GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Di, 27.10.1998



* Regierungswechsel in Bonn vollzogen
* Hamburger Verfassungsschuetzer wird Chef der Geheimdienste
* Karlsruhe verwirft bayerisches Abtreibungssondergesetz
* Guenter Krause in der Zwickmuehle
* Boerse



Regierungswechsel in Bonn vollzogen

Der heutige Tag bot reichlich Anschauungsmaterial in Sachen Grundgesetz. Vier Wochen nach der Wahl vollzogen die Verfassungsorgane der Bundesrepublik den geordneten Uebergang von einer Regierung zur naechsten. Wichtigster Tagesordnungspunkt war am Mittag die Wahl von Gerhard Schroeder zum Bundeskanzler. Mit ueberraschend klarer Mehrheit wurde der Sozialdemokrat in das maechtigste Amt im Staate eingesetzt. Es folgten die Ernennung durch Bundespraesident Herzog, die Vereidigung vor dem Parlament und die formelle Einfuehrung des rot-gruenen Kabinetts. Ein neuer Abschnitt deutscher Nachkriegspolitik kann beginnen.

Nicht einmal eine viertel Stunde dauerten die Ansprachen des alten und des neuen Bundeskanzlers, Helmut Kohl sichtlich geruehrt, wuenschte seinem Nachfolger Gerhard Schroeder viel Erfolg: "Neuer Bundeskanzler, ich wuensche Ihnen fuer unser Vaterland eine glueckliche Hand. Sie uebernehmen diese Aufgabe in einer Zeit mit ganz anderen Masstaeben und vor allem mit ganz anderen Herausforderungen als ich das damals erfahren habe vor 16 Jahren. Aber ich finde es hat auch - macht wenig Sinn, unentwegt die Geschichte zu versuchen neu zu schreiben." "Sie sind Geschichte" antwortete der neue dem alten Bundeskanzler. Ganz besondere Groesse hat Helmut Kohl in den Augen Gerhard Schroeders in der Stunde der Wahlniederlage gezeigt: "Ich muss Ihnen ein Kompliment machen. Das Kompliment naemlich, dass die Art und Weise, wie Sie Selbstverstaendlichkeit, Normalitaet deutlich gemacht haben im demokratischen Wechsel, dass dies uns allen sehr geholfen hat. Sie haben zu Recht davon geredet, dass das Deutschlands Ansehen auch in der Welt im uebrigen vermehrt hat. Und lassen Sie mich das so schlicht sagen. Ich verspreche Ihnen, in der Regierungserklaerung werden Sie noch einmal lobend erwaehnt - dann ist aber auch Schluss." Eine Portion Humor bewiesen heute abend beide, der neue und der alte Bundeskanzler. Der neue, Gerhard Schroeder, um dem alten, Helmut Kohl, den Abschied etwas leichter zu machen. Doch das war sichtlich schwer, nach 16 Jahren Helmut Kohl im Kanzleramt, die jetzt zu Ende sind.

Nach dem neuen Bundeskanzler Schroeder haben nun auch die 15 Minister der rot-gruenen Regierung ihren Amtseid im Bundestag abgelegt. Bundestagspraesident Wolfgang Thierse nahm dem neuen Bundeskanzler den Amtseid ab: "Herr Bundeskanzler, ich reiche Ihnen das Grundgesetz fuer die Bundesrepublik Deutschland und bitte Sie, den Eid zu leisten." "Ich schwoere, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfuellen und Gerechtigkeit gegenueber jedermann ueben werde." (Schroeder) Fuer Schroeder stimmten in geheimer Wahl sechs Abgeordnete mehr, als SPD und Gruene Sitze haben. Inzwischen ist auch Schroeders Kabinett im Amt. Bundespraesident Herzog ueberreichte den elf Ministern und vier Ministerinnen ihre Ernennungsurkunden: " Jetzt sind Sie die Regierung der Bundesrepublik Deutschland. Nehmen Sie Ihre Befugnisse mit Mut, Kraft und Augenmass wahr. Meine besten Wuensche begleiten Sie dabei."


Hamburger Verfassungsschuetzer wird Chef der Geheimdienste

Die vorlaeufig letzte Personalentscheidung von Gerhard Schroeder wurde heute morgen bekannt. Danach wird der Hamburger Polizeipraesident Ernst Uhrlau ab naechsten Monat die Arbeit der deutschen Geheimdienste koordinieren. Der 51-jaehrige Sozialdemokrat, der auch schon den Verfassungsschutz der Hansestadt geleitet hat, tritt damit die Nachfolge von Bernd Schmidtbauer an. Der neue Bundeskanzler persoenlich hat den Hamburger Polizeipraesidenten in sein Bonner Team gebeten. Ab der kommenden Woche wird Ernst Uhrlau dort die Arbeit der Geheimdienste BND, Verfassungsschutz und MAD koordinieren. Allerdings nicht, wie sein Vorgaenger, als Staatsminister, sondern als Abteilungsleiter. Schon vor der Wahl hatte der Sozialdemokrat den Arbeitskreis Innere Sicherheit der SPD beraten. 15 Jahre lang arbeitete der studierte Politologe beim Hamburger Verfassungsschutz, fuenf Jahre davon als Leiter. Er gilt als brillianter Analytiker und Extremismus-Experte. Zu seinen genauen Aufgaben in Bonn aeusserte sich Uhrlau heute noch nicht, wies aber Zweifel an der Notwendigkeit von Geheimdiensten zurueck, wie sie in der Vergangenheit vereinzelt von den Gruenen zu hoeren waren. Wichtig werde die Rolle der Dienste auch innerhalb der europaeischen Union sein: "Sicherheitsdienste, Nachrichtendienste auch als Fruehwarnsystem kuenftiger Entwicklungen im europaeischen Bereich oder bezogen auf die Konfliktfelder, die fuer Europa eine Bedeutung haben."


