GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Mo, 28.10.1996



* Kohl spricht Menschenrechte in Indonesien an/Kein Treffen mit Belo
* Weiterer Streit ueber die Steuerreform in der Koalition
* Suessmuth fordert Rentenversicherung fuer alle Teilzeitarbeitnehmer
* Huber fordert Kuendigung des Tarifvertrags im oeffentlichen Dienst
* Haushalt 1996 verfassungswidrig - SPD fordert Offenbarungseid
* Mehr Zusammenarbeit Frankreich-Deutschland in Umweltfragen
* Vorbereitungen fuer erste regionale Verhandlungsrunde in Metallbranche
* Holzschutzmittelprozess wird neu aufgerollt
* Berlin und Brandenburg wollen enger zusammenarbeiten
* Chemnitzer Firma Heckert soll gerettet werden
* Staatsanwaltschaft ermittelt gegen AKW Kruemmel
* Erneuter Uebergriff gegen Auslaender in Brandenburg
* Berliner Studenten blockieren Immatrikulationsbuero



Kohl spricht Menschenrechte in Indonesien an/Kein Treffen mit Belo

Djakarta. Bundeskanzler Kohl hat Indonesien aufgefordert, die Menschenrechte zu achten. Bei einem oeffentlichen Auftritt in der Hauptstadt sagte Kohl, politische Fuehrer wuerden auch nach ihrer Faehigkeit beurteilt, fuer soziale Gerechtigkeit zu sorgen und dabei demokratische Prinzipien zu befolgen. Er sprach sich dafuer aus, ueber Differenzen in Menschenrechtsfragen offen zu diskutieren. Der Respektierung der von uns allen anerkannten Grund- und Menschenrechte komme zentrale Bedeutung zu, sagte der Kanzler. Man muesse das Wohl der Menschen im Auge behalten, ueber Auffassungsunterschiede solle man offen unter Freunden miteinander sprechen. Angesichts der unterschiedlichen Kulturen aber muesse man sich gegenseitig respektieren und achten und bereit sein, voneinander zu lernen. Kohl betonte, er habe das Thema Menschenrechte auch bei seinen Gespraechen mit dem indonesischen Praesidenten Suharto angesprochen. Der Praesident ging allerdings bei einem Essen am Abend darauf mit keinem Wort ein. Er dankte stattdessen fuer die Lieferung von 39 Kriegsschiffen aus den Bestaenden der DDR-Volksmarine, die sehr nuetzlich fuer die Verteidigung der territorialen Integritaet seines Landes seien.

In Delegationskreisen wurde am Morgen zunaechst ausserdem bestaetigt, dass Kohl morgen mit dem Friedensnobelpreistraeger Bischof Belo aus Osttimor zusammentreffen will, was jedoch spaeter abgesagt wurde. Am Abend drueckte Bundeskanzler Kohl dann sein Bedauern darueber aus, dass die geplante Begegnung mit Bischof Belo nicht zustande gekommen ist. Der Kanzler versicherte am Abend in Djakarta, er habe sich sehr um ein Treffen mit dem Geistlichen bemueht. Der paepstliche Nuntius, der Orden des Bischofs sowie der Kardinal von Djakarta haetten seinen Wunsch unterstuetzt. Belo sei auch ein Flugzeug zur Anreise angeboten worden. Der Bischof hatte die Begegnung mit Kohl mit der Begruendung abgesagt, er befinde sich auf einer Firmungsreise in seiner Dioezese.

Am Morgen sind in Djakarta 25 Wirtschaftsabkommen unterzeichnet worden. Die Vertraege zwischen Regierungsstellen und Firmen haben einen Umfang von etwa einer Milliarde Mark. Sie betreffen unter anderem den Schiffbau, Verkehrsprojekte, den Stahlsektor und die Erdgasgewinnung. Kohl hatte zuvor mit dem indonesischen Praesidenten Suharto die Wirtschaftsbeziehungen beider Laender eroertert.


Weiterer Streit ueber die Steuerreform in der Koalition

Im Streit um die Steuerreform befuerchtet die FDP-Bundestagsabgeordnete Leutheusser-Schnarrenberger schaerfere Auseinandersetzungen in der Koalition. Noch gebe es kein fertiges Konzept, wie die geplante Absenkung der Steuertarife finanziert werden soll, sagte die fruehere Bundesjustizministerin im Inforadio. Nach den juengsten Auseinandersetzungen in der Koalition sei sie nicht sehr optimistisch, was die bevorstehenden Beratungen zu diesem Teil der Steuerreform angeht. Gleichzeitig kritisierte sie die Steuerdiskussion in ihrer eigenen Partei: man koenne nicht nur die Senkung des Tarifs verlangen, ohne im Gegenzug eine geschlossenes Konzept parat zu haben. Das FDP-Praesidium beraet derzeit in Bonn Fragen der Haushalts- und Finanzpolitik.


