Bundestagsdebatte ueber Etat "Arbeit und Soziales" |
Das Parlament in Bonn beriet am Mittag ueber den Etat "Arbeit und
Soziales" von Bundesminister Bluem. Mit einem Volumen von 128,8 Milliarden
DM ist dies der groesste Einzelposten im diesjaehrigen Budget. Die
Opposition hielt der Regierung vor, sie trage Mitschuld an einer
wachsenden Armut in Deutschland. Die SPD-Abgeordnete Wegner verwies
darauf, dass nach Schaetzungen der Wohlfahrtsverbaende 10% der in der
Bundesrepublik lebenden Menschen staendig, und weitere 15% immer wieder
von Armut betroffen seien. Zuvor hatte der Bundestag ueber den Haushalt
der Ressorts "Innen" und "Justiz" diskutiert. Dabei sprach sich
Bundesministerin Leutheusser-Schnarrenberger dagegen aus, Rechtsmittel in
Strafverfahren zu beschraenken. |
Bundestagsdebatte ueber Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums |
Der Bundestag ist am Abend in die Aussprache ueber den Einzelhaushalt des
Bundesgesundheitsministeriums eingetreten. Er sieht Ausgaben in Hoehe von
811 Millionen DM vor. Zum Auftakt der Debatte warf der SPD-Abgeordnete
Ruebenkoenig Minister Seehofer vor, in der Frage einer Entschaedigung der
HIV-infizierten Bluter mit der Pharmaindustrie schlecht verhandelt zu
haben und jetzt mit 250 Millionen DM eine, so woertlich, Billigloesung
vorzulegen. Als "wuerdelose Kalkuliererei" bezeichnete der
Oppositionspolitiker die bekanntgewordenen Plaene fuer Kuerzungen im
Auslaender-Leistungs-Gesetz. |
Rente fuer Opfer des Blut-AIDS-Skandals |
Opfer des Blut-AIDS-Skandals der 80er Jahre sollen ab Mitte des Jahres
rueckwirkend zum 1. Januar 1994 monatlich Rente bekommen. Wer sich von
1988 an durch Blut oder Blutprodukte mit dem Virus angesteckt hat, soll
1500 DM, und bereits Erkrankte 3000 DM erhalten. Kindern und Ehegatten
verstorbener Opfer sollen 1000 DM gezahlt werden. Bund, Laender und
Pharmaindustrie gruenden zu diesem Zweck einen Entschaedigungsfonds. Er
hat einen Umfang von 250 Millionen DM. |
Bundestagsabgeordnete fordern verstaendlichere Gesetzestexte |
Bundestagsabgeordnete von Koalition und Opposition haben einfachere und
verstaendlichere Gesetzestexte verlangt. Im Verlauf der Haushaltsdebatte
des Bundestages forderte die SPD-Rechtsexpertin Daeubler-Gmelin das
Justizministerium auf, erheblich bessere Vorlagen zu liefern als bisher.
Es koenne nicht sein, so die SPD-Politikerin, dass das Mietrecht
inzwischen fuer die Buerger so unverstaendlich geworden sei wie das
Steuerrecht. Die CDU-Abgeordnete Tielmann erklaerte, es sei eine
"Entruemplungskampagne" in den Gesetzesbuechern notwendig. |
Bonn stoppt Ruestungslieferungen an die Tuerkei |
Angesichts der tuerkischen Militaeraktion gegen Kurden im Nordirak hat die
Bundesregierung in Bonn alle noch ausstehenden Ruestungslieferungen an
Ankara vorerst gestoppt. Nach einer Sondersitzung des Auswaertigen
Ausschusses des Bundestages teilte Minister Kinkel vor der Presse in Bonn
mit, dass unter anderem Berge- und Brueckenlegepanzer zurueckgehalten
wuerden. Er appellierte nochmals an die Tuerkei, sich so schnell wie
moeglich aus dem Nordirak zurueckzuziehen. Er forderte auch die Beachtung
der Menschenrechte und den Schutz der Zivilbevoelkerung. Die Europaeische
Union und die Vereinigten Staaten seien sich einig, dass das Kurdenproblem
nur mit politischen Mitteln zu loesen sei, betonte Kinkel. Dazu sei auch
internationale Hilfe erforderlich. Bereits gestern hatte sich die
Koalition in Bonn darauf verstaendigt, 150 Millionen DM an Zuschuessen
fuer die Lieferung von zwei Fregatten an die Tuerkei einzufrieren. |
Schroeder fordert mehr Finanzhilfe fuer deutsche Werften |
Mehr Finanzhilfe fuer die deutschen Werften hat der niedersaechsische
Ministerpraesident Schroeder, SPD, gefordert. Der Regierungschef sagte dem
Bremer "Weserkurier", die sozialdemokratisch regierten Laender wuerden das
