GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Do, 29.06.1995



* Entscheidung um die Reform des Paragraphen 218
* Meinungen zu der neuen Abtreibungsregelung
* Entschaedigungen fuer Opfer des HIV-Blutskandals
* Entscheidungen zur Sommersmogverordnung und BAFoeG
* Planung des Regierungsumzuges nach Berlin
* Verheugen fordert Schroeder zur Kandidatur als Parteivorsitzender auf
* Weiterhin grosses Interesse an Stasiakten
* Ruecktritt der baden-wuerttembergischen Kultusministerin
* Beratungen des baden-wuerttembergischen Landtages
* Handelsabkommen zwischen den USA und Japan
* ... und was die Europaeische Union dazu meint
* Daimler-Benz reagiert besorgt auf Waehrungsverluste der Unternehmensgruppe
* Ergebnis des Prozesses um die "Fuehrerscheinmafia"
* Grossbrand in Regensburger Krankenhaus
* Zugunglueck in Schleswig-Holstein
* Weltraummanoever
* Pressestimmen
* Wechselkurse



Entscheidung um die Reform des Paragraphen 218

Bonn. Der Bundestag hat das neue Abtreibungsrecht verabschiedet, nun muss noch der Bundesrat zustimmen. Eine Neuregelung war noetig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht im Mai 1993 die zunaechst geplante Fristenregelung verworfen hatte. 486 Abgeordnete votierten fuer die gemeinsame Vorlage von Union, FDP und SPD, 145 dagegen. Danach soll eine Abtreibung in den ersten zwoelf Wochen straffrei bleiben, sofern die Frau sich spaetestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen.

In der Parlamentsdebatte vor der Abstimmung hatten die Abgeordneten noch einmal die unterschiedlichen Positionen dargelegt. Das Ergebnis nach rund vierstuendiger Debatte fiel eindeutig aus. Nur ihrem Gewissen verpflichtet stimmten heute die Abgeordneten mit grosser Mehrheit dem Kompromissentwurf zum Paragraphen 218 in namentlicher Abstimmung zu. Die 145 Gegenstimmen kamen im wesentlichen aus den Reihen der Gruenen, der PDS und aus der Union, wobei den einen der Entwurf zu weit ging, den anderen nicht weit genug.

Fuer die CSU hatte Maria Eichhorn die Verhandlungen gefuehrt. Sie bekannte sich zu einem Sinneswandel: "Je mehr ich mich mit diesem Thema beschaeftigte, umso klarer wurde mir, dass es in dieser Frage darum geht, ein deutliches Signal fuer den Schutz der ungeborenen Kinder zu setzen. Gleichzeitig aber erkannte ich immer mehr, dass es auch darum geht, Frauen in echten Konfliktsituationen, nicht allein zu lassen und Hilfen anzubieten. [...] Entscheidend ist, dass dieser Kompromiss dem Schutz des ungeborenen Lebens dient und dass er verfassungsgemaess ist. Dies koennen wir zusagen."

Knackpunkt war bis zuletzt die Beratungsregelung. Jetzt steht im Paragraphen, dass die Beratung dem Schutz des ungeborenen Lebens dient. Allerdings trifft allein die Frau die Entscheidung. Deshalb muss die Beratung ergebnisoffen gefuehrt werden. Konkret: Sie darf nicht belehren oder bevormunden, sondern sie soll ermutigen und Verstaendnis fuer das ungeborene Leben wecken.

Wer eine Schwangere zur Abtreibung noetigt oder durch Entzug der Unterhaltszahlungen dazu veranlasst, macht sich strafbar. Die eugenische oder embryopatische Indikation wird der medizinischen zugeordnet, d.h. konkret: eine zu erwartende Behinderung des Kindes ist allein kein Grund fuer eine Abtreibung. Sie ist allerdings dann gerechtfertigt, wenn Gefahr fuer Leib und Seele der Schwangeren besteht. Ein Abtreibungsgrund ist ausserdem eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung, die sogenannte kriminologische Indikation.

