Oskar Lafontaine ist neuer SPD-Vorsitzender |
Mannheim. Auf dem Bundesparteitag der SPD ist es zwischen Rudolf Scharping
und Oskar Lafontaine zu einer Kampfabstimmung um den Parteivorsitz gekommen.
Kurz nach 9:00 Uhr heute frueh war Scharping zur Ueberraschung aller ans
Rednerpult getreten und hatte entsprechend Geruechte bestaetigt. Die Partei
brauche jetzt Klarheit, sagte Scharping. Die Entscheidung, Lafontaine oder
Scharping hier auf dem Parteitag sei fuer alle der klare und sinnvolle Weg.
Anschliessend hatte der saarlaendische Ministerpraesident vor den Delegierten
seine Kandidatur erklaert. Er stehe fuer die Politik, die er seit Jahren
vertrete, sagte er und versprach, auch weiterhin fair mit der SPD-Spitze
zusammenzuarbeiten. Die Kandidatur Oskar Lafontaines wurde mit tosendem
Beifall aufgenommen.
In der Kampfabstimmung setzte sich Lafontaine dann bereits im ersten Wahlgang
mit klarer Mehrheit gegen den bisherigen Parteichef Rudolf Scharping durch.
Lafontaine erhielt 321 Stimmen, Scharping 190. Lafontaine sprach nach der
Wahl von einem bewegenden Moment. Er wisse, um die schwere Aufgabe, die auf
ihn zukomme. Die Partei bat er um Unterstuetzung. Der saarlaendische
Ministerpraesident bot Scharping, der noch Fraktionsvorsitzender der SPD im
Bundestag ist, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit an. Scharping sagte vor
den Delegierten, die Partei habe jetzt Klarheit in der Personalfrage. Er bat
darum, Lafontaine uneingeschraenkt zu unterstuetzen.
Der Parteitag wurde mit der Wahl des Vorstandes fortgesetzt. Trotz der
Mahnung des neuen Vorsitzenden, Lafontaine, dass er Schroeder brauche, wurde
diesem ein klarer Denkzettel verpasst. Beim ersten Wahlgang verfehlter er
mit nur 253 Stimmen seinen Wiedereinzug in den Vorstand. Die meisten Stimmen
erhielt, wie vor zwei Jahren, Regine Hildebrand, die brandenburgische
Sozialministerin. Sie erreichte 464 Stimmen, dicht gefolgt von Reinhard
Hoeppner, Ministerpraesident von Sachsen Anhalt mit 438 Stimmen. Ebenfalls
in den Vorstand gewaehlt wurden die beiden JuSo-Mitglieder Benjamin
Mickfeld, der erst 23 Jahre alt ist, und Kerstin Griese. Renate Schmidt von
der Bayern-SPD ist auch wieder mit dabei, sie bekam 353 Stimmen.
Mit der Wahl Oskar Lafontaines zu ihrem neuen Vorsitzenden haben die
Delegierten des SPD-Parteitages auch Entscheidungen ueber politische Inhalte
getroffen, die Lafontaine in seiner fulminanten Rede gestern praesentiert
hatte. Federfuehrend hatte er den Antrag zu einer Modernisierung von
Wirtschaft und Statt mit ausgearbeitet, den die Delegierten am Abend mit
kleinen Aenderungen billigten. Damit nimmt die SPD auch Abschied von ihrer
traditionellen Staatsglaeubigkeit. Die Ansprueche an den Staat muessten
heruntergeschraubt werden, nicht alles was wuenschenswert sei, sei auch
finanzierbar. Um das Problem der hohen Arbeitslosigkeit zu loesen setzt die
SPD vor allem auf eine Foerderung von Forschung und Entwicklung. Beim Thema
Aussenpolitik gab Lafontaine eindeutig die Linie vor, an der pazifistischen
Tradition der Partei festzuhalten. Lafontaine macht am Nachmittag noch
einmal seine ablehnende Haltung zu Kampfeinsaetzen der Bundeswehr deutlich.
Die Friedensmission sagte er, duerfe nicht in irgendeiner Form mit einer
Einheit, die explizit fuer Kampfauftraege ausgeruestet ist, belastet werden.
Dies werde auch die Bundestagsfraktion klarstellen.
