GERMAN NEWS
DEUTSCHE AUSGABE
Fr, 30.06.1995



* Abstimmung ueber Bundeswehreinsatz in Exjugoslawien
* Regierung in Sarajevo verhandelt nicht laenger mit UNO-Beauftragtem Akashi
* Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen ohne Abschluss vertagt
* Aufarbeitung russischen Plutoniums in Hanau
* Verurteilung dreier Mitglieder der Terroristenorganisation IRA
* Ozonalarm in Rheinland-Pfalz
* Veraltetes Geld
* Gruenes Licht fuer eine Verpackungssteuer fuer Einweggeschirr
* Streik griechischer und franzoesischer Seeleute
* Des Kanzlers Einwaende gegen ein Holocaustdenkmal
* Nicht viel Neues von den Geiselgangstern aus Berlin
* Schadensersatz fuer badendes Krokodil
* Pressestimmen



Abstimmung ueber Bundeswehreinsatz in Exjugoslawien

Bonn. Der Bundestag hat dem Einsatz der Bundeswehr in Exjugoslawien zugestimmt. Fuer den Antrag der Bundesregierung stimmten 386 Abgeordnete, 258 waren dagegen, elf enthielten sich der Stimme. Das bedeutet, 45 Abweichler aus dem Lager der Opposition stimmten fuer die Plaene der Regierung. Damit koennen Bundeswehrsoldaten und Tornadokampfflugzeuge nach Bosnien verlegt werden. Sie sollen die Truppen der Vereinten Nationen in Bosnien unterstuetzen.

In der Debatte lehnten SPD und Gruene mehrheitlich den Einsatz von Tornadokampfflugzeugen ab. Bundesaussenminister Kinkel sagte, Deutschland habe die politische und moralische Verpflichtung, die internationale Ordnung und die Menschenrechte zu schuetzen. Es gehe nicht darum, Krieg zu fuehren. Es gehe darum Krieg zu verhindern. Es muesse allerdings damit gerechnet werden, dass deutsche Soldaten ums Leben kaemen. CDU/CSU-Fraktionschef Schaeuble erklaerte, Deutschland muesse verlaesslich bleiben und duerfe den erbetenen Schutz der Soldaten seiner Partner nicht verweigern. Die Opposition sprach sich vor allem gegen den Einsatz der Tornados aus. SPD-Chef Scharping meinte, dann drohe eine Eskalation des Krieges.

Die Deutschen stellen der UNO medizinische Einrichtungen, Lufttransporteinheiten und Tornados zur Verfuegung. Darunter auch die umstrittenen ECR-Tornados, die serbische Raketenstellungen zerstoeren koennten. Der Einsatz der Bundeswehr wird zeitlich nicht befristet. Auch Wehrpflichtige werden den Einsatz mitmachen. Verteidigungsminister Ruehe betonte aber die Freiwilligkeit. So werden bei den Sanitaetern Reservisten als Fachaerzte und Wehrpflichtige Pfleger- und Techniker Dienst tun.


Regierung in Sarajevo verhandelt nicht laenger mit UNO-Beauftragtem Akashi

Sarajevo. Der bosnische Vizepraesident Ganitsch (sp ?) ist bei einem Autounfall schwer verletzt worden. Sein Zustand ist nach Mitteilung der Aerzte jedoch nicht lebensgefaehrlich.

Indessen wirft die bosnische Regierung der UNO vor, sie setze die Schutzzone fuer Sarajevo nicht durch. Damit komme sie den Serben entgegen. Die Regierung Bosniens hat deshalb angekuendigt, nicht mehr mit dem UNO-Beauftragten Akashi zu verhandeln. Der zustaendige Minister sagte, mit Akashi wolle man nichts mehr zu tun haben. Der Stadtrat von Sarajevo erklaerte den Diplomaten sogar zur Persona non grata.

Heute explodierte eine serbische Granate auf einem der zahlreichen kleinen Maerkte in der bosnischen Hauptstadt. Es gab Tote und Verletzte. Das UNO-Hauptquartier wurde ebenfalls getroffen. Es gab schwere Schaeden am Gebaeude und an diversen Fahrzeugen.

Nach langen, zaehen Verhandlungsrunden wurde aus Belgrad mitgeteilt, dass die Anerkennung Bosniens nun doch nicht in Frage komme. Und die Serben in Bosnien sind verstimmt ob der deutschen Entscheidung, Tornadokampfflugzeuge ins Kriegsgebiet zu entsenden.


Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen ohne Abschluss vertagt

Bonn. Die Koalitionsverhandlungen fuer eine rot-gruene Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen sind in der Nacht ohne einen Abschluss vertagt worden. Sprecher von SPD und Gruenen sagten, die voraussichtlich entscheidende Verhandlungrunde solle heute Nachmittag stattfinden. Nach uebereinstimmenden Angaben gelang es den Vertretern beider Parteien in der juengsten Gespraechsrunde nicht, sich ueber Struktur- und Ressortverteilung des neuen Kabinetts zu einigen.


Aufarbeitung russischen Plutoniums in Hanau

Bonn. Eine interministerielle Arbeitsgruppe der Bundesregierung hat sich dafuer ausgeprochen, Plutonium aus russischen Atomwaffen im Brennelementewerk Hanau wieder aufzuarbeiten. Das meldet die HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG unter Berufung auf einen entsprechenden Bericht der Arbeitsgruppe. Danach seien zur Verarbeitung des radioaktiven Materials fuer die Dauer von mindestens zehn Jahren jaehrlich 30 bis 60 Plutoniumtransporte nach Deutschland erforderlich.

Der hessische Landtag hatte Ende Mai mit den Stimmen von SPD und Gruenen eine Verarbeitung des russischen Plutoniums in Hanau abgelehnt.


Verurteilung dreier Mitglieder der Terroristenorganisation IRA

Celle. Drei irische Terroristen sind zu neun bzw. zehn Jahren Haft verurteilt worden. Das Oberlandesgericht Celle sprach die drei Mitglieder der irischen Untergrundorganisation IRA schuldig, 1989 einen Bombenanschlag auf eine britische Kaserne in Osnabrueck veruebt zu haben. Fuenf Soldaten waren dem Anschlag nur knapp entgangen. Die drei Verurteilten muessen jedoch nicht mehr hinter Gitter. Da sie in Untersuchungshaft bereits zwei Drittel der jetzt verhaengten Strafe verbuesst haben, soll der Rest zur Bewaehrung ausgesetzt werden.

Am Mittwoch hatte das Gericht die mutmassliche IRA-Terroristin Irma Gohr (sp ?) wegen der selben Tat zu neun Jahren Gefaengnis verurteilt.


Ozonalarm in Rheinland-Pfalz

Mainz. Nach starkem Anstieg der Ozonwerte haben die Behoerden in Rheinland-Pfalz zum ersten Mal in diesem Jahr Ozonalarm ausgeloest. Wie das Mainzer Umweltministerium mitteilte, wurden an sieben Messstationen gestern Abend die Grenzwerte von 180 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft ueberschritten. Die Autofahrer wurden aufgefordert, wegen der steigenden Ozonwerte langsamer zu fahren. Bisher hielt sich aber kaum einer daran.

Wenigstens die Polizeibeamten haetten versucht, das freiwillige Tempolimit von 90 Stundenkilometern auf den Autobahnen einzuhalten. Sie seien jedoch bedraengt und ueberholt worden. Selbst LKW seien vorbeigezogen, obwohl sie eigentlich nur mit Tempo 60 unterwegs sein sollten. Solange keine Sanktionen fuer Ozon-Temposuender vorgesehen sind, werden die empfohlenen Hoechstgeschwindigkeiten nicht eingehalten, so das Fazit.

Verbesserungswuerdig sind in Rheinland-Pfalz offenbar auch die Informationswege bei Ozonwarnungen. Selbst die Polizei vernahm erst aus dem Radio, dass das Umweltministerium bereits seit gestern Abend die Kraftfahrer dazu auffordert, den Fuss vom Gass zu nehmen.


Veraltetes Geld

Frankfurt. Die alten Geldscheine werden ab morgen ungueltig. Geschaefte muessen sie fuenf Jahre nach Einfuehrung der neuen Scheine nicht mehr annehmen. Die alten Scheine koennen jedoch bei der Bundesbank unbefristet umgetauscht werden.


Gruenes Licht fuer eine Verpackungssteuer fuer Einweggeschirr

Koeln. Nach Ansicht des Deutschen Staedtetages, koennen nach dem Kasseler Urteil zur Verpackungssteuer nun alle Staedte und Gemeinden Steuern fuer die Verwendung von Einweggeschirr und Verpackungen erheben. Die Stadt Kassel hatte vor drei Jahren als erste deutsche Stadt eine Abgabe fuer Verpackungen verlangt, die beim Verzehr von Speisen und Getraenken an Ort und Stelle anfallen.

