GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 06.12.1994



* BGH verhandelt ueber Deckert-Urteil
* Bundespraesident Herzog in Jerusalem
* Weg fuer Sanierung von EKO frei
* Krankenkassen wollen in der Pflege weniger zahlen
* Haerterer Kurs der SPD gegenueber der PDS bestaetigt
* Kompromissvorschlag im PDS-Steuerstreit
* Mauerschuetzenprozess in Potsdam
* Niedersaechsischer Landwirtschaftsminister laesst Amtsgeschaefte ruhen
* Jahresbericht des Bayerischen Rechnungshofes
* Hilfe fuer bayerische Schweinezuechter
* Boerse: schwach
* Kommentar: Kinkels besonnener Rueckzieher



BGH verhandelt ueber Deckert-Urteil

Karlsruhe. Der BGH verhandelte heute ueber die Revision gegen das Deckert- Urteil des Landgerichtes Mannheim. Die Urteilsbegruendung, in der die Richter Respekt fuer die Person des angeklagten NPD-Vorsitzenden geaeussert hatten, war weltweit auf Empoerung gestossen. Der BGH soll darueber entscheiden, ob das Urteil Bestand hat. Das Landgericht Mannheim hatte Deckert wegen Leug- nung der Judenmorde in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten Ende Juni zu einem Jahr Haft auf Bewaehrung verurteilt. Der BGH wird sein Urteil am Donnerstag naechster Woche verkuenden. Das gab der Erste Strafsenat am Ende der muendlichen Verhandlung bekannt.


Bundespraesident Herzog in Jerusalem

Jerusalem. Bundespraesident Herzog ist heute zu einem zweitaegigen Besuch nach Israel gereist. Er kuendigte an, mit schonungsloser Offenheit ueber Rechtsextremismus und rassistische Tendenzen in Deutschland zu sprechen. Herzog fuhr vom Flughafen Ben Gurion nach Tel Aviv, wo ihn der ihn der israelische Staatspraesident Weizmann offiziell begruesste. Herzog besuchte zunaechst die Holocaust-Gedenkstaette Yad Vashem (sp?) in Jerusalem, die an die Vernichtung von sechs Millionen Juden durch den Nationalsozialismus erinnert. Es wird erwartet, dass Herzog am Abend bei einem ihm zu Ehren gegebenen Essen auch zu diesem Kapitel der deutsch-juedischen Vergangenheit Stellung nehmen wird. Herzog wird auch mit Ministerpraesident Rabin und mit Aussenminister Shimon Perez zusammentreffen.


Weg fuer Sanierung von EKO frei

Bruessel. Der Uebernahme von EKO-Stahl in Eisenhuettenstadt durch die bel- gische Cockerill Sambre steht nichts mehr im Wege. Nach Frankreich hat heute auch Grossbritannien seinen Widerstand gegen den Ueberlebensplan fuer das ostdeutsche Stahlwerk aufgegeben. Dies verlautete aus EU-Kreisen in Bruessel. Die beiden Laender hatten bisher im Ministerrat ihre Zustimmung zu dem Sanie- rungskonzept fuer EKO verweigert. Sie hatten kritisiert, dass die von Bonn geplanten Beihilfen in Hoehe von 910 Mill. DM zu hoch gewesen seien. Den An- gaben zufolge wird auch Luxemburg einlenken, das ebenfalls Vorbehalte hatte. Die formelle Entscheidung des EU-Ministerrates wird moeglicherweise noch vor dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU Ende dieser Woche in Essen folgen.


Krankenkassen wollen in der Pflege weniger zahlen

Bonn. Die Krankenkassen wollen sich offenbar staerker als bisher vorgesehen aus der Versorgung Pflegebeduerftiger zurueckziehen. Einem vertraulichen Diskussionspapier zufolge wollen sie kuenftig Spritzen, Infusionen und regel- maessig wiederkehrende Untersuchungen von Pflegebeduerftigen nicht mehr be- zahlen. Nach Angaben der "Sueddeutschen Zeitung" wollen die Kassen dies stattdessen der Pflegeversicherung aufbuerden.