Rudolf Scharping behaelt trotz seiner Abwahl als Vorsitzender eine wichtige
Rolle an der Parteispitze. Sein Einverstaendnis fuer einen der
Stellvertreterposten zu kandidieren wurde ihm hoch angerechnet. Die 93.2 %
duerften auch seinen Anspruch festigen, Fraktionsvorsitzender im Bundestag
zu bleiben. |
Reaktionen auf den Fuehrungswechsel in der SPD |
Die Bonner Regierungsparteien richten sich darauf ein, dass Oskar Lafontaine
den politischen Streit mit schaerferen Toenen fuehren wird als Rudolf
Scharping. Vorsichtshalber warnen Union und FDP schon einmal, die SPD habe
einen Linksruck vollzogen. Auch bei den Gruenen sieht man das so und man
macht sich Hoffnungen auf eine schlagkraeftige Opposition und einen
moeglichen Machtwechsel. Der Vorstandssprecher der Gruenen, Juergen Trettin,
sagte, jetzt koenne Oppositionsarbeit wieder richtig Spass machen, es koenne
sich endlich wieder etwas im verschlafenen Bonner Machtzentrum bewegen. Fuer
ihn sei das deshalb heute ein erfreulicher Tag: "Er oeffnet die Perspektive
hin zu einer Abloesung von Helmut Kohl." Das sah CDU-Generalsekretaer Peter
Hinze natuerlich ganz anders. Rot-Gruen, damit sei der Machtwechsel sowieso
nicht zu schaffen und das geplante Treffen Oskar Lafontaine mit dem
PDS-Gruppenchef im Bundestag, Gregor Gysi, zeige ja eindeutig, so Hinze, wo
die Reise hingehe. "Die Reise in der SPD geht weit nach links." Das, so
Hinze weiter, zeige auch Lafontaines "nein" zu Tornadoeinsaetzen der
Bundeswehr in Bosnien. Eine Ansicht, die auch FDP-Generalsekretaer Guido
Westerwelle teilt. Die Frage, ob sich die FDP jetzt nicht zusaetzliche
Sorgen ueber ihre Existenz machen muesse, wies Westerwelle allerdings als
unzutreffende zurueck. Ganz im Gegenteil, so Westerwelle, Oskar Lafontaine
bringe den einen oder den anderen Waehler vielleicht wieder zurueck zur FDP.
"Fuer die buergerlichen Waehler ist er aufgrund seines Linkskurses
abschreckend." Das sieht man auch bei der CSU so. CSU-Landesgruppenchef
Michael Klos nannte die Wahl Lafontaines eine Verzweiflungstat, fuer
Generalsekretaer Bernd Protzner bedeutet der neue SPD-Chef einen
Schulterschluss des linken Spektrums. |
Bundeskanzler Kohl trifft in Vietnam ein |
Hanoi. Bundeskanzler Kohl ist zu einem viertaegigen Besuch in Vietnam
eingetroffen. Im Mittelpunkt der Visite in dem suedostasiatischen Land steht
der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen. Ausserdem will der Kanzler auf die
baldige Umsetzung des deutsch-vietnamesischen Rueckfuehrungsabkommens
draengen. Es sieht vor, dass rund 40.000 Vietnamesen aus Deutschland in ihre
Heimat abgeschoben werden. |
BGH bestaetigt Urteil gegen DDR-Richter |
DDR-Richter, die Todesurteile ausgesprochen haben, koennen auch nach
bundesdeutschem Recht verurteilt werden. Ausgenommen sind Verurteilungen
wegen schwersten Unrechts.
