GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 16.04.1996



* Bundeskanzler Kohl fordert entschlossenen Sparkurs
* Oeffentliche Haushalte unter Sparzwang
* SPD in Mecklenburg-Vorpommern traegt Werftenkompromiss
* Prozess gegen Berliner Tunnelgangster beginnt in Berlin
* Bundeswehr wird auf Einsatz von Anti-Personen-Minen verzichten
* Deutschland nimmt bei der Abruestung Spitzenstellung ein
* Holocaust-Gedenktag in Israel
* Eklatante Verstoesse gegen Sicherheitsvorschriften in Duesseldorf
* Bayern bleibt beim Thema Abtreibung hart
* Das Wetter
* Boerse



Bundeskanzler Kohl fordert entschlossenen Sparkurs

Bundeskanzler Kohl hat erneut zu einem entschlossenen Sparkurs aufgerufen. Vor der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion sagte Kohl in Bonn, es gehe darum, den Wohlstand zu sicheren. Es muesse sowohl gegen Missbildungen im Sozialsystem, als auch gegen Steuerhinterziehungen und Subventionsbetrug vorgegangen werden. Finanzminister Waigel bestaetigte, dass die Koalition in ihrem Sparpaket bereits beschlossene Massnahmen, wie die Anhebung des Kindergeldes und die zweite Stufe der Pflegeversicherung in Frage stellt. Waigel betonte, ueber beides werde ebenso gesprochen, wie ueber einen Verzicht der Rentenanpassungen. Zur Diskussion um moegliche Nullrunden im oeffentlichen Dienst betonte Waigel, was in anderen Laendern praktiziert werde muesse auch in Deutschland moeglich sein. Der Deutsche Staedtetag befuerchtet angesichts der Bonner Sparplaene weitere Finanzlasten fuer die zumeist hochverschuldeten Kommunen. Nach einer Praesidiumssitzung in Erlangen sagte der Praesident Seiler, Aenderung bei der Steuer und zusaetzliche Aufgaben im sozialen Bereich koennten die Staedte endgueltig zum Ertrinken bringen. Nach Plaenen der Koalition sollen die bisherigen Vorschlaege kommende Woche in der Kanzlerrunde mit Wirtschaft und Gewerkschaften besprochen werden. Die SPD kuendigte fuer Ende April eigene Sparplaene an.


Oeffentliche Haushalte unter Sparzwang

Der Sparzwang fuer oeffentliche Haushalte ist offenbar noch staerker als bisher angenommen wurde. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos nannte heute die Zahl 60 Milliarden, nachdem bisher von 50 Milliarden DM geredet worden war. Groesser als angenommen ist die Luecke laut Glos vor allem bei den Laendern und Kommunen. Allein in deren Haushalten werden demnaechst 30 bis 35 Milliarden DM fehlen. Nullrunden fuer die Beamten, Angestellten und Arbeiter im oeffentlichen Dienst, so Glos, seien deshalb fuer die Laender, Staedte und Gemeinden von weit groesserer Bedeutung als fuer den Bund, dessen Personalkostenanteil sehr viel niedriger ist. Solche Nullrunden wuerden nach den Worten des CSU-Politikers ebensowenig einfach verfuegt, wie Aenderungen bei der Lohnfortzahlung fuer kranke Arbeitnehmer. Glos bestaetigte, dass in der Koalitionsfuehrung ueber eine Verschiebung der gesetzlich schon festgelegten Kindergelderhoehung gesprochen werde und gab auch zu erkennen, dass die Einfuehrung der zweiten Stufe der Pflegeversicherung zur Jahresmitte 1996 noch heftig diskutiert wird. Aus Koalitionskreisen war weiterhin zu erfahren, dass die Einnahmeausfaelle, die den Laendern durch einen Wegfall der Vermoegenssteuer entstehen wuerden, moeglicherweise durch eine Erhoehung der Erbschaftssteuern auf groessere Vermoegen kompensierte werden sollen. Mit der Zukunft der Rentenformel schliesslich soll sich eine Kommission beim Bundesarbeitsministerium befassen. Glos dazu: die Alten koennen sich ihrer Rente sicherer sein als die heute noch jungen.


