Treffen der Ritterkreuztraeger in Dresden abgesagt |
Das fuer heute vorgesehene Treffen der Ritterkreuztraeger
in Dresden ist vom Kriegsveteranenverein selbst abgesagt worden.
Man habe damit Auseinandersetzungen vermeiden wollen, hiess es.
Noch gestern hatten die Ritterkreuztraeger die Genehmigung fuer
das Treffen per Gerichtsbeschluss durchgesetzt. Daraufhin kuendigten
Menschenrechtsgruppen und Parteien Proteste an. Aus diesem Grund
sagte die Bundeswehr in der Nacht ihre Teilnahme ab. Sie wollte
unter anderem ein Ehrenspalier auf dem Dresdner Nordfriedhof bilden.
Das Ritterkreuz war 1939 vom Naziregime als neue Klasse des
Eisernen Kreuzes eingefuehrt worden. Ueber die Verleihung hatte
Adolf Hitler persoenlich entschieden. |
Kashmir-Geiseln: Verschleppte Touristen sollen noch leben |
Der Ministerpraesident des indischen Bundeslandes Tchamu (sp?)
und Kashmir verfuegt nach eigenen Angaben ueber Informationen,
dass die vier verschleppten Touristen aus Deutschland,
Grossbritannien und den USA noch am Leben sind. Ministerpraesident
Abdullah sagte heute in Srinaga, nach den juengsten Berichten seien
alle vier Geiseln noch am Leben. Unter ihnen ist der
Deutsche Dirk Hasert, der seit Mitte 1995 von der Gruppe Al Faran
festgehalten wird. |
Zehnte AAA in Berlin eroeffnet |
In Berlin ist am Vormittag die 10. Autoausstellung AAA eroeffnet
worden. Aussteller aus 18 Laendern zeigen in den Messehallen unter dem
Funkturm Autos, Caravans und Zubehoer. 21 Autotypen sollen
erstmals in Deutschland der Oeffentlichkeit vorgestellt werden.
Neun Tage haben die Besucher Zeit, das Angebot der gut 250
Aussteller zu betrachten. Bundeswirtschaftsminister Rexrodt hob
zum Messestart hervor, mit Wachstumsraten von 7-8% trage die
deutsche Autoproduktion zum wirtschaftlichen Aufwaertstrend bei.
Rexrodt wehrte sich gegen den Vorschlag einer Benzinpreiserhoehung
auf 5 DM. Das sei fuer die Loesung anstehender Probleme nicht
hilfreich. Gebraucht wuerden Anreize zur Vermeidung von
Umweltbelastungen. Dazu zaehle er auch die emissionsbezogene
Kraftfahrzeugsteuer. |
Geissler fordert Erhoehung der Mehrwertsteuer |
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Geissler hat eine Erhoehung der Mehrwertsteuer um mindestens einen
Prozentpunkt gefordert. Zur Loesung der draengensten Haushaltsprobleme
reiche der Aufschub der Verringerung des Solidaritaetszuschlages
nicht aus, sagte Geissler der Bild am Sonntag. Notwendig sei ein
finanzpolitischer Befreiungsschlag, der auch eine positive Wirkung
auf den Arbeitsmarkt habe. Eine Mehrwertsteuererhoehung koenne
genutzt werden, um versicherungsfremde Leistungen zu finanzieren
und damit die Lohnnebenkosten zu senken. |
Stoiber kritisiert Steuerpolitik der Liberalen |
Bayerns Ministerpraesident Edmund Stoiber hat die Steuerpolitik der
Liberalen scharf kritisiert. Mit Blick auf den Solidaritaetszuschlag
sagte Stoiber in einem Zeitungsinterview, der geplante vorzeitige
Abbau sei Anfang des Jahres von der FDP erzwungen worden - das sei
nie Position der CSU gewesen. Die FDP fordere staendig
Einnahmekuerzungen des Staates und wolle das ausschliesslich aus dem
Sozialhaushalt gegenfinanzieren. Karenzzeiten in der
Arbeitslosenversicherung seien eine Beschaedigung des Sozialstaates,
so Stoiber. Die Koalition hatte gestern beschlossen, den
Solidaritaetszuschlag 1997 nicht wie zunaechst vorgesehen auf 6,5%
zu senken. Erst 1998 soll die Abgabe dann auf 5,5% der Lohn- und
Koerperschaftsteuer gesenkt werden.