Es handelt sich um rechtmaessige Abbrueche, die von den Kassen finanziert werden. Entschliesst sich allerdings eine Frau nach einer Beratung zu einer an sich rechtswidrigen aber straffreien Abtreibung, muss sie die Kosten selbst tragen. Nur im Falle der Beduerftigkeit uebernehmen die Krankenkassen die Kosten, die sie wieder von den Laendern zurueckholen koennen.

Fuer die Union war wichtig, wie das Beratungsziel formuliert ist. Es sollte das Lebensrecht als schuetzenswert betonen. FDP und SPD akzeptierten das. Fuer die SPD erklaerte deren Verhandlungsfuehrerin, Inge Wettig-Danielmeier, eigentlich habe man eine liberalere Loesung angestrebt: "Aber immer noch sind wir ueberzeugt, dass das Strafrecht werdendes Leben nicht schuetzen kann, und immer noch glauben wir, dass die Veraenderung der gesellschaftlichen Verhaeltnisse, die Gleichstellung der Frau, mehr bewirkt zum Schutz werdenden Lebens als jedes Stafrecht. [...] Aber da waren die Mehrheiten hier und das Bundesverfassungsgericht davor. Aber wir koennen mit diesem Beratungskonzept leben, und ich denke, die Frauen koennen es auch."

Das Buendnis 90 / Die Gruenen und die PDS hatten zuvor die Reform des Paragraphen 218 erneut strikt abgelehnt und die voellige Streichung gefordert.

Die zustaendige Bundesministerin Nolte (CDU) begruesste zwar das Ende des langjaehrigen Streits, lehnte aber selbst nch wie vor die Abtreibungsregelung ab: "Ich bezweifle, dass allein die Beratung und die klarere Einbeziehung des Umfeldes als rechtlicher Schutz ausreicht, und ich werde deshalb als Abgeordnete diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen."

Der Gesetzentwurf des CDU-Abgeordneten Hueppe (sp.?) und anderer Lebensschuetzer, die eine drastische Verschaerfung des Abtreibungsgesetzes gefordert hatten, erhielt 105 Stimmen.


Meinungen zu der neuen Abtreibungsregelung

Heute Nachmittag wurde im Bundestag das neue Abtreibungsrecht verabschiedet. Damit sind aber noch laengst nicht alle Fragen geklaert.

Kaum einer hat noch den Durchblick. Doch nach der Neuregelung des Paragraphen 218 sind vor allem die Frauen, die abbrechen wollen, und die Beratungsstellen in Panik. Eva Zattler (sp.?) arbeitet bei Pro Familia in Muenchen. Ihre Erfahrung der letzen Wochen: "Ueber die Pflicht sind die Frauen nicht froh, sondern da sind sie sehr oft sehr veraergert, weil sie sich entmuendigt sehen. Ploetzlich wird ihnen zugemutet, dass sie sich zur Beratung begeben. Sie sagen: 'Meine anderen Entscheidungen, da hilft mir keiner. Und hier soll ich dann ploetzlich herkommen.'"

Die Beratungspflicht ist nur ein fauler Kompromiss, schimpft Eva Zattler. Von ergebnisoffener Beratung, die ermutigen und Verstaendnis wecken soll, wie es im Gesetzestext heisst, kann keine Rede sein. Ihre Kritik: Durch das Gespraech lassen sich nicht einmal mehr die Beruehrungsaengste der Frauen mit der Beratungsstelle abbauen. "Letzten Endes kann die Frau in aller Konsequenz nie anonym bleiben, weil sie ja auf diesem Beratungsschein ihre Namen stehen haben muss. Sie kann anonym beraten werden, und eine andere Person an der Stelle stellt dann den Nachweis aus. Da wird sie dann aber ihren Namen nennen muessen."

Friedel Schalk, Leiterin der Frauengleichstellungsstelle im Muenchner Rathaus regt sich ebenfalls ueber die Beratungspflicht auf. Ihre Prognose: In Zukunft wird es wieder mehr Frauen geben, die fuer eine illegale Abtreibung auch den weiten Weg bis nach Holland nicht scheuen. "Moeglicherweise weichen Frauen wieder dieser Huerde aus und gehen lieber woanders hin, wo sie nicht auf Herz und Nieren geprueft werden, sondern wo sie sich selbst ihre Gedanken machen koennen und eigenverantwortlich handeln."

