GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Mi, 19.07.1995



* Deutsch-Spanische Konsultationen
* Kinkel appelliert an Entfuehrer von Touristen in Kaschmir
* Pieroth-Prozess muss neuverhandelt werden
* Oekobilanz fuer Getraenkeverpackungen vorgestellt
* Solingen-Prozess: Schwere Vorwuerfe an deutsche Politiker
* Streit in baden-wuerttembergischer Grosser Koalition
* Annette Schavan neue baden-wuerttembergische Kultusministerin
* Bayern: "Umweltpakt 2000" soll geschlossen werden
* Kommentar: Zwick und eine empfindliche Blamage
* Kommentar: Die Kraft des Rituals
* Boerse



Deutsch-Spanische Konsultationen

Santiago de Compostella. Bundeskanzler Kohl und der spanische Ministerpraesident Gonzales sind sich einig, dass im Bosnienkonflikt entschlossenes Handeln vonnoeten ist. Zum Abschluss des deutsch-spanischen Gipfels sagte Kohl, sollte die internationale Gemeinschaft dazu nicht in der Lage sein, haette dies erhebliche Konsequenzen fuer Europa. Der Kanzler sprach sich dafuer aus, dass Gewalt niemals an die Stelle von Demokratie treten duerfe. Gonzales aeusserte sich optimistisch, dass die Bosnien- Kontaktgruppe eine Loesung fuer die Moslemenklave Goraszde finden werde. Kohl sagte woertlich: "Wenn die Weltgemeinschaft zulaesst, dass gewaltsame Landnahme legitimiert wird, hat das schlimme Folgen fuer die Zukunft Europas."


Kinkel appelliert an Entfuehrer von Touristen in Kaschmir

Bonn. Bundesaussenminister Kinkel hat die extremistische Moslemgruppe Al-Fahran (sp?) aufgefordert, die fuenf im indischen Kaschmir entfuehrten Touristen freizulassen. Unter ihnen befindet sich auch ein Student aus Erfurt. Kinkel richtete seinen Appell an die Entfuehrer ueber die Deutsche Welle, den Auslandsrundfunk der Bundesrepublik. In Neu-Dehli hat sich ein Krisenstab gebildet, der sich um die Freilassung der Touristen bemueht. Al-Fahran will Gesinnungsgenossen aus indischer Haft freipressen.


Pieroth-Prozess muss neuverhandelt werden

Karlsruhe. Der groesste Weinpanscher-Prozess in Deutschland muss neu aufgerollt werden. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Landgerichtes Bad Kreuznach auf, das sechs leitende Mitarbeiter der Grosskellerei Pieroth freigesprochen hatte. Ihnen wird vorgeworfen, bis 1985 eigene Weine mit oesterreichischem Wein gepanscht zu haben. Dieser war ohne das Wissen der Angeklagten mit dem Frostschutzmittel Glykol versetzt. Zwei der Angeklagten hatten Gestaendnisse abgelegt, die das Landgericht aber nicht zuliess, weil sie unglaubhaft beziehungsweise unverwertbar seien. Dies ruegte der Bundesgerichtshof als Rechtsfehler und verwies den Fall zur Neuverhandlung an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Koblenz.


Oekobilanz fuer Getraenkeverpackungen vorgestellt

Bonn. Das Umweltbundesamt hat heute eine Oekobilanz fuer Getraenkeverpackungen vorgestellt. Danach ist zum Beispiel die Milchflasche nur bei kurzen Transportwegen vorteilhaft. Bei laengeren Wegen wuerden Milchbeutel und Karton gleichwertig zur Mehrwegflasche. Beim Bier dagegen ist laut UBA die beste Verpackung nach wie vor die Mehrwegflasche. Als Konsequenz denkt die Umweltministerin darueber nach, die in der Verpackungsverordnung festgeschriebene Mehrwegquote zu erhoehen und fuer andere Verpackungsarten, wie Weissblech- oder Aluminiumdosen, Lizenzen zu vergeben. Angela Merkel appellierte auch an die Verbraucher, nur Produkte aus ihrer eigenen Region zu kaufen.