Suessmuth fordert Rentenversicherung fuer alle Teilzeitarbeitnehmer

Fuer eine Zusatzrentenversicherung fuer geringfuegig-beschaeftigte Teilzeitarbeitnehmer und Arbeitslose hat sich Bundestagspraesidentin Suessmuth ausgesprochen. In Zeiten grosser Umbrueche in der Arbeitswelt muesse verhindert werden, dass immer mehr Beschaeftigte aus der verpflichtenden Altersvorsorge herausfallen, sagte die Vorsitzende der Frauenunion der BILD-Zeitung. Eine Loesung koenne zum Beispiel sein, die bisherige 20prozentige Steuerabgabe auf die 590-Mark Jobs aufzuteilen in 10% Steuer und 10% Alterskasse, so Suessmuth.


Huber fordert Kuendigung des Tarifvertrags im oeffentlichen Dienst

Bayerns Finanzminister Erwin Huber hat die Kuendigung der Manteltarifvertraege im oeffentlichen Dienst gefordert, damit auch dort die Lohnzahlung fuer Kranke gekuerzt werden kann. In einem Schreiben an Bundesinnenminister Manfred Kanther und an die Tarifgemeinschaft deutscher Laender erklaerte Huber, fuer diesen Schritt spraeche das Prinzip der Gleichbehandlung. Ausserdem sei es ein Zeichen der Solidaritaet mit den Arbeitgebern der Privatwirtschaft. Huber rechne mit schwierigen Verhandlungen im oeffentlichen Dienst, doch muesse auch dort eine Regelung gefunden werden, die der aktuellen Situation gerecht werde.


Haushalt 1996 verfassungswidrig - SPD fordert Offenbarungseid

Der Bundestag wird auf Antrag der SPD am Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammentreten, um ueber die Haushaltslage zu debattieren. Die SPD fordert eine Regierungserklaerung zum Thema "Stoerung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts". Nach Ansicht der SPD kann nur die Feststellung des Parlaments ueber die Stoerung des Gleichgewichts verhindern, dass der Haushalt 1996 verfassungswidrig ist. In Radio Fritz sagte Alfred Gaertler: Die SPD erledigt jetzt ihre Aufgabe - sie zwingt die Regierung zum Offenbarungseid. Das Ritual ist absehbar: der Kanzler fuehlt sich nicht angesprochen und absolviert seine Asienreise wie geplant. Die Koalitionsparteien werden auch die Feststellung ablehnen, dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht durcheinander geraten ist und dass deswegen die Neuverschuldung in diesem Jahr hoeher sein muss als die Investitionen. Stattdessen werden FDP und Union die SPD dafuer kritisieren, dass sie die Sondersitzung beantragt hat.


Mehr Zusammenarbeit Frankreich-Deutschland in Umweltfragen

Frankreich und Deutschland wollen ihre grenzueberschreitende Zusammenarbeit in Umweltfragen verstaerken und sich kuenftig gegenseitig bei erhoehten Ozonwerten informieren. Das teilte das Bundesumweltministerium heute nach einem Treffen von Ministerin Merkel mit ihrer franzoesischen Kollegin Lepage (sp?) im europaeischen Kulturpark Bliesbruck-Rheinheim (sp?) in Rheinland-Pfalz mit. Als aenderungsbeduerftig haetten die beiden Ministerien auch die Vorschlaege der Europaeischen Kommission zu den Abgasgrenzwerten und zur Verbesserung der Kraftstoffqualitaet bezeichnet.


Vorbereitungen fuer erste regionale Verhandlungsrunde in Metallbranche

Die Tarifpartner der Metallindustrie in Baden-Wuerttemberg wollen am 7. November auf regionaler Ebene ein Gesamtpaket schnueren, dass die Lohnfortzahlung, die Lohnrunde 1997 sowie Regelungen zum Urlaubs- und Weihnachtsgeld enthaelt. Man strebe einen auf andere Bundesbezirke uebertragbaren Pilotabschluss an, erklaerten IG Metall und Arbeitgeber bei der bundesweit ersten regionalen Verhandlunsgrunde in Freudenstadt. Das Spitzengespraech fuer die gesamte Metallbranche war gescheitert.