Im Deutschlandfunk hatte FDP-Generalsekretaer Westerwelle am Mittag
erklaert, mit dem gestrigen Kompromiss der Koalition sei die
Steuerdiskussion fuer diese Legislaturperiode vom Tisch. Bei weiteren
Luecken im Bundeshaushalt werde es Einsparungen geben und nicht
etwa eine staerkere Abgabenlast fuer den Buerger. |
Deutschlandtag der Jungen Union in Goerlitz |
Die Junge Union hat in Goerlitz ihren Deutschlandtag fortgesetzt.
Im Mittelpunkt der Beratungen steht am Vormittag ein Referat von
Sachsens Ministerpraesident Biedenkopf, der unter anderem zum
Leitantrag des Deutschlandtages Stellung nehmen will. Darin fordert
der Unionsnachwuchs umfassende Reformen in Staat und Gesellschaft.
Die rund 300 Delegierten wollen heute ausserdem ueber das Steuer-
und Rentensystem, sowie ueber Sozial- und Umweltpolitik beraten.
Gestern war der bisherige Vorsitzende der Jungen Union, Escher, in
seinem Amt bestaetigt worden. |
Brandenburger PDS beraet ueber Kohlepolitik |
Die Brandenburger PDS beraet auf dem heute eroeffneten Parteitag
in Lauchhammer ueber das Schicksal der vom Tagebau bedrohten
Gemeinde Hornow. Die Ortschaft im sorbischen Siedlungsgebiet soll
nach dem Leitantrag des PDS-Landesvorstandes nur dann dem Tagebau
weichen, wenn die wirtschaftliche und umweltpolitische Notwendigkeit
bewiesen wird. Die Meinung innerhalb der Partei ist gespalten,
ob sie sich fuer die Ortschaft oder fuer die Arbeitsplaetze im
Tagebau einsetzen soll. Die Einwohner kaempfen seit langem fuer
den Erhalt ihrer Gemeinde. Dagegen hatten beim letzten PDS-Parteitag
in Neuseddin mehr als 1.500 Bergleute fuer die Sicherung ihrer
Arbeitsplaetze demonstriert. |
Gewinne der Unternehmen 1995 staerker gestiegen als Loehne |
In Deutschland sind die Gewinne der Unternehmen im vergangenen Jahr
deutlich staerker gestiegen als die Loehne. Darauf wies der
Deutsche Gewerkschaftsbund hin. Die Organisation stuetzt sich dabei
auf Daten des Statistischen Bundesamtes. Danach stiegen die
Bruttogewinne der Firmen 1995 um 15% und die Nettogewinne sogar um
21% gegenueber dem Vorjahr. Demgegenueber haetten die Einkommen der
Arbeitnehmer brutto um 3,6% und netto nur um 0,6% zugenommen.
Diese Fakten seien bezeichnend dafuer, wie glaubwuerdig das Wehklagen
der Arbeitgeber ueber angeblich zu hohe Loehne sei, erklaerte
DGB-Vorstandsmitglied Geuenich in Duesseldorf. Vor diesem
Hintergrund sei es sozial ungerecht und wirtschaftlich nicht
nachvollziehbar, wenn die Regierung die Unternehmen weiterhin
steuerlich entlaste. |
Bergmann und Stolpe fordern Reform der Berufsausbildung |
Berlins Arbeitssenatorin Bergmann und der Brandenburgische
Ministerpraesident Stolpe haben eine Reform der Berufsausbildung
gefordert. In einer gemeinsamen Erklaerung wiesen die beiden
SPD-Politiker darauf hin, dass viele Berufsschueler nur unzureichend
fuer das spaetere Erwerbsleben geruestet seien. In diesem Zusammenhang
solle man an die Erfahrungen in der frueheren DDR anknuepfen, wo
Schultheorie und Berufspraxis eng miteinander verzahnt gewesen seien.
Zugleich erneuerten Bergmann und Stolpe die Forderung, Betriebe, die
nicht ausbilden, an den allgemeinen Berufsbildungskosten zu beteiligen.
Den Angaben zufolge stellen nur 14% der Industriebetriebe ueberhaupt
noch Lehrstellen bereit. |
Bolivianischer Praesident Sanchez de Lozada in Potsdam |
Am letzten Tag seines Deutschlandbesuches hat der Bolivianische
Praesident Sanchez de Lozada Potsdam besucht. Brandenburgs Justizminister
Braeutigam empfing den Gast. Dabei wuerdigte er den Einsatz des
Staatsoberhaupts fuer demokratische Reformen im eigenen Land.
