GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
So, 26.03.1995



* Hochmut kommt vor dem Fall (Sueddeutsche Zeitung)
* Inkrafttreten des Schengener Abkommens
* Mitgliederverluste bei fast allen Parteien
* Forderungen der Deutschen Angestellten Gewerkschaft
* DGB-Vorsitzender Schulte zur Klimakonferenz in Berlin
* Jaehrlicher Schaden von 10 Milliarden DM durch Bestechungen
* Festnahme von 170 Rechtsradikalen in Triptis
* Bundesbuerger im tuerkisch-irakischen Grenzgebiet von Tuerkei festgehalten
* Brand in tuerkischer Grossbaeckerei in Westfalen
* Wohnungsbrand in Coburg
* Tierschuetzer rufen zum Boykott der Lufthansa auf
* In Deutschland wieder Sommerzeit
* Michael Schuhmacher gewinnt Auftaktgrandprix in Brasilien
* Damenfussballnationalmannschaft wird Europameister
* Weiterwursteln (Suedwest Presse)
* Hochmut kommt vor dem Fall (Sueddeutsche Zeitung)



Hochmut kommt vor dem Fall (Sueddeutsche Zeitung)




Inkrafttreten des Schengener Abkommens

Berlin. Mit dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens koennen Deutsche, Franzosen, Buerger der Benelux-Staaten, Spanier und Portugiesen ihre Grenzen gegenseitig ohne Kontrollen passieren. Auch Passagierfluege zwischen diesen Staaten werden kuenftig wie Inlandsfluege behandelt. Dagegen werden die Grenzen zu anderen Staaten schaerfer kontrolliert. Wie der Bundesgrenzschutz Ost mitteilt, wird im Laufe des Tages an den rund 50 Uebergaengen nach Polen und Tschechien mit erhoehten Wartezeiten gerechnet. Dort wird nun mit dem europaweitem elektronischen Fahndungssystem SIS gearbeitet. Die sieben Schengen-Staaten haben bisher ueber 2,3 Millionen Daten in die Hochleistungscomputer eingegegeben. Es handelt sich dabei in erster Linie um Angaben ueber gestohlene Autos, Waffen, Paesse und mutmassliche Straftaeter. Die verstaerkten Kontrollen sollen einem Ansteigen der Kriminalitaet entgegenwirken. Neben den bisher sieben Staaten wollen Italien, Griechenland und Oesterreich in Kuerze dem Schengener Abkommen beitreten. Fuer die Bayern am spuerbarsten werden die Auswirkungen des Schengener Abkommens an den Flughaefen im Freistaat. Wer kuenftig zum Beispiel vom Muenchener Airport aus nach Mallorca fliegt, maschiert ohne Passkontrolle ins Flugzeug. Allerdings sollte der Personalausweis immer mit dabei sein, selbst wenn nicht kontrolliert wird. Die grundsaetzliche Ausweispflicht herrscht auch kuenftig. Laengere Wartezeiten dagegen werden Fluggaeste in Kauf nehmen muessen, die nicht Buerger eines Schengen-Staates oder der EU sind. Bundesinnenminister Kanther hat das Schengener Abkommen als Chance fuer Europa bezeichnet. Die neuen Grenzregelungen seien ein Freizuegigkeitsabkommen im Inneren Westeuropas und ein Sicherheitsabkommen nach Aussen, sagte Kanther. Dies ermoegliche es, ein in der Welt einmaliges Fahndungssystem zu errichten. An den Grenzuebergaengen nach Polen und Tschechien sind die befuerchteten Staus ausgeblieben.


Mitgliederverluste bei fast allen Parteien

Bonn. Mit Ausnahme der Gruenen haben alle im Bundestag vertretenen Parteien im vergangenen Jahr Mitglieder verloren. Dies geht aus den Angaben der Schatzmeister hervor, die der Deutschen Presse Agentur vorliegen. Mitgliederstaerkste Partei blieb die SPD, die jedoch 1994 einen Rueckgang von 12 000 Mitgliedern verzeichnete. Aehnliche Verluste verzeichnete die CDU, die FDP verlor 3000. Prozentual am meisten Mitglieder verlor die PDS. Buendnis 90/Die Gruenen konnten Ende vergangenen Jahres einen Zuwachs von 40000 Mitgliedern verzeichnen.