Holzschutzmittelprozess wird neu aufgerollt

Frankfurt/Main. Vor dem Landgericht wird von heute an der sogenannte Holzschutzmittelprozess neu aufgerollt. Zwei Managern des Duesseldorfer Chemieunternehmens Desowag wird vorgeworfen, die Produktion und den Verkauf von Holzschutzmitteln nicht gestoppt zu haben, obwohl sie von der hochgiftigen Wirkung bestimmter Inhaltsstoffe gewusst haetten. Das Verfahren muss neu verhandelt werden, weil der Bundesgerichtshof das Urteil der ersten Instanz aufgehoben hat. Vor drei Jahren waren die beiden Manager zu einem Jahr Gefaengnis auf Bewaehrung und 120.000 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Damals ging es um mehrere Dutzend Betroffene, die schwer erkrankt waren.


Berlin und Brandenburg wollen enger zusammenarbeiten

Postdam. Brandenburg und Berlin wollen heute die Weichen fuer eine abgestimmte Zusammenarbeit beider Laender stellen. Auf der Tagesordnung der gemeinsamen Landesplanungskonferenz stehen Beschluesse ueber das Entwicklungsprogramm fuer die Region. Seit dem vergangenen Jahr regelt ein Staatsvertrag die Landesplanung, der urspruenglich den Weg fuer die im Mai gescheiterte Fusion von Berlin und Brandenburg ebnen sollte. An der Konferenz nehmen neben den Kanzleichefs mehrere Kabinettsmitglieder aus Berlin und Potsdam teil.


Chemnitzer Firma Heckert soll gerettet werden

Der Bund und das Land Sachsen wollen den Chemnitzer Werkzeugmaschinenhersteller Heckert retten. Die Treuhandnachfolgerin BVS und der Freistaat erklaerten, man sei aber nur dann zu einer Auffangloesung bereit, wenn sich auch die Deutsche Bank beteilige. Diese hatte Heckert keine weiteren Kredite mehr bewilligt, nachdem die westdeutsche Muttergesellschaft Traub Vergleich angemeldet hatte.

In Chemnitz demonstrierte die Belegschaft heute gegen den drohenden Konkurs des Unternehmens. Betriebsrat und IG Metall forderten eine Abtrennung des Heckert-Werkes von der Muttergesellschaft.


Staatsanwaltschaft ermittelt gegen AKW Kruemmel

Die Staatsanwaltschaft Luebeck ermittelt gegen die Betreiber des Atomkraftwerkes Kruemmel wegen des Verdachts der fehlerhaften Herstellung einer kerntechnischen Anlage. Damit reagiert sie auf Strafanzeigen, die nach einem Pressebericht ueber Maengel bei Reaktorbau erstattet wurden. Am Wochenende hatte der Norddeutsche Rundfunk gemeldet, der Kraftwerkbetreiber hatte Sicherheitsauflagen nicht oder verspaetet erfuellt. Das Atomkraftwerk Kruemmel steht im Verdacht, Ausloeser fuer eine ungewoehnliche Haeufung von Blutkrebsfaellen in der Elbmarsch zu sein. Im Moment ist das Atomkraftwerk nicht in Betrieb.


Erneuter Uebergriff gegen Auslaender in Brandenburg

In Eisenhuettenstadt im Land Brandenburg sind gestern zwei Franzosen angegriffen und geschlagen worden. Damit hat sich in Brandenburg die Serie von Uebergriffen gegen Auslaender fortgesetzt. Erst am vergangenen Donnerstag waren zwei britische Studenten in Oranienburg von Unbekannten zusammengeschlagen und verletzt worden. Waehrend die Taeter in Oranienburg noch nicht ermittelt wurden, konnte in Eisenhuettenstadt ein 21jaehriger Mann gestellt werden. Er wurde vorlaeufig festgenommen.

Brandenburgs Innenminister Ziel hat angekuendigt, das Land werde weitere Vorsorgemassnahmen gegen Gewalttaten ergreifen. Die Polizeipraesidien sollen per Erlass aufgefordert werden, fuer jedes Revier Nachweise ueber gewaltbereite Jugendliche zu erstellen. Der SPD-Politiker warnte allerdings davor, von der Polizei allein eine Loesung des Gewaltproblems zu erwarten. Die gesamte Gesellschaft muesse sich staerker mit den Ursachen des brutalen Vorgehens beschaeftigen, so Ziel.


Berliner Studenten blockieren Immatrikulationsbuero

Studenten blockieren seit heute morgen das Immatrikulationsbuero der TU Berlin. Ihr Protest richtet sich unter anderem gegen die Bildungspolitik der Bundesregierung sowie die juengsten Kuerzungen des Berliner Senats, mit denen die Chancengleichheit weiter eingeschraenkt werde. Sie verwiesen insbesondere auf Plaene zur Einfuehrung von Studiengebuehr in Hoehe von 1.500 Mark.


Quellen

Radio B Zwei    10:00 MEZ
Radio Fritz    10:30 MEZ    18:30 MEZ
Inforadio BB    10:20 MEZ    18:40 MEZ
Deutschlandfunk    19:00 MEZ