GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Fr, 23.02.1996



* Ehepaar Schneider wieder in Deutschland
* SPD fordert Bundeshilfen fuer Vulkan AG
* Demonstration in Stralsund
* Forderungskatalog der SPD-Fraktionsvorsitzenden
* Interne Kontrolle von Konzernen soll verbessert werden
* Zwickel kuendigt haerteres Auftreten bei Tarifverhandlungen an
* Helmut Schoen gestorben
* Seehofer befuerchtet Erhoehungen der Krankenkassenbeitraege
* Deutschland bleibt bei der allgemeinen Wehrpflicht
* Berlin soll moeglichst rausch ausgebaut werden
* Angebot an Entfuehrer in Costa Rica
* Sojus TM23 koppelt an Mir an
* Noch ueber 5.500 Verfahren wegen NS-Verbrechen



Ehepaar Schneider wieder in Deutschland

Frankfurt am Main. Fast zwei Jahre nach ihrer Flucht sind der Bauloewe Juergen Schneider und seine Frau Claudia wieder in Deutschland. Das Paar kam am Morgen an Bord einer Lufthansalinienmaschine aus Chicago. Um 8 Uhr 18 landete die Maschine auf dem Frankfurter Flughafen und rollte sofort auf eine Vorfeldposition, dann dauerte es einige Minuten, mehrere Beamte des Bundesgrenzschutzes und einige Vertreter der Justzibehoerden bestiegen das Flugzeug und holten Juergen Schneider und seine Frau ab. Es dauerte nur wenige Augenblicke, Juergen Schneider und seine Frau wurden getrennt die Treppe heruntergefuehrt. Beide sahen sehr angeschlagen aus und wurden sofort in ein Auto verfrachtet welches sie zum Haftrichter in die Frankfurter Innenstadt brachte. Dieser bestaetigte am Mittag ihre Haftbefehle, somit sitzen beide jetzt in Untersuchungshaft. Beide hatten sich vor dem Richter nicht zu den Vorwuerfen der Staatsanwaltschaft geaeussert. Diese wirft ihnen Kreditbetrug, Urkundenfaelschung und betruegerischen Bankrott in Milliardenhoehe vor. Moeglicherweise schon naechste Woche werden die Verteidiger des Ehepaars einen erneuten Anlauf nehmen, Haftverschonung fuer ihre Mandanten zu beantragen. Zumindest fuer Claudia Schneider stehen die Chancen, das Gefaengnis schon bald wieder verlassen zu koennen, nicht schlecht. Ihre Gesundheit sei angeschlagen, hiess es. Im Sommer ist dann mit der Anklage zumindest gegen Juergen Schneider zu rechnen. Der Prozess soll dann Ende des Jahres beginnen.


SPD fordert Bundeshilfen fuer Vulkan AG

Bonn. Die SPD hat Finanzhilfen des Bundes fuer die angeschlagene Vulkanwerft gefordert. Wirtschaftsminister Rexrodt hatte gestern noch Sonderprogramme fuer die Werften aus der Bundeskasse abgelehnt. "Der Wirtschaftsminister kann sich nicht einfach in die Buesche schlagen, wenn es dick kommt" - so der SPD-Abgeordnete Sigmar Moosdorf erbost in einem Zeitungsinterview. Der Bund muesse Buergschaften leisten, um die Vulkan AG wieder zu stabilisiern. Guenther Rexrodt sieht zwar keine Chance fuer Sondergelder aus der Staatskasse, will sich aber in Bruessel fuer Flankierungsmassnahmen zur Arbeitsplatzsicherung bei den ostdeutschen Werften stark machen. Die EU allerdings hat den Geldhahn erst einmal zugedreht. Bislang wird geprueft, wo die bereits bezahlten 850 Millionen fuer die Ostwerften abgeblieben sind. Die Bremer Vulkan Verbund AG steht nach Einschaetzung ihres Aufsichtsratsvorsitzenden Brahms vor dem Aus, wenn die Europaeische Union auf der Rueckzahlung von Geldern an ostdeutsche Werften bestehen sollten. Dem Handelsblatt sagte Brahms, falls die nach Ansicht Bruessels zweckentfremdeten Subventionen in Millionenhoehe zurueckgegeben werden muessten, sei der Konkurs unvermeidlich. Die Aktie des angeschlagenen Schiffbaukonzerns sank heute auf einen neuen Tiefststand. Zum Boersenschluss wurde das Papier unter zehn Mark gehandelt.


Demonstration in Stralsund

In Stralsund demonstrierten am Nachmittag mehr als 4.000 Menschen fuer den Erhalt der Volkswerft. Auf Transparenten wurde auch die Rueckzahlung der vom Bremer Vulkan abgezogenen Foerdermittel verlangt. Mit rund 2.300 Beschaeftigten ist die Volkswerft dort der groesste Arbeitgeber der Region.