Als blanken Hohn bezeichnet Friedel Schalk auch den Noetigungsparagraphen. Demnach muessen Eltern, Freunde oder Ehemaenner mit bis zu fuenf Jahren Haft rechnen, wenn sie eine Schwangere zum Abbruch noetigen. "Auch das halt' ich fuer problematisch. Es ist bekannt, dass Frauen unter Druck gesetzt werden. Aber ich meine, die Verantwortung der Maenner laesst sich nicht durch den Strafparagraph erzwingen." Eine wirkliche Rechtsklarheit gibt es bei der Noetigung zum Schwangerschaftsabbruch also nicht, so Friedel Schalk.

Allerdings anders verhaelt sich die Sache bei der Finanzierung des Abbruchs. Hier herrscht weitgehend Rechtsklarheit. Demnach koennen Frauen, die weniger als 1700 DM im Westen oder 1500 DM im Osten pro Monat verdienen, einen Abbruch nunmehr direkt ueber die Krankenkassen finanzieren. Das grosse Plus dabei: Der Gang zu den Sozialaemtern faellt damit weg. Trotzdem gibt's auch da einen Haken: "Es bleibt die Sache, dass es keine einheitlichen Saetze gibt. In den letzten zwei Jahren hat sich in Muenchen immer gezeigt, durch die Rechnungen, die beim Sozialamt eingereicht wurden, dass Aerzte zwischen 500 und 1200 DM verlangen. Und wenn eine Frau mit weniger Geld an einen Arzt kommt, der von ihr 1200 DM oder sowas verlangt, dann laeuft sie Gefahr, dass sie das nicht von der Krankenkasse zurueckkriegt."

(Zum neuen Gesetzentwurf des Paragraphen 218, der heute im Plenum beschlossen wurde, Klaudia Hangen, Bayern 3)


Entschaedigungen fuer Opfer des HIV-Blutskandals

Bonn. Im Anschluss an die Verabschiedung des neuen Abtreibungsrechtes beschloss der Bundestag, die rund 2000 Opfer des HIV-Blutskandals zu entschaedigen. Es wird eine Stiftung gegruendet, in die der Bund und die Industrie je 100, die Laender 50 Millionen DM einzahlen. Die Menschen, die sich vor 1988 ueber Blutpraeperate mit dem AIDS-Virus angesteckt haben, erhalten daraus Renten. Auch unterhaltsberechtigte Kinder sowie Ehegatten haben Anspruch auf Entschaedigung.

Die Opposition sprach von einer Billigloesung. Noetig gewesen waere nach Schaetzungen des AIDS-Untersuchungsausschusses 700 Millionen DM.


Entscheidungen zur Sommersmogverordnung und BAFoeG

Bonn. Im Steit um die Sommersmogverordnung haben sich Koalition und SPD angeblich auf einen Kompromiss verstaendigt. Niedersachsens Ministerpraesident Schroeder sagte am Rande der Sitzung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat, das Ozonproblem sei geloest.

Der noch nicht formell verabschiedete Kompromiss sieht vor, dass Fahrverbote, wie von Union und FDP vereinbart, ab 240 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft verhaengt werden. Allerdings gilt ein anderes Messverfahren als bisher geplant. Das von der Koalition vorgesehene Verfahren haette nach Auffassung von Experten dazu gefuehrt, dass es so gut wie nie Ozonalarm gegeben haette. Die SPD verzichtet auf Tempolimits unterhalb der 240 Mikrogrammschwelle, vereinbart wurde aber ein Grossversuch mit Geschwindigkeitsbegrenzungen in zwei Bundeslaendern.

Zuvor hatte sich der Vermittlungsausschuss ueber die Erhoehung des BAFoeG geeinigt. Demnach soll die Ausbildungsfoerderung fuer Schueler und Studenten von diesem Herbst an um vier Prozent steigen. Der Leistungsnachweis zum Ende des zweiten Semesters soll dafuer nicht mehr verlangt werden.

Ueber das umstrittene Jahressteuergesetz 1996 soll erst kommenden Mittwoch beraten werden. Bis dahin soll eine Arbeitsgruppe Loesungsvorschlaege erarbeiten.


