Herbstgutachten: Erstarkende Konjunktur, aber immer noch mehr Arbeitslose |
Bonn. Die Konjunktur in Deutschland wird sich voraussichtlich in diesem
und im kommenden Jahr weiter erholen, aber noch nicht zu einer Trendwende
auf dem Arbeitsmarkt fuehren. Zu diesem Schluss kommen die sechs
fuehrenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten,
das heute vorgestellt wurde. Danach wird die deutsche Wirtschaft
in diesem Jahr um 2,4 Prozent und im naechsten Jahr um 2,8 Prozent
zulegen. Dennoch wird die Zahl der Arbeitslosen der Prognose zufolge
weiter steigen. Fuer das kommende Jahr rechnen die Forscher mit einem
Anstieg auf durchschnittlich 4,42 Millionen. Auch der Nettolohnzuwachs
bleibe 1998 hinter der Wachstumsrate zurueck. Die staatliche Finanzpolitik
wurde als "wenig berechenbar" kritisiert. Bereits vorab wurde bekannt,
dass die Institute von Steuermindereinnahmen in Hoehe von ueber 16 Mrd. DM
gegenueber der Steuerschaetzung von Mai ausgehen. Die Kriterien fuer einen
Beitritt zur Europaeischen Waehrungsunion wird die Bundesrepublik nach
Einschaetzung der Experten in diesem Jahr erfuellen.
Koalition wie Opposition sahen sich durch das Herbstgutachten
gleichermassen bestaetigt. Die Regierung sieht in dem Gutachten den Beweis
dafuer, dass sich der Aufschwung fortsetzen werde. Nach den Worten von
Finanzminister Waigel belege das Gutachten, dass die Opposition mit ihrer
Blockadepolitik bei der Steuerreform eine grosse Chance zur Bekaempfung
der Arbeitslosigkeit vertan habe. Dagegen forderte die Opposition erneut
eine Umkehr in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik der Regierung. Die
Bundesregierung und fuenf der sechs Institute forderten in dem Gutachten
weiter Lohnzurueckhaltung, SPD und eines der Institute plaedierten dagegen
fuer staerkere Lohnsteigerungen. |
SPD-Fraktion fuer doppelte Staatsbuergerschaft |
Bonn. Die SPD-Fraktion hat sich bereiterklaert, fuer einen moeglichen
Gruppenantrag der Auslaenderbeauftragten zur doppelten Staatsbuergerschaft
zu stimmen. Fraktionschef Scharping sagte, wenn die Auslaenderbeauftragte
Schmalz-Jacobsen, FDP, einen akzeptablen Reformvorschlag mache, solle die
SPD keine Prestigeueberlegungen anstellen. Gleichzeitig aeusserte sich
Scharping skeptisch, dass die FDP trotz ihrer Drohungen an die Union
in der Frage der Staatsangehoerigkeit tatsaechlich mit der Opposition
stimmen wuerde. Die fruehere Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger
hatte zuvor eine Einigung der Koalition fuer unwahrscheinlich gehalten und
rechnet deshalb mit einem Gruppenantrag im Bundestag. In den vergangenen
Tagen hatten sich Bundeskanzler Kohl, Innenminister Kanther und verschiedene
CSU-Politiker gegen eine doppelte Staatsbuergerschaft ausgesprochen. |
Union und SPD gegen Missbrauch von 610-Mark-Jobs |
Bonn. Fuehrende Politiker aus Union und SPD haben sich dagegen
ausgesprochen, Vollarbeitsplaetze in 610-Mark-Jobs umzuwandeln. Die
Bundesminister Bluem und Waigel sowie der niedersaechsische
Ministerpraesident Schroeder kritisierten ein derartiges Vorgehen
als Missbrauch, befuerworteten aber auch weiterhin Spielraeume fuer
geringfuegige Beschaeftigungen. Ein Sprecher der niedersaechsischen
Regierung kuendigte eine Bundesratsinitiative zur Begrenzung
der 610-Mark-Jobs an. SPD-Fraktionschef Scharping unterstrich die
Kompromissbereitschaft seiner Partei, wenn die Union an einer Begrenzung
interessiert sei. FDP-Chef Gerhardt erklaerte inzwischen erneut, die
Liberalen wollten an sozialversicherungsfreien Jobs festhalten. |
Aussenminister Kinkel stellt sich gegen Rechtschreibreform |
Bonn. Bundesaussenminister Kinkel hat sich als erstes Mitglied der
Bundesregierung fuer den Ausstieg aus der Rechtschreibreform ausgesprochen.
Der Minister bezeichnete die Reform in ihrer vorliegenden Ausfuehrung als
unsinnig. In einer solchen Frage duerfe nicht ueber die Koepfe der Menschen
hinweg entschieden werden. Auch Bundesbildungsminister Ruettgers erklaerte,
es sei ein Kardinalfehler gewesen, die Reform hinter verschlossenen Tueren
zu verabreden.
Das Bundeskanzleramt forderte von den Laendern, sich in strittigen
Einzelfragen schnellstmoeglich zu verstaendigen. Erst dann koennten
Gespraeche mit dem Kanzleramt ueber das weitere Vorgehen stattfinden. |
Bundesverwaltungsgericht entscheidet naechste Woche ueber Scientology-Status |
Berlin. Das Bundesverwaltungsgericht wird in der kommenden
Woche entscheiden, ob Scientology-Vereinen wegen profitablen
Geschaeften ihr Vereinsstatus aberkannt werden kann. In Berlin
begann heute die Revisionsverhandlung um eine Entscheidung des Landes
Baden-Wuerttemberg. Es hatte vor neun Jahren einen Ableger der Organisation
als Wirtschaftsunternehmen eingestuft und damit die Rechtsfaehigkeit
als Verein aberkannt. In einer Vorinstanz hatte Scientology gewonnen.
