbeitslosigkeit und vor allem darum, wie ein solches Beschaeftigungsprogramm finanziert werden koennte. Der SPD-Sozialexperte Dressler wuenschte Kohl schon einmal viel Glueck bei seinem Vorhaben, aeusserte sich aber skeptisch ob eine Finanzierung fuer die Senkung der Steuern und Abgaben gefunden werden kann. Eine neue Regelung fuer die Fruehrenten, ausserdem die Ausbildungslage und die Foerderung neuer Unternehmen - diese Themen werden wahrscheinlich im Mittelpunkt der Runde stehen. Auch ueber den IG-Metall Vorschlag zum Buendnis fuer Arbeit duerfte im Kanzleramt gesprochen werden. Die Kanzlerrunde findet diesmal unter neuen Vorzeichen statt: fast vier Millionen Menschen waren in Deutschland Anfang des Montas ohne Beschaeftigung. Die Bundesregierung will in der naechsten Woche deshalb ein Aktionsprogramm fuer Wachstum und Beschaeftigung vorstellen. Wie jetzt bekannt wurde, sollen sich die Partei und der Fraktionschef der Koalition auf ein Existenzgruendungsprogramm geeinigt haben. Danach wuerden Risikokapitalfonds steuerlich beguenstigt und Jungunternehmer koennten billige Kredite erhalten. Ausserdem scheinen sich die Regierungsparteien nun darin einig zu sein, beim Arbeitslosengeld zu kuerzen. Vor allem auf den Widerstand der CSU-Sozialpolitiker waren diese Plaene gestossen, auch die Gewerkschaftsvertreter duerften sich am Abend beim Kanzler darueber informieren. Mit dem Buendnis fuer Arbeit hatte IG-Metall-Chef Zwickel naemlich auch sicherstellen wollen, dass Sozialleistungen nicht gekuerzt werden.


Schaeuble zu Gespaechen in Paris

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Schaeuble, hat bei seinen Gespraechen in Paris auf die Grenzen der deutsch-franzoesischen Zusammenarbeit im Bemuehen um eine Ankurbelung des Wirtschaftswachstums hingewiesen. Nach Gespraechen mit Staatspraesident Chirac und Premierminister Juppe sagte Schaeuble, es gebe keinerlei Patentprogramm oder Wunderrezept. Vielmehr gehe es darum mit vielen kleinen Schritten mehr Dynamik zu erreichen und Arbeitsplaetze zu beschaffen. Weiter bekraeftigte der Unionspolitiker, dass an den Konvergenzkriterien fuer die europaeische Waehrungsunion festgehalten werden muesse. Der Euro koenne nur dann seine Funktion erfuellen, wenn er das Vertrauen der Maerkte gewinne.


Erster Bundeswehrversorgungskonvoi in Bosnien unterwegs

Der erste Bundeswehrversorgunskonvoi fuer die internationale Friedenstruppe IFOR in Bosnien ist auf dem Weg nach Mostar. Bundesverteidigungsminister Ruehe verabschiedete heute in Split die 50 Soldaten mit 14 Lastkraftwagen und vier gepanzerten Radfahrzeugen zur Sicherung. Sie sollen spanische IFOR-Truppen in der Hauptstadt der Herzegowina mit Munition, Verpflegung und Treibstoff versorgen. Die Sicherheit der Soldaten wird vor allem durch Minen in unmittelbarer Naehe der Strassen gefaehrdet. Morgen und am Donnerstag sind weitere Transporter vorgesehen. Bei seinem Besuch der Bundeswehrstandorte im Raum Split aeusserte sich Ruehe sehr zufrieden mit dem Stand der Vorbereitungen fuer das deutsche Hauptkontingent, das bis Mitte Februar in Kroatien eintreffen soll. Insgesamt sollen 4000 deutsche Soldaten an dem Einsatz teilnehmen. Am Nachmittag flog Ruehe zu einem Treffen mit seinem kroatischen Kollegen nach Zagreb.


Deutschland und Restjugoslawien unterzeichnen zwischenstaatliches Protokoll

Deutschland und Restjugoslawien haben ein zwischenstaatliches Protokoll ueber die Normalisierung des Strassenverkehrs zwischen beiden Staaten unterzeichnet. Durch das Protokoll werde der normale Personen-, Strassen-, und Warenverkehr wieder ermoeglicht, sagte der jugoslawische Delegationsleiter Jovanowitsch heute der Deutschen Welle in Bonn. Das Abkommen ist das erste geltende wirtschaftliche Dokument fuer die Bundesrepublik Jugoslawien nach der Aussetzung der Sanktionen.