Damit gebe es auch einen Beruehrungspunkt zu Brandenburg und
der demokratischen Wende in den Neuen Laendern, so Braeutigam.
Sanchez trug sich in das Gaestebuch Brandenburgs ein. Anschliessend
besichtige er die Schloesser Sanssouci und Cecilienhof. |
Post schliesst 5000 Filialen bis Jahrtausendwende |
Die Deutsche Post AG wird bis zur Jahrtausendwende die Zahl ihrer
Filialen um 5.000 reduzieren. Das kuendigte Bundespostminister
Boetsch in einem Interview an. An der Samstagszustellung werde aber
festgehalten. In diesem Zusammenhang verteidigte Boetsch die geplante
Portoerhoehung. Der Postregulierungsrat hatte eine Entscheidung
darueber in dieser Woche verschoben. |
3000 Kurden protestieren friedlich in Koeln |
In Koeln haben heute mehr als 3.000 Kurden aus dem Bundesgebiet
und Frankreich fuer eine friedliche Zukunft ihrer Landsleute
demonstriert. Zu dem Protestmarsch hatte die als gemaessigt
geltende Organisation Komka (sp?) aufgerufen. Die Koelner Polizei,
die in der Vergangenheit eine Reihe von gewalttaetigen Demonstrationen
kurdischer und tuerkischer Gruppierungen erlebt hatte, brauchte
heute nicht einzugreifen. |
Fiszman vermutlich tot |
Die Suche nach dem Frankfurter Geschaeftsmann Jakub Fiszman ist heute
frueh wieder aufgenommen worden. Dazu wurden Luftaufnahmen von einem
Waldstueck im Taunus ausgewertet, die Aufklaerungsflugzeuge der
Bundeswehr gestern angefertigt hatten. Das Waldstueck war von dem
Sohn des Hauptverdaechtigen genannt worden, der gestern ausgesagt
hatte, er und sein Vater haetten den am 1. Oktober verschleppten
Fiszman dort versteckt.
Am Nachmittag wurde bekannt, dass Fiszman sehr wahrscheinlich tot
ist. Das Landeskriminalamt in Hessen teilte mit, bei einer Leiche,
die heute in dem durchsuchten Waldstueck entdeckt wurde, handele es
sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Fiszman. Der Tote
haben vermutlich seit 14 Tagen in dem Waldstueck gelegen, weshalb eine
eindeutige Identifizierung noch einige Zeit dauern wuerde.
Ueber die Todesursache konnte das LKA noch keine Angaben machen. |
Erneut Demonstration gegen Castor-Transporte |
Mehrere hundert Atomkraftgegner haben vor dem AKW Neckar-Westheim
demonstriert. Ihr Protest richtete sich gegen die geplanten
Castor-Transporte in das niedersaechsische Atommuellager Gorleben.
In Neckar-Westheim wurden bereits Transportbehaelter beladen. Der
niedersaechsische Innenminister Glogowski erklaerte unterdessen,
es werde in diesem Jahr keine Transport nach Gorleben mehr geben. |
Herzog fordert weitere Auseinandersetzung mit DDR-Unrecht |
Bordeaux. Bundespraesident Herzog hat eine weitere Auseinandersetzung
mit dem in der DDR geschehenen Unrecht gefordert. Wenn die
DDR-Vergangenheit voellig vergessen werde, koenne sie zum Bumerang
und irgendwann wieder zum Problem werden, warnte Herzog vor jungen
deutschen und franzoesischen Journalisten. In Bordeaux beendete er
seinen viertaegigen Staatsbesuch in Frankreich. Da es der erste
offizielle Besuch eine Bundespraesidenten nach der Wiedervereinigung
war, wurde Herzog von ehemaligen Buergerrechtler, wie Baerbel Bohley,
Friedrich Schorlemmer und Joachim Gauck, begleitet. |
Gruene warnen SPD vor Streit um Kanzlerkandidaten fuer 1998 |
Berlin. Die finanzpolitische Sprecherin der Buendnis-Gruenen
Bundestagsfraktion, Scheel, hat die SPD davor gewarnt, die Chance
zu einem Regierungswechsel 1998 durch einen erneuten Streit um den
Kanzlerkandidaten zu verspielen. Scheel sagte in einem Interview
des Senders Freies Berlin, die Finanz- und Steuerpolitik der
Regierung habe die Opposition enger zusammengefuehrt. So haetten
Spitzenvertreter beider Fraktionen gestern zum ersten Mal in einer
gemeinsamen Pressekonferenz auf den Beschluss der Koalition reagiert,
die angekuendigte Senkung des Solidarzuschlages zu verschieben.