Planung des Regierungsumzuges nach Berlin

Bonn. Der Umzug der Regierung nach Berlin und der Bau einer Magnetschwebebahn waren die Hauptthemen der heutigen Sitzung des Bundeskabinetts. Wegen der vorhergehenden Abstimmung im Bundestags ueber die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs, trat die Ministerrunde unter Leitung von Bundeskanzler Helmut Kohl aber erst um 15:00 Uhr zusammen. Bundesbauminister Toepfer legte dabei ein Personal- und Wohnkonzept fuer den Umzug der Bundesbediensteten nach Berlin vor.

Die Ministerrund wollte ferner in zwei Gesetzentwuerfen verbindlich den Bau der Magnetschwebebahn zwischen Hamburg und Berlin beschliessen und die rechtlichen Rahmenbedingungen fuer den Betrieb ab dem Jahr 2004 oder 2005 verabschieden. Die Schnellbahntrasse soll vom Bund finanziert, aber von einem Privatunternehmen betrieben werden.


Verheugen fordert Schroeder zur Kandidatur als Parteivorsitzender auf

Bonn. SPD-Bundesgeschaeftsfuehrer Verheugen hat den niedersaechsischen Ministerpraesidenten Schroeder indirekt aufgefordert, fuer das Amt des Parteivorsitzenden zu kandidieren. Verheugen sagte in der BILD-Zeitung woertlich, wenn jemand in der Spitze meint, es besser zu koennen, dann soll er sich auf dem SPD-Parteitag im November zur Wahl stellen. Dann werde die Sache entschieden und der klare Gewinner werde Scharping heissen. Nach Ansicht Verheugens, steht derzeit das gesamte Erscheinungsbild der Partei auf dem Spiel. Die Waehler der SPD haetten den Streit in der Parteifuehrung endgueltig satt.


Weiterhin grosses Interesse an Stasiakten

Berlin. Das Interesse an den Stasiakten ist ungebrochen. Fast eine Million Menschen wollen ihre Akten einsehen und haben einen Antrag bei der Gauckbehoerde gestellt. Dies geht aus dem zweiten Taetigkeitsbericht hervor, den der Bundesbeauftragte fuer die Stasiakten, Joachim Gauck, in Berlin vorstellte. Die Zahl der Antraege auf Akteneinsicht habe alle anfaenglichen Erwartungen der Behoerde uebertroffen. Inzwischen stehen mehr als 35 Millionen Karteikarten fuer Recherchen zur Verfuegung. Gauck, dessen Amtszeit im Oktober auslaeuft, hat bereits seine Kandidatur fuer eine zweite Amtsperiode angekuendigt.


Ruecktritt der baden-wuerttembergischen Kultusministerin

Stuttgart. Die baden-wuerttembergische Kultusministerin, Schulz-Hektor, tritt zurueck. Das bestaetigten CDU-Kreise im Landtag. Ministerpraesident Teufel informierte am Mittag die Fraktion darueber. Nachfolgerin sei Anette Schawan, Leiterin der bischoeflichen Begabtenfoerderung Cusanoswerk (sp.?).


Beratungen des baden-wuerttembergischen Landtages

Stuttgart. Der Landtag von Baden-Wuerttemberg beriet heute den Generalverkehrsplan. Er sieht unter anderem vor, den Transportverkehr von der Strasse auf Schiene und Wasser zu verlegen. Ausserdem befassten sich die Abgeordneten mit der geplanten Diaetenreform.


Handelsabkommen zwischen den USA und Japan

Tokio/Genf. Die japanische Regierung hat die Einigung im Autostreit mit den USA begruesst. Ministerpraesident Murajama sagte, man betrachte den Konflikt jetzt als beigelegt. Beide Seiten hatten sich gestern wenige Stunden vor Ablauf eines amerikanischen Ultimatums darauf verstaendigt, US-Autofirmen bessere Absatzchancen in Japan einzuraeumen und mehr japanische Autos in den USA herzustellen.

Damit wurde ein Handelskrieg zwischen Tokio und Washington abgewendet. Am New Yorker Devisenmarkt reagierte der US-Dollar mit kraeftigen Kursgewinnen.