Vierlaenderabkommen in Karlsruhe unterzeichnet

Grenznahe Gemeinden und Kreise in Deuschland, Frankreich, Luxemburg und der Schweiz koennen kuenftig enger zusammenarbeiten. Ein entsprechendes Vierlaenderabkommen wurde am Vormittag in Karlsruhe unterzeichnet. Buergermeister und Landraete bekommen danach mehr Kompetenzen und koennen direkt mit ihren Kollegen jenseits der Grenze Vertraege abschliessen. Moeglich werden jetzt auch gemeinsame Zweckverbaende fuer die Wasser- und Muellentsorgung sowie den Strassenbau. Bundesaussenminister Kinkel wuerdigte die Vereinbarung als Modell fuer die Kooperation im Europa des 21. Jahrhunderts. Es freue ihn besonders, dass die Schweiz mit dabei sei. Dies zeige, dass Europa mehr sei als die Europaeische Union.


Berliner Senat loest Bezirksbuergermeisterwahl auf

Der amtierende Berliner Senat hat heute die Wahl des PDS-Mitgliedes Kleinert zum Bezirksbuergermeister im Prenzlauer Berg aufgehoben. Senatssprecher Butz begruendete die Entscheidung damit, dass die Zulassung eines Gegenkandidaten bei der Wahl im Widerspruch zum Bezirksverwaltungsrecht stehe. Der PDS habe gar kein Vorschlagsrecht zugestanden, da die Zaehlgemeinschaft aus SPD und Buendnis Prenzlauer Berg zahlenmaessig staerker gewesen sei. Zugleich wurde der Bezirksverordnetenversammlungsbeschluss vom 7. Dezember vergangenen Jahres zum sogenannten konkurrierenden Wahlverfahren fuer ungueltig erklaert. Nach dieser Senatsentscheidung muss die Buergermeisterwahl wiederholt werden.


Fokker und die Folgen

Mit dem Ausstieg vom Daimler Benz ist noch unklar, wie es mit dem niederlaendischen Flugzeugbauer Fokker weitergeht. Die Regierung in Den Haag hat noch kein Konzept, das Fokker das Ueberleben ermoeglichen koennte. Und sollte Fokker tatsaechlich Konkurs anmelden, dann haette das auch erhebliche Konsequenzen fuer die deutschen Airbusstandorte. Ueber eine Holding ist die Daimler-Tochter DASA nicht nur die groesste Aktionaerin von Fokker, die DASA steht auch hinter der deutschen AIRBUS. Nach Angaben des Gesamtbetriebsrates wuerde der Konkurs von Fokker zum Verlust von rund 1000 Stellen an deutschen Airbusstandorten fuehren. Ein DASA-Sprecher hat diese Darstellung bestaetigt. Er bezeichnete 1200 Stellen als akut gefaehrdet, denn bei Airbus werden auch Rumpfteile und Leitwerke fuer Fokker gefertigt. Airbus ist also Zulieferer fuer Fokker. Betroffen waeren sieben Standorte im Inland, vom Stellenabbau am haertesten betroffen waere wohl Dresden. Besonders schlimm fuer die deutsche Airbus: im Rahmen des bereits beschlossenen Dolores-Programms sollen bei der DASA ohnehin mehrere tausend Stellen gestrichen werden. Davon bleiben auch die Airbusstandorte nicht verschont. Ihnen drohen nun weitere Verluste in Folge eines Fokkerkonkurses. Die Daimler-Benz-Aerospace-Airbus GmbH in Hamburg will aufgrund der Fokker-Krise nun vorsorglich Kurzarbeit fuer 1200 Beschaeftigte in Deutschland beantragen. Diese Massnahme wuerde allerdings nur bei einem tatsaechlichen Konkurs greifen. Der Gesamtbetriebsrat und die Geschaeftsfuehrung von Airbus wollen sich voraussichtlich in der kommenden Woche zu Beratungen treffen.