geplante Jahressteuergesetz im Bundesrat zu Fall bringen, wenn Bonn eine
Aufstockung der Schiffsbauhilfen verweigere. Diese Frage entscheide ueber
"sein oder nicht sein" des Entwurfs von Finanzminister Waigel. |
Regierung beschliesst Waermeschutz-Foerderungsmassnahmen fuer Altbauten |
Die Bundesregierung hat ein Milliardenprogramm zum Klimaschutz
beschlossen. Ziel sei es, mit Energieeinsparungen bei Altbauten den
Kohlendioxidausstoss zu senken, teilten Umweltministerin Merkel und
Bauminister Toepfer heute in Bonn mit. Nach den Worten Toepfers werden ab
1996 pro Jahr 200 Millionen DM aus dem Haushalt fuer zinsguenstige Kredite
bereitgestellt. Damit sollen Waermeschutzmassnahmen an vor 1978
errichteten Gebaeuden in Westdeutschland verbessert werden. Das Programm
ist auf 5 Jahre befristet. |
Niedersachsen verlaengert Abschiebestop fuer Kurden bis Ende April |
Niedersachsen hat den Abschiebestop fuer Kurden in die Tuerkei um einen
Monat bis Ende April verlaengert. Das Land wolle zunaechst die Anhoerung
des Bundestags-Innenausschusses am 26. April abwarten, begruendete ein
Regierungssprecher in Hannover heute die Entscheidung. Gestern hatten
bereits Bremen und Hamburg die Frist verlaengert. Berlin will dagegen
abgelehnte kurdische Asylbewerber ab dem kommenden Samstag wieder in die
Tuerkei zurueckschicken. |
Beweisaufnahme um Brandanschlag auf Synagoge in Luebeck abgeschlossen |
Im Prozess um den Brandanschlag auf die Synagoge von Luebeck ist heute die
Beweisaufnahme geschlossen worden. Zuvor hatte einer der Angeklagten
ueberraschend gestanden, am 25. Maerz vergangenen Jahres die drei anderen
Tatverdaechtigen zum Tatort begleitet zu haben. Er habe jedoch nicht
gewusst, dass ein Anschlag auf die Synagoge geplant gewesen sei, sagte er
vor dem Oberlandesgericht in Schleswig. |
Bundesgerichtshof stuft fremdenfeindliche Parolen als strafbar ein |
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe koennen
auslaenderfeindliche Parolen die innere Sicherheit gefaehrden. Daher
duerfen Rechtsradikale auch wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung
bestraft werden, wenn sie in einer Gruppe fremdenfeindliche Parolen auf
Waende spruehen. Mit dieser Begruendung hob der Bundesgerichtshof ein
Urteil gegen 5 Rechtsextremisten aus der verbotenen Organisation
"Nationale Offensive" auf, und verlangte eine strengere Bestrafung. |
Rechtsextreme Wehrstportgruppe in Magdeburg ausgehoben |
Die Magdeburger Polizei hat eine illegale rechtsextreme Wehrsportgruppe
ausgehoben. Gegen mehrere Mitglieder der Vereinigung seien
Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, teilte ein Sprecher am Abend mit.
Ausserdem haetten die Beamten umfangreiches Beweismaterial sichergestellt. |
Deutscher Staedtetag fordert Anhebung der Gebuehr fuer Personalausweise |
Der Deutsche Staedtetag fordert, dass die Gebuehr fuer einen
Personalausweis von bisher 10 auf 30 DM angehoben wird. Das waere eine
Erhoehung um 200%. Die Staedte und Gemeinden subventionierten die
Ausstellung von Personalausweisen mit bis zu 200 Millionen DM jaehrlich,
rechnet der Staedtetag vor. Rund 13 DM verlange die Bundesdruckerei pro
Ausweis, mit dem Verwaltungsaufwand kaemen die Kommunen auf Gesamtkosten
von 30 DM. |
Stoiber kritisiert Foerdermassnahmen fuer Ostdeutschland |
Der bayerische Ministerpraesident Stoiber hat sich erneut kritisch mit den
Zahlungen fuer Ostdeutschland auseinandergesetzt. In einem heute
veroeffentlichten Beitrag fuer das Hamburger Blatt "Die Woche" schrieb der
CSU-Politiker, vor allem die flaechendeckende Sonderfoerderung in den
neuen Laendern muesse ueberprueft werden. Es gaebe bereits in Ostberlin,
Leipzig oder Dresden mehr Wirtschaftswachstum und weniger Arbeitslose als
in Dortmund, Braunschweig und Hannover. Nach Stoibers Ansicht sollen die
Foerdermittel fuer den Osten aber nicht generell zur Disposition stehen.