SPD in Mecklenburg-Vorpommern traegt Werftenkompromiss

Die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern wollen den Kompromiss fuer die Sanierung der Werften im Lande ungeachtet der Kritik an der Finanzministerin mittragen. Das Konzept sieht vor, dass sich das Land zu einem Drittel an den Kosten beteiligen muss. Wirtschaftsminister Ringsdorf, SPD, verlangte nicht direkt den Ruecktritt seiner Kabinettskollegin, meinte aber, auf Dauer koenne es keine Zusammenarbeit mehr geben. Die CDU-Politikerin selbst wies die Vorwuerfe, sie habe schlecht verhandelt zurueck.


Prozess gegen Berliner Tunnelgangster beginnt in Berlin

Berlin. Vor dem Berliner Landgericht wird seit heute gegen sechs der mutmasslichen Berliner Tunnelgangster verhandelt. Den Angeklagten wird unter anderem schwerer Raub und Geiselnahme vorgeworfen. Gleich der erste der sechs Maenner hat sich bei seiner Aussage wohl dazu entschlossen, mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten. Gleich zu Beginn gab es also das erste Gestaendnis. Der Prozess um den spektakulaeren Tunnelcoup von Zehlendorf war fuer die Zuschauer eine spannende Angelegenheit. Atemlose Stille deshalb auch im Gerichtssaal, als der 33jaehrige tatverdaechtige Syrer Muhammed El Karmi seine Version des Tathergangs schilderte. Demnach war El Karmi erst zu einem recht spaeten Zeitpunkt dabei. Nur die letzten drei Monate will er an dem Tunnelbau mitgearbeitet haben. Insgesamt haben die kriminellen Bauarbeiten nach den Ermittlungen der Polizei etwa 16 Monate gedauert. Wie der Tunnel entstanden ist, das schilderte Muhammed El Karmi in vielen Einzelheiten: einer schaufelte den Sand frei, einer verpackte die Erde in Saecke, ein weiterer zog diese Saecke durch den Tunnel. Jeweils an einem Tag wurde gebuddelt, am jeweils naechsten Tag wurden die etwa 70 gefuellten Sandsaecke mit einem Transporter nach Ost-Berlin weggeschafft. Fuer Verwunderung sorgte Muhammed El Karmi mit dem Hinweis, ein Komplize habe ihm beim Aufknacken der Bankschliessfaecher genaue Angaben darueber gemacht, welche Faecher aufgestemmt werden sollen und welche nicht. Das gibt dem Verdacht neue Nahrung, wonach eventuell eine Mitarbeiterin der Bankfiliale am Tunnelcoup beteiligt war.


Bundeswehr wird auf Einsatz von Anti-Personen-Minen verzichten

Die Bundeswehr wird in Zukunft auf den Einsatz von Anti-Personen-Minen verzichten. Verteidigungsminister Ruehe hat dies in einem Brief an Aussenminister Kinkel erklaert. Die Ankuendigung kommt rechtzeitig fuer die am Montag in Genf beginnenden Landminenkonferenz der Vereinten Nationen. Mit dem Verzicht will Bundesverteidigungsminister Ruehe, CDU, offenbar ein politisches Signal setzen. In den Magazinen des Heeres lagerten zwischenzeitlich mehr als eine Million dieser Waffen. Den Grossteil davon hat die Bundeswehr aus den Bestaenden der Natioalen Volksarmee geerbt. Aber auch in ihren Verteidigungskonzepten ist der Einsatz von Anti-Personen-Minen bislang noch vorgesehen. Ihre sogenannten Sperrkonzepte - sie legen fest, wie etwa Haeuser und Bruecken zu sichern sind - muessen jetzt geaendert werden. Im Verteidigungshaushalt sollen kuenftig keine Mittel fuer Forschung, Entwicklung sowie Beschaffung von Anti-Personen-Minen vorgesehen werden. Das gilt jedoch nicht fuer Panzerabwehrminen. Vor allem Russland und China haben bisher Erfolge bei der UN-Landminenkonferenz verhindert. Nach Schaetzungen der Vereinten Nationen gefaehrden weltweit etwa 110.000.000 Anti-Personen-Minen vor allem die Zivilbevoelkerung. Durch ihren guenstigen Preis sind sie in Laendern der dritten Welt zu einem bevorzugten Mittel der Kriegsfuehrung geworden.