Nachrichtensperre ueber Luebecker Ermittlungen verhaengt

Staatsanwaltschaft und die Polizei haben ueber die Ermittlungen nach der Brandkatastrophe in Luebeck eine Nachrichtensperre verhaengt. Neue Erkenntnisse gebe es ohnehin nicht, sagte ein Sprecher der Polizei. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Diakonie und ehemaligen Bewohnern des ausgebrannten Fluechtlingsheimes forderte die Stadt Luebeck Hilfe fuer die Opfer des Brandanschlages. Die Hansestadt Luebeck hat sich an die schleswig-holsteinische Landesregierung gewandt, um freies Geleit in die Herkunftslaender und zurueck nach Deutschland fuer die Angehoerigen zu erreichen, die die beim Brand in der Luebecker Asylbewerberunterkunft ums Leben gekommenen zehn Menschen in ihrer Heimat begraben wollen. Das erklaerte der Buergermeister der Hansestadt nach einer Konferenz von Stadt, Diakonie und Vertretern der auslaendischen Fluechtlinge. Fuer die Ausgebrannten gebe es ein grosses Angebot an Wohnraum von Luebecker Gesellschaften. Fuer Mobiliar und Kleidung sei man trotz bisher schon grosser Hilfsbereitschaft auf weitere Spenden angewiesen. Die Angehoerigen an die Opfer appeliern inzwischen an die Medien, mit Kameras und Mikrofonen zurueckhaltender umzugehen, und sie zur Ruhe kommen zu lassen. Zurueckhaltung fordern auch Staatsanwaltschaft und Polizei, sie sehen durch Interviews und Spekulationen ihre Ermittlungen und den Wert von Zeugenaussagen gefaehrdert.


BND und LKA sollen umfangreiches Kokaingeschaeft geplant haben

Der bayerische Plutoniumuntersuchungsausschuss muss sich nun noch mit einem zweiten Fall befassen. Der Bundesnachrichtendienst und das bayerische Landeskriminalamt sollen naemlich nicht nur beim Plutoniumschmuggel von Moskau nach Muenchen im August 1994 mitgemischt haben, beide Behoerden haben angeblich auch versucht, einen grossangelegten Kokaindeal zu provozieren. Nach den bisherigen Erkenntnissen hatte der V-Mann Raffa des Bundesnachrichtendienstes seinen Auftraggebern angeboten, 500 kg Kokain aus Kolumbien zu beschaffen. Er wurde daraufhin foermlich als Agent des bayerischen LKAs verpflichtet. Das Rauschgift war fuer den italienischen Drogenmarkt bestimmt. Dort warteten offensichtlich Abnehmer aus einer Mafiaverbindung auf die Lieferung. Die 500 kg Kokain sollten entweder per Schiff oder per Flugzeug in die Bundesrepublik gebracht und dann nach Italien weitertransportiert werden. Dabei ging es um die Belebung eines bereits existierenden Drogenkartells, das von den kolumbianischen Kokainanbietern zeitweise stillgelegt worden war, da einige Beteiligte aufgeflogen und verhaftet worden war. Man wollte so an die Hintermaenner der internationalen Kokain-Connection herankommen. Der angebahnte Kokainhandel scheiterte allerdings daran, dass Raffa nach der Aufdeckung des Plutoniumschmuggels von Moskau nach Muenchen vom BND abgezogen wurde. Damit stand er dem LKA nicht mehr zur Verfuegung. Die bayerischen Sicherheitsbehoerden sahen sich bisher zu keiner Stellungnahme in der Lage. Im bayerischen Untersuchungsausschuss wird die Sache aber noch ein Nachspiel haben. Auffallend ist nach Einschaetzung von Ausschussmitgliedern vor allem, dass Raffa offenbar engere Kontakte zum LKA hatte als bisher dargestellt.


Deutscher Botschafter in Haiti abgeloest

Bundesaussenminister Kinkel hat den deutschen Botschafter auf Haiti, Dahlhoff, wegen rassistischer Aeusserungen abgerufen. Bei einem Besuch einer Bundestagsdelegation im November vergangenen Jahres hatte Dahlhoff unter anderem diskriminierend zum Problem der hohen Geburtenraten auf der Karibikinsel Stellung genommen. Der Sprecher des Auswaertigen Amtes, Erdmann, erklaerte heute in Bonn, Minister Kinkel habe nach einer Anhoerung am Wochenende entschieden, den Diplomaten von seinen Aufgaben zu entbinden.


Quellen

B5    17:30 MEZ    20:00 MEZ
DLF    18:00 MEZ
SDR3    19:00 MEZ