Forderungen der Deutschen Angestellten Gewerkschaft

Bonn. Die Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) will in den Tarifverhandlungen fuer die rund 2,3 Millionen Beschaeftigten des Einzelhandels im Westen 6% mehr Geld fordern. Deren regionale Tarifvertraege laufen zwischen Monatsende und Ende Juni aus. Fuer die rund 400 000 Beschaeftigten in Ostdeutschland will die DAG einen Stufenplan zur vollen Anpassung der Loehne an das Westniveau erreichen. Die Verhandlungen beginnen am 26. April. DAG-Chef Gartz (sp?) sagte, die gedaempften Umsatzerwartungen des Handels fuer dieses Jahr seien kein Grund, hinter den Tarifabschluessen anderer Branchen zurueckzubleiben, da Umsatzverlust nicht mit Gewinnverlust gleichzusetzen sei.


DGB-Vorsitzender Schulte zur Klimakonferenz in Berlin

Berlin. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Schulte hat vor einem Scheitern der Klimakonferenz in Berlin gewarnt. Zwei Tage vor Beginn des Treffens appellierte er heute an die Teilnehmer, trotz der schlechten Ausgangslage, mit Fantasie und Entschlossenheit doch noch ein positives Ergebnis zu erzielen. Vor allem die Bundesregierung als Gastgeberin muesse genaue Ziel- und Zeitvorgaben festlegen, wie in Deutschland die angestrebte Reduzierung des Ausstosses von Kohlendioxid um 25% erreicht werden koenne. Schulte fuegte hinzu, die gesamtdeutsche Klimabilanz, die wegen der Schliessung von Industrieanlagen in Ostdeutschland zwangslaeufig positiv ausfalle, vertusche, dass die energiebedingte CO2-Emission in den alten Bundeslaendern immer noch zunehme.


Jaehrlicher Schaden von 10 Milliarden DM durch Bestechungen

Frankfurt. Durch Bestechung entsteht in Deutschland jaehrlich ein Schaden von 10 Milliarden DM. Das schaetzt der Frankfurter Oberstaatsanwalt Schaukensteiner (sp?) in einem Interview. Weiter sagt er, es gaebe nicht nur einen, sondern viele bestechliche Staatsdiener. In den Behoerden werde zu wenig kontrolliert. Schaukensteiner fordert, dass Schmiergelder nicht mehr von der Steuer abgeschrieben werden koennen, um die Korruption einzudaemmen.


Festnahme von 170 Rechtsradikalen in Triptis

Triptis/Erfurt. 170 Rechtsradikale aus dem ganzen Bundesgebiet sind gestern am Abend im ostthueringischen Triptis festgenommen worden. Die Polizei stellte dabei auch Waffen und rechtsradikales Propaganda-Material sicher. Gegen einige der Festgenommenen wurden Ermittlungsverfahren wegen illegalen Waffenbesitzes und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet. Mit der Aktion sollte das nichtgenehmigte Konzert einer Skinhead-Band verhindert werden. Die Rechtsradikalen seien am Sonntag nach und nach wieder auf freien Fuss gesetzt worden. Das berichtet das Polizeipraesidium in Erfurt. Die Nacht haetten die Skinheads in Vorbeugegewahrsam verbracht. Naehere Einzelheiten wollte Innenminister Dewes am Mittag vor der Presse mitteilen.


Bundesbuerger im tuerkisch-irakischen Grenzgebiet von Tuerkei festgehalten

Bonn/Ankara. Im tuerkisch-irakischen Grenzgebiet werden sechs Bundesbuerger von den tuerkischen Behoerden festgehalten. Sie sitzen in einem Hotel in der suedost-anatolischen Cizre fest. Das Auswaertige Amt in Bonn teilte mit, ihnen werde vorgeworfen, mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK zusammengearbeitet zu haben. Die Deutsche Botschaft in Ankara stehe wegen dieses Vorfalls mit den tuerkischen Sicherheitsbehoerden in Kontakt und bemuehe sich um eine Ausreisebewilligung. Bei den Deutschen handelt es sich um fuenf Studenten und einen Wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universitaet Bremen.


Brand in tuerkischer Grossbaeckerei in Westfalen

Oerlinghausen. Im westfaelischem Oerlinghausen hat es heute frueh in einer tuerkischen Grossbaeckerei gebrannt. Nach Angaben der Polizei in Detmold wurde niemand verletzt. Der Sachschaden wird auf mehrere 100 000 DM geschaetzt. Die Ursache des Feuers ist noch unbekannt.


Wohnungsbrand in Coburg

Bei einem Wohnungshausbrand in Coburg sind drei Menschen verletzt worden. Das Feuer war in einer Innenstadtwohnung im dritten Stock ausgebrochen und hatte sich auf den Dachstuhl ausgeweitet. Der Sachschaden wird auf 500 000 DM geschaetzt.