Solingen-Prozess: Schwere Vorwuerfe an deutsche Politiker

Duesseldorf. Im Mordprozess um den Brandanschlag von Solingen hat ein Rechtsanwalt der Hinterbliebenen schwere Vorwuerfe an die bundesdeutschen Politiker gerichtet. Der Anwalt sagte, die Politik habe vor und nach dem Anschlag zu den steigenden Zahlen fremdenfeindlicher Straftaten beigetragen. Der so woertlich "rechtsradikale Mob" sei nach den Rostocker Krawallen von 1992 mit der Aenderung des Asylrechts belohnt worden. Dadurch sei die Angst vor Fluechtlingen und vor Ueberfremdung gefoerdert worden. Wie schon die Bundesanwaltschaft beantragten die Anwaelte der Nebenklaeger Hoechststrafen fuer die vier Angeklagten. Bei dem Anschlag in Solingen waren Ende Mai 1993 fuenf tuerkische Frauen und Maedchen getoetet worden.


Streit in baden-wuerttembergischer Grosser Koalition

Stuttgart. Der Streit in der baden-wuerttembergischen grossen Regierungskoalition schwelt weiter. Bei einer Debatte ueber die Steuerpolitik warfen sich Politiker von CDU und SPD im Hinblick auf den Streit um das Jahressteuergesetz gegenseitig falsche Konzepte und Rechnungen vor. Finanzminister Mayer-Vorfelder, CDU, sagte, die Vorschlaege der Sozialdemokraten fuehrten zu einer Finanzierungsluecke in Milliardenhoehe. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Maurer erklaerte, die Vorlage des Bundes sei nicht verfassungskonform.


Annette Schavan neue baden-wuerttembergische Kultusministerin

Stuttgart. Der baden-wuerttembergische Landtag hat heute Annette Schavan zur neuen Kultusministerin gewaehlt. Sie ist Nachfolgerin von Schulz-Hector, die aus privaten Gruenden vorzeitig zurueckgetreten war. Schavan war Leiterin des Cusanuswerkes, der Studienfoerderung der Katholischen Kirche. Daneben wurde eine neue Bauordnung verabschiedet. Sie sieht unter gewissen Bedingungen den Verzicht auf eine foermliche Baugenehmigung vor, das Vorhaben muss den Behoerden lediglich angezeigt werden.


Bayern: "Umweltpakt 2000" soll geschlossen werden

Muenchen. Ministerpraesident Stoiber will noch heuer mit der bayerischen Wirtschaft einen "Umweltpakt 2000" aushandeln. Geplant ist unter anderem die Einfuehrung eines Umweltemblems. Eine oekologische Steuerreform lehnte Stoiber ab. Eine Verteuerung von Erdgas, Oel und Kohle werde es mit der bayerischen Regierung nicht geben. Die SPD warf der Staatsregierung eine antiquierte Denkweise in der Umweltpolitik vor. So seien fuer die CSU Oekologie und Oekonomie immer noch Gegensaetze. Schmidt kritisierte, die Regierungserklaerung wimmle von Absichtserklaerungen und Wortschoepfungen.