Haerterer Kurs der SPD gegenueber der PDS bestaetigt

Bonn. Der SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping hat sich mit seinem Abgrenzungs- kurs gegenueber der PDS auch im Parteirat durchgesetzt. Das hoechste Gremium zwischen den Parteitagen billigte den gestern vom SPD-Vorstand beschlossenen haerteren Kurs gegen die SED-Nachfolgepartei. Am Rande der Tagung des SPD-Parteirates waren erneut Meinungsverschiedenheiten deutlich geworden. SPD-Bundesgeschaeftfuehrer Verheugen aeusserte sich ueberrascht ueber die Einschaetzung von Sachsen-Anhalts Ministerpraesident Hoeppner, der Beschluss gelte nur fuer den kommunistischen Teil der PDS. Mit einer solchen Entscheidung gerate man ins falsche Fahrwasser. Hoeppner hatte die Bundes-SPD in einem Zeitungsinterview aufgefordert, sich der Erkenntnis zu stellen, dass PDS und Kommunisten nicht das gleiche seien. Der SPD-Vorstand hatte gestern auf Betreiben Scharpings beschlossen, dass es auf Bundes- und Laenderebene keine Koalitionen mit der PDS gebe.


Kompromissvorschlag im PDS-Steuerstreit

Berlin. Im Streit um die Steuernachforderungen an die PDS deutet sich eine vorlaeufige Loesung an. Die Unabhaengige Kommission fuer DDR-Parteivermoegen hat der SED-Nachfolgepartei heute einen Kompromissvorschlag gemacht. Danach soll die Treuhandanstalt der PDS zum Ausgleich fuer die gepfaendeten Wahlkampfkostenerstattungen einen Kredit in Hoehe von fast 3,2 Mill. DM aus dem SED-Altvermoegen zahlen. Der Kommission zufolge muss sich die PDS aller- dings verpflichten, der Treuhand eine Sicherungsgrundschuld auf Immobilien zu uebrtragen, wenn diese der PDS zuerkannt werden. Die PDS signalisierte bereits Verhandlungsbereitschaft. Ihr Vorsitzender Bisky sagte, der Vorstoss werde geprueft, der Hungerstreik vorerst aber fortgesetzt. Der PDS-Schatzmeister Bartsch sagte, der Vorschlag gehe in die richtige Richtung; die PDS sei zu weiteren Gespraechen bereit. Aus Protest gegen die Steuerforderungen von insgesamt ca. 68 Mill. DM befinden sich derzeit elf PDS-Mitglieder, darunter Parteichef Bisky und der Chef der PDS-Bundestagsgruppe, Gysi, im Hungerstreik.


Mauerschuetzenprozess in Potsdam

Potsdam. Vor dem Landgericht Potsdam hat am Morgen ein weiterer sogenannter "Mauerschuetzenprozess" begonnen. Den drei Angeklagten wird Totschlag in Tateinheit mit versuchtem Totschlag vorgeworfen. Sie sollen in der Nacht vom 3. zum 4. Maerz 1965 an der innerdeutschen Grenze nahe Potsdam auf einen Studenten und seine Verlobte geschossen haben, die versuchten, die Sperran- lagen zu ueberwinden. Laut Anklage sollen seinerzeit insgesamt 199 Schuesse abgegeben worden sein. Der Student war toedlich getroffen worden. Seine Ver- lobte ueberlebte mit einer Unterschenkelverletzung und wurde festgenommen. Fuer den Prozess sind sechs Verhandlungstage angesetzt; das Urteil soll noch vor Weihnachten gesprochen werden.