Karlsruhe verwirft bayerisches Abtreibungssondergesetz

Nach dem Karlsruher Urteil hat die SPD im bayerischen Landtag mehrere Dringlichkeitsantraege gestellt. Darin wird die Staatsregierung aufgefordert, die bayerischen Sondergesetze unverzueglich zurueckzunehmen und keine weiteren rechtlichen Schritte einzuleiten. Das Bundesverfassungsgericht hatte am Vormittag den bayerischen Sonderweg im Abtreibungsrecht fuer verfassungswidrig erklaert. Mit ihrem Urteil gaben die Richter in Karlsruhe der Klage von fuenf Aerzten recht. Nach dem heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts koennen die beiden Abtreibungsspezialisten Andreas Freudemann und Friedrich Stapf ihre Praxen uneingeschraenkt weiterbetreiben, in denen sie in den beiden vergangenen Jahren den groessten Teil aller Schwangerschaftsabbrueche im Freistaat vornahmen. Die mit dem umstrittenen Gesetz geplante Facharzterfordernis wird zumindest fuer diese beiden nicht gelten. Fuer vollkommen nichtig erklaerte das Bundesverfassungsgericht die Begrenzung zulaessiger Einnahmen aus Schwangerschaftsabbruechen auf ein Viertel der Gesamteinkuenfte eines Arztes. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes hat bereits der Bundesgesetzgeber den Spielraum fuer Sonderwege der Laender insoweit versperrt, Bayern also seine Gesetzgebungskompetenzen ueberschritten. Nicht betroffen von dem Karlsruher Urteil ist das bayerische Beratungsgesetz.

Fuer die bayerische Staatsregierung ist dieses Urteil eine harte Lektion. Die bayerische Staatregierung liess offen, ob sie erneut eine Initiative in Sachen Abtreibungsrecht starten wird. Barbara Stamm kuendigte an, dass man das Votum der drei Richter genau pruefen werde, die sich der bayerischen Haltung angeschlossen hatten. Fest steht aber jetzt schon, dass der Streit um die Abtreibung in Bayern weiter gehen wird. Die SPD kuendigte Dringlichkeitsantraege im Landtag an. Damit will sie einen neuen Anlauf von CSU und Staatsregierung verhindern. Es muesse endlich Rechtsfrieden herrschen, verlangte die SPD-Landes- und Fraktionschefin Renate Schmidt: "Wir fordern die bayerische Staatsregierung auf, jetzt umgehend diese bayerischen Sondergesetze zurueckzuziehen und endlich die Bundesgesetzgebung auch hier im Freistaat Bayern zu verwirklichen und Abstand zu nehmen von jeglichen Bestrebungen, den muehsam ausgehandelten Kompromiss zum Schutz des ungeborenen Lebens und zur Rechtssicherheit von Frauen, diesen nun nicht ein weiteres Mal in Frage zu stellen." Die Gruenen hoffen, dass qualifizierte Frauenaerzte jetzt in Ruhe ihre Behandlungsmoeglichkeiten fuer Schwangerschaftsabbrueche ausbauen koennen und so die Versorgung besser wird.


Guenter Krause in der Zwickmuehle

Gegen den frueheren Bundesverkehrsminister sind drei Haftbefehle ergangen. Das hat das Landgericht Rostock bestaetigt. Damit soll Krause gezwungen werden, entweder seine Schulden zu begleichen oder einen Offenbarungseid zu leisten. Hintergrund des juristischen Verfahrens sind finanzielle Forderungen von drei Vertragspartnern der Immobilienfirma Krauses Aufbau Invest. Ihnen soll der Exminister insgesamt 1,1 Millionen DM schulden.


Boerse

Einige Kurse:
US-Dollar(1 US_$)  1,6630
Kanada(1 $)  1,0798
England(1 Pfund)  2,7690
Irland(1 Pfund)  2,4900
Schweiz(100 sfr)  122,0600
Frankreich(100 FF)  29,8260
Italien(1000 Lit)  1,0109
Oesterreich(100 oeS)  14,2130
Spanien(100 Ptas)  1,1769
Japan(100 Yen)  1,3892
Schweden(100 skr)  21,4200
 
Einige Indizes:
DAX:4682,45( aktuell )  
Vortagswert leider nicht verfuegbar
Dow-Jones-Index:8475,72( Stand 17:00 MESZ )  
8432,21( Schlussstand Vortag )  
Nikkei-Index:13820,68
 
(Alle Angaben ohne Gewaehr)  



Quellen

B3    19:00 MEZ
B5    19:30 MEZ