Kommentar: Zwick und eine empfindliche Blamage

Kommentar der Sueddeutschen Zeitung Muenchen vom 19.07.1995 zur Frage, ob die Steueraffaere um den Baederunternehmer Zwick bereits verjaehrt ist: Selbst wenn man den boesen Verdacht, Justiz und Fiskus in Bayern haetten durch schleppende Ermittlungen die Zwick-Affaere absichtlich in die Verjaehrung trudeln lassen, bis zum Beweis des Gegenteils verdraengt: Der Skandal um die Niederschlagung von 70,9 Mio. DM Steuerschulden des frueheren Strauss-Spezis Zwick findet jetzt seine Fortsetzung. Auch wenn nur Fahrlaessigkeit oder Gleichgueltigkeit der Grund dafuer waren, ist es unfassbar, dass die Zwick-Akten Ende 1993 wochenlang in Muenchen herumkugelten, ehe sie knapp vor der Verjaehrung der Landshuter Staatsanwaltschaft auf den Tisch geknallt wurden. Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft in Muenchen haben den von der CSU im Wahljahr 1994 zur Glanzleistung in der Amigo-Abwehr hochstilisierten Zwick-Fall in Wirklichkeit behandelt wie einen Ladendiebstahl. Kommt es demnaechst tatsaechlich zur Einstellung des Strafprozesses gegen den Zwick-Sohn wegen Verjaehrung, sind nicht nur Justiz und Fiskus blamiert, sondern auch Stoiber und Waldenfels. Der von ihnen erweckte Eindruck, die boesen Taten des Zwick-Clans wuerden gesuehnt und die dem Staat vorenthaltenen Millionen herbeigeschafft, hat 1994 viele Waehler bewogen, der CSU wegen erwiesener Abkehr von den Amigo-Touren doch noch einmal die Stimme zu geben. Die Ruecktritte mehrerer CSU-Politiker und die angekuendigte Bereinigung der Zwick-Affaere waren Stoibers Pilotprojekte fuer eine affaerenfreie Zukunft. Erweist sich dieses Projekt im nachhinein als Mogelpackung fuer Wahlkampfzwecke, wird Stoiber sehr schnell den Vertrauensverlust zu spueren bekommen. Gepluster mit Initiativen gegen die Korruption wird ihm dann nichts mehr helfen.


Kommentar: Die Kraft des Rituals

Kommentar der Sueddeutschen Zeitung Muenchen vom 19.07.1995: Politische Strategien dienen - banal gesprochen - dem Machterhalt und sind darauf angelegt, langfristig Plaene zu buendeln, Unwaegbarkeiten auszuschalten und Ressourcen zusammenzufuehren, also Mittel und Moeglichkeiten zu optimieren. Politische Strategien entstehen aber nicht am gruenen Tisch, vielmehr reifen sie im Tagesgeschaeft und muessen aus der Menge des taeglichen Geplappers herausgefiltert werden. Einen Politiker zeichnet aus, wenn er diese strategischen Grundlinien erfassen kann, wenn er also in all den Baeumen den Wald noch erkennt. Wenn die christlichen Schwestern CDU und CSU zu einer Strategietagung zusammenkommen, dann ist genuegend politische Erfahrung versammelt, um diese Spuren herauszulesen. Erstaunlicherweise haelt sich der Diskussionsbedarf der Parteioberen aber in Grenzen, ernstzunehmende Differenzen sind nicht zu erkennen, die Union duempelt dahin in selbstgefaelliger Langeweile. Die Zeit nach Helmut Kohl - tabu; Zukunft der Volksparteien - im Griff; schwarz-gruen - abgewuergt. Kleine Scharmuetzel, ausgetragen ueber die Sonntagsblaetter, werden in den Parteien nicht weiter ernst genommen. In Wahrheit herrscht zwischen Bonn und Muenchen so eitler Frieden wie selten zuvor. Die Ruhe hat einen Namen: Helmut Kohl. Der CDU-Vorsitzende bestimmt den Diskussionsbedarf und den Stil der Auseinandersetzung in der Union. Wenn er nicht will, verhallt jedes aufmuepfige Gemotze aus den unteren Raengen der Partei. Kohl bestimmt den Spielplan des Theaters, dessen Intendant, Regisseur und Hauptdarsteller er selbst ist. Die Strategiesitzungen von CDU und CSU entfalten darin nur noch die beruhigende Kraft des Rituals.


Boerse

Der Markt litt heute an den schwachen Vorgaben der Wall Street. Am Abend kam
es an der Wall Street zu deutlichen Kurseinbruechen, insbesondere bei High
Tech-Firmen, weil durch Aeusserungen des Notenbankchefs Zinshoffnungen
zunichte gemacht wurden.

DAX      2.183  (- 10)
Umlaufr. 6,54 % (+ 0,04)
1 US-$   1,3866 DM, nachboerslich schwaecher



Quellen

SDR3 08:00 MESZ    11:00 MESZ    17:00 MESZ    22:00 MESZ
B5    13:45 MESZ
Kommentare: Sueddeutsche Zeitung Muenchen vom    19.07.1995