Deutschland nimmt bei der Abruestung Spitzenstellung ein

Die Bundesrepublik Deutschland nimmt bei der militaerischen Abruestung einen Spitzenplatz ein. Dies geht aus einer heute veroeffentlichten Studie des internationalen Konversionszentrums in Bonn hervor. Wie es weiter heisst, hat Deutschland sein Militaerpotential zwischen 1985 und 1994 um 42 Prozent reduziert. Weltweit waren es 21 Prozent. Die Militaerausgaben aller Staaten sanken um 30 Prozent. Mitentscheidend fuer die hohe Quote in Deutschland sei die erhebliche Truppenreduzierung sowie die Aufloesung der nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR. Die Bundesrepublik sei allerdings aufgrund der innerdeutschen Veraenderungen auch zu einem der groessten Exporteure gebrauchter Waffen geworden. Durch die weltweite Abruestung sind der Studie zufolge mehr als sechs Millionen Arbeitsplaetze verloren gegangen.


Holocaust-Gedenktag in Israel

Um Punkt zehn Uhr stand in Israel das oeffentliche Leben fuer eine Minute still. Mit dieser Schweigeminute hat ganz Israel der Opfer des Holocaust gedacht, der Opfer des Massenmordes der Nazis an den Juden im zweiten Weltkrieg. In Prag wurde anlaesslich des Holocaust-Gedenktages die Pinkas-Synagoge wiedereroeffnet. In den Mauern der Synagoge sind die Namen von etwa 80.000 tschechischen Juden eingraviert, die in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten umgebracht wurden. Mit einem Gedenkmarsch vom ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz ins drei Kilometer entfernet Lager Birkenau gedachten junge Juden in Polen der Ermordeten. Die mehr als 5.000 Teilnehmer aus 40 Staaten trugen Holzplaketten mit den Namen getoeteter Anghoeriger mit sich, um sie symbolisch zu beerdigen. Unterdessen wurde in Bonn ein Foerderverein gegruendet, der die Einrichtung eines Museeums fuer juedische Geschichte in Polen unterstuetzt. Es soll auf einem Grundstueck im ehemaligen Warschauer Ghetto stehen.


Eklatante Verstoesse gegen Sicherheitsvorschriften in Duesseldorf

Fuenf Tage nach dem verheerenden Feuer im Duesseldorfer Flughafen haben sich die Anhaltspunkte verdichtet, dass am Flughafen massiv gegen Sicherheitsvorschriften verstossen wurde. Ein Brandschutzexperte bestaetigte, dass in den Zwischendecken des Flughafens grosse Mengen leicht entflammbares Styropor verwendete wurde. Dieses Styropor kann am vergangenen Donnerstag fuer die schnelle Ausbreitung des Feuers verantwortlich gewesen sein. Laut Baugenehmigung aus dem Jahre 1975 haette man diese Styropore dort allerdings nicht verwenden duerfen. Vorgeschrieben waren schwer entflammbare Materialien. Bisher hat niemand erklaeren koennen, wie ein solch eklatanter Sicherheitsmangel ueber so viele Jahre trotz der zahlreichen Sicherheitsueberpruefungen nicht entdeckt wurde. Die Landesregierung hat unterdessen erste Konsequenzen aus dieser Maengelliste gezogen. Man will jetzt eine unabhaengige Brandschutzkommission einsetzen, die die Sicherheit in allen oeffentlichen Gebaeuden ueberprueft. Daneben will man PVC-haltige Kabel verbieten. Diese Kabel wurden in Duesseldorf fuer die toedlichen Gase verantwortlich gemacht, die sechzehn Menschenleben gefordert haben.