Tierschuetzer rufen zum Boykott der Lufthansa auf

Tierschuetzer rufen zum Boykott der Lufthansa auf, weil diese pro Jahr offenbar fast 8000 Affen fuer grausame Tierversuche transportiert. Zwei von zehn in Freiheit gefangenen Affen wuerden auf dem Transport sterben, berichtet "Bild am Sonntag". Auf einem Lufthansaflug von Indonesien nach Florida seien sogar alle 110 transportierten Affen an Schock, Unterkuehlung und Sauerstoffmangel gestorben. Seit 1993 wuerden Tierschuetzer mit der Lufthansa verhandeln, so eine Sprecherin vom Bundesverband der Tierversuchsgegner gegenueber "Bild am Sonntag". Die Lufthansa beharre aber auf ihre Befoerderungspflicht, obwohl sie das Verkehrsministerium schon laengst von der Verpflichtung befreit habe. Der Hintergrund: Die Fluggesellschaft wolle nicht auf die Einnahmen verzichten. Andere Fluggesellschaften transportieren schon lange keine Affen mehr.


In Deutschland wieder Sommerzeit

Berlin. In Deutschland und in den meisten anderen europaeischen Laendern gilt ab heute wieder die Sommerzeit. In der vergangenen Nacht wurden die Uhren um 2:00 Uhr um eine Stunde auf 3:00 Uhr vorgestellt. Oeffentliche Uhren wurden ueber Funkimpulse umgestellt, die von der Atomuhr im Zeitlabor der physikalisch-technischen Bundesanstalt abgegeben werden. Schwieriger gestaltete sich die Zeitangleichung bei der Deutschen Bundesbahn. Die Zuege, die noch nach der Winterzeit losfuhren, werden wie in jedem Jahr mit einer Stunde Verspaetung ankommen. In den meisten EU-Staaten, darunter auch in der Bundesrepublik endet die Sommerzeit am 24. September. Briten und Iren stellen die Uhren erst am 22. Oktober wieder zurueck. Eine europaeinheitliche Umstellung wird es erstmals im kommenden Jahr geben. Dann soll die Sommerzeit vom 31. Maerz bis zum 27. Oktober andauern.


Michael Schuhmacher gewinnt Auftaktgrandprix in Brasilien

Formel I Weltmeister Michael Schuhmacher hat den Auftaktgrandprix zur neuen Saison in Brasilien gewonnen. Zweiter wurde der Brite Coulthard.


Damenfussballnationalmannschaft wird Europameister

Die deutsche Damenfussballnationalmannschaft ist zum dritten Mal seit 1989 und 1991 Europameister geworden. Im Finale besiegten sie in Kaiserslautern die Mannschaft Schwedens. Hiermit sind sie in Punkto gewonnene Europameisterschaften besser als ihre maennliche Kollegen.


Weiterwursteln (Suedwest Presse)

Keine zwei Wochen ist es her, als Bundeskanzler Helmut Kohl beim UN-Sozialgipfel vor grossem Publikum bekraeftigte, mehr fuer die Entwicklungshilfe zu tun. Doch die Konferenz mit ihren hehren, unverbindlichen Erklaerungen ist vorbei, realpolitisches Grau hat die rosaroten Visionen schnell uebertuencht. Eine Sitzung des Bonner Haushaltsausschusses ist fuer die deutsche Entwicklungshilfe von groesserer Bedeutung als ein monumentaler UN-Gipfel. Eingezwaengt im engen Finanzkorsett setzen die Parlamentarier Prioritaeten: Fuer die Dritte Welt ist immer weniger Geld da, der Etat soll von knapp 8.9 Milliarden Mark im Jahr 1994 auf 8.1 Milliarden sinken. Vom ebenfalls auf einem UN-Gipfel (1992 in Rio) beschlossenen Ziel, 0.7 Prozent des Bruttosozialprodukts fuer Entwicklungshilfe auszugeben, ist keine Rede mehr. Der zustaendige Minister Carl-Dieter Spranger (CSU) bedauert das alles. Er ist nicht der Kaempfer, der sein Stueck vom Kuchen wenigstens in gleicher Groesse rettet. Doch ebensowenige versucht er, aus der Not eine Tugend zu machen, so gut das eben moeglich ist. Er unterbreitet keine Vorschlaege, wie mit etwas weniger Geld etwas mehr geleistet werden kann. Beispielsweise durch die Staerkung von Nichtregierungs-Organisationen, die oft billiger und besser helfen. Sprangers Devise lautet offenbar: Unauffaellig weiterwursteln wie bisher.


