GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Do, 04.06.1998



* Bergung von Toten bei Eschede schreitet fort
* Kraeftige Zunahme des Bruttoinlandsprodukts
* Audi will britischen Motorenhersteller Cosworth kaufen
* Hauptversammlung von VW: zukuenftige Strategien
* Martin Walser erhaelt Friedenspreis
* Ehemaliger Boxweltmeister verhaftet
* Harte Angriffe gegen Scientologie
* Zeugin gesucht
* Boerse



Bergung von Toten bei Eschede schreitet fort

Nach dem schweren Zugunglueck bei Eschede laufen die Bergungsarbeiten auf Hochtouren. Seit gestern haben die Rettungsmannschaften allerdings keinen einzigen Ueberlebenden mehr geborgen, und darauf besteht auch so gut wie keine Hoffnung mehr. Die Zahl der Toten klettert alllerdings weiter. Mittlerweile ist von 92 die Rede. Drei Kraene sind seit den fruehen Morgenstunden im Einsatz, um die schweren Betontruemmer von der Unfallstelle zu beseitigen. Die Arbeiten sind aeusserst schwierig. Es wird noch dauern, bis die Retter an die letzten Wagen unter den Betontruemmern herankoennen. Es ist der Speisewagen, und dort vermutet der Sprecher der Eisenbahn AG noch weitere Opfer. Eindeutig zurueckgewiesen wurden Geruechte ueber Kinderreisegruppen, die in dem ICE verunglueckt sein sollen. Weder gebe es Nachfragen von Eltern noch habe es Anmeldungen von Schulgruppenreisen gegeben. Unter den Toten befinden sich vermutlich auch zwei Beschaeftigte der Bahn AG, die in der Naehe der eingestuerzten Bruecke gearbeitet haben. Seit dem Unglueck sind sie vermisst. Weiterhin Raetselraten herrscht ueber die Unfallursache. Zwei Versionen werden heute behandelt: der ICE koennte ueber wackelnde Schienen ins Schlingern geraten und dadurch auseinandergebrochen sein. Auch von einer Vollbremsung, die den Unfall verursacht haben soll, war die Rede. Keine Bestaetigung dazu von Bahn AG-Sprecher Hans-Juergen Frohns. Am fruehen Abend wurden 93 Tote gezaehlt. Am Abend verstarb ein weiterer Reisender im Krankenhaus. Noch immer sind nicht alle Opfer geborgen, die Hoffnung, noch Menschen lebend aus den Truemmern bergen zu koennen, sind allerdings aeusserst gering. Am Abend waren die letzten beiden Wagons noch immer nicht frei. Zentimeter fuer Zentimeter heben Spezialkraene tonnenschwere Brueckenteile von den beiden Wagons. Man musste die Betonteile, die wie ein Sargdeckel anmuten, in vier Teile zerschneiden, um sie ueberhaupt anheben zu koennen. Nicht ausgeschlossen, dass die Arbeiten noch bis morgen frueh andauern. Dass es noch Ueberlebende in den beiden unter der Bruecke begrabenen Wagen gibt, davon geht hier kaum noch jemand aus. Inzwischen gibt es neue Vermutungen, ueber die Unfallursache. 6 km vor der Ungluecksstelle wurden auf den Bahnanlagen Teile gefunden. Eine 44-koepfige Kommission aus Staatsanwaltschaft, Kripo und Eisenbahnbundesamt untersucht derzeit die gefundenen Schrottteile. Die Deutsche Bahn hat derzeit erste Konsequenzen aus der Katastrophe gezogen. Bis morgen sollen alle ICE-Expresszuege nur noch maximal 160 km/h fahren. Das Bundesverkehrsministerium hat mittlerweile zur moeglichen Ursache des Ungluecks mitgeteilt, dass man nicht ausschliessen koenne, dass ein Rad des Zuges gebrochen sei. Ein Ministeriumssprecher sagte, dass der Bruch eines Rades am ersten Wagon bei der Entgleisung moeglicherweise von Bedeutung gewesen sein koennte. Der Vorstandsvorsitzende der Bahn AG Ludewig wollte diese Theorie nicht ausschliessen, bestaetigt hat er sie auch nicht. Die Notfallnummern der Deutschen Bahn fuer Angehoerige: bundesweit: 01805-343224 in Hannover: 0511-19419 in Hamburg: 040-19419 in Muenchen: 089-19419 Auskuenfte ueber die Identitaet der Opfer erhalten Angehoerige ausschliesslich ueber die Behoerden. Das niedersaechsische Innenministerium: 05141-277407 und 05141-277408