Der Ministerpraesident betonte, es komme auf einen gezielt
nutzbringenderen Einsatz an. |
Ermittlungen gegen ehemaligen DDR-Richter wegen Rechtsbeugung |
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat einen weiteren Richter der DDR wegen
Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung angeklagt. Der inzwischen 80jaehrige
habe als Vorsitzender Richter am obersten Gericht der DDR 1962 einen
Ostdeutschen zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Das Urteil habe auf
"Verbrechen gegen das Friedensschutzgesetz der DDR" gelautet, obwohl der
Richter gewusst habe, dass dies widerrechtlich gewesen sei. Aufgrund
dieser Entscheidung habe der Betroffene 4 Jahre in Haft gesessen. |
Herzog wuerdigt Ernst Juenger anlaesslich dessen 100. Geburtstag |
Der umstrittene Schriftsteller Ernst Juenger ist an seinem 100. Geburtstag
von Bundespraesident Herzog als "einzigartige Persoenlichkeit" gewuerdigt
worden. Bei einer Tischrede auf der Geburtstagsfeier in Saulgau hob der
Bundespraesident vor allem die Klarheit und Schaerfe der Gedanken Juengers
hervor. Zuvor hatten Herzog, Bundeskanzler Kohl und der
baden-wuerttembergische Ministerpraesident Teufel den Schriftsteller an
seinem schwaebischen Wohnort Wilflingen besucht. |
Ausstellung mit deutscher "Beutekunst" in Petersburg eroeffnet |
In der Petersburger Eremitage sind heute erstmals 74 bedeutende Gemaelde
gezeigt worden, die nach dem 2. Weltkrieg von Deutschland nach Russland
als sogenannte "Beutekunst" verschleppt wurden. Zu den Hoehepunkten der
Ausstellung gehoeren unter anderem Van Goghs "Das weisse Haus bei
Nacht", auch mehrere Werke von Renoir, darunter das Bild "Im Garten",
sowie verschiedene Gemaelde Cezannes. Die Ausstellung soll ab morgen der
Oeffentlichkeit zugaenglich sein. Die Zukunft der Bilder ist weiterhin
ungewiss. Die Erben der ehemaligen deutschen Besitzer verlangen die Werke
zurueck. Russland will die Schaetze als Entschaedigung fuer eigene
Verluste waehrend des "grossen vaterlaendischen Krieges" offenbar
behalten. |
Weitere Ermittlungen gegen ehemaligen Lotto-Chef Wetter |
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat weitere Ermittlungen gegen den
ehemaligen baden-wuerttembergischen Lotto-Chef Wetter bestaetigt. Dabei
geht es um einen Vertrag, der dem CDU-Politiker Wetter eine hohe Abfindung
fuer den Fall zugesichert haben soll, dass ihm bei einem
SPD-Landtagswahlsieg ein Sozialdemokrat zur Seite gestellt werden sollte.