Das hessische Verwaltungsgericht wies gestern die Klage einer Bulettenkette und zweier Getraenkeautomatenfirmen ab. Revision beim Bundesverwaltungsgericht liessen die Kasseler Richter nicht zu. Der VGH hatte bereits im vergangenen Jahr entschieden, dass einer Stadt grundsaetzlich das Recht zusteht, eine derartige Steuer zu erheben.


Streik griechischer und franzoesischer Seeleute

Athen. Hunderte von Touristen sitzen auf griechischen Mittelmeerinseln fest. Grund ist ein Streik griechischer Seeleute. Betroffen sind alle griechischen Schiffe und Faehren. Die Seeleute fordern mehr Geld und Steuererleichterungen.

Auch an den franzoesischen Haefen Marseille, Nizza und Toulon kommt es durch Streiks zu Behinderungen. Mehrere Tausend Urlauber koennen nicht weiterreisen, weil die Faehren nach Korsika bestreikt werden. Die Seeleute verlangen unter anderem bessere Arbeitsbedingungen. Die Tourismusindustrie befuerchtet durch die Streiks Millionenverluste.


Des Kanzlers Einwaende gegen ein Holocaustdenkmal

Berlin. Bundeskanzler Kohl ist gegen den Entwurf fuer das Holocaustdenkmal in Berlin. Die Einwende des Bundeskanzlers richten sich gegen die Plaene der Berliner Kuenstlergruppe um die Malerin Jakob-Marx.


Nicht viel Neues von den Geiselgangstern aus Berlin

Berlin. Vermutlich auf Skateboards haben die Geiselgangster von Zehlendorf ihre Millionenbeute durch den selbst gegrabenen Tunnel transportiert. Eine heisse Spur gibt es bisher noch nicht.


Schadensersatz fuer badendes Krokodil

Moenchengladbach. Der Exbesitzer des Kaimans Sammy muss fuer den Badeausflug seines Tiers knapp 20.000 DM Schadensersatz an die Betreiber des Badesees zahlen. In der Urteilsbegruendung heisst es, Sammy sei kein harmloses Babykrokodil, sondern ein wildes Tier.


Pressestimmen

Die Neugestaltung des Paragraphen 218 ist heute das beherrschende Thema der Kommentare, in der baden-wuertembergischen Presse darueber hinaus der Wechsel im Amt der Kultusministerin.

Die erste Stellungnahme zum Paragraphen 218 von der SUEDDEUTSCHEN ZEITUNG, Muenchen: "Die Debatte spiegelte das Abstimmungsergebnis wieder. Die grosse Koalition von CDU, FDP und SPD warb fuer ihren Kompromiss, ohne allzu viele politische Schlagworte, sehr ernsthaft und bisweilen sehr persoenlich. Die Debatte spiegelte Erkenntnisse, ja den Wandel von Einstellungen waehrend der Jahre langen Diskussion wieder. Ein solcher Wandel gilt nicht fuer die Fundamentalisten auf der linken und rechten Seite, die ueber den Paragraphen 218 immer noch so redeten, als habe es nie ein Karlsruher Urteil gegeben.

Im Ganzen aber war es eine faire, eine wuerdige Debatte ueber die Abtreibungsreform. Und dennoch, es war auch eine unbefriedigende Debatte - von dem einzigen Wunsch getragen, die Reform endlich zu verabschieden. Dem wichtigen Kompromiss haette es nicht geschadet, intensiver diskutiert zu werden", findet die SUEDDEUTSCHE ZEITUNG.

Die STUTTGARTER ZEITUNG stellt fest: "Es ist ein tragfaehiger Kompromiss geworden. Er traegt, weil er die beiden zentralen Rechtsgueter, den Schutz des ungeborenen Lebens und die Selbstbestimmung der betroffenen Frau, ausbalanciert. Einfach umzusetzen ist er gleichwohl nicht. Die Beratung, der sich jede Frau unterziehen muss, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen moechte, soll zur Fortsetzung der Schwangerschaft ermutigen - eine Proforma-Beratung darf es also nicht sein. Genauso wenig darf die Beratung belehren oder bevormunden, wie im begleitenden Schwangerschaftskonfliktsgesetz festgelegt wurde. Damit wird das bestehende Sued-Nord-Gefaelle der Beratung nicht ausgeraeumt", glaubt die STUTTGARTER ZEITUNG.