Kraeftige Zunahme des Bruttoinlandsprodukts

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland hat sich im ersten Quartal dieses Jahres weiter gebessert. Das Bruttoinlandsprodukt, die Summe aller im Inland produzierten Gueter und Dienstleistungen, wuchs im genannten Zeitraum mit einer Jahresrate von 3,8%, gab das statistische Bundesamt in Wiesbaden bekannt. Dies ist der hoechste Anstieg seit der deutschen Einheit. Die Rate von 3,8% ist real, enthaelt also keinen Inflationseffekt. Den wichtigsten Antrieb fuer das verstaerkte Wachstum lieferte der Export, der gegenueber dem Vorjahr um massive 13% zulegte. Allerdings gewann auch die Inlandskonjunktur an Schwung und legte um 10% zu. Dabei wurde sie freilich von Sonderfaktoren beguenstigt. So gab es im ersten Quartal 1998 zwei Arbeitstage mehr als im ersten Quartal 1997, was allein schon einen rechnerischen Zuwachs von 3,25% bedeutet. Ausserdem war das Wetter milder, wovon vor allem die Bauwirtschaft profitierte, und dann hat moeglicherweise die Mehrwertsteuererhoehung zum 1. April dieses Jahres zur Folge gehabt, dass Kaeufe ins erste Quartal vorgezogen wurden. Diese beiden letzten Faktoren, das milde Wetter und die Steuererhoehung, koennen aber den Zuwachs beim Export nicht erklaeren. Der private Konsum wuchs im ersten Vierteljahr nur unterdurchschnittlich, naemlich mit nicht einmal 2%. Dazu passt, dass die Zahl der Erwerbstaetigen noch einmal sank und die Zahl der Arbeitslosen um 4% hoeher lag als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.


Audi will britischen Motorenhersteller Cosworth kaufen

Morgen findet die mit Spannung erwartete Aktionaersversammlung des britischen Autokonzerns Vickers statt. Dabei wird vermutlich auch die Entscheidung fallen, wer die Marke Rolls Royce uebernehmen wird. In das Gerangel darum hat neben BMW und VW nun auch Audi eingegriffen. Der Volkswagenkonzern gibt den Vickers-Aktionaeren vor der morgigen Hauptversammlung ein weiteres Zuckerl. Das Angebot der Ingolstaedter Tochtergesellschaft Audi, den Motorenhersteller Cosworth fuer 120 Millionen Pfund oder rund 340 Millionen Mark zu uebernehmen, ist eine Ergaenzung zur 1,3 Milliarden Mark-Offerte von VW fuer Rolls Royce. Wie Audi in einer Pflichtmitteilung verkuendet, wurde zwischen Audi-Chef Franz-Josef Pefgen und dem Vickers-Vorstandsvorsitzenden Collin Chandler bereits ein sogenannter Letter of intent unterzeichnet, das heisst, beide Seiten haben sich grundsaetzlich auf eine Zusammenarbeit verstaendigt, es muss aber noch ueber die Details verhandelt werden. Ausserdem fehlt die Zustimmung der jeweiligen Aufsichtsraete. Das Audi-Angebot, heisst es in Branchenkreisen, verschlechtere die Aussichten von BMW fuer die morgige Vickers-Hauptversammlung. Cosworth ist kein Bestandteil des Angebots der Muenchner, die die Motoren fuer Rolls Royce aus eigener Produktion liefern wollen.


Hauptversammlung von VW: zukuenftige Strategien

Auf der Hauptversammlung von VW in Hamburg wurde inzwischen bekannt, dass der Autohersteller auf jeden Fall Luxuswagen bauen will, egal, ob der Kauf von Rolls Royce gelingt oder nicht. Bei der Versammlung von rund 3.000 Volkswagen-Aktionaeren in Hamburg drehte sich alles um die zukuenftige Strategie des Wolfsburger Autobauers. Im Vordergrund natuerlich die Frage: Wird VW neuer Eigentuemer von Rolls Royce oder nicht. Diese Entscheidung wird zwar erst morgen von den Aktioaeren der Rolls Royce Muttergesellschaft Vickers in London getroffen, aber VW-Chef Ferdinand Piech machte deutlich, die Entscheidung aus London beruehre die langfristige Strategie des VW-Konzerns nur am Rande. Sollte Volkswagen den Zuschlag fuer Rolls Royce nicht erhalten, dann wollen die Wolfsburger eigene Luxuswagen produzieren. Im Gespraech ist beispielsweise das Wiederaufleben der alten Audi-Luxusmarke Horch mit einem neuen Werk in Dresden und einer Aufstockung des saechsischen Werks in Mosel. Mit Zuversicht blickt der VW-Chef in das laufende Jahr. In den ersten 5 Monaten verkaufte VW etwa 100.000 Autos mehr als noch im vergangenen Jahr. Allein in Nordamerika konnte Volkswagen seinen Absatz um 56% steigern. Grund genug fuer den Konzern, die Dividende der VW-Aktionaere um 3 Mark zu erhoehen. Bereits gestern hatte sich Piech Plaene absegnen lassen, zusammen mit Porsche einen Gelaendewagen zu produzieren.