Die Staatsanwaltschaft prueft jetzt, ob Wetter Bedingungen zum Nachteil
Baden-Wuerttembergs ausgehandelt hat. |
Berufungsverfahren gegen Selez-Attentaeter |
Im Berufungsverfahren gegen den Selez-Attentaeter Guenther Parcher hat die
Staatsanwaltschaft 2 Jahre und 9 Monate Gefaengnis beantragt. Dem
Angeklagten sei zwar kein Mordvorsatz nachzuweisen, aber der 40jaehrige
habe erheblichen kriminellen Willen entwickelt und sei bei seinem Attentat
auf die damalige Tennis-Weltranglistenerste Monica Selez planmaessig
vorgegangen, heisst es zur Begruendung. Das Berufungsverfahren wird
fortgesetzt. |
Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ins Leben gerufen |
Freunde und Kollegen haben einen Preis zu Ehren von Hanns Joachim
Friedrichs ins Leben gerufen. Wie es hiess, sollen mit dem Preis mutige
Fernsehjournalisten ausgezeichnet werden. Der
Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis soll jaehrlich verliehen werden und ist mit
10.000 DM dotiert. |
Kommentar zum Tod von Hanns Joachim Friedrichs |
Gelassen, kritisch und gefasst: So war der fruehere Fernsehmoderator
Hanns Joachim Friedrichs, der in der Nacht zum Dienstag im Alter von 68
Jahren gestorben ist, bis zum Ende. In einem Interview des
Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zog "Mister Tagesthemen", der populaere
Moderator der ARD-Tagesthemen, noch kurz vor seinem Krebstod in derselben
Weise die Bilanz seines Lebens, wie er Nachrichten praesentiert hatte: "Du
hast ja eigentlich ein tolles Leben gehabt. (...) Ich bin nie krank
gewesen, habe nie irgendwelche koerperlichen Gebrechen gehabt."
Lehrgeld in Vietnam Der weisshaarige Journalist, der als WDR-Reporter, Moderator der ARD-"Tagesthemen" und des "Aktuellen Sportstudio", als ZDF-Korrespondent in Vietnam, New York und Washington ein Stueck bundesdeutscher Nachrichtengeschichte mitschrieb, starb in Hamburg im Kreis seiner Familie. Die ersten Sporen verdiente sich der gebuertige Westfale von 1950 an beim Berliner "Telegraf". Fuer das ZDF ging Friedrichs 1972 fuer ein Jahr nach Vietnam. Als Kroenung des Journalismus sah er die Berichterstattung ueber Sterben und Tod nicht an. 1973 wurde Friedrichs Sportchef des ZDF - gegen den Widerstand des damaligen Vorsitzenden des Verwaltungsrats, Helmut Kohl. Kohl sei damals vehement gegen ihn gewesen. "Der hat mich lange ignoriert, was ja an sich kein Unglueck ist." Seinen Aufstieg verdankte der Journalist einem anderen Politiker - dem frueheren Aussenminister Hans-Dietrich Genscher, der im Verwaltungsrat wohl fuer ihn gestimmt habe. Die Beteiligung der Parteien an den Rundfunkanstalten, kritisierte Friedrichs in seinem letzten Interview, sei einfach ein "Suendenfall" gewesen. "Darum ist aus der ARD nie so etwas wie die BBC geworden." "Distanz halten" 1985 ging Friedrichs als erster Moderator zu einem neu konzipierten Nachrichtenmagazin, den ARD-"Tagesthemen". Fuer ein Millionenpublikum wurde er dort mit seiner kritisch-distanzierten Art, Schreckensnachrichten oder politische Interviews zu praesentieren, zum beliebtesten Moderator des Fernsehens. Er selbst sah das Geheimnis seines Erfolgs so: "Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in oeffentliche Betroffenheit versinken."
Nicht ohne Groll
1991 schied Friedrichs nicht ohne leisen Groll aus den "Tagesthemen" aus,
nachdem es 1989 internes Kompetenzgerangel mit der damaligen
ARD-Aktuell-Leitung gegeben hatte. Das Nachrichtenmagazin, dem er das
Format gegeben hatte, verliess er, um erstmal "nix" zu machen. Beim
Nichtstun blieb es nicht: Fuer das ZDF uebernahm Friedrichs die Moderation
der Dokumentationsserie "Wunderbare Welt" und kuemmerte sich um den
journalistischen Nachwuchs.
Im Bundestagswahlkampf 1994 gab Friedrichs auch seine parteipolitische
Neutralitaet - eine eherne Regel waehrend seines Berufslebens - auf. Als
Berater von SPD-Kanzlerkandidat Rudolf Scharping versuchte er, dem
Politiker Gelassenheit und Unverkrampftheit bei Fernseh-Auftritten
nahezubringen. Sein "Journalistenleben" liess Friedrichs in einem Ende
1994 erschienenen Buch Revue passieren. Er widmete es seiner langjaehrigen
Lebensgefaehrtin Ilse Madaus, die er Anfang dieses Jahres, nachdem er am
27. Dezember von seiner Lungen- und Leberkrebserkrankung erfahren hatte,
auf Sylt heiratete.
(Von dpa-Korrespondentin Gudrun Dometeit in der SUEDKURIER-Ausgabe vom
29.3.1995) |
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Quellen |
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