Es sei zu hoffen, dass die SPD bei der Vorbereitung des Wahlkampfes
1998 den Wunsch nach einen Machtwechsel in den Vordergrund stelle
und dies nicht durch parteiinternen Streit belaste. |
Mueller-Laute erhaelt Nietzsche-Preis |
Naumburg. Der Philosoph Wolfgang Mueller-Laute ist mit dem ersten
Friedrich-Nietzsche-Preis des Landes Sachsen-Anhalt ausgezeichnet
worden. Der 72jaehrige Wissenschaftler erhalte die mit 30.000 DM
dotierte Ehrung fuer sein philosophisch-wissenschaftliches
Gesamtwerk, teilte die internationale Jury mit. Mueller-Laute lebt
in Berlin und war jahrelang Rektor der kirchlichen Hochschule in
Berlin-Zehlendorf. Er ist Herausgeber der Gesamtausgabe von
Nietzsches philosophischem Werk. |
1. Fussballbundesliga |
VfL Bochum 2-2 1860 Muenchen (Fr) Leverkusen 0-0 VfB Stuttgart (Fr) St. Pauli 2-0 Freiburg M'gladbach 2-0 Hansa Rostock Karlsruhe 1-3 Werder Bremen Schalke 04 2-0 Hamburger SV Arm. Bielefeld 1-4 1. FC Koeln MSV Duisburg 0-0 Duesseldorf Mannschaft Punkte # Tordiff. S U N Tore ======================================================================== 1 VfB Stuttgart 24 11 + 18 7 3 1 28-10 2 Leverkusen 23 11 + 11 7 2 2 25-14 3 B. Muenchen 23 10 + 9 7 2 1 20-11 4 Werder Bremen 19 11 + 11 6 1 4 25-14 5 Dortmund 19 10 + 5 6 1 3 19-14 6 1. FC Koeln 19 11 + 4 6 1 4 19-15 7 Karlsruhe 17 11 + 4 5 2 4 19-15 8 VfL Bochum 17 11 0 4 5 2 16-16 9 Duesseldorf 15 11 - 7 4 3 4 8-15 10 M'gladbach 14 11 + 1 4 2 5 12-11 11 1860 Muenchen 14 11 - 1 4 2 5 19-20 12 Schalke 04 13 11 - 5 3 4 4 11-16 13 Hamburger SV 11 11 - 5 3 2 6 15-20 14 St. Pauli 11 11 - 8 3 2 6 15-23 15 Hansa Rostock 9 11 - 6 2 3 6 12-18 16 MSV Duisburg 9 11 - 7 2 3 6 9-16 17 Freiburg 9 11 - 16 3 0 8 14-30 18 Arm. Bielefeld 7 11 - 8 1 4 6 11-19 |
2. Fussballbundesliga |
SV Meppen 5-4 Mainz 05 (Fr) Mannheim 2-1 Hertha BSC (Fr) Unterhaching 0-0 Uerdingen E. Frankfurt 1-1 VfL Wolfsburg Mannschaft Punkte # Tordiff. S U N Tore ======================================================================== 1 Kaiserslautern 20 10 + 10 5 5 0 14- 4 2 VfL Wolfsburg 18 11 + 7 4 6 1 13- 6 3 Stuttgarter K. 18 10 + 6 5 3 2 15- 9 4 Mainz 05 17 11 + 5 4 5 2 19-14 5 Uerdingen 17 11 + 5 5 2 4 16-11 6 SV Meppen 16 11 + 1 3 7 1 12-11 7 F. Koeln 15 10 + 5 4 3 3 18-13 8 Hertha BSC 15 10 + 5 4 3 3 16-11 9 Unterhaching 15 11 + 2 2 9 0 9- 7 10 E. Frankfurt 13 11 0 3 4 4 13-13 11 C. Zeiss Jena 13 10 0 3 4 3 11-11 12 VfB Leipzig 12 10 - 4 3 3 4 15-19 13 Mannheim 11 11 - 2 2 5 4 17-19 14 FC Guetersloh 11 10 - 7 3 2 5 7-14 15 VfB Luebeck 10 10 - 10 2 4 4 6-16 16 FSV Zwickau 9 10 - 2 2 3 5 9-11 17 RW Essen 7 10 - 14 2 1 7 14-28 18 VfB Oldenburg 6 9 - 7 1 3 5 10-17 |
Das Wetter |
In der Nacht in der Osthaelfte anfangs Schauer, spaeter auch dort
teils klar. Tiefsttemperaturen 8-2 Grad. Morgen Regen, 8-15 Grad.