In einer Grundsatzentscheidung bestaetigte der Bundesgerichtshof
ein Urteil des Berliner Landgerichtes gegen den Richter des obersten
Gerichts der DDR, Reinwarth. Die von allen Prozessbeteiligten angestrebte
Revision blieb damit erfolglos. Der heute 75jaehrige war im letzten Jahr zu
drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Er hatte in den 50er
Jahren in drei Spionageprozessen fuer die Todesstrafe gestimmt. Zur
Begruendung erklaerte das Gericht, die Unverletzlichkeit des menschlichen
Lebens sei hoechstes Gebot. Deshalb und insbesondere aufgrund der
Erfahrungen der NS-Zeit sei ein Todesurteil Rechtsbeugung gewesen, wenn es
nicht der Bestrafung schwersten Unrechts gedient habe. |
Endlager in Morsleben kann weiterbetrieben werden |
Magdeburg. Das Endlager fuer radioaktive Abfaelle in Morsleben kann weiter
betrieben werden. Das Oberverwaltungsgericht Magedburg wies eine Klage von
vier Buergern aus Helmstedt zurueck, die das Umweltministerium von
Sachsen-Anhalt zwingen wollten, die Dauerbetriebsgenehmigung fuer das
einzige atomare Endlager in Deutschland zu widerrufen. Dem Urteil zufolge
geben weder das Atomgesetz noch das Verwaltungsverfahrensgesetz dem Land
eine rechtliche Handhabe, die fortgeltende Dauerbetriebsgenehmigung aus
DDR-Zeiten zu widerrufen. Auf die von den Klaegern angefuehrten
Sicherheitsbedenken ging das Gericht nicht ein. |
Tennisweltmeisterschaft in Frankfurt |
Thomas Enquist hat bei seinem Weltmeisterschaftsdebuet das Halbfinale
erreicht. Dies gelang ihm heute vorzeitig mit einem 6:1, 6:4 Erfolg ueber
den Amerikaner Michael Chang. Im Anschlag daran buesste dann Thomas Muster
als erster Spieler alle Chancen auf das Halbfinale ein. Er unterlag dem
Amerikaner Jim Courier in drei Saetzen mit 4:6, 6:4 und 4:6. |
U21 hat noch Chancen auf Atlanta |
Deutschlands Nachwuchsfussballer haben nach wie vor Chancen, an den
olympischen Spielen in Atlanta teilzunehmen. Endgueltig qualifizieren
koennen sie sich, wenn sie im Viertelfinale der U21-Europameisterschaft
weiterkommen.
Heute wurde der Gegner der Deutschen ausgelost, die Nachwuchsprofis treten
im Maerz zweimal gegen Frankreich an. |
Die Mafia der Heuchler (Sueddeutsche Zeitung) |
Dass sich der bayerische Kultusminister Hans Zehetmair und seine
nordrhein-westfaelische Kollegin Anke Brunn einig sind, kommt selten vor.
Wenn die beiden auch noch mit Deutschlands Studenten an einem Strick
ziehen, muss etwas Ungewoehnliches passiert sein. Denkt man. In Wahrheit
passierte etwas ganz Gewoehnliches, ja geradezu Abgestandenes. Die
Konferenz der deutschen Hochschulrektoren traf sich in Bonn und
jonglierte mit einem uralten Hut: Sie drohte an, demnaechst
Studiengebuehren zu fordern.
Man koennte es, nach einigem Gaehnen, dabei bewenden lassen, mit Zehetmair vor dem 'sozialen Numerus clausus` warnen, den die Erhebung von Studiengebuehren zur Folge haette. Man koennte aber auch feststellen, dass sich die Rektorenkonferenz immer mehr zu einer Mafia der Heuchler entwickelt. Den Rektoren kommt es nicht auf die Gebuehren an, sondern auf deren Abschreckungseffekt. Sie wollen weniger Studenten - ganz im Sinne einer Professorenlobby, die sich angewoehnt hat, Studenten grundsaetzlich als Stoerfaktor zu betrachten.
Niemand weiss besser als die Rektoren, wieviel Geld die teils
fahrlaessige, teils planmaessige Misswirtschaft innerhalb der
Universitaeten verschlingt. Die Pfauenmentalitaet von Ordinarien und der
Dilettantismus der hochschuleigenen Buerokratie ergaenzen sich zur teuren
Allianz, an der nur eine Gruppe =nicht= beteiligt ist: die
Studenten. Nun erklaeren die Rektoren gnaedig, einen Teil der Gebuehren
koenne man ja den Professoren zukommen lassen, als 'Leistungsanreiz`
fuer eine bessere Lehrtaetigkeit - also zu deutsch: dafuer, dass sie
gelegentlich der Arbeit nachgehen, fuer die sie eingestellt und
verbeamtet worden sind. So viel Unverschaemtheit kann einen schon
fassungslos machen. |
Boerse |
1US-$ = 1.4060
DAX 2202.50 Punkte |
Quellen |
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