Forderungskatalog der SPD-Fraktionsvorsitzenden

Zwei Tage lang berieten in Mainz die SPD-Fraktionschefs aus Bund und Laendern. Ihr Thema: die Arbeitslosigkeit. Ergebnis: Ein Sofortprogramm, dessen Forderungen schon zum 1. Juli verwirklicht werden sollen. Darin wird eine beschaeftigungsorientierte Arbeitsmarktpolitik und eine Mittelstandsoffensive angemahnt. An erster Stelle steht die Forderung nach einer Senkung der Lohnnebenkosten. Der Bundesgesetzgeber soll dafuer bereits zum 1. Juli dieses Jahres sorgen. Damit wuerden vor allem kleine und mittlere Unternehmen entlastet und neue Arbeitsplaetze geschaffen. Entgegen ihrer Beschlussvorlage treten die SPD-Parlamentarier in der zum Abschluss ihrer zweitaegigen Konferenz verabschiedeten Entschliessung nicht fuer eine Oekosteuer ein. Man habe davon mit Ruecksicht auf den gemeinsamen europaeischen Markt Abstand genommen, erklaerte der Fraktionschef im rheinland-pfaelzischen Landtag, Joachim Mertes. Dem gegenueber betonte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Wolfgang Thierse, dass die SPD mittel- und langfristig an einer oekologischen Steuerreform festhalte. Thierse warnte davor, dass auch Sozialdemokraten an dem Missverstaendnis festhielten, dass es einen Widerspruch zwischen der Oekosteuer und der Ueberwindung der Massenarbeitslosigkeit gebe. Als weitere Massnahmen zur Schaffung von Arbeitsplaetzen haben die SPD-Fraktionsvorsitzenden den Abbau von Ueberstunden und eine Offensive fuer den Mittelstand gefordert.


Interne Kontrolle von Konzernen soll verbessert werden

Bonn. Die Bundesregierung will die interne Kontrolle grosser Unternehmen verbessern. Das Justizministerium will dazu im Fruehjahr die Eckpunkte fuer eine Reform des Aktienrechts vorlegen. Danach soll dem Aufsichtsrat eine groessere Verantwortung und auch eine hoehere Haftung zukommen. Die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Abschlusspruefer soll verbessert werden. Auch die IG-Metall forderte eine effektivere Kontrolle. Aufsichtsraete muessten mehr Einfluss auf die Unternehmenspolitik und groessere Entscheidungsbefugnisse haben.


Zwickel kuendigt haerteres Auftreten bei Tarifverhandlungen an

IG-Metall Chef Zwickel hat ein haerteres Auftreten seiner Organisation bei Tarifverhandlungen angekuendigt, falls das Buendnis fuer Arbeit mit den Unternehmern nicht zustande kommen sollte. Zwickel sagte im baden-wuerttenbergischen Leinfelden-Echterdingen, ohne eine Vereinbarung bleibe der Gewerkschaft nur der Weg durch Staerkung der Massenkaufkraft fuer zusaetzliche Nachfrage, mehr Produktion und eine Zunahme der Zahl der Arbeitsplaetze zu sorgen.


Helmut Schoen gestorben

Der Mann mit der Muetze ist tot. Altbundestrainer Helmut Schoen starb im Alter von 80 Jahren nach langer schwerer Krankheit in Wiesbaden. Er galt als erfolgreichster Nationaltrainer der Welt. Als er sein Amt als Bundestrainer 1964 antrat war fuer viele eines klar: aus dem Schatten seines Vorgaengers Sepp Herberger, dessen Assistent er bis dahin war, wuerde er nie heraustreten koennen. Und wie sie sich alle irrten. In den 14 Jahren als verantwortlicher Mann der Nationalmannschaft wurde Helmut Schoen selbst zur Legende. Finalteilname bei der WM 66 in England, dritter Platz vier Jahre spaeter in Mexico, Europameister 1972 und zweiter Platz bei den kontinentalen Titelkaempfen 1976. Den Hoehepunkt seiner Laufbahn aber feierte er 1974. Bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land stand seine Elf erneut im Finale. Am 7. Juli 1974 wurde Deutschland in Muenchen zum zweiten Mal Fussballweltmeister. Helmut Schoen galt als der erfolgreichste Trainer aller Zeiten.


Seehofer befuerchtet Erhoehungen der Krankenkassenbeitraege

Stuttgart. Bundesgesundheitsminister Seehofer befuerchtet deutliche Beitragserhoehungen der Krankenkassen. In einem Interview der Stuttgarter Nachrichten sagte er, es bleibe keine andere Wahl, falls die SPD weiter mit ihrer Bundesratsmehrheit eine wirksame Krankenhausreform verhindere. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Koalition sieht vor, dass die Ausgaben der Krankenhaeuser 1996 nicht staerker steigen duerfen als die Gehaelter im Oeffentlichen Dienst.