In der fuenfstuendigen Verhandlung ging es heute unter anderem um die
Frage, welchen Status Scientology hat.
Im Vorfeld der Verhandlung hatten gestern in Berlin rund 2.000 Mitglieder
von Scientology wegen angeblicher Diskriminierung in Deutschland
protestiert. |
Sieben Prozent weniger Uebernachtungen im deutschen Fremdenverkehr |
Saarbruecken. Im deutschen Fremdenverkehr ist die Zahl der Uebernachtungen
weiter zurueckgegangen. Nach Angaben des Deutschen Fremdenverkehrsverbandes
verbuchte das Gewerbe im ersten Halbjahr dieses Jahres fast sieben Prozent
weniger Uebernachtungen als im gleichen Vorjahreszeitraum. In Sanatorien und
Kurkliniken sank die Zahl sogar um fast 30 Prozent. Von den Umsatzeinbussen
am staerksten betroffen seien unter anderem Baden-Wuerttemberg und Bayern.
Grund fuer den Rueckgang bei Kuraufenthalten ist den Angaben zufolge die
strenge Haltung der Krankenkassen. |
Telekom will sich mit niedrigeren Preisen und neuen Diensten profilieren |
Muenchen. Die deutsche Telekom will mit niedrigeren Preisen und neuen
Dienstleistungen auf den liberalisierten Markt ab 1998 reagieren. Auf
der Fachmesse "Systems 97" kuendigte Telekom-Vorstandsmitglied May noch
differenziertere Preise je nach Kundengruppe und Nutzung an. Dabei sind
Preissenkungen fuer Geschaeftskunden von etwa 4,5 Prozent im Gespraech.
Ausserdem will die Telekom Netze und Dienste ausbauen. May nannte
Geruechte, wonach Grosskunden der Telekom zu Konkurrenten uebergelaufen
seien, unrichtig. |
Vermutlich Neuauflage des Verfahrens gegen Goennenwein |
Stuttgart/Karlsruhe. Das Verfahren gegen den frueheren Generalintendanten der
Wuerttembergischen Staatstheater Goennenwein muss moeglicherweise neu
aufgerollt werden. Vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe lehnte die
Staatsanwaltschaft einen Antrag des Senatsvorsitzenden auf Einstellung des
Verfahrens ab. Der BGH wird das Urteil in einer Woche verkuenden. Der
Vorsitzende des Ersten Strafsenats hatte am Morgen den Vorschlag, das
Verfahren einzustellen, mit der geringen Schuld des Angeklagten begruendet.
Goennenwein war im vergangenen Dezember vom Stuttgarter Landgericht wegen
Haushaltsuntreue verwarnt und zur Zahlung von 50.000 DM verurteilt worden.
Ihm war vorgeworfen worden, seinen Haushalt um Millionenbetraege ueberzogen
zu haben. Gegen das Urteil hatten sowohl Goennenwein als auch die
Staatsanwaltschaft Revision eingelegt.
Dem Verfahren kommt Praezedenzfallcharakter zu, da es die Frage klaeren
soll, ob Haushaltsueberschreitungen persoenliche Haftung nach sich ziehen
koennen. Der Bund der Steuerzahler hat fuer den Fall einer Bestaetigung
des Urteils weitere Anzeigen wegen Haushaltsuntreue angekuendigt. |
Boerse: Starke Kursverluste |
Frankfurt. Der Boersencrash in den USA und Fernost hat am deutschen Aktienmarkt zum staerksten Kurssturz seit 1991 gefuehrt. Der Deutsche Aktienindex DAX brach um ueber acht Prozent ein. Zu den groessten Verlierern des Tages zaehlten Siemens, Metro, BMW, Daimler, Hoechst und VW. Die Volkswagen AG verschob wegen der Kursstuerze ihre fuer Donnerstag geplante Kapitalerhoehung auf unbestimmte Zeit. Panikreaktionen gab es aber nicht. Experten raten den Anlegern zum Abwarten. Bundesfinanzminister Waigel erklaerte auf einer Veranstaltung in Bonn, die Ursachen fuer die Turbulenzen laegen vor allem in Asien. Die fundamentalen Wirtschaftsdaten in Deutschland und Europa seien weiterhin sehr guenstig, die Zinsen auf niedrigem Niveau, es gebe keine Inflationstendenzen. Einige Kurse: US-Dollar (1 US_$) 1,7325 Kanada (1 $) 1,2260 England (1 Pfund) 2,8937 Irland (1 Pfund) 2,5895 Schweiz (100 sfr) 122,400 Frankreich (100 FF) 29,842 Italien (1000 Lit) 1,0183 Oesterreich (100 oeS) 14,207 Spanien (100 Ptas) 1,1835 Japan (100 Yen) 1,4328 Schweden (100 skr) 23,005 Einige Indizes: DAX: 3567,22 ( aktuell ) 3879.12 ( Vortagswert ) Dowjones-Index: 7276,57 ( Stand 17:00 MEZ ) 7161,15 ( Schlussstand Vortag ) Nikkei-Index: 16312,69 (Alle Angaben ohne Gewaehr) |
Quellen |
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