... und was die Europaeische Union dazu meint

Bruesel. Die Europaeische Union will am Autoabkommen zwischen Japan und den USA teilhaben. Nach Ansicht von EU-Kommissar Bangemann muessen auch andere Laender von dieser Regelung profitieren. Bangemann sagte gestern Abend in Bruessel, es sei gegen die Grundprinzipien der internationalen Handelsabkommen, wenn der japanische Markt nur fuer US-Produkte geoeffnet wird.


Daimler-Benz reagiert besorgt auf Waehrungsverluste der Unternehmensgruppe

Stuttgart. Der Gesamtbetriebsrat des Daimler-Benz-Konzerns hat besorgt auf die hohen Waehrungsverluste in der Unternehmensgruppe reagiert. Der Betriebsratvorsitzende, Feuerstein, sagte im Sueddeutschen Rundfunk, im Moment laegen keine konkreten Plaene der Konzernleitung ueber Betriebsschliessungen und Personalabbau vor, es werde aber darueber diskutiert. Dies betreffe vor allem die DASA, da der Flugzeugbau unter den starken Wechselkursschwankungen besonders leide. Aber auch Mercedes-Benz bleibe davon nicht unberuehrt. Dort seien allerdings nicht so spektakulaere Massnahmen im Gespraech.


Ergebnis des Prozesses um die "Fuehrerscheinmafia"

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft spricht von der groessten kriminellen Vereinigung in der deutschen Geschichte - der "Fuehrerscheinmafia". Zig-Tausende Telefongespraeche wurden abgehoert, der Mammutprozess wurde dann allerdings zum Fiasko fuer die Verfolgungsbehoerde. Der Verdacht einer kriminellen Vereinigung konnte bislang in keinem Fall bewiesen werden.

Der ehemalige Oberamtsanwalt wurde zu 23 Monaten Haft auf Bewaehrung verurteilt. Er hat fuenf Jahre lang Promille-Suender in einer Anwaltskanzlei beraten, fuer die er spaeter milde Strafen herausholte und ihnen schnell den Fuehrerschein wieder besorgte. Dafuer bekam er 12.000 DM. Einen Beamten der Fuehrerscheinstelle schmierte er mit 600 DM.

Die Urteil hat eine lange Vorgeschichte. Bereits vor neun Jahren hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft den Verdacht, dass es in Frankfurt eine Gruppe gibt, die Promille-Suendern auf illegale Weise ihre eingezogenen Fuehrerscheine wiederbeschafft. Insgesamt kam man auf elf Personen: Mitarbeiter der Fuehrerscheinstelle, zwei Mediziner, die Gefaelligkeitsurteile ueber die Promille-Suender abgeben sollten, drei Rechtsanwaelte, die die faulen Geschaefte abwickelten und daran gut verdienten, Polizeibeamte und ein Oberamtsanwalt. Weil vier Juristen in dieser Gruppe waren, sprach man anfangs auch von der "Frankfurter Justizmafia".

Die Arbeit der Staatsanwaltschaft nahm mit der Zeit monstroese Formen an. Da wurde ein verdeckter Ermittler eingeschaltet, und schliesslich kam es zur groessten Telefonueberwachung in der Geschichte der Bundesrepublik. Weil es sich ja um eine kriminelle Vereinigung handelte wurde diese Aktion genehmigt, bei der sage und schreibe 62.000 Gespraeche abgehoert und aufgezeichnet wurden.

Das hatte bizarre Auswirkungen. Sie kostete nebenbei dem hessischen Innenminister Gottfried Milde das Amt und dem Boxpromoter Ebitus (sp.?) die Freiheit. Milde hatte in einer Landtagssitzung aus dem vertraulichen Abhoerprotokoll zitiert, deshalb wurde er kurz darauf von Walteer Wallmann geschasst. Ebitus hatte versucht, den Vater von Tennisstar Steffi Graf um 800.000 DM zu erpressen. Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, die er gerade verbuesst.