Die weiteren Aussichten bis Dienstag: In der Suedwesthaelfte
Wolkenauflockerungen und abnehmender Regen. Sonst noch unbestaendig.
Ansteigende Temperaturen. |
Leitartikel der SZ: Ein Herrscher, der nicht regiert |
Von Hans Werner Kilz. Das Jahr 1996 sollte eigentlich das Jahr sein,
in dem Helmut Kohl - freiwillig - seinen Abschied nimmt. Die Diskussion
darueber wurde von ihm vor zwei Jahren selber entfacht und dann schnell
wieder erstickt. Kronprinz Wolfgang Schaeuble, der davon ausgehen
durfte, jetzt Nachfolger zu werden, muss den Kanzler irgendwann wieder
aus einem vagen Versprechen entlassen haben.
Ende des Monats regiert Kohl 14 Jahre, laenger als Konrad Adenauer. Das Ausland naehert sich ihm in Heiligenverehrungen, im Inland werfen sich die publizistischen Gegner von einst, die ihn verhoehnten, ohne ihn wirklich zu kennen, ehrerbietig in den Staub. Kohl triumphiert ueber alle Widersacher innerhalb und ausserhalb seiner Partei. Die Delegierten des CDU-Parteitages werden ihn am Montag in Hannover zum zwoelften Male zu ihrem Vorsitzenden waehlen. Eine Alternative gibt es in der Union nicht mehr. Es grummelt zwar in der eigenen Fraktion. Wer aber wagte, am Denkmal zu ruetteln, beginge politisches Harakiri. Kohl straft alle ab, die nicht parieren, erst mit Liebesentzug, dann mit politischer Kaltstellung. Kohl ist vielleicht kein phantasievoller, aber ein aussergewoehnlich geschickter Politiker. Er akkumuliert Macht, sie scheint ihm wichtiger zu sein als Menschen. Obwohl (oder gerade weil) er innenpolitisch gar nichts bewegt, moegen ihn die Leute. Kohl ist der personifizierte Status quo. Das bedeutet Stillstand und sicher Mehrheiten. Als Kanzler verschafft er den Buergern ein Wohlgefuehl. "Solange er regiert," sagen junge Menschen in Diskussionen, "haben wir noch nie richtig Angst gehabt." Dabei geht von diesem Kanzler, was die politische Zukunft des Landes betrifft, kaum eine Orientierung aus. Die Geborgenheit, die er vermittelt, lullt ein. Einer wie Kohl, der selber sagt, dass er immer wissen muss, was hinten dabei rauskommt, setzt sich nicht gern an die Spitze einer Bewegung, deren Ziele und Erfolgsaussichten ungewiss sind. Abwarten, nach allen Seiten absichern, aus dem Hintergrund Entwicklungen beeinflussen, das liegt ihm mehr, als vorne fuer alle sichtbar zu marschieren, wo das Banner getragen wird. Kohls Regierung liefert keine Analysen und Konzepte zur neuen Rolle Deutschlands: etwa die Bundesrepublik als Leitmodell einer modernen Staates, ein immer noch reiches Land, das keine Kriege fuehrt und Klassenkonflikte zuegelt, das Geld in Universitaeten und Zukunftstechnologien investiert, seine sozialen Errungenschaften verteidigt und als stabile Demokratie ein verlaesslicher Partner wird. Aussenpolitisch endlich ein Deutschland, das nicht mehr zwischen seinen Bestimmungen schwankt: eine in der Einheit Europas verankerte Nation oder doch unerklaerte Erbin imperialer Ambitionen, die der Hohenzollern oder die der Habsburger. Zoegerlich und wankelmuetig Kohl denkt in Begriffen der Geschichte, er hat deutsche Geschichte praegend mitgestaltet. Doch aus Sorge um den Machterhalt verzichtet der Historiker Kohl auf Entwuerfe. Persoenliche Animositaeten, auch wahltaktische Scharmuetzel halten ihn davon ab, rechtzeitig das Richtige zu tun. Er verschleppt unnoetig die Versoehnung zwischen Tschechen und Deutschen, wie er damals nach dem Mauerfall Polens Westgrenze - so schmerzlich es fuer einen deutschen Kanzler gewesen sein mag - sehr spaet und nur auf Druck der Alliierten akzeptierte. In der Innen- und der Wirtschaftspolitik fehlt dem Kanzler das Gespuer fuer heraufziehende Probleme. Viel zu spaet hat er erkannt