Martin Walser erhaelt Friedenspreis

Der Schriftsteller Martin Walser wird in diesem Jahr mit einem der renommiertesten deutschen Preise ausgezeichnet. Der Boersenverein des deutschen Buchhandels benannte ihn heute als Traeger des Friedenspreises, der am 11. Oktober in der Frankfurter Paulskirche ueberreicht wird. Martin Walser hat schon 1987 die deutsche Frage gestellt, die Notwendigkeit der Wiedervereinigung auf die Tagesordnung gesetzt, als niemand mehr, auch die offiziellen konservativen Politiker, an die deutsche Einheit glaubten. Martin Walser hat damals seine Sehnsucht nach einem einigen Deutschland in einem Liebes- und Spionageroman versteckt, in dem Dorle und Wolf aus West und Ost zueinander kommen wollten, aber nicht finden sollten. Walser wurde damals von der Linken stark angegriffen, aus einer Ecke, aus der er selber kam. Er hat mit Romanen wie "Ehen in Philippsburg" und Novellen wie "Ein fliehendes Pferd" die deutsche Mittelstandsseele aufgespiesst und den trivialen deutschen Alltag seziert. Aber er liess sich auch nach seiner persoenlichen Wende und der politischen Wende von 1989 nicht von der Politik vereinnahmen, auch wenn er sich sogar direkt mit politischen Intrigen beschaeftigte. Dafuer steht sein letzter Roman "Pfingstkrieg", in dem er detailliert Machenschaften im Wiesbadener Ministerium denunzierte.


Ehemaliger Boxweltmeister verhaftet

Der ehemalige Boxweltmeister Weller ist wegen eines Drogendelikts verhaftet worden. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Karlsruhe erliess das Amtsgericht mittlerweile Haftbefehl. Weller, der vor 14 Jahren Boxweltmeister im Leichtgewicht war, war in der Vergangenheit mehrfach wegen Hehlerei und Betrugs zu Geldstrafen verurteilt worden. Neben dem prominenten Ex-Box-Profi hat die Polizei gestern in Karlsruhe und im Raum Aachen auch vier Geschaeftspartner von Rene Weller festgenommen. Er hatte zuvor versucht, fuenf Kilogramm Kokain an einen V-Mann der Polizei zu verkaufen. Mit weiteren 200 Gramm hatte er gehandelt. Der Gesamtwert der Ware liegt bei mehreren 100.000 Mark. 600 Gramm Kokain wurden sichergestellt. Die Polizei hatte den "Schoenen Rene", der aus seiner Verbindung zum Millieu nie einen Hehl gemacht hat, schon lange beobachtet. Mehrmals stand der Ex-Weltmeister vor Gericht, meistens wegen Hehlerei. Er hat eine Vorliebe fuer luxurioese Autos und teure Uhren, mit denen er illegal gehandelt haben soll. Bislang kam Weller immer mit einer Geldstrafe davon. Sollte sich der Verdacht der Staatsanwaltschaft jetzt aber bestaetigen, droht ihm eine mehrjaehrige Haftstrafe.


Harte Angriffe gegen Scientologie

Die Sccientologie-Organisation arbeitet nach den Worten von Bayerns Innenminister Beckstein mit Methoden, wie sie auch von der Stasi zur Einschuechterung von Regime-Gegnern benutzt worden seien. Die Uebereinstimmung der angewandten Techniken sei verblueffend, sagte Beckstein in Muenchen bei der Vorstellung von zwei neuen Aufklaerungsbroschueren zu Scientologie. Ab Mitte Juli soll beim bayerischen Landesjugendamt eine Opferberatungsstelle eingerichtet werden.


Zeugin gesucht

Der Liedermacher Konstantin Wecker soll eine fruehere Drogensuechtige zu einem Rueckfall verleitet haben. Da die Frau zur Zeit nicht auffindbar ist, wird der Kokainprozess gegen den 50-jaehrigen vor dem Landgericht Muenchen voraussichtlich noch bis Mitte dieses Monats dauern. Sollte die Frau bis Mittwoch naechster Woche nicht gefunden werden, will das Gericht den Prozess noch an diesem Tag beenden. Wecker war 1996 wegen des Besitzes von eineinhalb Kilo Kokain zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Diese Entscheidung hatte er angefochten.


Boerse

Einige Kurse:
US-Dollar(1 US_$)  1,7716
Kanada(1 $)  1,2162
England(1 Pfund)  2,9140
Irland(1 Pfund)  2,5234
Schweiz(100 sfr)  120,140
Frankreich(100 FF)  29,821
Italien(1000 Lit)  1,0153
Oesterreich(100 oeS)  14,212
Spanien(100 Ptas)  1,1777
Japan(100 Yen)  1,2802
Schweden(100 skr)  22,823
 
Einige Indizes:
DAX:5592,48( aktuell )  
5613,76( Vortagswert )  
Dow-Jones-Index:8768,92( Stand 17:00 MESZ )  
8803,80( Schlussstand Vortag )  
Nikkei-Index:15426,47
 
(Alle Angaben ohne Gewaehr)  



Quellen

B5    11:00 MESZ    12:30 MESZ    13:30 MESZ    20:00 MESZ
Radio Charivari    16:00 MESZ