Deutschland bleibt bei der allgemeinen Wehrpflicht

Frankreich wird im Laufe der naechsten sechs Jahre eine Berufsarmee einfuehren. Die Entscheidung von gestern Abend wurde in Bonn mit grossem Interesse verfolgt. Konsequenzen wird sie aber fuer die deutsche Bundeswehr nicht haben. Sowohl die Bundesregierung als auch die Opposition waren sich einig: Deutschland haelt am bewaehrten Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht fest. Der Bundeskanzler setzt weiter auf die Wehrpflicht. Er sehe keinen Anlass, sie aufzugeben, betonte der Kanzler in einer schriftlichen Erklaerung zu der Entscheidung Frankreichs, bis zum Jahr 2002 die Wehrpflicht abzuschaffen. Die Bundesregierung werde die von Staatspraesident Chirac in Frankreich eingeleitete Debatte zur kuenftigen Ausgestaltung des Wehrdienstes mit grosser Aufmerksamkeit verfolgen. Allerdings, so Helmut Kohl woertlich, "es handelt sich hierbei um eine innerfranzoesische Entscheidung." Chiracs Ankuendigungen zur langfristigen Reform der franzoesischen Streitkraefte wertete der Kanzler als klares Bekenntnis zur Bedeutung und weiteren Vertiefung der deutsch-franzoesischen Zusammenarbeit. Politiker aus Union und SPD betonten heute einmuetig, die Wehrpflicht in Deutschland muesse beibehalten werden. Paul Breuer, der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion sagte, fuer die Bundeswehr sei und bleibe die Wehrpflicht als das grundlegende Element der Verteidigungsbereitschaft und Einsatzfaehigkeit unantastbar. Der SPD-Verteidigungsexperte Walter Kolbow nannte die Wehrpflicht die am besten geeignete Wehrforn. Im Gegensatz zur franzoesischen Armee haette die Bundeswehr bereits eine umfassende Strukturreform in den vergangenen Jahren hinter sich. Der Vorsitzende des NATO-Militaerausschusses und fruehere Generalinspekteur der Bundeswehr, Naumann, hat sich fuer die Beibehaltung der Wehrpflicht in Deutschland ausgesprochen. Im Deutschlandradio sagte Naumann, die Wehrpflicht ermoegliche im Verteidigungsfall die rasche Vergroesserung der Armee auf eine angemessene Staerke. Ausserdem sichere die Wehrpflicht den Zugang zu qualifiziertem Personal in grosser Breite.


Berlin soll moeglichst rausch ausgebaut werden

Berlin. Die Berliner CDU haelt nach den Worten ihres Landesvorsitzenden Diepgen daran fest, die Stadt moeglichst rasch auszubauen und die Verwaltung zu modernisieren. Seine Partei sei gut darauf vorbereitet, die Zukunft der Hauptstadt zu gestalten, betonte der Regierende Buergermeister heute auf dem Landesparteitag der Berliner christlichen Demokraten. Als weitere wichtige Aufgabe nannte er die Angleichung der Lebensverhaeltnisse in beiden Teilen der Stadt. Im Mittelpunkt des zweitaegigen Parteitages steht die Wahl eines neuen Vorstandes. Einziger Kandidat fuer den Posten des Landeschefs ist der bisherige Amtsinhaber.


Angebot an Entfuehrer in Costa Rica

Die Familienangehoerigen der in Costa Rica verschleppten Touristinnen wollen den Entfuehrern direkte Verhandlungen vorschlagen. Die Tochter der schweizer Reiseleiterin Siegfried kuendigte an, sie werde in costa-ricanischen Zeitungen einen verschluesselten Hinweis an die Kidnapper veroeffentlichen. Sie habe ihr Vorgehen mit der Regierung in San Jose abgestimmt. Die Polizei prueft inzwischen die Echtheit eines Schreibens, in dem die Entfuehrer ein neues Ultimatum stellen. Darin wird bis spaetestens 1. Maerz die Uebergabe des Loesegeldes in Hoehe von einer Million Dollar durch einen Vermittler verlangt. Die Schweizerin und die aus Baden-Wuerttemberg stammende Nicola Fleuchaus waren am Neujahrstag aus einem Hotel verschleppt worden.


Sojus TM23 koppelt an Mir an

Das russische Raumschiff Sojus TM23 hat am Nachmittag planmaessig an der Raumstation Mir angekoppelt. Die beiden Kosmonauten sollen die drei Besatzungsmitglieder, unter ihnen der Deutsche Thomas Reiter, am kommenden Donnerstag nach 180 Tagen Aufenthalt im All abloesen.


Noch ueber 5.500 Verfahren wegen NS-Verbrechen

Bonn. Deutsche Staatsanwaltschaften und Gerichte ermitteln oder verhandeln noch gegen rund 5.500 Personen wegen NS-Verbrechen. Das geht aus der ersten gesamtdeutschen Statistik zur Verfolgung von NS-Straftaten vor, die Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig heute vorlegte. Danach wurde seit dem Ende des 2. Weltkrieges gegen knapp 107.000 Menschen ermittelt, von denen ueber 6.000 rechtskraeftig verurteilt wurden. Schmidt-Jortzig raeumte ein, dass die Ahndung von Nazi-Verbrechen fuer die Justiz in der Bundesrepublik kein Ruhmesblatt gewesen sei.


Quellen

SDR 3    9:00 MEZ    23:00 MEZ
B 5    9:30 MEZ    16:30 MEZ
DLF    10:00 MEZ    18:00 MEZ
Radio 7    11:00 MEZ