und ernstgenommen, welche finanz- und sozialpolitischen Reformen notwendig sein wuerden, um den Standort Deutschland zu sichern. Im Streit der Gewerkschaften und Arbeitgeber um die Lohnfortzahlung wussten seine Berater offenbar gar nicht, wieviele soziale Verguetungen tariflich gesichert und damit schwer anzutasten sind. Im nachhinein erscheint der Kanzler als wankelmuetiger Ratgeber und Rueckversicherer, der erst die Unternehmen zu schmerzlichen Kuerzungen ermuntert und dann, bei reichlich Gegenwind, vor einer Aushoehlung des Sozialstaats warnt. Der goldene Schnitt Krisen, die durch Aussitzen nicht zu beheben sind, geht er gar nicht erst an. Laenger als ein Jahr lagen die Steuerreformvorschlaege der Bareis-Kommission auf dem Tisch des Finanzministers, der sie fuer politisch nicht durchsetzbar hielt und angstvoll wegsteckte. Kohl reagierte erst, als der oeffentliche Druck zu stark wurde. Im Streit um die Haushaltssanierung sieht Kohl zu, wie sich seine Koalitionspartner FDP und CSU zermuerben, wartet auf den ihm passenden Zeitpunkt fuer den goldenen Schnitt. Der Koenig herrscht, aber er regiert nicht. Hinter allem, was Kohl _nicht_ anpackt, vermuten seine Zulieferer und Bewunderer noch eine besondere Fuehrungskunst. Entscheidungsschwaeche wird als geschickte Taktik interpretiert, Ideenmangel als weise Zurueckhaltung ausgegeben. Und seine Passivitaet, das Aussitzen, gilt als Ausdruck besonderer Integrationskraft. Kritik in jeder Form, auch wenn sie klug und besorgt daher kommt, wird ignoriert oder abgetan. Diese empfindliche Ungeduld offenbart Kohls groesste Schwaeche. Wer stark ist, fordert Widerspruch heraus, haelt ihn auch aus. Wer nur seine Macht sichert, verarmt. Der Sonnenglanz des Einheitskanzlers ist verblasst, die wachsende Kluft zwischen den Deutschen in Ost und West truebt sein Lebenswerk. Beim Kampf um die Einheit Europas, die er bewundernswert ausdauernd vorantreibt, sind ihm zwei zuverlaessige Mitstreiter, Francois Mitterand und Felipe Gonzales, abhanden gekommen. Zwei Jahre vor der naechsten Bundestagswahl (und seiner sechsten Kandidatur) bestimmt Kohl, der letzte Eurosaurier, nicht mehr die politische Agenda. Der undurchsichtige Chirac, der gelaehmte Major (und wer regiert eigentlich in Italien?) - alles keine Partner, die ihn seinem Lebensziel, der Schicksalsgemeinschaft Europa, garantiert naeherbringen. Was aber dann, wenn der Aufbau Europas in Stocken geraet, wenn die Wirtschafts- und Waehrungsunion verschoben werden muss? Wird dann Kohl, der ueberzeugte Europaeer, sein Amt der Ueberzeugung opfern? Kohl sitzt in der Adenauer-Falle: Er haette glorreich abtreten koennen, hat aber den guenstigsten Zeitpunkt zum Ausstieg verpasst. Alle kurzfristig denkbaren Nachfolger wurden von ihm verschlissen. Helmut Kohl fehlt die Weltlaeufigkeit und die Internationalitaet Helmut Schmidts, die Brillanz und intellektuelle Diskussionsfreude Willy Brandts. Solche Eigenschaften bewahren Politiker nach dem Machtverlust vor Vereinsamung. Brandt fuellte noch fuenfzehn Jahre nach seinem Kanzler-Ruecktritt die Marktplaetze. Schmidt, dem international geachteten Oekonomen, trauen die Deutschen bis heute viel eher als Kohl zu, mit den Problemen der deutschen Einheit fertig zu werden. Helmut Kohl ist von Beruf Kanzler, das hat er von der Pike auf gelernt.
Regierungschefs werden nicht abgewaehlt, weil die Opposition verspricht,
es besser zu machen, sondern nur, wenn das Volk seiner ueberdruessig
ist. Nur wenn er 1998 wieder antritt, darf sich die SPD ueberhaupt eine
Chance ausrechnen, den ersten Bundeskanzler in der Hauptstadt Berlin
zu stellen. |
Quellen |
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