Niedersaechsischer Landwirtschaftsminister laesst Amtsgeschaefte ruhen

Hannover. Der niedersaechsische Landwirtschaftsminister Funke, SPD, will seine Amtsgeschaefte ab sofort ruhen lassen. Wie Ministerpraesident Schroeder mitteilte, wird Funke und einem Mitarbeiter im Zusammenhang mit Spesenabrech- nungen Betrug vorgeworfen. Funke selbst habe die Staatsanwaltschaft in Hanno- ver gebeten, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn zu pruefen.


Jahresbericht des Bayerischen Rechnungshofes

Muenchen. Der bayerische Ministerpraesident Stoiber gibt nach Ansicht des Bayerischen Obersten Rechnungshofes zuviel Geld fuer Ministerien und die Staatskanzlei aus. Im Jahresbericht 1994 verlangt der Rechnungshof deshalb auch in diesem Bereich einen strikten Sparkurs. Die Ausgaben in der Staats- kanzlei haetten in den letzten Jahren staerker als in anderen Ressorts zugenommen.


Hilfe fuer bayerische Schweinezuechter

Muenchen. Die bayerische Staatsregierung hat beschlossen, den durch die Schweinepest geschaedigten Bauern mit einem Sofortprogramm in Hoehe von 10 Mill. DM zu helfen. Das Geld wird durch Umschichtungen im Haushalt frei. Damit sollen den Bauern in den Sperr- und Beobachtungsgebieten gesunde Mast- schweine abgekauft werden, die ihr Schlachtgewicht ueberschritten haben und wegen der Schweinepest-Schutzverordnung nicht verkauft werden duerfen. Ausserdem bekommen in Not geratene Bauern verbilligte Kredite zwischen 10.000 und 15.000 DM.


Boerse: schwach

Die Boersen notierten schwaecher.
DAX            2.046     (-25)
Umlaufrendite  7,26%     (+0,05)
US-$           1,5690 DM (-0,006)



Kommentar: Kinkels besonnener Rueckzieher

Kommentar der Sueddeutschen Zeitung Muenchen vom 06.12.1994 zum FDP-Parteitag und den Aeusserungen von FDP-Chef Kinkel: Klaus Kinkel hat eingesehen, dass er mit seiner unbedachten Ruecktritts- drohung in Weimar der basisdemokratischen Aufwallung in seiner Partei nicht Herr werden kann. Der Vorsitzende und die gesamte Fuehrung werden sich auf dem Parteitag in Gera der Muehe unterziehen nuessen, ihrer desorientieren und von Todesaensten bedraengten Partei in aller Gelassenheit vor Augen zu fuehren, dass eine Trennung von Amt und Mandat kein Ausweg aus der Krise sein kann. Wenn man die Traeume der Gruenen von direkter Demokratie kopiert, holt man noch lange nicht die Waehler zurueck, die man an sie verloren hat. In einer schoeneren Welt koennte man sich gut vorstellen, dass ein Minister nicht Abgeordneter sein muss, dass Verantwortung auf moeglichst viele Schul- tern verteilt und Macht besser kontrolliert wird. Aber die Verhaeltnisse sind nun einmal nicht so ideal. [...] Die Idealvorstellung, in die sich die FDP- Basis fluechtet, passt wenig zu unserm Typus gewachsener parlamentarischer Demokratie. Wenn dem Esel zu wohl ist, sagt das Sprichwort, geht er aufs Eis und bricht sich ein Bein. In diesem Falle leistet sich eine Partei, die sich elendig fuehlt, eine Pirouette, die in der Todesspirale enden koennte. Die Basis der Liberalen fuehlt sich der Fuehrung ausgeliefert und will dennoch auftrumpfen. Da ist kein Zuchtmeister, da ist eher ein Psychologe gefragt. Kinkel darf nicht drohen. Er muss seiner Partei das Schwert, mit dem sie Harakiri begehen will, behutsam aus der Hand nehmen.


Quellen

SDR3    07:00 MEZ    17:00 MEZ
B5    11:15 MEZ    13:45 MEZ    14:45 MEZ    16:15 MEZ
Kommentar der Sueddeutschen Zeitung Muenchen vom 06.12.1994