Am 26. April 1990 wurden alle Mitglieder dieser vermeintlich kriminellen Vereinigung verhaftet. Am 21. Oktober '92 begann dann der Mammutprozess, der in die deutsche Rechtsgeschichte eingehen sollte. Denn ein ganzes Jahr lang passierte gar nichts. Das Verfahren war bestimmt von taktischem Hin und Her. Immer mehr Angeklagte wurden von der langen Verhandlungsdauer zermuerbt. Um endlich aus dem Verfahren rauszukommen gingen sie einen Deal mit der Staatsanwaltschaft ein. Sie gaben irgendwelche Taten zu und bekamen dafuer eine geringere Strafe.

Schliesslich kamen die Urteile. Die hoechste Strafe war ein Jahr und drei Monate, die naechste ein Jahr - natuerlich auf Bewaehrung. Zwei Verfahren wurden eingestellt, es gab eine Verwarnung und zwei Freisprueche. Kein einziger wurde wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verurteilt - auch heute nicht. Die uebrigen Beschuldigten wurden krank, ihr Verfahren wurde abgebrochen. Nach 780 Verhandlungstagen, also nach 25 Monaten, war der Fuehrerscheinprozess endgueltig geplatzt. Vier Tage vorher hatte man uebrigens versucht, die Telefonmitschnitte als Beweise zu nutzen. Da stellte sich heraus, dass viele Gespraeche gar nicht zu verstehen waren, weil die Qualitaet so schlecht war. Die gigantische Aktion fuer die Katz'.

Der Prozess hat uebrigens nicht nur die Angeklagten zermuerbt. Bei einem Plaedoyer lagen dem Anklagevertreter die Nerven blank.Er warf dem Gericht Desinteresse und schlechte Vorbereitung vor. Wuetend rief er in den Saal: "Die Verhandlung vor dieser Staatsschutzkammer war eine Realsatiere. Vor einer solchen Kammer muss der Staat geschuetzt werden." Die Verbitterung eines Mafiajaegers, der erkennt, dass er offenbar hinter einem Phantom her war. Der Staatsanwalt wurde in eine andere Abteilung versetzt.

Ohne Beispiel auch der infame Versuch eines Angeklagten, den Richter durch pikante Details aus dessen Privatsphaere abzuschiessen. Der Richter hatte nach diesem Versuch die Nase voll vom Strafrecht, er ist jetzt Handelsrichter.


Grossbrand in Regensburger Krankenhaus

Regensburg. Der Grossbrand im Evangelischen Krankenhaus in Regensburg ist vermutlich in dem Zimmer der beiden Maenner ausgebrochen, die bei dem Unglueck ums Leben gekommen sind. Ursache fuer das Feuer, das um drei Uhr frueh bemerkt wurde, koennte eine brennende Zigarrette gewesen sein. Der Sachschaden in dem Krankenhaus geht in die Millionen. Eine Krankenschwester schwebt noch immer in Lebensgefahr. Ueber 100 Patienten mussten in umliegende Krankenhaeuser evakuiert werden.


Zugunglueck in Schleswig-Holstein

Itzehoe. Ein Zugunglueck hat sich in der vergangenen Nacht in Schleswig-Holstein ereignet. In der Naehe von Elmshorn fuhr ein Personenzug aus noch nicht geklaerten Gruenden auf einen stehenden Gueterzug auf. Die beiden Lokfuehrer und zwei Fahrgaeste wurden dabei schwer verletzt. Sie waren in den Truemmern eingeklemmt. 14 Menschen erlitten leichte Verletzungen. Wie die Polizei mitteilte, lief aus einem aufgerissenen Wagon Diesel aus. Die Bahnstrecke Neumuenster-Elmshorn wird voraussichtlich 24 Stunden in beiden Richtungen gesperrt bleiben.


Weltraummanoever

Houston. In millimetergenauer Handarbeit hat der Kommandant der amerikanischen Raumfaehre Atlantis das Shuttle an die russische Raumstation MIR angedockt. Fuer das Manoever bei 28.000 Stundenkilometern hatte er nur zwei Minuten Zeit und etwa sieben Zentimeter Spielraum. Alles klappte aber genau nach Plan. Es war das erste amerikanisch-russische Manoevber im All seit 1975, als eine Apollo- an eine Sojuskapsel ankoppelte.

An Bord der Atlantis sind fuenf Astronauten und zwei Kosmonauten. Die beiden Russen sollen zwei andere Kosmonauten und einen Amerikaner abloesen, die sich seit dem 14. Maerz an Bord der MIR befinden.