Die DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN meinen: "Dass jenes verordnete Beratungsgespraech dem Schutz der Ungeborenen dienen soll, muss nicht als Misstrauen gegenueber weiblicher Entscheidungsfaehigkeit gewertet werden. Die Schwangeren haben das letzte Wort. Ein Staat muss sich hingegen generell dem Leben verpflichtet fuehlen. Waere es anders, was sollten seine Buerger von ihm halten?

Was aber sollen Frauen von ihrer ureigensten Bundesministerin halten, wenn diese das Gesetz ablehnt. Ausgerechnet Claudia Nolte bezweifelte gestern, dass der gefundene Kompromiss aussreichenden Schutz fuer Ungeborene bietet. Das mag zwar ihrem Moralkodex entsprechen, aber der ist einseitig und wirkt diskriminierend, wenn sie damit gleichzeitig den Frauen die Faehigkeit abspricht, verantwortungsvoll zu handeln", so die DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN.

Die Heidelberger RHEIN-NECKAR ZEITUNG knueft an: "Haetten wirklich alle aelteren und maennlichen CDU-Abgeordneten so stockkonservative Ansichten wie die junge Frauenministerin, dann waere das gestern wieder nichts geworden mit dem Kompromiss beim Abtreibungsrecht. Der ist nur ein halber Sieg fuer die Frauen, denn gespickt von Widerspruechen: Die Pflichtberatung soll dem ungeborenen Leben verpflichtet, aber ergebnisoffen sein.

Man muesste sich einmal bei den Frauen erkundigen, welche Faktoren fuer sie eine lebenswerte Welt ausmachen, in der sie gerne Kinder bekommen. Was da geantwortet wuerde, bewiese sicherlich viel Phantasie, bestimmt wuerde es etwas kosten, spannend waere es allemal", dies das Fazit der RHEIN-NECKAR ZEITUNG.

Zum Wechsel im Amt der baden-wuerttembergischen Kultusministerin schreibt die HEILBRONNER STIMME: "Befreit praesentierte der Ministerpraesident gestern seine neue Kultusministerin, Anette Schawan. Der Ueberraschungscoup ist ihm gelungen. Eine Frau musste es schon sein. Die CDU haette sich ja selbst zum Gespoett gemacht, wenn sie einen Tag nach ihrem "Ja" zum Gleichstellungsgesetz fuer ihre einzige Kabinettsfrau einen Mann als Nachfolger bestellt haette.

Dass bis in die Oppositionsreihen hinein hoerbare Bedauern ueber den vorzeitigen Rueckzug von Frau Schulz-Hektor ist sicherlich ehrlich gemeint. Nach dem kaempferischen Fluegelstuermer Mayer-Vorfelder hat sie viele schulpolitische Fronten in ihrer viereinhalbjaehrigen Amtszeit geglaettet. Die 65jaehrige war ein Aktivposten fuer die CDU", stellt die HEILBRONNER STIMME fest.

Die Ulmer SUEDWESTPRESSE schreibt zur Nachfolgerin: "Das spezielle Augenmerk richtet sich auf eine Frau, die in unserem Land kuenftig auf einem hochwichtigen Feld Politik gestalten und durchsetzen soll und die sich in ihrer bishergen Laufbahn eng an Institutionen und Verbaende der katholischen Kirche anlehnte. Kurz gefragt: Wie frei ist Frau Schawan?

Es ist ein Vorzug, wenn ein Politiker seine Ueberzeugungen nicht dem Strom des Zeitgeistes mit dem Mond wechselt. Doch zu direkte Naehe zu einer Kirche muss im Schulministerium unwillkommen sein, weil Fragen, die dort zu entscheiden sind, konfessionelle Anruechigkeiten nicht vertragen. Die neue Ministerin wird im Alltag wohl schaerfer geprueft als ein anderer, der weniger schnell zur Verfuegung gestanden haette", das waren Anmerkungen der SUEDWESTPRESSE.


Quellen

SDR1:    8:00 Uhr MESZ
SWF3:    16:00 Uhr MESZ    18:00 Uhr MESZ