Hochmut kommt vor dem Fall (Sueddeutsche Zeitung)

Rund tausend Milliarden Dollar bewegen sich an einem Tag durch die Weltwirtschaft; sie sind ihr Herzblut, ohne das sie nicht lebensfaehig waere. Aber wenn der Blutdruck, das heisst, wenn der Wechselkurs nicht stimmt, stellen sich sehr schnell Krankheitssymptome ein. Was jeweils ein richtiger Wechselkurs ist, haengt von vielen Faktoren ab. Deshalb lautet eine alte Banker-Regel: "Der Dollarkurs ist immer falsch". Er ist in jedem Fall immer fuer die Verlierer falsch. So falsch wie jetzt war er aber nie, denn es gibt kaum noch Gewinner. Amerikaner, Europaer und Japaner leiden gleichermassen unter der Schwaeche der Weltreservewaehrung. Eigentlich muesste der extrem niedrige Kurs gegenueber den Waehrungen wichtiger Konkurrenten den Export der USA beguenstigen. Da er aber gleichzeitig die Einfuhren verteuert, von denen die Amerikaner nicht lassen wollen oder koennen, rutscht die Handelsbilanz tiefer denn je in die roten Zahlen, was wiederum auf den Dollarkurs drueckt. "Wir verlieren allmaehlich die Kontrolle ueber unser eigenes Schicksal", warnte kuerzlich ein Banker den Kongress. Der republikanische Praesidentschaftsbewerber Pat Buchanan spricht bereits von einer "nationalen Schande". In der Tat droht dem Aufschung der amerikanischen Wirtschaft Gefahr, wenn infolge des Dollarsturzes Inflations- und Zinsraten steigen. Europaeische Bankiers sprechen sogar von einer "Katastrophe". Der fallende Dollar zieht auch bei uns die Aktienkurse nach unten. Bei einem Kursverlust von acht Prozent im Maerz hat sich die Wettbewerbssituation der deutschen Exportwirtschaft erheblich verschlechtert. Bei anhaltend unguenstigem Kurs verschaerft sie sich weiter. Gegen Ende des Jahres und im naechsten Jahr kann dies nach Ansicht des Praesidenten der Hambruger Landeszentralbank, Hans-Juegen Krupp die Wachstumsrate bis zu anderthalb Prozent druecken. Auch wir waeren nicht mehr Herr unseres Schicksals. Die Bundsbank wuerde unter Druck geraten, ihre Stabilitaetspolitik aufzugeben und die Zinsen zu senken. Die steigende Arbeitslosigkeit waere innenpolitisch ein bedrohlicherer Sprengstoff als die Inflationsgefahr. Auch unsere europaeischen Nachbarn, die nicht weniger als wir unter den Wechselfaellen des internationalen Geldmarktes leiden, wuerden von den Frankfurter D-Mark-Huetern einen Verzicht auf die sture Disziplin verlangen.