Pressestimmen

Der 50. Geburtstag der CDU, das rot-gruene Buendnis in Nordrhein-Westfalen und die Ertragslage im Hause Daimler-Benz beschaeftigen heute die Kommentatoren.

Zum ersten Thema der erste Blick in die NEUE OSNABRUECKER ZEITUNG: "50 Jahre Christlich Demokratische Union, das bedeutet eine lange, praegende Wirkung fuer die Politik der Bundesrepublick Deutschland, die sie 33 Jahre lang als staerkste Partei regiert. Das Spektrum der von ihr bestimmten oder herangetriebenen historischen Ereignisse reicht von der Westbindung bis zur Vollendung der Deutschen Einheit. Zugleich war die CDU weit mehr eine Reformpartei, als es heute oft scheint. Die Einfuehrung der Montanmitbestimmung und der dynamischen Rente stehen stellvertretend fuer das soziale Engagement.

Die Hochstimmung, in der die Union sich gegenwaertig befindet, kann jedoch nicht darueber hinwegtaeuschen, dass es zur Selbstzufriedenheit keinerlei Anlass gibt. Gewiss, die Partei stellt mit Helmut Kohl zur Zeit einen Kanzler, der fuer sie, vor allem wegen seines internationalen Ansehens zum Gluecksfall geworden ist. Doch es darf nicht verkannt werden, dass die Staerke der CDU auch aus der Schwaeche der SPD resuliert", dies die Einschaetzung der NEUEN OSNABRUECKER ZEITUNG.

Der MANNHEIMER MORGEN stellt fest: "Obwohl Kohl oeffentlich nur Verachtung fuer den Zeitgeist zeigt, registriert der Kanzler genau gesellschaftliche Stroemungen und Stimmungen im Volk. Unter seiner Regie hat sich die Partei zu einer modernen, pragmatischen Volkspartei entwickelt, die sich vorsichtig von konfessionellen Bindungen und dem Klischee loeste, sie sei allzu kapitalhoerig. Dafuer nahm sie auch Konflikte, wie etwa bei der Abtreibungsreform oder der Pflegeversicherung in kauf.

Das Dilemma der Opposition liegt schliesslich auch darin, dass die CDU heute in Teilen eine klassische sozialdemokratische Politik betreibt, ohne ihr Gesicht wesentlich zu veraendern", dies die Sicht des MANNHEIMER MORGEN.

Ein Blick nach Nordrhein-Westfalen, die KOELNISCHE RUNDSCHAU schreibt: "Jetzt muessen die Genossen die Macht teilen. Sitzen sie mit den Gruenen in einem Boot, einem ungeliebten Partner, den ein nicht gerade kleiner Teil der SPD-Mitglieder mit Skepsis und Argwohn betrachtet. Dort liegt der Sprengsatz verborgen, der das neue Buendnis bedroht. Die SPD wird in Zukunft beweisen muessen, ob ihr nach 15jaehriger Alleinherrschaft nicht die Faehigkeit abhanden gekommen ist, notwendige und verantwortbare Kompromisse im Regierungsalltag zu schliessen. Daran entscheidet sich unter anderem, ob ein rot-gruenes Buendnis in Nordrhein-Westfalen ein Intermezzo ist oder laengerfristige Perspektiven besitzt.

Natuerlich mussen auch die Gruenen dazulernen. Die Zeit der politischen Pubertaet ist fuer denjenigen vorbei, der in einem grossen Bundesland Verantwortung fuer rund 17 Millionen Menschen mituebernimmt. Politik ist nunmal die Kunst des Moeglichen und nicht des Wuenschenswerten", erklaert die KOENLISCHE RUNDSCHAU.

Der Konstanzer SUEDKURIER fuehrt aus: "... Das drueckt sich besonders in der strittigen Frage zum Thema Braunkohletageabau aus. Von Einigung oder Loesung kann ueberhaupt keine Rede sein. Das Problem, an dem tausende von Arbeitsplaetzen haengen wurde schlicht vertagt. Selten ist der Oeffentlichkeit der Nichtvollzug einer Richtungsentscheidung derart dreist als Kompromiss verkauft worden. Was den Modellcharakter fuer ein rot-gruenes Buendnis in Bonn angeht, stellt sich daher vor allem die Frage: Soll nach diesem landespolitischen Muster von Ausklammern und rechtlicher Verwaesserung auch Bundespolitik betrieben werden?", eine Gruebelei des SUEDKURIER.