Bayern bleibt beim Thema Abtreibung hart

Bayern bleibt beim Thema Abtreibung bei einem haerteren Kurs als der Bund und die uebrigen Laender. Der Ministerrat beschloss heute einen Gesetzentwurf zur Schwangerenberatung, der vom Bundesgesetz abweicht. Die Staatsregierung bleibt dabei: wenn eine Frau einen Schwangerschaftsabbruch will muss sie bei der Beratung ihre Gruende dafuer darlegen. Sonst gibt es keine Bescheinigung von der Beratungsstelle und damit keine Abtreibung. Bayern geht damit einen eigenen Weg, denn im muehsam gefundenen Gesetz des Bundes wird die Mitwirkung der Frau bei der Beratung zwar erwartet, doch gleichzeitig schliesst das Bonner Gesetz es aus, dass eine Frau zur Mitwirkung gezwungen werden kann. Gerade wegen dieses Punktes hatte Bayern im Bundesrat den Bonner Kompromiss abgelehnt. Sozialministerin Stamm betonte heute, Bayern bleibe bei seinem Kurs, denn schliesslich gehe es um ungeborenes Leben. Konflikte mit dem Bund wegen des bayerischen Weges befuerchtet Barbara Stamm nicht. Sie stuetzt sich auf das Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruhre Richter, so die Ministerin, haetten mit ihrem Urteil die Mitwirkung der Frau als unerlaesslich bezeichnet. Noch ein Novum gibt es beim Thema Abtreibung. Die Staatsregierung legte fest, dass niedergelassene Frauenaerzte hoechstens 25 Prozent ihrer Einnahmen aus Schwangerschaftsabbruechen erzielen duerfen. Zustaendig fuer die Kontrollen sind die Bezirksregierungen.


Das Wetter

Die Lage: Das Hoch ueber Deutschland schwaecht sich ab, bleibt aber bis morgen Abend wetterbestimmend. Erst danach wird der Suedwesten von einem Tiefauslaeufer in abgeschwaechter Form erfasst. Die Vorhersage: Heute bis zum Abend sonnig und trocken. In der Nacht klar und Abkuehlung auf fuenf bis null Grad. Vor allem im Bergland um im Osten nochmals leichter Frost bis minus drei Grad. Morgen erneut sonnig. Erst gegen Abend in Baden sowie an der Grenze zu Frankreich und Benelux aufkommende starke Bewoelkung, doch erst in der Nacht zum Donnerstag einzelne Schauer oder Gewitter. Hoechsttemperaturen 17 bis 22 Grad. In Rheinnaehe oertlich bis 25 Grad. Schwacher bis maessiger, tagsueber auffrischender Wind aus Ost bis Suedost.


Boerse

Einige Kurse:
US-Dollar(1 US_$)  1,5089
Kanada(1 $)  1,1116
ECU-Wert(1 ECU)  1,90187
England(1 Pfund)  2,2774
Schweiz(100 sfr)  122,815
Frankreich(100 FF)  29,4450
Italien(1000 Lit)  0,9582
Oesterreich(100 oeS)  14,2200
Spanien(100 Ptas)  1,1996
Japan(100 Yen)  1,3937
Schweden(100 skr)  22,3380
 
Einige Indizes:
DAX:2538.38
Dowjones-Index:5620.02
Nikkei-Index:21868.17
 
(alle Angaben ohne Gewaehr)  



Quellen

B5    12:00 MESZ    17:00 MESZ
DLF    18:00 MESZ