Nationale Interessen bedenken "Soll man das Schicksal von Volkswirtschaften den Finanzmaerkten ueberlassen", fragt Hans-Juergen Krupp. Und der scheidende Daimler-Benz-Chef Edzard Reuter geht sogar noch einen Schritt weiter. Die Turbulenzen auf den Geldmaerkten duerfen der Politik nicht mehr egal sein. Um so weniger, als das Kostengefaelle zwischen den alten Industrienationen und ihren Herausforderern, insbesondere in Asien, ohnehin zu einem verschaerften Wettbewerb fuehre. Zwar will Reuter die Globalisierung der Wirtschaft, die Verlagerung von Produktionen in kostenguenstigere neue Maerkte nicht aufhalten, schliesslich beteiligt sich auch sein Unternehmen daran, aber das Tempo des Wandels macht ihm Sorgen. So scheut er sich nicht, wie kuerzlich bei einer Tagung der Draeger-Stiftung, immer wieder zu betonen, dass es nationale Interessen gebe, oder selbst ueber einen neuen Merkantilismus nachzudenken, ueber ein Eingreifen des Staates in wirtschaftliche Ablaeufe. Vorlaeufig sind dies nur Fragen, auf die keiner eine Antwort weiss. Klar ist nur, dass das Vertrauen in die regulierende Kraft des Marktes schwindet. Die Waehrungsturbulenzen haben mehr mit Psychologie als mit dem Markt zu tun. Die aktuelle Wirtschaftslage in den USA erklaert nicht die Schwaeche des Dollars, der eindeutig unterbewertet ist. Und umgekehrt laesst sich die Staerke der D-Mark und des Yen nicht aus dem Zustand der jeweiligen Volkswirtschaften herleiten. Allerdings sinkt der Wert des Dollars schon seit den sechziger Jahren. Der Verfall wurde nur voruebergehend durch Praesident Reagans Steuersenkungs- und Angebotspolitik aufgehalten. Seine Hinterlassenschaft, ein weiter gestiegenes Haushalts- und Handelsdefizit - die USA sind heute die am hoechsten verschuldete Nation der Welt - hat anschliessend die Talfahrt nur beschleunigt. Die Welt ist mit "printing press dollars", mit Dollars aus der Druckerpresse, ueberschwemmt, schreibt "Time", und das drueckt auf deren Wert, der allein durch einen Wirtschaftsaufschwung in den Vereinigten Staaten nicht ausgeglichen werden kann. Reuter hat recht: Es gibt nationale Interessen. Keine Weltbank und keine G-7-Konferenz kann die USA zu einer solideren Finanzpolitik zwingen, wie es bei Mexiko oder Aegypten moeglich ist. Aber selbst dann waeren die in der Welt vagabundierenden "Greenbacks" nur schwer unter Kontrolle zu halten. Solange es keinen Ersatz fuer den Dollar als Weltreservewaehrung gibt, wird man sich mit regelmaessig wiederkehrenden Dollarkrisen abfinden und die Hoffnung auf eine wesentliche Erholung des Kurses aufgeben muessen. Dem britischen Pfund war es am Ende seiner Rolle als Weltreservewaehrung aehnlich ergangen. Fuer den Dollar ist aber kein Ersatz in Sicht. Yen und D-Mark koennen diese Aufgabe nur teilweise schultern.

Waehrungsgemeinschaft suchen Was also kann gegen die naechste Spekulationsrunde getan werden? Eine Rueckkehr zu festen Kursen wie nach dem Bretton-Woods-Abkommen ist schon deshalb undenkbar, weil dieser Versuch einer Nachkriegsordnung fuer die Weltwirtschaft Anfang der siebziger Jahre an der Schwaeche des Pfundes und des Dollars zerbrochen ist. Ein internationales Instrument, das eingreifen koennte, gibt es nicht. Die Nationalbanken koennen sich nur jeweils um die eigene Waehrung kuemmern, insbesondere dann, wenn die USA selber keinen Finger fuer den Dollar ruehren. Und die nationale Zinspolitik kann nur begrenzt Waehrungsturbulenzen verhindern, zumal dann, wenn andere Prioritaeten dazu im Widerspruch stehen, wie augenblicklich bei der Bundesbank. In der "globalisierten" Weltwirtschaft mit ihrem weitgehend liberalisierten Kapitalverkehr sind Forderungen nach einer politischen Initiative zur Neuordnung des Weltwaehrungssystems gegenwaertig zum Scheitern verurteilt. Nicht einmal die europaeischen Finanzminister konnten sich Anfang der Woche darueber einigen. In diesem Chaos gibt es augenblicklich nur einen Fixpunkt: Maastricht und die Europaeische Waehrungsunion. Dass diese, wenn sie denn zustande kaeme, eine Barriere gegen die Spekulation bilden koennte, ist allerdings ausgeschlossen. Zunaechst einmal hat die Flucht aus dem Dollar in die Mark die europaeischen Waehrungen weiter auseinandergetrieben. Eine gemeinsame Waehrung waere bei den wirtschaftlichen Unterschieden in der EU auch nicht wuenschenswert. Dies wuerde aehnliche Probleme heraufbeschwoeren wie die 1:1-Einfuehrung der D-Mark in die ehemalige DDR. Fuer die schwachen Wirtschaften wie die portugiesische oder die griechische ist die Abwertung ihrer Waehrungen immer noch eine Wettbewerbserleichterung. Fuer die starken waere die Einigung auf eine gemeinsame Waehrung dagegen ein Vorteil. Nach aussen koennten sie sich gemeinsam besser gegen Waehrungsschwankungen behaupten und im Innern waere der Warenverkehr dadurch ueberhaupt nicht behindert. Die D-Mark ist am maechtigsten allein? Hochmut kommt vor dem Fall.


Quellen

SDR3    9:00 MESZ    12:00 MESZ    14:00 MESZ
B5    9:30 MESZ    11:30 MESZ
Antenne Bayern    11:00 MESZ
Radio7    13:00 MESZ    14:00 MESZ    17:00 MESZ
Suedwest Presse vom 25.03.1995
Sueddeutsche Zeitung vom 25./26.03.1995