Zum Thema 'Daimler-Benz' schreibt die ESSLINGER ZEITUNG: "Als neuer Daimler-Benz-Chef trat Juergen Schremp zweimal an die Oeffentlichkeit. Vor zwei Wochen verkuendete er der Stellenabbau in der Konzernzentrale, gestern offenbarte er ueberraschend, dass der Konzern 1995 mit roten Zahlen abschliesst. Kritiker des von Edzart Reuter geschmiedeten Technologieunternehmens werden die schlechten Unternehmenszahlen zum Anlass nehmen, wieder einmal die Konzernpolitik zu verdammen; vor allem die Kleinaktionaere. Schremp will die angeschlagene DASA retten und den Technologiekonzern zum Mobilitaetskonzern umwandeln. Dennoch drohen weiterer Stellenabbau im Inland, Produktionsverlagerung und verstaerkter Einkauf von auslaendischen Zulieferern. Das wird erneut Arbeitsplaetze in deutschen Betrieben kosten", prophezeit die ESSLINGER ZEITUNG.

Die STUTTGARTER ZEITUNG ergaenzt: "Vor allem im Luftfahrtbereich, aber nicht nur dort, werden viele Stellen abgebaut werden. Wer glaubt, mit dem allgemeinen Aufschwung der Konjunktur in Deutschland werde sich die Lage am Arbeitsmarkt ueber kurz oder lang schon wieder entspannen, sollte endlich begreifen, dass die Kritik der Unternehmen an zu hohen Steuern und Arbeitskosten, sowie zuviel Buerokratie kein leeres Gerede ist. Vielleicht weckt der Paukenschlag aus Stuttgart, wo tiefrote Zahlen erwartet werden, so manchen Tiefschlaefer endlich auf." Das waren Ausfuehren der STUTTGARTER ZEITUNG.


Wechselkurse

1 US-$     =   1.3967  DM
ECU-Wert   =   1.85122 DM
DAX        =   2106.5 Punkte (2096.4)
IBIS-DAX   =   2094.6 Punkte (2094.6)

Einige weitere ausgewaehlte Devisenkurse (Stand 29.06.95):

                                       Geld          Brief

USA             1 US-Dollar    =     1.3927 DM     1.4007 DM
England         1 Brit.Pfund   =     2.2028 DM     2.2168 DM
Irland          1 Irl.Pfund    =     2.2760 DM     2.2900 DM
Kanada          1 Kan.Dollar   =     1.0098 DM     1.0178 DM
Niederlande   100 hfl          =    89.150  DM    89.370  DM
Schweiz       100 sfr          =   120.180  DM   120.380  DM
Belgien       100 bfrs         =     4.8540 DM     4.8740 DM
Frankreich    100 FF           =    28.455  DM    28.575  DM
Daenemark     100 dkr          =    25.566  DM    25.686  DM
Norwegen      100 nkr          =    22.388  DM    22.508  DM
Schweden      100 skr          =    19.120  DM    19.240  DM
Italien      1000 Lire         =     0.8484 DM     0.8564 DM
Oestereich    100 OeS          =    14.201  DM    14.241  DM
Spanien       100 Ptas         =     1.1391 DM     1.1471 DM
Portugal      100 Esc          =     0.9431 DM     0.9491 DM
Japan         100 Yen          =     1.6365 DM     1.6395 DM
Finnland      100 Fmk          =    32.530  DM    32.690  DM
Australien      1 Aust.Dollar  =     0.9910 DM     1.0010 DM

ohne Gewaehr



Quellen

SDR1:    8:00 Uhr MESZ
B3:    ~8:10 Uhr MESZ
B5:    8:15 Uhr MESZ    8:30 Uhr MESZ    8:45 Uhr MESZ    16:15 Uhr MESZ    16:30 Uhr MESZ
SWF3:    12:00 Uhr MESZ